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FernUni Perspektive | Sommer 2017

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Forschung<br />

<strong>FernUni</strong> <strong>Perspektive</strong> Seite 7<br />

Frauen in Spitzen von Großstädten<br />

Neues Genderranking<br />

DFG-Forschungsprojekt<br />

Die Vermessung der Region<br />

Prof. Lars Holtkamp<br />

(Foto: <strong>FernUni</strong>versität, Pressestelle)<br />

Die Stadt Erlangen gewinnt das<br />

Genderranking deutscher Großstädte<br />

<strong>2017</strong> vor den klassischen<br />

Spitzenreiterinnen Trier und Frankfurt<br />

am Main. Das Schlusslicht bildet<br />

Mülheim an der Ruhr. Dies ist das Ergebnis<br />

des mittlerweile vierten Genderrankings<br />

deutscher Großstädte,<br />

das Prof. Dr. Lars Holtkamp, Dr.<br />

Elke Wiechmann und Monya Buß<br />

von der <strong>FernUni</strong>versität in Hagen im<br />

Auftrag der Heinrich-Böll-Stiftung<br />

erstellt haben. Dafür hat das Team<br />

des Lehrgebiets Politikwissenschaft<br />

IV: Politik und Verwaltung 73 Großstädte<br />

mit über 100.000 Einwohnerinnen<br />

und Einwohnern (ohne<br />

Stadtstaaten) anhand ihrer Frauenanteile<br />

an kommunalpolitischen<br />

Führungspositionen – Ratsmitglieder,<br />

Dezernatsleitungen, Ausschuss-<br />

und Fraktionsvorsitze – sowie<br />

für das Oberbürgermeisteramt<br />

verglichen. Die Daten wurden mittels<br />

eines Genderindex gewichtet.<br />

Das vierte Genderranking deutscher<br />

Großstädte innerhalb von knapp<br />

zehn Jahren zeigt ein zwiespältiges<br />

Bild: Innerhalb dieses Zeitraums ist<br />

der Frauenanteil an den Oberbürgermeisterinnen<br />

und Oberbürgermeistern<br />

stark eingebrochen – von<br />

noch 17,7% 2008 auf nunmehr<br />

8,2% <strong>2017</strong>. Der Frauenanteil unter<br />

den Dezernentinnen und Dezernenten<br />

ist dagegen als einzige<br />

politische Spitzenposition stark<br />

und kontinuierlich gestiegen: von<br />

18,5 Prozent 2008 auf 29,1 Prozent<br />

<strong>2017</strong>. Das wissenschaftliche<br />

<strong>FernUni</strong>-Team führt dies darauf zurück,<br />

dass auf diesem Feld die beruflichen<br />

Qualifikationen von Frauen<br />

eine größere Rolle spielen als<br />

bei der Besetzung rein politischer<br />

Ämter. Insgesamt gilt: Frauen sind<br />

gemessen an ihrem Bevölkerungsanteil<br />

in den kommunalpolitischen<br />

Führungsämtern deutscher Großstädte<br />

auch <strong>2017</strong> unterrepräsentiert.<br />

Je wichtiger und mächtiger<br />

Posten sind, desto unwahrscheinlicher<br />

werden sie von Frauen besetzt.<br />

Ein noch stärker polarisiertes Bild ergibt<br />

sich, wenn man die Frauenanteile<br />

in den Stadträten nach Parteien<br />

aufschlüsselt. Spitzenreiter sind<br />

Bündnis 90/Die Grünen mit der Erfüllung<br />

ihrer 50-Prozent-Quote, gefolgt<br />

von der Linken mit 44,4 Prozent<br />

Frauenanteil (Quote 50%) und<br />

der SPD mit 37,3 Prozent (Quote<br />

40%). Die einer Quote verpflichteten<br />

Parteien besetzen auch Fraktions-<br />

und Ausschussvorsitze deutlich<br />

stärker mit Frauen. Auf der<br />

anderen Seite unterbietet die neu<br />

hinzugekommene AfD, die nur in<br />

einigen Bundesländern in den Kommunalparlamenten<br />

vertreten ist,<br />

mit einem Frauenanteil von 11,6%<br />

noch die FDP, die 2008 mit 24,9%<br />

das Schlusslicht gebildet hatte und<br />

seither ihren Anteil nur geringfügig<br />

steigern konnte (auf 26,4% <strong>2017</strong>).<br />

Die CDU erreicht ihr eigenes Quorum<br />

von 33% (als Empfehlung) nur<br />

in 28 von 73 Großstädten.<br />

Die Gewinnerin Erlangen gehörte<br />

schon in der ersten Studie (2008)<br />

zur Spitzentrias. Ein hoher Frauenanteil<br />

unter den Ratsmitgliedern<br />

setzt sich auch in den weiteren<br />

politischen Spitzenpositionen fort.<br />

„Hier übererfüllen die Parteien mit<br />

verbindlicher innerparteilicher Quote,<br />

Grüne und SPD, ihr Soll“, erklärt<br />

Prof. Holtkamp.<br />

Köln hat mit Henriette Reker eine<br />

der wenigen deutschen Oberbürgermeisterinnen.<br />

(Foto: Stadt Köln, Danny Frede)<br />

Wenn die Politik den Frauenanteil<br />

in Kommunalparlamenten und<br />

kommunalen Spitzenpositionen in<br />

vertretbarer Zeit erhöhen möchte,<br />

bleibt als Maßnahme nur die gesetzlich<br />

festgelegte Quote. „Ohne<br />

die Quote würde es noch 128 Jahre<br />

dauern, bis eine paritätische Besetzung<br />

kommunaler Ratsmandate mit<br />

Frauen und Männern erreicht wäre<br />

– wenn man die Entwicklung von<br />

2008 bis <strong>2017</strong> in die Zukunft fortschreibt,“<br />

sagt Sabine Drewes, Referentin<br />

für Kommunalpolitik und<br />

Stadtentwicklung der Heinrich-Böll-<br />

Stiftung.<br />

Die neue Studie und ihre Vorläuferinnen<br />

sind zu finden unter<br />

www.boell.de.<br />

Proe<br />

Was stellt man sich eigentlich unter<br />

einer Landkarte vor? Aus heutiger<br />

Sicht erscheint die Antwort auf diese<br />

Frage selbstverständlich: eine schematische<br />

und sachliche Landschaftsdarstellung,<br />

korrekt genordet und<br />

absolut maßstabsgetreu. Die modernen<br />

Standards sind jedoch nicht<br />

selbstverständlich. Um sie zu entwickeln,<br />

bedurfte es zunächst der Pionierarbeit<br />

frühneuzeitlicher Kartenmacher.<br />

Ihr Blick fiel dabei nicht selten<br />

vor die eigene Haustür, auf den<br />

regionalen Raum.<br />

Historischem Kartenmaterial, das<br />

die Region Westfalen abbildet, wendet<br />

sich nun ein Forschungsprojekt<br />

der <strong>FernUni</strong>versität in Hagen zu. Es<br />

trägt den Titel „Chorographie zwischen<br />

Mimesis und Metrik: Handgezeichnete<br />

regionale Landkarten<br />

in Westfalen (1450-1650)“ und<br />

wird für die nächsten drei Jahre<br />

von der Deutschen Forschungsgemeinschaft<br />

(DFG) gefördert. Geleitet<br />

wird das Vorhaben von Prof. Dr.<br />

Felicitas Schmieder vom Lehrgebiet<br />

Geschichte und Gegenwart Alteuropas<br />

der <strong>FernUni</strong>versität. Die wichtigste<br />

Grundlage für die Kartenforschung<br />

bilden die Bestände des Landesarchivs<br />

in Münster.<br />

Handgezeichnete Unikate<br />

Die meisten der handgezeichneten<br />

Untersuchungsobjekte sind Unikate,<br />

angefertigt für ganz bestimmte<br />

Zwecke: Am häufigsten wurde<br />

das Kartenmaterial in juristischen,<br />

ökonomischen oder administrativen<br />

Kontexten verwendet. Doch auch<br />

repräsentative Absichten wurden<br />

verfolgt. So nutzten Herrscher die<br />

Landschaftsdarstellungen nicht nur,<br />

um sich geographische Klarheit über<br />

ihren Besitz zu verschaffen; sie wollten<br />

gleichermaßen ihre Macht zur<br />

Schau stellen. „Mit der Karte konnte<br />

ein Herr zeigen: Das gehört alles<br />

mir“, erklärt Prof. Schmieder.<br />

Trotz der vielen kriegerischen Konflikte<br />

in der Frühen Neuzeit spielten<br />

militärstrategische Gesichtspunkte<br />

noch keine große Rolle für die Kartographie.<br />

Das bekannte Bild eines<br />

am Kartentisch operierenden<br />

Prof. Felicitas<br />

Schmieder vor der<br />

Reproduktion einer<br />

alten Karte aus dem<br />

Jahr 1525, die das<br />

Flusssystem der<br />

Sorpe im Sauerland<br />

zeigt…<br />

(Foto: <strong>FernUni</strong>versität,<br />

Pressestelle)<br />

Heerführers wie Wallenstein sei eher<br />

ein Klischee, so die Historikerin. Immerhin<br />

gab es einige Darstellungen<br />

von Städtebelagerungen, die<br />

aus der Rückschau Angriffe nacherzählten.<br />

„Viele erste Stadtpläne sind<br />

solche Belagerungspläne“, konstatiert<br />

Prof. Schmieder, stellt aber zugleich<br />

klar: „Der friedliche Konkurrenzkampf<br />

per Karte war wesentlich<br />

verbreiteter.“<br />

...Bei näherer Betrachtung<br />

werden die Unterschiede<br />

zwischen<br />

frühneuzeitlichen und<br />

modernen Karten<br />

deutlich.<br />

(Original: Landesarchiv<br />

Münster,<br />

Foto: <strong>FernUni</strong>versität,<br />

Pressestelle)<br />

Mittelalterliche Spuren<br />

Im Untersuchungszeitraum gab es<br />

noch keine einheitlichen Regeln für<br />

die Produktion von Karten. Kennzeichnend<br />

waren eher die Auslotung<br />

von Möglichkeiten und ein kreativer<br />

Umgang mit dem Medium. „Ich<br />

nenne das eine ‚Experimentalphase<br />

der Kartographie‘“, meint die Forscherin.<br />

Vielen Karten ist der Traditionszusammenhang<br />

mit mittelalterlichen<br />

Konventionen und Darstellungstechniken<br />

noch stark anzumerken.<br />

Zum Beispiel wurden<br />

bedeutsame Landmarken – etwa<br />

eine umstrittene Mühle – ohne<br />

Rücksicht auf tatsächliche Proportionen<br />

größer gemalt. „Wir kennen<br />

so etwas heute noch von Tourismuskarten“,<br />

erinnert Schmieder.<br />

„In der Zeit stellen wir eine schrittweise<br />

Professionalisierung fest“,<br />

führt sie weiter aus. Vermessungstechniken<br />

im modernen Sinn kamen<br />

jedoch noch nicht zur Anwendung.<br />

„Manchmal wurden Wege abgeschritten.<br />

Man hat sich aber auch<br />

einfach auf einen Kirchturm gestellt<br />

und geschätzt“, erklärt Schmieder.<br />

Daher wurden Landschaften selten<br />

in der direkten Draufsicht, sondern<br />

zumeist aus einer schrägen „Vogelschau“<br />

abgebildet. „Diese <strong>Perspektive</strong><br />

erscheint zwar aus heutiger Sicht<br />

falsch, war damals jedoch sinnvoll“,<br />

urteilt Prof. Schmieder.<br />

Entscheidend ist zudem die zusätzliche<br />

Darstellungsdimension der Zeit,<br />

die durch Bildserien oder schriftliche<br />

Legenden umgesetzt wurde.<br />

Schmieder: „Da steht dann etwa<br />

auf der Karte: ‚Hier ist das Loch,<br />

wo einmal der Räuber reingefallen<br />

ist.‘“ Erst im 18. Jahrhundert nimmt<br />

das Material eine moderne, uns vertraute<br />

Gestalt an. „Dadurch wurden<br />

die Karten aber auch langweiliger“,<br />

schmunzelt die Historikerin.<br />

Übergeordnetes Projekt<br />

Die Erkenntnisse zu westfälischen<br />

Karten sollen in ein übergeordnetes<br />

Projekt einfließen. Deshalb kooperiert<br />

Prof. Schmieder mit Forschenden<br />

aus Hannover und Göttingen.<br />

Erklärtes Ziel ist es, aus den<br />

regionalen Einzelbetrachtungen einen<br />

beispielhaften Corpus deutscher<br />

Landkarten zu erstellen. Ferner ist<br />

ein crossmedialer Studienbrief zur<br />

frühneuzeitlichen Kartographie geplant.<br />

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