E_1930_Zeitung_Nr.004
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Bern t Dienstag 14. Januar <strong>1930</strong> „Automobil-Revue" No. 4<br />
Im heutigen<br />
„Äutler-Feierabend":<br />
Seit«<br />
Radikale Verkehrsregelung 11<br />
Herr Sowieso und das Leben 11<br />
Bunte Chronik aus aller Welt 12<br />
Die Seite der Frau:<br />
Werden Sie geschäftstätig t 13<br />
Die Mode 13<br />
Unser Kreuzworträtsel 14<br />
Touren-Sprechsaal 14<br />
Radikale<br />
Verkeh rsregelung<br />
Clement Vautel, der berühmte Chroniqueur<br />
des Pariser «Journal», äussert sich soeben<br />
über die Pariser Verkehrskalamitäten.<br />
Paris, diese uralte und entsprechend unmodern<br />
gebaute, seit langem räumlich kaum<br />
mehr wachsende Stadt, ist heute zum grossen<br />
Teil mit Autos so überfüllt, dass ein Stillstand<br />
des Verkehrs droht. Natürlich sind die verkehrstechnischen<br />
Köpfe voller Projekte. Projektemacher<br />
sind bekanntlich immer grosszügige<br />
Leute und geben sich mit Kleinigkeiten<br />
nicht ab. Nichts Bequemeres und zugleich<br />
Eindrucksvolleres als radikale Ideen. Und<br />
das sind ja in der Tat die widerstandsfähigsten<br />
Köpfe, die durch die Wand gehen und<br />
dabei ganz bleiben. Man hat zum Beispiel<br />
vorgeschlagen, die ganze innere Stadt einfach<br />
niederzureissen und mit anständigen<br />
Autostrassen versehen wieder aufzubauen.<br />
Praktische Schwierigkeiten, Sache der subalternen<br />
«Ausführungsorgane»!<br />
Clement Vautel lässt nun einen Mann, dem<br />
Sinne nach, etwa so sprechen:<br />
Die Verkehrsmisere ist eine Krankheit<br />
Sam Körper der Stadt, nicht wahr? Wie heilt<br />
man aber Krankheiten? Indem man ihre Ursachen<br />
entfernt. Was verursacht Verkehrsstörungen?<br />
Die Autos. Also schränke man<br />
ihre Zahl ein. Dieser Gedanke sei rückständig?<br />
Er ist im Gegenteil äusserst modern. In<br />
einer Weltstadt kann der einzelne so wenig<br />
einen eigenen Wagen für sich beanspruchen,<br />
wie eine eigene Villa. Der echte Grossstädter<br />
ist kein Einsiedler, kein Absonderung, kein<br />
Monomane und kein Menschenfeind. Er ist<br />
seiner Natur nach sofort bereit, das Privatleben,<br />
wenn nötig, zugunsten des allgemeinen<br />
Lebens zurückzustellen. Wer anders denkt,<br />
ist kein Grossstädter, sondern ein versprengter<br />
Waldmensch, und man soll ihm sein Hifthorn<br />
wegnehmen. Unmöglich, dass auf engem<br />
Raum Millionen Menschen zusammen leben<br />
können, von denen jeder einzelne die Existenz<br />
eines grossen Herrn führt! Es gibt bei<br />
weitem zu wenig öffentliche Verkehrsmittel<br />
ond zn viel private. Es ist klar, dass 50 Wa-<br />
gen, in denen je ein Mensch sitzt, die Strasse<br />
mehr belasten als ein Wagen, in dem 50<br />
Menschen sitzen.<br />
Winterliche Heinzelmännchen am Hahnenmoos<br />
An irgendeinem Tage seiner Existenz<br />
hatte Herr Sowieso beschlossen, ohne das<br />
auszukommen, was die Leute «Leben» nennen.<br />
Sei es Angst davor oder einfach die<br />
Annahme einer grösseren Bequemlichkeit<br />
in der 1 neu und selbstgewählten Form (eben<br />
diese verbot ihm, näher darauf einzugehen):<br />
Herr Sowieso teilte seine Existenz in Punktionen<br />
ein, brachte sie in ein gewisses System,<br />
nach dem seine Tage und Nächte,<br />
diese Nuancen der Zeit, sich abspielten. Denn<br />
was war dieses «Leben»? Freude und Leid,<br />
Glück und Jammer, was sollte er mit diesen<br />
nicht fasslichen Dingen beginnen? Also<br />
ging er, wie schon erwähnt, dem. Leben<br />
aus dem Wege. Das Leben seinerseits<br />
schien auf die Person des Herrn Sowieso<br />
auch keinen Wert zu legen, und so weit<br />
war alles gut und schön. Eines Tages aber<br />
geschah folgendes:<br />
Herr Sowieso kam nach einer durchzechten<br />
Nacht erst um neun Uhr früh in seine<br />
Ergo: fort mit Privatwagen!<br />
Komische Anschauungen...! Ich weiss<br />
nicht, wer mich verhindern sollte, einen Palast<br />
zu kaufen, ihn abreissen zu lassen und<br />
mir ein Wochenendhäuschen zu bauen, mit<br />
zwei Bäumen davor und einer Hängematte,<br />
•und dies mitten in der Stadt. Oder, wenn ich<br />
es mir leisten kann, auf meinem Lieblingselephanten<br />
dauernd die Hauptstrasse auf und<br />
ab zu traben!, schreibt die «B. Z. am Mittag»<br />
zur Verkehrsregelung des Spötters.<br />
So wünsche ich auch weiterhin mir und<br />
jedem meiner Nebenmenschen das eigene<br />
Auto. Denn wenn wir das geschafft haben<br />
werden, geht's uns allen so gut, dass die lumpigen<br />
zwei Stunden, die wir an den Kreuzungen<br />
brauchen werden, gar keine Rolle<br />
mehr spielen.<br />
Nur keine Nervosität. Und vor allem keine<br />
Ironie!<br />
Herr Sowieso und das Leben<br />
Wohnung. Sem Kopf war so benommen,<br />
wie er das nach etlichen Flaschen Rotwein<br />
und einer gehörigen Portion Whisky zu sein<br />
hat.<br />
Als er nun in sein Zimmer trat, sah er in<br />
der Mitte des Raumes einen Mann im Sessel<br />
sitzen.<br />
Herr Sowieso bekam ein sonderbar mulmiges<br />
Gefühl in der Gegend des Magens.<br />
Er wäre gerne aus dem Zimmer gegangen.<br />
Aber da erhob sieh der Mann und trat drei<br />
Schritte auf ihn zu.<br />
«Ich heisse Leben», sagte er. «Ich warte<br />
auf Sie.»<br />
Herr Sowieso war empört. Das war denn<br />
doch zu viel. Er hatte ja annehmen müssen,<br />
dass dieses verfluchte Leben sich auch ihm<br />
einmal nähern- würde, um ihn zu verleiten,<br />
an es zu glauben, und er hatte sich für diesen<br />
Fall eine sehr hübsche Rede zurechtgelegt.<br />
Aber ihn bis in seine Wohnung zu<br />
verfolgen, fand er, wie gesagt, «denn doch».<br />
(Ich habe Sie nicht gerufen. Wenn Sie etwas<br />
von mir wollen, können Sie sich doch<br />
in irgendeiner Form melden. Die Mittel<br />
dazu stehen Ihnen, weiss Gott, zur Verfügung.)<br />
Es muss bemerkt werden, dass Herr Sowieso<br />
dies nur dachte. Der Anblick der<br />
Erscheinung hatte ihn stumm gemacht. Er<br />
konnte nur schauen. Der Mann sah aus<br />
wie ein Staatsbeamter etwa. Er trug einen<br />
grauen, ein wenig schäbigen Anzug, war<br />
klein und dürftig und musste masslos langweilig<br />
sein. Sein Mund war sehmal, seine<br />
Nase uninteressant und seine Augen .<br />
Mit den Augen, da war etwas los. Die 1<br />
waren gross und blau und gehörten gar<br />
nicht in. dieses alltägliche Gesicht. Herr Sowieso<br />
musste beim Blick dieser Augen an<br />
einen Bergsee in Bayern denken, der ihn<br />
schon einmal wütend geärgert hatte. (Lilly,<br />
die damals mit ihm gewesen, war beim Anblick<br />
dieses süssen Blaus in Tränen ausgebrochen,<br />
was ihn sehr peinlich berührt<br />
hatte. Er hatte zwar die Reise ohne sie<br />
fortgesetzt, aber das Richtige war es nicht<br />
mehr gewesen.) So waren diese Augen.<br />
'Ausserdem hatte der Mann eine komische<br />
nervös© Gewohnheit. Von Zeit zu Zeit<br />
warf er den Kopf zurück, gleichsam als<br />
wolle er sich grösser machen, als wolle er<br />
durch diese Bewegung die sonstige Dürftigkeit<br />
seines Wesens vergessen lassen.<br />
Es war sehr, sehr unerquicklich.<br />
Herr Sowieso beschloss, der Situation ein<br />
Ende zu machen.<br />
«Was wollen Sie?» fragte er.<br />
«Ich heässe Leben», sagte der Mann.<br />
«Aber hier? Was wollen Sie hier? IcH<br />
brauche Sie nicht. Ich habe meine Funktionen.<br />
Ich habe meine Einteilungen. Da)<br />
sehen Sie —». Er führte ihn an einen<br />
Wandschrank. Da lag in verschiedenen Fächern<br />
Mappe auf Mappe. «Hier ist alles geordnet<br />
und alles vorausgesehen: Freunde,<br />
Gläubiger, Verwandte, Schuldner, Frauen —<br />
Sie sehen mich an mit Ihren blauen Bergseen?<br />
(Warum hat Lilly gerade damals<br />
i weinen müssen?) Sie sehen mich an? Warum?<br />
Weil Sie glauben, dass das mit Ihnen<br />
zu tun hat, die Frauen. Natürlich, das halten<br />
Sie ja für Ihre grösste Attraktion —».<br />
«Ich möchte Sie versichern —» sagte hier<br />
der Mann in eine Atempause hinein, aber<br />
Herr Sowieso unterbrach ihn:<br />
«Erstens heisst es «Ihnen versichern» und<br />
zweitens lehne ich Sie ab, das wissen Sie<br />
ja. Frauen! Frauen! Glauben Sie nur nicht,<br />
dass ich ihnen mehr Raum gebe als allem<br />
anderen. Ich habe hier auch Verzeichnisse<br />
meiner Weine und eine Reihe auserlesener<br />
Kochrezepte. Könnte ich auch Frauen nach<br />
meinem Geschmack zubereiten, musste ich<br />
nicht immer wechseln.»<br />
«Wenn Sie aber an Krankheit und Tod<br />
denken — —», begann der Mann wieder.<br />
«Auch das tue ich. Natürlich tue ich das<br />
Der eiserne Wagen<br />
Kriminal-Roman von Sven Elvestad.<br />
Deutsches Recht beim Verlag Georg Müller<br />
in München.<br />
Fortsetzung aus dem Hauptblatt.<br />
«Können wir nun weiterfahren?» fragte<br />
ich.<br />
«Noch nicht,» erwiderte er. «Ich will mir<br />
erst noch den Hut ansehend<br />
Er nahm den Hut des Toten, setzte ihn auf<br />
seine Fingerspitzen und betrachtete ihn nachdenklich,<br />
als ob ex An einem Herrengarderobetnagazin<br />
stände und sich eine Kopfbedeckung<br />
aussuchen wollte.<br />
«Erinnern Sie sich,» wandte er sich fragend<br />
an mich, «wie er den Hut trug, als Sie ihn<br />
zuletzt sahen?»<br />
«Wie man eben einen grünen Jagdhut stets<br />
zu tragen pflegt, anders nicht,» antwortete<br />
ich.<br />
Der Detektiv übersah augenscheinlich meinen<br />
Unmut darüber, dass er hier in dem Räume<br />
bei dem Toten soviel Zeit vertrödelte.<br />
«Lassen Sie mich mal sehen,» brummte er,<br />
während er den grünen Jagdhut ohne weiteres<br />
mir auf den Kopf drückte.<br />
«Also auf diese Weise,» fuhr er in seinem<br />
Selbstgespräch fort. Er rückte den Hut ein<br />
wenig zurecht. «So muss er gesessen haben...<br />
Das ist sehr interessant. Ist Ihnen etwa<br />
schlecht?» fragte er.<br />
«Ich habe keine Nerven aus Stahl,» sagte<br />
ich. «Sehen Sie nur den Amtsvorsteher an,<br />
ihm scheint auch nicht gerade wohl zu sein.»<br />
«Oh, doch,» beeilte sich dieser zu bemerken.<br />
«Mir kommt nur die Luft hier drinnen...<br />
etwas schwül und drückend vor.»<br />
«Ja, nun sind wir aber auch fertig. Entschuldigen<br />
Sie nur meine Langsamkeit.»<br />
Der Detektiv legte die Hand auf meine<br />
Schulter und sagte, indem seine Augen zu<br />
den beiden schwarzen Strichen hinter dem<br />
Kneifer wurden:<br />
«Sie haben recht; Ihre Nerven sind nicht<br />
von Stahl.»<br />
Er legte den grünen Jagdhut auf die Brust<br />
des Toten zurück; dann verliessen wir die<br />
Sandgräberhütte. Der Amtsvorsteher schob<br />
den Riegel wieder vor.<br />
Ich empfand es wie eine mächtige Befreiung,<br />
als ich draussen über die Heide gehen<br />
und die frische Luft unter dem hohen, blauen<br />
Himmel atmen konnte. Das Pferd hatte in unserer<br />
Abwesenheit weiter und weiter vom<br />
Wege fort gegrast und den Wagen in einen<br />
Graben gezogen; es bedurfte der Anstrengung<br />
von uns dreien, um das Fuhrwerk wieder<br />
auf den Weg zurückzubringen. Dann fuhren<br />
wir weiter gen Gjaernaes; mittlerweile<br />
war es zwei Uhr geworden. Der Detektiv<br />
schien aber auch Sinn für die Schönheit der<br />
Gegend zu besitzen, denn er zeigte auf den<br />
Waid und die Weiher, etwa so, als ob er ein<br />
Bild einrahmte, und meinte :<br />
«Welch ein Motiv für einen Maler!»<br />
Es war geradezu verwunderlich, dass er an<br />
solche Dinge in einem Augenblick denken<br />
konnte, wo seine Gedanken eigentlich ganz<br />
mit dem unheimlichen und seltsamen Rätsel<br />
beschäftigt sein sollten, dessen Lösung er<br />
sich zur Aufgabe gesetzt hatte.<br />
(Fortsetzung siehe folgende Seite)<br />
Ist Kaffee<br />
gesund?<br />
Ja, wenn er coffeinirei ist, dann unbedingt<br />
für alle« Das Coffein im Kaffee<br />
macht durch die Reizwirkungen auf Herz,<br />
Nerven und Nieren vielen Menschen das<br />
KaiFeetrinken zu einem zweischneidigen<br />
Schwert.<br />
Nur coffeinfreier Kaffee Hag verbindet<br />
ungeschmälerten KafFeegenuss mit absoluter<br />
Unschädlichkeit für Gesunde wie für<br />
Leidende, denn er ist Qualität durch und<br />
durch und coffeinfreL<br />
K A F E E E H A G