FernUni Perspektive | Ausgabe Winter 2017
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Forschung<br />
Seite 8<br />
<strong>FernUni</strong> <strong>Perspektive</strong><br />
„University of<br />
the Future“<br />
Multitasking<br />
„Entscheidend ist nicht wie viel, sondern was!“<br />
Die <strong>FernUni</strong>versität in Hagen ist<br />
auch im internationalen Kontext in<br />
der forschungsbasierten Diskussion<br />
um die Digitalisierung und die daraus<br />
resultierenden Herausforderungen<br />
aktiv: Das Netzwerk „University<br />
of the Future“ tagte auf Initiative<br />
von Dr. Eva Cendon, Mitarbeiterin<br />
im Lehrgebiet Lebenslanges Lernen<br />
an der <strong>FernUni</strong>versität und Mitglied<br />
des Netzwerks, auf dem Campus in<br />
Hagen. Die Forschenden diskutierten<br />
Themen wie Neubestimmung<br />
von Wissen, Zugang zu Hochschulen<br />
und institutionelle Veränderungen<br />
durch Digitalisierung – unter<br />
anderem auch mit Rektorin Prof.<br />
Dr. Ada Pellert bei einer Podiumsdiskussion.<br />
aw<br />
www.fernuni-hagen.de/per62-06a<br />
Tagung „Tangibilität“<br />
Neuer Bericht<br />
Unter dem Titel „Tangibilität. Handgreifliche<br />
Beispiele ästhetischen<br />
Wissens“ beschäftigte sich eine<br />
Fachtagung mit der Rolle von Berührbarkeit<br />
und Tastsinn in philosophischen<br />
Texten seit der Aufklärung<br />
an der <strong>FernUni</strong>versität in Hagen<br />
und an der Ruhr-Universität Bochum.<br />
Ausführliche Informationen<br />
über den Workshop auf dem Hagener<br />
Campus enthält ein Nachbericht<br />
des Hagener Lehrgebiets „Neuere<br />
deutsche Literaturwissenschaft<br />
und Medienästhetik“, der jetzt erschienen<br />
ist.<br />
www.fernuni-hagen.de/per62-06b<br />
Das interdisziplinäre Treffen wurde<br />
gemeinsam von Literaturwissenschaftlerinnen<br />
und -wissenschaftlern<br />
der <strong>FernUni</strong>versität und<br />
der Ruhr-Universität Bochum ausgerichtet.<br />
Dementsprechend teilte<br />
sich das Programm auf beide Hochschulen<br />
auf: Der eintägige Auftakt<br />
fand in Bochum statt. Zum anschließenden<br />
Workshop trafen sich die<br />
Tagungsgäste dann an zwei Tagen<br />
auf dem Hagener Campus.<br />
Die Tagung im Sommer <strong>2017</strong> stand<br />
im Kontext des Forschungsprojekts<br />
„Archiv des Beispiels“ und wurde<br />
auf Hagener Seite von Jessica Güsken<br />
und Prof. Dr. Michael Niehaus<br />
veranstaltet. Die Gastgeber vom<br />
Germanistischen Institut der Ruhr-<br />
Universität Bochum waren Dr. Peter<br />
Risthaus, der zurzeit die Professur<br />
für Neuere deutsche Literaturwissenschaft<br />
und Geschichte der Medienkulturen<br />
an der <strong>FernUni</strong>versität<br />
vertritt, und Prof. em. Dr. Manfred<br />
Schneider. Die Ergebnisse der Tagung<br />
werden in einer <strong>Ausgabe</strong> der<br />
Zeitschrift „Sprache und Literatur“<br />
und zwei <strong>Ausgabe</strong>n der Zeitschrift<br />
„Z.B. Zeitschrift zum Beispiel“ veröffentlicht.<br />
br<br />
Wer kennt „Multitasking-Situationen“<br />
nicht? Den Telefonhörer<br />
zwischen Wange und Schulter geklemmt<br />
blättert man im Kalender,<br />
macht sich Notizen und versucht<br />
zugleich, mit dem Handwerker am<br />
anderen Ende der Leitung zu sprechen<br />
– gar nicht so einfach! Kaum<br />
einer weiß das besser als Prof. Dr.<br />
Robert Gaschler. Der Wissenschaftler<br />
leitet das Lehrgebiet „Allgemeine<br />
Psychologie: Lernen, Motivation,<br />
Emotion“ an der <strong>FernUni</strong>versität<br />
in Hagen. In Kooperation mit<br />
Prof. Dr. Hilde Haider von der Universität<br />
Köln betreibt sein Team ein<br />
spezielles Multitasking-Labor; die<br />
Deutsche Forschungsgemeinschaft<br />
(DFG) fördert das Projekt im Rahmen<br />
des Schwerpunktprogramms<br />
Multitasking.<br />
„Es gibt weltweit viele Forscherinnen<br />
und Forscher, die Multitasking-<br />
Probleme anhand eines ‚Flaschenhalses‘<br />
erklären: Menschen können<br />
demnach zwar viele Dinge gleichzeitig<br />
wahrnehmen, aber nur für<br />
wenige Dinge gleichzeitig eine Reaktion<br />
auswählen und ausführen“,<br />
erläutert Prof. Gaschler. Aus seiner<br />
Sicht greift diese Theorie jedoch zu<br />
kurz: „Kapazitätsprobleme reichen<br />
als Erklärung für Schwierigkeiten<br />
Multitasking-Selbstversuch<br />
Rendezvous mit Eichhörnchen<br />
Ich sitze in einem kleinen Raum. Hier<br />
gibt es nichts weiter als Schreibtisch,<br />
Computer, Stuhl und Deckenbeleuchtung.<br />
Den Blick durch ein Fenster<br />
ins Nebenzimmer versperrt eine<br />
Jalousie. Auf meinem Kopf klemmt<br />
ein Headset. Dann schließt sich hinter<br />
mir die Tür. Es geht los.<br />
Was sich ein wenig so anhört wie ein<br />
Job im Callcenter, dient in Wahrheit<br />
der Wissenschaft. Eigentlich arbeite<br />
ich in der Pressestelle der <strong>FernUni</strong>versität<br />
in Hagen. Heute jedoch nehme<br />
ich als „Versuchsobjekt“ an einem<br />
psychologischen Experiment auf<br />
dem Campus teil. Natürlich ist der<br />
Test völlig ungefährlich, wenngleich<br />
mit ein bisschen Stress verbunden:<br />
Ich soll mehrere Dinge gleichzeitig<br />
erledigen.<br />
Parallele Aufgaben<br />
Mit zwei einsatzbereiten Fingern<br />
auf der Tastatur beobachte ich<br />
den Monitor. „Zuerst kommt das<br />
‚Eichhörnchen‘-Experiment“, hat<br />
mir Christina Weckwerth im Vorfeld<br />
erklärt. Die studentische Hilfskraft<br />
überwacht den Versuch von einem<br />
Nebenzimmer aus. Erst während der<br />
Aufgabe erschließt sich, was Eichhörnchen<br />
mit Multitasking zu tun<br />
haben sollen: Als Testperson wird mir<br />
ein Referenzobjekt genannt, etwa<br />
ein Fahrrad. In zügiger Reihenfolge<br />
Prof. Robert<br />
Gaschler<br />
forscht zum<br />
Multitasking.<br />
(Foto:<br />
<strong>FernUni</strong>versität)<br />
erscheinen nun Bilder von Gegenständen<br />
und Tieren auf dem Bildschirm<br />
– so taucht zum Beispiel das<br />
namensgebende Eichhörnchen auf.<br />
Ich muss per Tastendruck angeben,<br />
ob das Gezeigte größer oder kleiner<br />
ist als mein Bezugspunkt. In diesem<br />
Fall wäre die richtige Antwort also:<br />
„Ein Eichhörnchen ist kleiner als ein<br />
Fahrrad.“ Nachdem ich diesen Ablauf<br />
mehrere Runden üben kann,<br />
überlagert eine zweite Aufgabe die<br />
erste. Durch das Headset dringen<br />
tiefe und hohe Töne, auf die ich mit<br />
den gesprochenen Worten „tief“<br />
oder „hoch“ reagieren soll – zusammen<br />
mit dem Tastendrücken ist das<br />
gar nicht so einfach!<br />
Zeitlich komme ich ganz gut hin –<br />
dafür mache ich einige Fehler, über<br />
beim Multitasking nicht aus. Es ist<br />
nicht so wichtig, wie viel, sondern<br />
was man gleichzeitig tut.“ Mehr als<br />
bisher angenommen könnte sich<br />
das menschliche Gehirn beim Multitasking<br />
selbst im Weg stehen –<br />
das legen die bisherigen Erkenntnisse<br />
des Multitasking-Labors nahe.<br />
„Auch wenn Testaufgaben eigentlich<br />
nichts miteinander zu tun haben,<br />
merken sich die Versuchspersonen<br />
unabsichtlich, welche Buchstaben,<br />
Bilder, Töne oder Zahlen<br />
gemeinsam vorkommen“, meint<br />
Gaschler. „Ihr Gehirn will die eine<br />
Aufgabe nutzen, um die andere<br />
vorherzusagen. Das geht jedoch<br />
gründlich schief, wenn die Aufgaben<br />
eigentlich nichts miteinander<br />
zu tun haben.“ So ließe sich auch<br />
erklären, warum es Kinder schwerfällt,<br />
mit einer Hand am Bauch auf<br />
und ab zu streicheln, während sie<br />
mit der anderen Kreise auf ihrem<br />
Kopf zeichnen sollen. Ihr Hirn vermischt<br />
die zwei Vorgänge schlichtweg.<br />
Hier möchte der <strong>FernUni</strong>-Psychologe<br />
mit seinem Team ansetzen: Ein<br />
neuer Versuchsaufbau soll zeigen,<br />
was das menschliche Gehirn kann,<br />
die ich mich ärgere. Natürlich ist das<br />
völlig unnötig. Schließlich ist das Experiment<br />
kein Wettbewerb, sondern<br />
soll gerade zeigen, wann Multitasking<br />
schlechter oder besser funktioniert.<br />
„Wir wollen aktuell herausfinden,<br />
ob es den Probandinnen<br />
und Probanden durch Übungseffekte<br />
leichter fällt, mehrere Aufgaben<br />
gleichzeitig zu erledigen“, klärt mich<br />
Christina Weckwerth in der Pause<br />
nach dem Versuch auf. Dann fragt<br />
sie: „Haben Sie noch Energie für ein<br />
zweites Experiment?“ Ja, habe ich –<br />
außerdem bin ich neugierig.<br />
Hilfreiche Routine<br />
Beim zweiten Test wird mir klar, was<br />
Christina Weckwerth mit „Übungseffekt“<br />
meint. Auf dem Monitor<br />
erscheinen Buchstaben, die ich so<br />
<strong>FernUni</strong>-Volontär<br />
Benedikt Reuse<br />
probierte seine<br />
eigenen<br />
Multitasking-<br />
Fähigkeiten aus.<br />
(Foto:<br />
<strong>FernUni</strong>versität)<br />
wenn es nicht alles durcheinanderbringt.<br />
„Wir entwickeln und testen<br />
Übungen, die das Verketten von unterschiedlichen<br />
Aufgaben vermeiden,<br />
sodass diese besser parallel<br />
bearbeitet werden können“, beschreibt<br />
Gaschler die Methode. br<br />
i<br />
Für die Versuche auf dem Hagener<br />
Campus werden noch Teilnehmende<br />
gesucht – gerne mit<br />
Interesse an Wissenschaft. Dabei<br />
ist nicht wichtig, besonders<br />
fähig zum Multitasking zu sein.<br />
Die Tests sind einfach gestaltet<br />
und finden an gewöhnlichen<br />
Computern statt. Die Teilnahme<br />
dauert etwa zwei Stunden.<br />
Es wird eine Aufwandsentschädigung<br />
gezahlt. Psychologie-<br />
Studierende der <strong>FernUni</strong>versität<br />
können alternativ auch Versuchspersonenstunden<br />
gutgeschrieben<br />
bekommen.<br />
Weitere Informationen und<br />
Kontakt zur Terminvereinbarung:<br />
http://e.feu.de/-mitmachen<br />
schnell es geht auf der Tastatur drücken<br />
soll. Nach einer Weile werde<br />
ich richtig flink dabei. Sicher hat<br />
das mit einem Lernvorgang in meinem<br />
Gehirn zu tun. Erst nach einigen<br />
Runden kommt die zweite Aufgabe<br />
hinzu: Ich muss nun parallel zu<br />
den Buchstaben auch noch auf Zahlen<br />
reagieren. Dass mir meine Fehlerbilanz<br />
und die Zeit nach jedem Abschnitt<br />
angezeigt werden, erinnert<br />
mich rudimentär an Videospiele aus<br />
Kindheitstagen. Nach kurzer Eingewöhnung<br />
werde ich ehrgeizig. Obwohl<br />
es niemand von mir verlangt,<br />
versuche ich Runde für Runde, meinen<br />
eigenen „Highscore“ zu überbieten<br />
und erziele tatsächlich bessere<br />
Resultate.<br />
Zumindest mein subjektiver Eindruck<br />
bestätigt die Annahme, dass Routine<br />
beim Multitasking hilft. Ob das<br />
wirklich der Fall ist, wird sich erst<br />
nach der Auswertung einer langen<br />
Reihe von Experimenten zeigen. Neben<br />
dem Übungseffekt möchte das<br />
Team um Prof. Gaschler noch andere<br />
Bedingungen testen, die sich positiv<br />
auf die Fähigkeit zum Multitasking<br />
auswirken könnten. Als „Versuchskaninchen“<br />
bin ich gerne ein<br />
weiteres Mal dabei – schon deshalb,<br />
weil ich sehr gespannt auf die finalen<br />
Forschungsergebnisse bin.<br />
Benedikt Reuse