Kindernothilfe-Magazin 4/2010 (4 MB)
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Seite 14 HAITI > KINDERNOTHILFE MAGAZIN > 4/<strong>2010</strong><br />
Dass auch etliche private und lokalbehördliche Dokumente<br />
verschüttet sind, führt zu einem weiteren Problem: „Vielerorts<br />
sind die Eigentumsverhältnisse von Grundstücken ungeklärt“,<br />
erklärt der Landesdirektor der <strong>Kindernothilfe</strong>. „Und bevor man<br />
den Schutt beseitigen und den Wiederaufbau starten kann,<br />
musszunächst eruiert werden,wemwasgehört.“EineHerkules-<br />
Aufgabe bei so viel Schutt und so vielen Menschen, die flüchten<br />
mussten.<br />
Dazu kommt, dass nur rund 300 schwere Maschinen zur<br />
Schuttbeseitigung im Land sind. „Bei geschätzten 25 bis 40<br />
Millionen Kubikmetern Trümmer viel zu wenige“, so Jean-<br />
Baptiste. „Unsere Projektgelände konnten wir bereits räumen,<br />
insgesamt sind in Haiti aber erst fünf Prozent des Schutts<br />
beseitigt.“ Die Ingenieure der US-Armee vor Ort schätzen, dass<br />
es sogar noch 20 Jahre dauern könnte, bis alles abgetragen ist.<br />
Der staatliche Betrieb Centre National d’Equipement hingegen<br />
ist zuversichtlicher: Mit 1.000 Lkw brauche man nur drei Jahre.<br />
Was bisher geschafft wurde, ist vor allem den Menschen Haitis<br />
zu verdanken und den Internationalen Organisationen, die<br />
sogenannte „Cash for Work“-Programme ins Leben gerufen<br />
haben: Einheimische helfen mit, die Trümmer mit Schubkarren<br />
zu beseitigen, und werden dafür von den Organisationen<br />
entlohnt. „Auf diese Weise haben wir mit der Gemeinde des<br />
Armen-Bezirks Fort National den riesigen Trümmerberg einer<br />
Schule abgetragen, um auf dem Areal ein Kinderzentrum zu<br />
errichten“, so Jean-Baptiste. „Ein Bagger kam nämlich nicht<br />
durch die kleinen verwinkelten Gassen.“ Dass so etliche<br />
Gegenden von Port-au-Prince freigeräumt werden, hat zugleich<br />
einen weiteren Vorteil: Es kurbelt die die lokale Wirtschaft an.<br />
Das äußerst komplexe Umfeld des Wiederaufbaus bringt immer<br />
wieder schwierige Entscheidungen mit sich. „Es ist ein Drahtseilakt“,<br />
sagt Jürgen Schübelin, Haiti-Koordinator der Kinder-<br />
nothilfe. „Auf der einen Seite muss den Menschen in den Lagern<br />
geholfen werden, aber auf der anderen Seite dürfen wir ihnen<br />
keine Anreize geben, in den Lagern zu bleiben.“ Die <strong>Kindernothilfe</strong><br />
habe deswegen klare Richtlinien aufgestellt: „Die<br />
Kinderzentren, die in den Lagern liegen, wie etwa in Cinéas,<br />
werden nicht als Dauereinrichtungen gebaut. Es geht darum,<br />
den Menschen und vor allem den Kindern in den Lagern Unterstützung<br />
anzubieten, sie aber gleichzeitig auf eine Rückkehr ins<br />
normale Leben vorzubereiten.“<br />
Andernorts hat der Wiederaufbau in Haiti schon ein ganz<br />
anderes Gesicht: Etwa in Coupeau, einem kleinen abgelegenen<br />
Bergdorf südlich von Port-au-Prince. Hier konnte die <strong>Kindernothilfe</strong><br />
bereits eine zerstörte Schule für 80 Kinder wieder neu<br />
aufbauen. Die Gründe: Die Eigentümerfrage war von Anfang an<br />
geklärt und in dem relativ locker besiedelten Gebiet konnten<br />
die Abräumarbeiten schneller vorangetrieben werden.Dennoch<br />
war auch dieser Schulbau keine leichte Aufgabe: Das Dorf ist<br />
„Jetzt haben die Kinder in unserem Dorf endlich<br />
Chancen auf eine gute Bildung“<br />
nur über einen dreistündigen Bergaufstieg zu erreichen. Die<br />
Baumaterialien mussten zu Fuß und mit Maulesel-Karawanen<br />
transportiert werden. So entstand gemeinsam mit den<br />
Bewohnern das erdbebensichere Schulgebäude. Entworfen<br />
hatten es Architekten vom chilenischen Partner Habiterra.<br />
„Jetzt haben die Kinder in unserem Dorf endlich Chancen auf<br />
eine gute Bildung“, erzählt Schulleiter Fenol, „ohne die<br />
Unterstützung der <strong>Kindernothilfe</strong> hätten wir das nie ge-schafft.<br />
Die Schule gibt uns Hoffnung auf eine bessere Zukunft.“<br />
Katja Anger, Beauftragte für Kommunikation und Presse in Haiti<br />
redaktion@knh.de<br />
Weitere Infos zum Wiederaufbau unter:<br />
�www.kindernothilfe.de/wiederaufbau_haiti<br />
In dem abgelegenen Bergdorf Coupeau hat die <strong>Kindernothilfe</strong> bereits eine Schule komplett wiederaufgebaut.