26.07.2017 Aufrufe

Fine_211_Auszug

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Jahrzehnte später verliebte er sich in ein<br />

Mädchen aus dem Schwarzwald. Nicht der<br />

geringste Vorzug dieser glückhaften Verbindung<br />

war die Bekanntschaft mit den Variationen des<br />

dortigen Schinkens. Das war, weiß Gott, schon<br />

etwas anderes als die Kindheitserinnerung an<br />

das allzu feste Fleisch: Die Fülle der ländlichen<br />

Bouquets, feine Salzigkeit, die zarten Tannenrauch-Aromen<br />

und das saftige, den Wohlgeschmack<br />

rundende Fett machten das gemeinsame<br />

Vespern zu einer lustvollen Schmauserei, zumal<br />

das eine oder andere Kirschwasser seine Wirkung<br />

dazutat. Hätte es schöner sein können?<br />

Nicht, bis er mit ihr nach Italien aufbrach<br />

und dort zwei regionale Spezialitäten entdeckte,<br />

die als Zeugnis italienischer Genusskultur längst<br />

welt berühmt geworden sind: Den Prosciutto<br />

di Parma und den Prosciutto di San Daniele,<br />

ähnliche, aber beileibe nicht identische Produkte<br />

der hohen Metzgerei, die luftgetrocknet, etwas<br />

unterschiedlich in ihrer Reifung bearbeitet, von<br />

Schweinen nur dreier Rassen, die ihrerseits nur in<br />

bestimmten Provinzen der Hal binsel auf wachsen<br />

und nur bestimmtes Futter zu sich nehmen<br />

dürfen – wo rüber bei beiden Sorten ein strenges<br />

consorzio wacht. Er bevorzugte von Beginn an<br />

den mild würzigen Prosciutto di Parma, hauchdünn<br />

geschnitten, gern mit einem Stück fruchtigsaftiger,<br />

reifer Melone. Im eleganten Parma ein<br />

spätes Frühstück in einer Bar zu nehmen, mit ein<br />

paar köstlichen Panini di Prosciutto, und dazu<br />

einen sehr trockenen leichten Lambrusco zu trinken<br />

– das eröffnete dem Tag die angenehmsten<br />

Perspektiven.<br />

Bei der Arbeit: Der Maestro Cortador<br />

Und der Jamón, Spaniens Schinken- Version<br />

als Serrano von der Pata Blanca, der »weißen<br />

Pfote«, vom weißen Hausschwein genommen,<br />

luftgetrocknet und lind gewürzt, dem Prosciutto<br />

di Parma nicht ganz unähnlich? Ach, der unausdenkbaren<br />

Stunden in den Tapas-Bars von<br />

Barcelona, Madrid und Sevilla wird er sich stets<br />

dankbar erinnern, wenn zum Genuss des frisch<br />

aufgeschnittenen Jamón ein kühler Manzanilla die<br />

Kehle spülte und zu immer neuen Bissen befreiend<br />

verleitete!<br />

Und doch: Als er schon glaubte, alles gehabt<br />

zu haben, geschah ihm ein Wunder, das er, wie es<br />

in der Natur von Wundern liegt, einfach nicht<br />

für möglich gehalten hätte. Ihm widerfuhr der<br />

schlichtweg letztmögliche Geschmackskick – mit<br />

einem Schinken, für den diese Bezeichnung als<br />

Beim Erzählen: Der Züchter José Gómez<br />

geradezu grob, ja beinahe ungehörig erscheint.<br />

Dieses Wunder trägt den Namen Jamón Joselito,<br />

und es offenbarte sich ihm im Weinkeller des<br />

<strong>Fine</strong>-Verlagshauses in Wiesbaden. Zu einer<br />

intimen, aber ausladenden Verkostung hatten sich<br />

die Granden des Joselito eingefunden, angeführt<br />

von José Gómez, einem Mann von untersetzter<br />

Statur und selbst bewusster Bescheidenheit –<br />

der Besitzer des riesigen Naturparks Dehesa, auf<br />

dessen Eichengrund die wahrscheinlich glücklichsten<br />

Schweine der Welt weiden, ein paradiesisches<br />

Leben wohl, bis ihre Stunde schlägt. In seiner<br />

Begleitung Jésus García, Joselitos Inter nationaler<br />

Direktor, sowie die Damen und Herren von<br />

Enólogos aus Frechen, die dafür sorgen, dass auch<br />

der Genießer in Deutschland nicht darben muss,<br />

wenn es ihn nach diesen und anderen spanischen<br />

Wohltaten verlangt. Und schließlich ein Meister<br />

in der Kunst, den Schinken so hauchdünn aufzuschneiden,<br />

dass alle Facetten seines Geschmacks<br />

sich schmelzend auf Zunge und Gaumen legen:<br />

ein junger Maestro Cortador. Und damit zum<br />

Allerfeinsten das angemessen Allerbeste kommt,<br />

war auch Vincent chaperon, önologe bei Dom<br />

Pérignon, aus Epernay zur Keller gesellschaft<br />

gestoßen, mit etlichen ausgesuchten Jahrgangsflaschen<br />

im Gepäck: Joselito und Dom Pérignon –<br />

eine Mariage jedenfalls wie eine Fürstenhochzeit.<br />

In vier, im Genuss sich stetig noch steigernden,<br />

Flights tauchte er nun ein in das kulinarische<br />

Ur erlebnis dieser spanisch-französischen<br />

Allianz. Der erste Flight schien ihm schon der<br />

Höhepunkt: Feine Scheiben vom Joselito 2007<br />

zu Dom Pérignon 2002. Wie sich der Schmelz<br />

des perfekt durchmusterten Fleischs, das zart und<br />

süß-nussig mit einem Hauch von Salz den Mund<br />

erfüllte, mit der Mineralität des champagners<br />

verband, schien ihm einzigartig. Wenn er sich<br />

ein kleines Stück Schinken auf den Handrücken<br />

legte und ganz leicht über das Fett strich,<br />

floss es ihm sogleich wie ein feines Öl über die<br />

Haut – ver blüffender, beeindruckender Effekt,<br />

der die Qualität des Produkts gewissermaßen<br />

hand greiflich aufwies. Flight zwei: Joselito 2006<br />

bei Dom Pérignon Œnothèque 1996 – mit einer<br />

ihm kaum möglich erschienenen Steigerung des<br />

extremen Fein geschmacks und der überzeugenden<br />

Verbindung von Schinken und Champagner.<br />

Ähnlich der Joselito 2004, der sich mit dem Wein<br />

perfekt vermählte.<br />

Gern plauderte während des Tastings José<br />

Gómez Geheimnisse der Joselito-Pro duktion aus:<br />

Einmal sind es natürlich die iberischen Schweine,<br />

die im mediterranen Ökosystem der Dehesa in<br />

Freiheit aufwachsen, sich von den Eicheln der<br />

Stein- und Korkeichen sowie von Kräutern nähren<br />

und einen Lebens- und Entfaltungsraum von<br />

vier Hektar pro Tier haben, in dem sie sich zwischen<br />

Oktober und Dezember, wenn die Eicheln<br />

zu Boden fallen, ganz und gar satt fressen. Wird<br />

das riesige Land gehegt? José Gómez lachte: »Die<br />

Schweine sind meine Gärtner«, sagte er, der aber<br />

doch dafür sorgt, dass Jahr um Jahr etwa achtzigtausend<br />

mediterrane Eichen neu gepflanzt<br />

werden – ein gewaltiges privates Aufforstungsprogramm.<br />

Nach der Auswahl der am besten<br />

geeigneten Schweine und dem Schlachten durchläuft<br />

der Schinken bestimmte Prozeduren des Salzens,<br />

des Ruhens und Ent wässerns, des Einziehens<br />

der bekömmlichen feinen Fette in die Fasern des<br />

Muskelfleischs und immer wieder des ruhigen Reifens,<br />

damit alle Aromen und sensorischen Merkmale<br />

ganz zur Wirkung kommen können. Die<br />

Aromen qualitäts kontrolle durch einen Schinkenmeister<br />

beendet die Entwicklungsphase dieses<br />

(auch höchst gesunden) Naturprodukts, dessen<br />

Vintage- Kriterien ebenfalls ganz von der Natur<br />

gesetzt werden.<br />

Den Gipfel des Genusses sollte er aber<br />

erst jetzt, im vierten Flight, erklimmen,<br />

da ihm die ultimative Erfahrung geschenkt wurde:<br />

Mit einigen Schnitzen des Ibérico de Bellota<br />

Joselito Gran Reserva Vintage 2004 kamen Stücke<br />

eines Schinkens auf den Teller, den es überhaupt<br />

nur, jedenfalls noch bis dahin, fünfundfünfzig<br />

Mal gibt. (Er wird für 4 900 Euro nur im<br />

Ganzen verkauft, und seine rund zehn Kilo sollten<br />

auch in einer Gesellschaft an einem Tag verzehrt<br />

werden.) Dazu öffnete Vincent Chaperon eine<br />

Flasche des hinreißenden Dom Pérignon Œnothèque<br />

1969 – und wer immer glaubt, schon alles<br />

über Schinken- und Champagnergenuss zu wissen,<br />

ohne diesen wahrlich überirdischen Akkord<br />

geschmeckt zu haben und ihn in sich hat nachklingen<br />

lassen können, der darf sich freuen: Das<br />

Schönste steht ihm noch bevor. ><br />

Beim Genießen: Vincent Chaperon, Önologe bei Dom Pérignon<br />

96 97<br />

F I N E 2 / 2011 F I N E G o u r m a n d i s e

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!