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LUH_LeibnizCampus 19 2017

Ehemaligenmagazin der Leibniz Universität

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Unigeschehen | <strong>LeibnizCampus</strong><br />

henen Menschen den Flüchtlingsstatus zugesprochen – auch, um<br />

ein langfristige Ansiedlung wie bei den Palästinenser/innen zu verhindern.<br />

Als eines der wenigen Länder weltweit hat Libanon nie die<br />

Genfer Flüchtlingskonvention unterschrieben. Selbst die rein formale<br />

Zählung durch den UNHCR wurde auf Druck der liba nesischen<br />

Regierung 2015 eingestellt – daher stellt die Zahl der 1,5 Mil lionen<br />

syrischen Geflüchteten im Libanon nur eine grobe Schätzung dar.<br />

Viele Beobachter gehen davon aus, dass die 2-Millionen-Grenze<br />

bereits überschritten ist. Zählt man die halbe Million palästinensischer<br />

Geflüchteter dazu, kommt ein Flüchtling auf zwei libanesische<br />

Staatsbürger. Damit führt Libanon mit deutlichem Abstand<br />

die Liste jener Länder an, die im Vergleich zu ihrer Einwohnerzahl<br />

die meisten Flüchtlinge aufgenommen habe. Auf deutsche Verhältnisse<br />

umgerechnet, würde dies etwa 25 Millionen Flüchtlinge auf<br />

Bundesgebiet bedeuten.<br />

Die Bekaa-Ebene an der libanesisch-syrischen Grenze. Ein Bergrücken trennt<br />

die Ebene vom Kriegsgeschehen. Hier leben etwa 1,5 Millionen syrische Flüchtlinge.<br />

• Foto: awü<br />

chen mit der einheimischen Stadtbevölkerung, die vor allem die<br />

steigenden Lebensmittel- und Mietpreise beklagt, haben wir auch<br />

mit syrischen Geflüchteten gesprochen, die außerhalb der Stadt in<br />

notdürftig errichteten Zeltlagern leben, ohne staatliche Unterstützung.<br />

Diese Menschen sind auf die Hilfe der Nichtregierungsorganisationen<br />

angewiesen, die die Not nur unzu reichend lindern<br />

können. Sie wohnen in Zeltlagern, die teilweise mit alten Werbebannern<br />

errichtet wurden, nicht aus reichend vor der Winterkälte<br />

geschützt sind und nur vereinzelt über funktionierende<br />

Ab wassersysteme verfügen. Krankheiten wie Krätze oder Diarrhoe<br />

brechen aus. Manche Flüchtlinge sind von diesen Zeltlagern nach<br />

Zahlé gezogen. Wer sich eine Wohnung leisten kann, lebt einen<br />

bescheidenen Luxus – vielen bleiben nur Bauruinen oder Garagen<br />

übrig. Selbst Pferdeställe werden von lokalen Geschäftsmännern<br />

an syrische Flücht linge vermietet. Das ist im Übrigen kein Einzelfall.<br />

Selbst die Bewoh ner/innen der Zeltlager müssen Pacht für das<br />

Grundstück zahlen, auf dem ihr Zelt errichtet wurde. An wenig anderen<br />

Orten ist die Ausweglosigkeit der syrischen Geflüchteten so<br />

deutlich zu spüren wie im Bekaa-Tal vor den Toren Zahlés.<br />

Daher wachsen auch die Spannungen innerhalb der libanesischen<br />

Bevölkerung. Das Land erholt sich noch immer von den Folgen eines<br />

Bürgerkriegs, der von <strong>19</strong>75 bis <strong>19</strong>90 andauerte und über hunderttausend<br />

Menschenleben forderte. Die haushaltspolitische Lage des<br />

Landes sowie schwelende religiös-ethnische Konflikte zeugen von<br />

mangelnder staatlicher Stabilität. Zudem wächst die ökono mische<br />

Schere – die Preise für Lebensmittel und Mieten sind in Libanon in<br />

den letzten Jahren rasant gestiegen. In Beirut hat eine kleine Zahl<br />

vermögender Einwohner ganze Stadtteile mit Luxus apartments bebaut<br />

und damit das Mietpreisniveau massiv erhöht – die Mieten für<br />

eine gewöhnliche 3-Zimmer-Wohnung sind vergleichbar mit denen<br />

in Hamburg oder München, und das bei einem durchschnittlichen<br />

libanesischen Monatslohn von umgerechnet 700 Euro. Dass syrische<br />

Flüchtlinge zunehmend im Niedriglohn- und Schwarzmarktsektor<br />

ausgebeutet werden, mangels Alternativen selbst den magersten<br />

Lohn akzeptieren und damit die Erwerbsgrundlage vieler Libanesinnen<br />

und Libanesen gefährden, verschärft die Situation zusehends.<br />

Dass es angesichts dieses Pulverfasses aus sozio-ökonomischen<br />

Schieflagen und immer wieder aufflammenden Konflikten noch<br />

nicht zu größeren Ausschreitungen gekommen ist, ist erstaunlich<br />

und kann für die Zukunft nicht aus geschlossen werden – insbesondere,<br />

wenn extremistische Gruppie run gen die sozialen Nöte für ihre<br />

Ideologien missbrauchen. Nicht zuletzt ist hier die internationale<br />

Gemeinschaft gefordert, durch finanzielle Unterstützung zu gewährleisten,<br />

dass die Situation der Einheimischen und der Geflohenen<br />

gleichermaßen verbessert wird, um einer weiteren Eskalation<br />

die Grundlage zu nehmen.<br />

Armin Wühle<br />

Libanon ist ein historisch von Migration und Flucht geprägtes<br />

Land. Etwa eine halbe Million Palästinenser/innen, deren Familien<br />

zwischen <strong>19</strong>48 und <strong>19</strong>67 aus Israel fliehen mussten, haben sich<br />

hier niedergelassen und leben in zweiter und dritter Generation<br />

in Flüchtlingscamps. Diese Camps haben sich mittlerweile verstädtert,<br />

Stromtrassen wurden gezogen und Häuser gebaut. Damit<br />

wurde allerdings kein echtes »Ankommen« erreicht, vielmehr haben<br />

sich Flüchtlingsstatus und die damit verbundene Ungewissheit<br />

über Jahrzehnte hinweg verstetigt. Viele Palästinenser/innen im<br />

Libanon sind von Staatenlosigkeit betroffen und damit von einem<br />

Entzug zahlreicher bürgerlicher Rechte. Berufe mit Aufstiegschancen,<br />

etwa als Ärzte oder Anwälte, bleiben ihnen verweht – diese<br />

Berufe sind in Berufskammern organisiert und setzen eine Staatsbürgerschaft<br />

zur Aufnahme voraus.<br />

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass mit dem Andauern des syrischen<br />

Bürgerkriegs den Kindern und Kindeskindern der jetzigen syrischen<br />

Flüchtlingsgeneration ein ähnliches Schicksal bevorsteht. Die libanesische<br />

Regierung hat bislang keinem einzigen aus Syrien geflo-<br />

In einer armenischen Bäckerei in Zahlé. Armenier gehören zu den größten<br />

ethnischen Minderheiten im Libanon. • Foto: awü<br />

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