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HEINZ Magazin Essen 08-2016

HEINZ Magazin August 2016, Ausgabe für Essen

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MARS DISTRIBUTION, REGAN MACSTRAVIC<br />

MARS DISTRIBUTION, WILSON WEBB<br />

Die Freiheit steht im Wald –<br />

Wirre, Wilde und „Walden“<br />

Während im Kino die baumlosen Prärien und die grenzenlose<br />

Weite des Westens den Sehnsuchtsraum Amerika beschreiben,<br />

bleibt der Wald immer noch Sinnbild der Freiheit, die die englischen<br />

Siedler einst jenseits des Atlantiks suchten. Es dauerte immerhin<br />

noch zwei Jahrhunderte, bis die Weißen in den „Wilden<br />

Westen“ vordrangen. Bis dahin mussten die ersten Kolonisten in<br />

den Wäldern des Ostens überleben lernen. Das gelang nicht immer<br />

und oft nur mit Hilfe der Waldindianer, woran heute noch<br />

Thanksgiving Day erinnert: Truthahn und Maisbrot lernten die<br />

Siedler erst in der Neuen Welt kennen. Die Natur wurde dann<br />

auch zum (Be-) Gründungselement der Vereinigten Staaten, von<br />

ihr leiteten die Philosophen der Aufklärung die politisch legitime<br />

Alternative zum Gottesgnadentum des Feudalismus ab. So verlor<br />

der englische König seine Kolonie und noch vor der Französischen<br />

Revolution wurde zwischen den Blockhütten der Siedler<br />

die erste moderne Republik gegründet.<br />

Als sich die weiße Zivilisation an der Ostküste etablierte, wanderte<br />

der Traum der Freiheit nach Westen in die Wildnis. Während<br />

die Indianer tatsächlich rücksichtslos verdrängt wurden, verklärte<br />

sie der Mythos zum edlen Wilden und beschwor das Ideal von<br />

der Natur. Mitte des 19. Jahrhunderts schrieb Henry David Thoreau<br />

mit „Walden oder Leben in den Wäldern“ das Manifest der<br />

Rückbesinnung auf die Natur. Der Selbsterfahrungsbericht eines<br />

Lebenssinnsuchenden aus einer abgelegenen Waldhütte wurde<br />

eins der einflussreichsten Bücher Amerikas. Die Naturschutzbewegung<br />

fand in Thoreau ebenso einen Vordenker wie Mahatma<br />

Gandhi und die Bürgerrechtsbewegung in seinen Ideen zum zivilen<br />

Ungehorsam.<br />

So wurde der Wald zum Rückzugsgebiet der Freiheit für Hippie-<br />

Aussteiger wie Captain Fantastic. Aber nicht nur für zivilisationskritische<br />

Weltverbesserer, sondern auch für diverse ultrarechte<br />

Milizen, die sich die amerikanische Freiheit aufs Banner ihrer bizarren<br />

Wehrsportgruppen geschrieben haben.<br />

Der Schauspieler Matt Ross, der bisher mit seinem Affären-Tagebuch<br />

„28 Hotel Rooms“ auch als Regisseur hervorgetreten ist, wechselt<br />

in seiner zweiten Regiearbeit nun zum Roadmovie. Die unkonventionelle<br />

Reisegesellschaft erinnert mit diversen komischen Einlagen<br />

– nicht nur wegen einer Leiche als Passagier – an die schräge Expedition<br />

von „Little Miss Sunshine“. Der späte Auftritt der buntgemischten<br />

Truppe in der Friedhofskapelle lässt an das spektakuläre Veto in der<br />

Trauung von „Die Reifeprüfung“ denken.<br />

Und der Superheld Captain Fantastic? Wenn das überhaupt der von<br />

Viggo Mortensen gefühlvoll gespielte Familienchef sein soll, dann<br />

erkennt er, dass er sich irgendwie mit dieser verpönten Gegenwelt<br />

arrangieren muss. Da ist sein Sohn Bodevan, der heimlich die Annahme-Schreiben<br />

von sämtlichen Elite-Unis hortet, aber mit dem ersten<br />

Liebeserlebnis völlig überfordert ist. Der kleine Rellian würde lieber<br />

mit seinen Cousins Killerspiele an der Konsole zocken als weiter mit<br />

dieser amerikanischen Kelly-Family herumzuziehen. Und schließlich<br />

droht der verbitterte Schwiegervater Jack, den Witwer seiner Tochter<br />

und Vater seiner Enkel verhaften zu lassen. Keine guten Aussichten,<br />

um irgendwie an die Asche der Verstorbenen zu kommen, die bestimmungsgemäß<br />

verstreut sein soll.<br />

Auch für dieses Problem findet das Drehbuch von Matt Ross eine<br />

vordergründig versöhnliche, aber hintergründig rabenschwarze Lösung.<br />

Sein „Captain Fantastic“ bleibt eine verschrobene Mischung aus<br />

Musterpapa und Sozialrebell im Spannungsfeld des Amerikanischen<br />

Traums zwischen Vision und Realität.<br />

philipp koep<br />

❚ (CAPTAIN FANTASTIC) USA <strong>2016</strong>, 118 Min., Regie u. Buch: Matt Ross, mit: Viggo Mortensen, Steve<br />

Zahn, Frank Langella, Missy Pyle, Kathryn Hahn, George McKay, Samantha Isler; Start: 18.8.<br />

„Mehr Frauen<br />

geht kaum,<br />

mehr Almodóvar<br />

auch nicht.“<br />

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG<br />

Ein Film von Almodóvar<br />

www.julieta-derfilm.de<br />

Ab 4. August<br />

im Kino<br />

<strong>08</strong>.<strong>2016</strong> | <strong>HEINZ</strong> | 53

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