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SEE-LEUTE DIE POLITIK IST WEIBLICHER GEWORDEN CH – Alterswilen | Regierungsrätin Monika Knill leitet das Departement für Erziehung und Kultur im Kanton Thurgau und war 2017 Thurgauerin des Jahres. Im Interview mit <strong>akzent</strong> spricht sie über die Rolle der Frau in der Politik, über Bauchgefühl und Verantwortung. „Wer hat’s erfunden?“ Die Schweizer stehen für Innovation und Präzision. Das berühmte Schweizer Taschenmesser, die Arterienklemme, Maggi, Birchermüesli – und ja, auch das Ricola Kräuterbonbon oder das sprichwörtliche Schweizer Uhrwerk haben sie erfunden. Nur beim Frauenwahlrecht schien die Zeit lange stehen geblieben zu sein. Der Wandel ist nun fast 47 Jahre her. Bis zum 7. <strong>Februar</strong> 1971 durften Frauen in der Schweiz nicht wählen. Im europäischen Vergleich gehört die Schweiz damit zu den Nachzüglern. Gleichzeitig hat sich das Land jedoch auf Basis eines breiten Volksentscheides für das Frauenwahlrecht entschieden. Der Kampf der Feministinnen um Gleichberechtigung hörte damit jedoch nicht auf. Wie in dem Film „Die göttliche Ordnung“ (August 2017) dargestellt wird, durften Frauen in der Schweiz bis 1988 etwa nur dann arbeiten, wenn ihr Ehemann es erlaubt hat. Unvorstellbar? Heute sind in der Schweiz Frauen an der Spitze der Politik nicht ungewöhnlich, allein Monika Knill hat zwei Mitstreiterinnen im Regierungsrat. <strong>akzent</strong>: Wissen die Schweizerinnen ihr noch junges Recht besser zu schätzen und engagieren sich mehr? Ich behaupte jetzt einfach mal: DIE Politik und DIE Schweiz sind weiblich. Stimmt das? Monika Knill: Ja, die Politik ist auch in der Schweiz weiblicher geworden und somit ist auch die Wahrnehmung der Frauen in politischen Funktionen gestiegen. Aber die Aussage, die Politik und die Schweiz seien weiblich, würde ich nicht unterschreiben. Mit einem Frauenanteil 2015 von 32 Prozent im Nationalrat und 27 Prozent im Schnitt in den kantonalen Parlamenten ist er zwar gestiegen, aber gemäß Statistik dennoch nicht so stark wie in anderen Ländern. In den kantonalen Regierungen beträgt der Frauenanteil 24 Prozent, wobei der Kanton Thurgau mit drei Frauen bei fünf Regierungsmitgliedern der Spitzenreiter in der Schweiz ist. <strong>akzent</strong>: Welche Rolle spielt die Frau in der Schweizer Gesellschaft – zwischen Kindererziehung, zu pflegenden Eltern, beruflich ihren „Mann“ stehend und für die eigene Rente sorgend? In Deutschland liegt die Hauptlast nach wie vor auf den Schultern der Frauen … Monika Knill: Ich kann nur für mich sprechen. Die Aufgabenverteilung in der Familienarbeit ist ein wichtiges, aber auch ein sehr persönliches Thema. Es gibt nicht die Lösung, sondern in erster Linie eine gemeinsame Haltung. Mein Mann und ich hatten uns gut organisiert, ebenso unter Einbeziehung der Großeltern. Die verschiedenen Aufgaben mussten etwas „konkreter“ verteilt werden. Alle haben mitgeholfen, so auch unsere Töchter selber. Es war mir wichtig, in der Erziehung und Begleitung unserer Kinder weiterhin eine aktive Rolle einzunehmen. Diese Verantwortung konnte und wollte ich nie Dritten übertragen. <strong>akzent</strong>: Die Gehaltslücke, die zwischen Frauen und Männern klafft, ist in vielen Ländern bei gleicher Position und bei mindestens gleicher Leistung immer noch groß. In der Schweiz auch? Monika Knill: Auch in der Schweiz verdienen gemäß Statistikangaben die Frauen immer noch weniger als die Männer in gleichen Positionen. Wesentlich ausgeprägter im privaten Sektor. In der Verwaltung des Kantons Thurgau verfügen wir über eine sehr gute Bilanz mit wenig Unterschieden. MONIKA KNILL, BITTE ERGÄNZEN SIE: Wenn ich mich mit fünf Adjektiven beschreiben soll, bin ich … … humorvoll, spontan, ehrlich, einfach, zufrieden. Familie bedeutet mir … … Liebe, Glück, Geborgenheit, Zukunft. Urlaub mach ich am liebsten … … aktiv in einer naturnahen Umgebung. Am besten entspanne und regeneriere ich mich … … beim Sport generell, in der schönen Natur, im Freundeskreis. Thurgauerin des Jahres zu sein ist für mich … … eine große Ehre und freut mich sehr. Eine gerechtere Gesellschaft muss … … wieder mehr Überzeugung und Engagement für „Wir und unser Land“ statt „Ich und meine Bedürfnisse“ erlangen. Die Welt ist derzeit … … einer unvorhersehbaren Verletzlichkeit ausgeliefert gegenüber Terror, Verbrechen und radikalen Haltungen. Mit 75 möchte ich sagen können … … wow, das war bis dahin doch eine schöne, spannende und gesunde Zeit! Hoffentlich geht es noch ein wenig so weiter … 11