Gästemagazin Grenzenlos Sommer 2017
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08 / HEIMAT 09<br />
Bratimartl<br />
Wöberler<br />
zum Traminer<br />
Jeder Name eine Geschichte<br />
Als es noch keine Landkarten, Stadtpläne und Hausnummern gab, orientierten<br />
sich die Menschen an geografischen Eigenheiten oder an Herkunft und Beruf<br />
der Bewohner. Bis heute sind diese Haus- und Flurnamen erhalten.<br />
Wo gehörst du denn hin?“ Nicht<br />
wenige von uns haben in<br />
der Kindheit diese Frage gestellt<br />
bekommen. Während<br />
Stadtkinder dann brav ihren Familiennamen<br />
nannten, gab der Nachwuchs in ländlichen<br />
Regionen wie dem Land rund um die Zugspitze<br />
besser den „Hausnamen“ an. Sprich:<br />
Wenn einer „Schorsch Huber“ hieß, aber auf<br />
dem „Kreuzerhof“ daheim war, nannte er als<br />
Adresse dann „beim Kreuzer“. Die Geschichte<br />
des Hauses, die sich mit diesem Namen verband,<br />
war – mit Ausnahmen von der Regel –<br />
dicker als das Blut der Familienzugehörigkeit.<br />
Vielerorts im Werdenfelser Land und in<br />
Tirol hat sich dieser Brauch der Zuordnung<br />
bis heute erhalten. Was dem einen oder anderen<br />
Besucher von außerhalb zuerst vielleicht<br />
etwas Kopfzerbrechen bereitet, lässt<br />
sich leicht in eine Art Schatzsuche oder eine<br />
historische Pfadfinderei verwandeln. Aber<br />
die Mühe lohnt sich und macht umso mehr<br />
Spaß, je intensiver man sich damit befasst.<br />
Die Häuser mit Namen<br />
sind vogelwild verteilt.<br />
Heiko Düsterhöft,<br />
Unternehmensberater<br />
Denn es gibt viel zu entdecken. Wer sich<br />
für Hausnamen in Garmisch-Partenkirchen<br />
interessiert, holt sich bei der Tourist Information<br />
am besten den Ortsplan, in den<br />
die historischen Häuser mit Nummer und<br />
Straßennamen eingezeichnet sind. Zu jeder<br />
Adresse gibt es eine eigene Geschichte. „Wir<br />
haben im Augenblick 64 Häuser beschildert“,<br />
berichtet Heiko Düsterhöft, der das Projekt<br />
entwickelt hat und betreut. Eine klare Route<br />
gibt es aber nicht, „weil die Häuser so vogelwild<br />
verteilt sind“, wie der Garmischer<br />
Unternehmensberater erzählt. „Denn wir<br />
haben diese so ausgezeichnet, wie wir die<br />
Genehmigung von den Hauseigentümern<br />
bekommen haben.“ Ein mühsames Unterfangen,<br />
wie Düsterhöft anmerkt, und das<br />
Projekt ist noch längst nicht abgeschlossen.<br />
Die historischen Häuser sind mit informativen,<br />
zweisprachigen Texten und einem<br />
Foto versehen. „Für die Texte haben wir<br />
uns den profilierten Historiker Josef Ostler<br />
geholt, der aber selbst mit seinem Hausnamen<br />
Weißgerber genannt wird“, erzählt<br />
Düsterhöft. Die kleine Herausforderung<br />
dabei: Der Häusername eines historischen<br />
Hauses ist kein Hausname. So steht unter<br />
dem heutigen Juweliergeschäft „Haus<br />
Gerspach“ am Kurpark beispielsweise der<br />
Hausname „Bratimartl“. Beim mit einem<br />
Paradiesfresko verzierten „Haus Adam“ am<br />
Kurpark 20, in dem sich heute eine Buchhandlung<br />
befindet, muss man das Schild auf<br />
der Rückseite suchen. Dort erfährt man, dass<br />
das Haus früher „zum Much“ hieß und ein<br />
hölzernes Bauernhaus war: „1798 hatte das<br />
vorherige Haus Johann Klöck gekauft, der<br />
den Namen ,Much‘ mitbrachte. Das war der<br />
abgewandelte Vorname seines Großvaters<br />
Michael und sein Hausname. 1896 kaufte<br />
es der Druckereibesitzer Alois Adam und<br />
errichtete das Geschäftshaus, das sich nach<br />
seiner Erweiterung Anfang des 19. Jahrhunderts<br />
kaum mehr verändert hat.“ Der Name<br />
blieb erhalten – auch weil es für den Rest der<br />
Gemeinde einfacher war: Wer wusste schon,<br />
wer künftig noch dort einziehen würde?<br />
Jahrhundertealte Datierungen<br />
Auf dem Weg vom Kurpark zum Marienplatz<br />
sollte man sich auch das „Polz‘n Kaspar<br />
Haus“ am Mohrenplatz 2 nicht entgehen<br />
lassen: Seit 1989 beherbergt es die Bücherei<br />
Garmisch. Das schöne Holz-Bauernhaus<br />
trägt die älteste Datierung und wurde 1595<br />
erbaut. „Die letzten Eigentümer waren Anna<br />
und Kaspar Polz, sie verkauften ihr Haus 1924<br />
an die Gemeinde Garmisch-Partenkirchen.“<br />
Etwas weniger Hausnamen sind bislang<br />
in Partenkirchen ausgeschildert. In der<br />
historischen Ludwigstraße allerdings wird<br />
man schnell fündig. Der Gasthof Fraundorfer<br />
unter der Nummer 24 trägt beispielsweise<br />
den Hausnamen „zum Traminer“, da 1813<br />
Josef Rock aus dem südtirolerischen Tramin<br />
in den Nordteil des Hauses einheiratete. Das<br />
Haus „zum Schlamp“ in der Ludwigstraße 47<br />
wiederum, das heute das Werdenfels<br />
Museum beherbergt, gehörte im 19. Jahrhundert<br />
der Familie Samweber. Diese hatte<br />
den Hausnamen Schlamp und das Haus so<br />
gut gebaut, dass es den Marktbrand 1865 als<br />
einziges unversehrt überstand.<br />
Flurnamen statt Navi<br />
Ähnlich wie mit den Hausnamen verhält<br />
es sich mit den Bezeichnungen für Ortsteile<br />
oder Landstriche, im Großen wie im<br />
Kleinen. In Grainau lässt sich heute noch<br />
sehr anschaulich nachvollziehen, wie sich<br />
unsere Vorfahren ohne Landkarte oder Navi<br />
zurechtfanden. Sie orientierten sich an den<br />
Flur namen, die heute noch als „beredte Zeugen<br />
alten und ältesten Volkstums“ gelten,<br />
wie es Hans Holzner in den 1930er-Jahren<br />
in seiner Flurnamensammlung von Grainau<br />
beschreibt. Diese mündlich vergebenen<br />
Ortsbezeichnungen waren sozusagen<br />
Ein Interview mit Thomas Schennach,<br />
Experte für Haus- und Flurnamen in Ehrwald,<br />
lesen Sie in der GRENZENLOS-App.<br />
Gut gerüstet auf Namenstour<br />
Ein gut gepackter Rucksack ist bei einer<br />
Wanderung die halbe Miete. Die Kunst<br />
besteht darin, nicht zu viel, aber auch<br />
nicht zu wenig mitzuschleppen. Aber bestimmte<br />
Utensilien sollten immer dabei<br />
sein, wie auch die Gäste- und Bergwanderführerin<br />
Claudia Gans aus Garmisch-<br />
Partenkirchen in ihrer „Liebeserklärung<br />
an den Rucksack“ auf ihrer Homepage<br />
(http://gapa-guide.de/mein-rucksack)<br />
verrät. Und das muss mit:<br />
Eine Funktionsjacke und eine Regenhose<br />
für den plötzlichen Wetterwechsel,<br />
ein Sonnenhut oder eine Mütze,<br />
eine Regenhülle für den Rucksack.<br />
Ganz wichtig: Erste-Hilfe-Set, dann<br />
Wanderkarte, Isolierband, Sonnenbrille,<br />
Schweizer Messer, Kompass oder GPS-<br />
Gerät, falls man sich verläuft. Nicht vergessen:<br />
Sonnencreme und Lippenpflege.<br />
Das Handy, vielleicht sogar mit kleinem<br />
Ladegerät, Geld und Ausweis. Nicht<br />
vergessen: für eine gemütliche Brotzeit<br />
oder als Durstlöscher zwischendurch eine<br />
Trinkflasche einpacken und natürlich je<br />
nach Geschmack die passende Brotzeit<br />
vielleicht noch mit einem Energieriegel.<br />
Und dann geht’s auf.