WIRTSCHAFT+MARKT 1/2018
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48 | W+M RATGEBER MANAGEMENT<br />
Aus der Insolvenz kaufen<br />
Wer aus der Insolvenz kauft, meint häufig, es sei billig. Wer aus der<br />
Insolvenz erwirbt, kauft „die Katze im Sack“. Der Insolvenzverwalter<br />
kennt das, was er verkauft, häufig wenig bis gar nicht. Er kann das<br />
Verkaufsgut daher nur so verkaufen, „wie es steht und liegt“, also<br />
ohne jede Gewährleistung und Garantie. Das drückt gelegentlich<br />
den Preis. Von Florian Stapper<br />
Der Käufer sollte daher die Beschaffenheit<br />
des Kaufgegenstandes präzise<br />
prüfen. Das gilt insbesondere<br />
für Immobilien. Insolvenzverwalter haben<br />
die Aufgabe, das Vermögen des Insolventen<br />
zu versilbern. Verkauft der Insolvenzverwalter<br />
nicht zu angemessenen Preisen,<br />
haftet er der Masse auf die Differenz zwischen<br />
Kaufpreis und tatsächlichem Wert.<br />
Haftungsfälle von Insolvenzverwaltern haben<br />
gerade in letzter Zeit deutlich zugenommen.<br />
Das Verkaufte ist selten neu, sondern<br />
meistens gebraucht. Der für den Käufer<br />
vermeintlich gute Preis ergibt sich<br />
auch daraus. Dem Käufer ist aber häufig<br />
gleichgültig, ob der gekaufte Gegenstand<br />
neu oder schon gebraucht ist. Wenn er<br />
das Verkaufsgut einsetzt, ist es ohnehin<br />
nicht mehr neu.<br />
In der Praxis verkaufen Insolvenzverwalter<br />
auch über<br />
sogenannte Verwertungsgesellschaften,<br />
die im Auftrag des Insolvenzverwalters<br />
verkaufen<br />
oder versteigern.<br />
Der Käufer erwirbt dann<br />
von der Verwertungsgesellschaft,<br />
die den Kaufpreis<br />
nach Abzug ihrer<br />
eigenen Kosten an den<br />
Insolvenzverwalter weiterleitet.<br />
Insolvenzverwalter geben<br />
Vermögensgegenstände<br />
aus der Masse frei, wenn sie aus<br />
der Verwertung keinen positiven Beitrag<br />
für die Masse erwarten, etwa weil die<br />
laufenden Kosten bis zum Verkauf zu<br />
hoch sind oder weil eine wertausschöpfende<br />
Belastung mit Fremdrechten vorliegt.<br />
In diesem Fall kann der Insolvente<br />
den Vermögensgegenstand selbst und<br />
rechtssicher verkaufen, auch wenn über<br />
sein Vermögen das Insolvenzverfahren<br />
eröffnet wurde.<br />
Viele Vermögensgegenstände sind finanziert<br />
und der Insolvenzverwalter bekommt<br />
für seine Masse von dem Verkaufserlös<br />
nur einen kleinen Teil. Es<br />
Prof. Dr. Florian Stapper ist Fachanwalt<br />
für Insolvenz- und Steuerrecht und<br />
Inhaber der STAPPER Insolvenz- und<br />
Zwangsverwaltung.<br />
kann daher sinnvoll sein, als Kaufinteressent<br />
mit dem Sicherungsgläubiger (das<br />
ist häufig eine Bank oder eine Leasinggesellschaft)<br />
zu verhandeln und dem Insolvenzverwalter<br />
dann einen Kaufpreis<br />
zu bieten, der mit dem Sicherungsgläubiger<br />
schon abgestimmt ist.<br />
Insolvenzverwalter führen insolvente Betriebe<br />
häufig fort, weil sie hoffen, die Aktivseite<br />
der Bilanz dann zu Fortführungswerten<br />
verkaufen zu können. Der Erwerber<br />
– das ist häufig auch ein Konkurrent<br />
– wird dann mit dem Insolvenzverwalter<br />
vereinbaren, dass er die Sonderkündigungsrechte<br />
des Insolvenzverwalters<br />
nutzt, um zu sanieren, und<br />
kauft dann im Rahmen einer sogenannten<br />
übertragenden Sanierung<br />
den betriebsnotwendigen<br />
Teil der Aktivseite der<br />
Bilanz vom Insolvenzverwalter<br />
und übernimmt die Belegschaft.<br />
Richtig strukturiert und verhandelt,<br />
kann der Kauf aus der Insolvenz<br />
für den Käufer und auch<br />
für den Insolvenzverwalter ein<br />
vorteilhaftes Geschäft sein.<br />
W+M<br />
Fotos: Florian Stapper (oben), iridi66/fotolia.com (unten)<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1/<strong>2018</strong>