HANSEstyle 3 | 2017
HANSEstyle – Mode, Kultur, Genuss. Hamburg
HANSEstyle – Mode, Kultur, Genuss. Hamburg
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STADTGESCHICHTE(N)<br />
STADTGESCHICHTE(N)<br />
Museum der Arbeit: draußen der Bagger,<br />
drinnen ein Kindergeburtstag<br />
innen ein wuchtiger Hochaltar und an<br />
den Säulen im Mittelschiff lebensgroße<br />
Statuen der Katharina von Siena sowie<br />
der Ordensstifter Dominikus und Albertus<br />
Magnus.<br />
Wie der Heilige Geist von Bernebeke<br />
zu den Oberalten kam<br />
An dieser Stelle noch ein kurzer Rückblick<br />
in die Stadtgeschichte: 1355 hatte<br />
Graf Johann von Holstein das Dorf<br />
Bernebeke an das Hospital zum Heiligen<br />
Geist in Hamburg verkauft. Das Katholische<br />
Stift wurde nach der Reformation<br />
in eine weltliche Stiftung umgewandelt<br />
und den Kirchenältesten der vier protestantischen<br />
Kirchspiele, dem Kollegium<br />
der Oberalten, unterstellt. Die ließen in<br />
der Dorfmitte Barnbeks, ungefähr am<br />
heutigen Barmbeker Markt, ein Herrenhaus<br />
errichten. Das stand allein den<br />
Oberalten und ihren Familien offen,<br />
und später auch dem ‚Stadtadel’ Hamburgs.<br />
Dort konnten deren Angehörige<br />
die Sommerfrische genießen und auch<br />
tüchtig feiern. Im Volksmund wurde es<br />
daher als ‚Lusthaus’ verspottet. Ende<br />
des 19. Jahrhunderts musste dies Herrenhaus<br />
dem Bau der Heiligen-Geist-<br />
Kirche weichen. Sie wurde im Krieg<br />
ebenfalls schwer getroffen und musste<br />
2008 wegen zu hoher Renovierungskosten<br />
bis auf einen Rest abgebrochen werden.<br />
Dieses kleine Überbleibsel vom früheren<br />
Ostflügel wurde dann in den Bau<br />
des Barmbeker Turmhauses integriert.<br />
An der Hufner- / Ecke Brucknerstraße.<br />
Soweit Barmbek-Süd.<br />
Über die Brücke Hufnerstraße erreiche<br />
ich nun jenseits des Osterbekkanals<br />
Barmbek-Nord und das Museum der<br />
Arbeit. Kleine Pause auf der Terrasse<br />
Die Barmbeker Jungs von der T.R.U.D.E.:<br />
(v. l.) Holger Völsch,<br />
Michael Bertrang und Jens Guthnow<br />
des Restaurants T.R.U.D.E. auf dem<br />
Museumshof. Dort kann ich per Zufall<br />
ein kleines Familienrätsel lösen. Der<br />
Schwager meiner Mutter, ein Zollbeamter<br />
in Hamburg – seine Familie wohnte<br />
bis zur Ausbombung in der Weidestraße<br />
– bezeichnete seine Frau stets als „min<br />
basch Deern“, für Nicht-Hamburger<br />
nicht so recht verständlich. Als wir das<br />
Restaurant verlassen, kommen uns zwei<br />
ältere Herren entgegen, aus Richtung<br />
des riesigen Schneidrads TRUDE (Tief<br />
Runter Unter Die Elbe), mit dem eine der<br />
Elbtunnelröhren gebohrt worden war.<br />
Mit Blick auf eine junge, fesche Bedienung<br />
auf der Terrasse schnalzt der eine<br />
mit der Zunge und murmelt hörbar:<br />
„Een basch Deern, nöch.“ Was mich neugierig<br />
machte, und so frage ich nach der<br />
Bedeutung. Geradezu mitleidig schaut<br />
er mich an und antwortet: „Na, is doch<br />
ne kesse Deern, ne flotte Motte.“<br />
… dort wohnte<br />
jene selbsbewusste<br />
Spezies Buttjes …<br />
Das Museum der Arbeit in den Fabrikgebäuden<br />
der ehemaligen New-York Hamburger<br />
Gummi-Waaren Compagnie<br />
werden wir an einem anderen Tag besuchen.<br />
Und uns genügend Zeit nehmen,<br />
um mehr über die Industrialisierung<br />
der Stadt zu erfahren. Und über die Lebensgeschichten<br />
der hier arbeitenden<br />
Menschen.<br />
Östlich der Fuhlsbüttler Straße stößt<br />
man auf Straßennamen wie Adler-,<br />
Drossel-, Geier-, Habicht-, Schwalben-,<br />
Star- oder Wachtelstraße, auf Dohlen-,<br />
Kranich-, oder Pfauenweg. Diese Namen<br />
wurden in Gedenken an den Naturkundler<br />
und Vogelliebhaber Gerhard<br />
Heinrich von Essen ausgewählt. Von<br />
Essen, der in Barmbek-Süd zwischen<br />
Hamburger Straße und Dehnhaide, dort<br />
wo sich heute die Vogelweide befindet,<br />
den Essenschen Park mit einem Gartenlokal<br />
betrieb. Der bewahrte während<br />
der Franzosenzeit Barmbek vor der<br />
Vernichtung, gegen Zahlung von 1.000<br />
Silbertalern. Denn auch Barmbek sollte<br />
damals niedergerissen werden, um freies<br />
Schussfeld für die französische Artillerie<br />
zu bekommen.<br />
Barmbek<br />
von heute<br />
Basch – die Helden<br />
Vor allem im nördlichen Barmbeker<br />
Kiez dieser Vogelstraßen wohnten die<br />
Barmbek Basch, jene selbstbewusste<br />
Spezies Buttjes – mit Mut, Tatendrang<br />
und mit manchmal vielleicht etwas zu<br />
großer Klappe – und ihre coolen Deerns<br />
mit kessem Auftreten. Die gibt es noch<br />
heute, sie prägen noch immer das positive<br />
Bild von Barmbek. Inzwischen viel<br />
Fotos: Ulrike Pfeiffer (1), Museum der Arbeit (1), Trude (2), Ulrich Lindenthal-Lazhar (1)<br />
Multikulti, doch nach wie vor tatkräftige<br />
Barmbek Basch. Wie jene Männer, die<br />
Ende Juli den islamistischen Amokläufer<br />
auf der Fuhlsbüttler Straße mutig<br />
verfolgten, ihn mit Stühlen von weiteren<br />
Attacken abhielten, ihn zu Boden<br />
rangen und der Polizei auslieferten. Die<br />
meisten von ihnen Männer mit Migrationshintergrund.<br />
Barmbek Basch von<br />
heute – die Helden von Barmbek.<br />
Rechts ab von der Haupteinkaufsstraße<br />
in Barmbek-Nord, von der Fuhlsbüttler<br />
Straße, liebevoll als Fuhle bezeichnet,<br />
kommt man zum Habichtsplatz. Rundherum<br />
Wohnblöcke in der für Barmbek<br />
typischen roten Backsteinbauweise.<br />
Alle Häuser hier haben Innenhöfe<br />
und manche Gemeinschaftsgärten.<br />
Fritz Schumacher hatte diese mehrgeschossigen<br />
Wohnquartiere geplant und<br />
durchgesetzt. An seiner Seite der Hamburger<br />
Gartenbaudirektor Otto Linne,<br />
der damals für die Grünanlagen und<br />
Spielplätze verantwortlich zeichnete.<br />
Linne plante mit langen Baumreihen,<br />
geraden Wegen und quadratischen Rasenflächen.<br />
Und wo immer möglich mit<br />
zusammenhängenden Grünzügen dazwischen.<br />
„Großstädtische Wanderwege“,<br />
wie von Schumacher gewollt. Leider<br />
aber wurde der Habichtsplatz 1971 durch<br />
den Ring 2, den sog. Mittleren Ring<br />
durchschnitten und damit in seiner alten<br />
Form zerstört.<br />
Barmbek – eine rot-grüne Wohnstadt<br />
Wandert man den Schwalbenplatz<br />
hinab bis zum Heidhörn, so kann<br />
man dort die Laubenganghäuser<br />
mit ihren Grünanlagen dahinter bewundern,<br />
so vom Architekten Paul<br />
Frank 1931 entworfen und gebaut.<br />
Die neu geschaffene Parkanlage rund<br />
um das ehemalige Wendebecken der damaligen<br />
Schiffsbauversuchsanstalt ist<br />
sicherlich ein Vorzeigeprojekt des Gartenbaus<br />
in Barmbek-Nord. Durch die<br />
früheren Kleingärten führen jetzt Parkwege<br />
mit Ruhebänken. Und von dieser<br />
Grünanlage gibt es einen direkten Verbindungsweg<br />
zum Spielplatz Langenfort<br />
Ecke Lorichsstraße, wo die Kinder sogar<br />
von Skulpturen in Form von Klinkerpferden<br />
begrüßt werden. Auf denen man<br />
munter herumtoben kann.<br />
Noch weiter im Norden hat der Hartzlohplatz<br />
den Krieg relativ unverletzt<br />
überstanden. Rundherum um den Platz<br />
und entlang dem Elligersweg stehen<br />
noch viele der alten Mietshausblöcke<br />
aus rotem Backstein mit ihren ‚Klinker<br />
Strickereien’ als Verzierungen an<br />
den Fassaden. Zurück zur U-Bahnstation<br />
Habichtstraße. Aber bevor ich das<br />
größte aus rotem Backstein gemauerte<br />
Hamburger Wohnviertel jetzt wieder<br />
verlasse, noch ein paar Schritte zur Auferstehungskirche<br />
zwischen Tieloh und<br />
Hellbrookstraße. Fast 100 Jahre ist der<br />
Rundbau mit seiner markanten Kuppel<br />
alt. Über dem malerischen, dreitürigen<br />
Eingangsportal die Büsten von Martin<br />
Luther und Philipp Melanchthon. Innen<br />
ein lichter Kirchensaal mit Empore,<br />
Altarraum und einer Kanzel mit dem<br />
Taufstein davor.<br />
Aber schon am U-Bahnhof Barmbek<br />
steige ich wieder aus, gehe hinüber zur<br />
Osterbekstraße und flaniere hinein in<br />
den Sonnenuntergang, am Osterbekkanal<br />
entlang und vorbei am Johannes-<br />
Prassek-Park und dann über den Kanal<br />
hinweg bis zur Gertigstraße. Wo ich abgeholt<br />
werde.<br />
Fasziniert von Hamburgs Stadtgeschichte:<br />
Autor Heinz H. Behrens<br />
MITTEN IN<br />
BARMBEK – TIPPS<br />
Geschichtswerkstatt Barmbek e.V.<br />
Für alle, die Barmbek erkunden<br />
wollen mit jeder Menge<br />
Veröffentlichungen zur Geschichte<br />
Barmbeks; außerdem regelmäßige<br />
Ausstellungen und Rundgänge<br />
www.museum-der-arbeit.de<br />
T.R.U.D.E.<br />
In unmittelbarer Nähe zum Museum<br />
der Arbeit gibt es Deluxe-Hamburger,<br />
Steaks, Soulfood oder Snacks wie<br />
Flammkuchen und an der Bar tolle<br />
Drinks und Cocktails<br />
www.trude-hh.de<br />
LüttLiv<br />
Schank- und Speisewirtschaft in<br />
der Zinnschmelze mit Speisen aus<br />
saisonalen und regionalen Zutaten;<br />
gehört zum Museum der Arbeit<br />
www.luettliv.de<br />
Restaurant Morgenland<br />
Wer’s orientalisch mag:<br />
Köstlichkeiten aus der türkischen,<br />
arabischen und persischen Küche,<br />
darunter Mezze-Variationen,<br />
Falafel oder Pide<br />
www.morgenland-restaurant.de<br />
Conditorei Café Ulrich Münch<br />
Für Barmbeker Kuchenfreunde:<br />
wunderbare Kuchen, Torten und<br />
Kekse – von ausgezeichneten<br />
Konditoren handwerklich hergestellt;<br />
auf Bestellung auch Motivtorten für<br />
besondere Anlässe<br />
www.conditorei-muench.de<br />
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