HEINZ MAGAZIN DORTMUND 02-2017
HEINZ Magazin Februar 2017, Ausgabe für Dortmund
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KINO<br />
ÜBERSICHT<br />
<strong>HEINZ</strong>-AUTOR<br />
STUDIOCANAL, JÜRGEN OLCZYK<br />
WA(H)RE GESCHICHTE<br />
Blind Date mit dem Leben<br />
■ Mit der Wahrheit von „wahren Geschichten“<br />
ist das so eine Sache auf der Leinwand.<br />
Jedenfalls hat sich Regisseur Marc Rothemund<br />
für eine ebenso freie wie süffige Version<br />
der Geschichte von Saliya Kahawatte<br />
entschieden. Trotz einer starken Sehbehinderung<br />
nach einer Netzhautablösung mogelte<br />
sich Saliya in den Ausbildungsgang zum<br />
Hotelmanager. Mit Fleiß, Disziplin und einer<br />
extremen Merkfähigkeit gelang es ihm, sein<br />
Handicap zu verbergen. Er machte Karriere,<br />
15 Jahre arbeitete er als Restaurantchef und<br />
Barkeeper, ohne dass seine Behinderung auffiel.<br />
Heute ist er Unternehmensberater und<br />
Coach. Die Filmversion verlegt die Geschichte<br />
von Hamburg nach München, konzentriert<br />
sich auf eine turbulente Ausbildung mit Slapstick-Einlagen,<br />
addiert eine Liebesgeschichte<br />
und schwächt die Kehrseite mit Alkohol und<br />
Drogen dezent ab: also Wahrheit light. pk<br />
❚ MEIN BLIND DATE MIT DEM LEBEN D 2016, 111 Min.,<br />
Regie: Marc Rothemund, mit: Kostja Ullmann, Jacob<br />
Matschenz, Anna Maria Mühe; Start: 26.1.<br />
OSSI-EXPENDABLES<br />
Kundschafter des Friedens<br />
■ Für die deutsch-deutsche Schlapphut-<br />
Variante von Hollywoods Action-Rentner-<br />
Mission „The Expendables“ schickt Robert<br />
Thalheim eine deutsch-deutsche Altstar-Topriege<br />
auf die angestammte Seite des Eisernen<br />
Vorhangs. Das nationale Versöhnungsprojekt<br />
der einstigen Klassenfeinde kommt als realkapitalistische<br />
Politsatire mit mittelprächtigem<br />
Schmunzelfaktor daher. Der BND steckt<br />
mächtig in der Klemme, weil Topagent Kern<br />
einen Einsatz im fiktiven Katschekistan vermasselt<br />
hat und mit dem Präsidenten der Ex-<br />
Sowjetrepublik verschwunden ist. Um eine<br />
politische Krise zu vermeiden, bittet der BND<br />
nun den ehemaligen DDR-Spion Falk wegen<br />
seiner Landeskenntnisse im sozialistischen<br />
Bruderland um Hilfe. Für den lange kaltgestellten<br />
Rentner bietet sich die Chance, mit<br />
einem Team alter Kollegen eine Rechnung<br />
mit dem Intimfeind Kern zu begleichen. pk<br />
❚ KUNDSCHAFTER DES FRIEDENS D 2016, 93 Min.,<br />
Regie: Robert Thalheim, mit: Henry Hübchen, Michael<br />
Gwysdek, Jürgen Prochnow, Thomas Thieme; Start: 26.1.<br />
2015 TOM TRAMBOW<br />
PHILIPP KOEP<br />
Schmunzeln und<br />
Fremdschämen<br />
Ehe im Frühjahr „Das<br />
merkwürdige Verhalten<br />
geschlechtsreifer Großstädter<br />
zur Paarungszeit“<br />
wieder einsetzt, sollten sich<br />
die „Bobos“ vielleicht im<br />
Kino noch einmal über die<br />
besonderen Herausforderungen<br />
des Elterndaseins<br />
im latte-macchiatisierten<br />
Altbauviertel orientieren.<br />
„Was hat uns bloß so<br />
ruiniert?“ mag da filmkomische<br />
Aufklärungsarbeit<br />
leisten, für alle anderen gilt:<br />
genüssliche Fremdhäme,<br />
früher auch Schadenfreude<br />
genannt (siehe Story, Start:<br />
9.2.). Knapp zwanzig Jahre<br />
nach dem eher bescheidenen<br />
Filmkomödiendebüt<br />
mit dem legendären<br />
Titel vom „merkwürdigen<br />
Verhalten“ bleibt sich Marc<br />
Rothemund mit „Mein Blind<br />
Date mit dem Leben“ (26.1.)<br />
treu: Probleme werden mit<br />
einem glatten Filmschmunzeln<br />
abgehandelt. Zum<br />
Schmunzeln laden auch die<br />
„Kundschafter des Friedens“<br />
ein: deutsch-deutsche<br />
Klassenfeindschaft als<br />
Rentner-Klamauk (26.1.).<br />
Philipp Koep<br />
ROGER ARPAJOU<br />
SEX, DROGEN, GEWALT UND INTRIGEN<br />
Suburra<br />
WEIBLICHE WISSENSCHAFTLERINNEN<br />
Unerkannte Heldinnen<br />
■ Der Bordcomputer der Mondlandekapsel<br />
hatte 1969 bekanntlich eine deutlich geringere<br />
Rechenkapazität, als wir sie heute mit<br />
dem Mobiltelefon täglich in der Hand halten.<br />
Weniger bekannt ist die Tatsache, dass die<br />
hauptsächliche Rechenleistung im Apollo-<br />
Programm der NASA von einer ganzen Reihe<br />
schwarzer Mathematikerinnen getragen<br />
wurde. Mit dem doppeldeutigen Titel leistet<br />
der Film eine späte Würdigung der Leistung<br />
■ Das „dunkle Herz Roms“ könnte kaum finsterer<br />
sein, als es „Gomorrha“-Regisseur Stefano<br />
Sollima für diesen Pilotfilm der projektierten<br />
gleichnamigen Netflix-Serie zeigt. Angesiedelt<br />
in den letzten Tagen der Berlusconi-<br />
Ära schildert der Film ebenso bildgewaltig<br />
wie drastisch die engen Verbindungen von<br />
Politik, Mafia und Kirche in einem düsteren<br />
Wirbel aus Sex, Drogen, Gewalt und Intrigen.<br />
Der einstige Hafen Roms soll in ein italienisches<br />
Las Vegas verwandelt werden. Filippo<br />
Malgradi ist ein mit allen Wassern gewaschener<br />
Politiker, doch seine Schwäche für Drogenpartys<br />
mit minderjährigen Prostituierten<br />
macht ihn erpressbar. Das „Problem“ soll auf<br />
die „übliche Weise“ „geregelt“ werden, doch<br />
diesmal gerät die Sache vollkommen außer<br />
Kontrolle. Um die lukrativen Casinostadt-Pläne<br />
entbrennt ein Unterweltkrieg mit Verbindungen<br />
nach ganz oben.<br />
pk<br />
❚ (SUBURRA) I/F 2016 135 Min., Regie: Stefano Sollima,<br />
mit: Pierfrancesco Favino, Elio Germano, Claudio Amendola,<br />
Alessandro Borghi; Start: 26.1.<br />
<strong>2017</strong> TWENTIETH CENTURY FOX<br />
KURIOSE STRANDPROMENADE<br />
Die feine Gesellschaft<br />
■ Das französische Kino setzt seit den Erfolgen<br />
der „Sch’tis“ und der „ziemlich besten<br />
Freunde“ weiter auf den nationalen Culture<br />
Clash. Doch mit eher süffigen Feelgood-Plattitüden<br />
hat Bruno Dumont („L’Humanité“)<br />
nichts im Sinn. In seinem schrillen Abgesang<br />
auf die Belle Epoque ist es jedenfalls nicht<br />
weit her mit Erholung und Strandidylle, die<br />
die vornehmen Städter an der Normandie-<br />
Küste suchen. Man schreibt das Jahr 1910,<br />
und das rätselhafte Verschwinden einiger<br />
Touristen beschäftigt die etwas überforderte<br />
Polizei. Derweil ist Familie van Peteghem<br />
u.a. mit ihrem exzentrischen Töchterchen Billie<br />
beschäftigt, die sich ausgerechnet in den<br />
seltsamen Fischersohn-Lümmel verliebt. Alles<br />
andere als eine leichte französische Sommerkomödie<br />
präsentiert Dumont mit illustrer<br />
Besetzung. Dabei wirkt das karikaturenhafte<br />
Gesellschaftsporträt eher wie eine skurrile<br />
Knallchargennummer.<br />
pk<br />
❚ DIE FEINE GESELLSCHAFT (La Loute) F/D 2015,<br />
123 Min., Regie: Bruno Dumont, mit: Fabrice Luchini,<br />
Juliette Binoche, Valeria Bruni Tedeschi; Start: 26.1.<br />
weiblicher Wissenschaftler zu einer Zeit, als<br />
schwarze Schüler in den Südstaaten noch ihr<br />
Recht auf Bildung erkämpfen mussten. Im<br />
Schatten der weißen Astronauten wie John<br />
Glenn mussten Katherine Johnson, Dorothy<br />
Vaughan und Mary Jackson über 50 Jahre auf<br />
diese Anerkennung warten. Als schwarzer<br />
Beitrag zur Revision der weißen Geschichte<br />
Amerikas bleibt der Film jedoch sehr brav im<br />
herzerwärmenden Feelgood-Modus. pk<br />
❚ UNERKANNTE HELDINNEN (Hidden Figures) USA 2016,<br />
127 Min., Regie: Theodore Melfi, mit: Taraji P. Henson,<br />
Octavia Spencer, Janelle Monáe, Glen Powell; Start: 2.2.<br />
KOCH FILMS GMBH<br />
50 | <strong>HEINZ</strong> | <strong>02</strong>.<strong>2017</strong>