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Angola vor den Wahlen

Die Fachzeitschrift zum Südlichen Afrika. Afrika Süd liefert kritische Hintergrundanalysen, stellt konkrete Projekte vor und lässt Akteure zu Wort kommen. // THEMENSCHWERPUNKT Angola vor den Wahlen // www.africanclimatevoices.com, www.afrika-sued.org

Die Fachzeitschrift zum Südlichen Afrika. Afrika Süd liefert kritische Hintergrundanalysen, stellt konkrete Projekte vor und lässt Akteure zu Wort kommen. // THEMENSCHWERPUNKT Angola vor den Wahlen // www.africanclimatevoices.com, www.afrika-sued.org

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angola <strong>vor</strong> <strong>den</strong> wahlen<br />

nenbeträge, die ohne jedwede Sicherheiten<br />

an MPla-gran<strong>den</strong> ausgeschüttet wur<strong>den</strong>.<br />

Zudem besteht dort ein erhöhtes Klumpenrisiko,<br />

da vier der fünf größten kommerziellen<br />

Banken direkt oder indirekt von der gleichen<br />

Person kontrolliert wer<strong>den</strong>: Präsi<strong>den</strong>tentochter<br />

Isabel dos Santos.<br />

2016 erließ Präsi<strong>den</strong>t dos Santos auch dekrete,<br />

die zunächst einem von Isabel kontrollierten<br />

Konsortium die rehabilitierung der<br />

Küstenstraße von Corimba (in luanda) zuschanzten<br />

– notabene mit einem Budget von<br />

567 Millionen US-dollar – und ihr dann auch<br />

die verantwortung für <strong>den</strong> großstädtischen<br />

Masterplan für die restrukturierung luandas,<br />

die ausgleichung des Ölsektors und<br />

die restrukturierung der staatlichen Ölirma<br />

Sonangol erteilten. letzteres war jedoch<br />

nur der <strong>vor</strong>letzte Schritt in der ausweitung<br />

von Isabel dos Santos’ Kontrolle über die<br />

Schaltstellen der angolanischen politischen<br />

Ökonomie, da der Präsi<strong>den</strong>t sie im Juni 2016<br />

auch noch zur geschäftsführerin von Sonangol<br />

ernannte – dies natürlich nur Kraft ihres<br />

ausgezeichneten „track record“ als afrikas<br />

erfolgreichste Businessfrau. dass all diese<br />

deals das „gesetz der öfentlichen redlichkeit“<br />

(antikorruptionsgesetz) verletzten,<br />

schien aber weder die Staatsanwaltschaft<br />

noch die gerichte weiter zu beunruhigen.<br />

Trotz einsprüchen von oppositionsparteien<br />

und Bürgervereinigungen wurde die ernennung<br />

ende des Jahres vom obersten gericht<br />

bestätigt.<br />

während die Bevölkerung also seit zwei<br />

Jahren unter devisenknappheit, Importkürzungen<br />

und steil ansteigen<strong>den</strong> lebensmittelkosten<br />

leidet, hat die Familie dos Santos<br />

ihren würgegrif um die lukrativsten und<br />

strategischsten Sektoren der wirtschaft verstärkt,<br />

wohl auch um sicherzustellen, dass<br />

wer auch immer die politische nachfolge<br />

von dos Santos antritt, wirtschaftlich von<br />

<strong>den</strong> gna<strong>den</strong> seiner Familie abhängig sein<br />

wird.<br />

Blasser Nachfolger J-Lo<br />

So wirft <strong>den</strong>n auch die Kandidatur João<br />

lourenços unter dem <strong>vor</strong>zeichen der „Kontinuität<br />

im wandel“ mehr Fragen als antworten<br />

auf. lourenço wurde <strong>vor</strong> zehn Jahren<br />

WACHSENDE UNZUFRIEDENHEIT, WACHSENDES POLITISCHES BEWUSSTSEIN?<br />

Viele <strong>Angola</strong>nerinnen und <strong>Angola</strong>ner sind zunehmend unzufrie<strong>den</strong> mit dem Diskurs der<br />

Stabilität und des Frie<strong>den</strong>s, <strong>den</strong> die Regierung wie eine Waffe gegen jegliche Kritik ausspielt,<br />

da sie die vielbeschworenen „Früchte des Frie<strong>den</strong>s“ in ihrem Alltagsleben kaum spüren. „Die<br />

<strong>Angola</strong>ner haben es satt, sie wollen einfach ein normales Leben. Während so vieler Jahre hatten<br />

wir ein abnormales Leben (wegen des Krieges), jetzt wollen wir einfach in der Lage sein,<br />

einen Kaffee zu trinken, in einem Geschäft Essen zu kaufen und unsere Kinder zur Schule zu<br />

schicken.“ So hört man es auf der Straße. Doch genau diese Art von Normalität ist für viele zunehmend<br />

außerhalb ihrer Reichweite; speziell nun, wo die Ölpreiskrise die Preise in die Höhe<br />

schießen lässt. Und so wird der wachsende Abgrund zwischen der populistischen Rhetorik der<br />

MPLA und der Lebenswirklichkeit der meisten Bürgerinnen und Bürgern überdeutlich.<br />

Der sichtbarste Ausdruck dieser Unzufrie<strong>den</strong>heit sind die revús (Abk. v. Revolutionäre), die<br />

„<strong>Angola</strong> 15+2“- Aktivisten, die für friedliche Regimeänderung demonstrieren. Diese saßen 2015<br />

monatelang in Haft und wur<strong>den</strong> dann Anfang 2016 in einem Schauprozess zu hohen Haftstrafen<br />

wegen „Angriffs auf die Sicherheit des Staates und Bildung einer kriminellen Vereinigung“<br />

verurteilt. Sie wur<strong>den</strong> wenig später im Zuge einer Generalamnestie freigelassen, da der<br />

Prozess für das Image des Regimes eine Katastrophe war.<br />

In <strong>den</strong> letzten zwei Jahren verbreitet sich die Unzufrie<strong>den</strong>heit auch unter <strong>den</strong>en, die bislang<br />

als Nutznießer und Unterstützer des Regimes galten, eine etwas besser gestellte städtische<br />

Mittelschicht, die <strong>den</strong> Nachkriegs-Status-Quo bisher akzeptiert hatte. Diese spüren, dass die<br />

MPLA ihre ursprünglich verkündeten Werte der Solidarität und sozialen Verbesserung für alle<br />

verraten hat und sich nur um die Bereicherung einer kleinen, raubgierigen Elite kümmert.<br />

Und sie sind nicht länger bereit, die Augen zu verschließen, wenn die Regierung mit Gewalt<br />

Aktivisten unterdrückt, die zum Teil aus ihrer eigenen sozialen Klasse kommen.<br />

Wir können nur spekulieren, ob und wie sich dieses neue politische Bewusstsein in manipulierten<br />

<strong>Wahlen</strong> ausdrücken wird. Was wer<strong>den</strong> die tun, die bisher vom System profitiert haben,<br />

wenn der Präsi<strong>den</strong>t abtritt? Und auch eine kritischere, gut ausgebildete jüngere Generation<br />

fürchtet sich <strong>vor</strong> einem etwaigen „chaotischen“ Regimewechsel und dem Funken, der das Pulverfass<br />

der armen Massen entzündet. Allerdings können wir <strong>den</strong> etwas freieren und offeneren<br />

Ausdruck dieser Unzufrie<strong>den</strong>heit fürs Erste als Zeichen eines zögerlichen politischen Erwachens<br />

deuten, in dem <strong>Angola</strong>nerinnen und <strong>Angola</strong>ner ihre konkreten politischen Ansprüche<br />

auf eine neue, gerechtere soziale und wirtschaftliche Ordnung formulieren.<br />

>> Jon Schubert<br />

afrika süd wahldossier angola 2017 5

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