E_1930_Zeitung_Nr.036
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16 AUTOMOBIL-REVUE <strong>1930</strong> — N° 36<br />
CDKIP CFEP/^ID<br />
Die Eignung der Frau zum Autofahren<br />
Kleines Intermezzo.<br />
Eine Autoreihe hält, die Bahn ist gesperrt.<br />
Endlich! Freie Fahrt, los! Aber es geht nicht<br />
los. Der erste Wagen fährt nicht an, der<br />
zweite und dritte hupen; aber es hilft nichts.<br />
Die Passanten werden aufmerksam. Aha,<br />
eine Dame am Steuer. Sie wird nervös, lächelt<br />
verlegen zum Verkehrsposten hinüber.<br />
Der aber winkt nur heftig mit dem Arm :<br />
weshalb fährt sie denn nicht??!! Sie schaltet,<br />
drückt und tritt: der Wagen rührt sich<br />
nicht. Der Hintergrund flucht und schimpft.<br />
Da lässt sie den Wagen in Ruhe und — lächelt.<br />
Lächelt zum Publikum, lächelt zum<br />
Schupo, der nun eilig herbeikommt. Zauberhaft<br />
wirkt das Lächeln der schönen Frau:<br />
von allen Seiten strömen die Männer herbei<br />
und schieben den Wagen zur Seite.<br />
Haben Sie solch einen Vorfall nicht auch<br />
schon einmal erlebt? Und dachten Sie nicht:<br />
Nun ja, eine Frau am Steuer!? Ist dieses zufällige<br />
Ueberlegenheitsgefühl Ihr© feste Ueberzeugung?<br />
In der Regel wird der Frau die<br />
Eignung zum Chauffieren abgesprochen, zum<br />
Teil, weil man ihr den Platz am Steuer nicht<br />
gönnt, zum Teil aber auch, weil man wirklich<br />
schleckte Erfahrungen gemacht hat.<br />
Aber es gibt auch Männer, deren Urteil weniger<br />
streng ist und besondere Beachtung verdient,<br />
weil es auf Beobachtungen beruht, die<br />
in einer ausgedehnten Praxis gesammelt<br />
wurden. Ein Beamter der Verkehrspolizei<br />
äusserte sich zu diesem Thema folgendermassen:<br />
Fährt die Frau gut?<br />
« Die Frau fährt gut. Im Verhältnis zu den<br />
Männern sind es ja immer noch nur wenige<br />
Frauen am Steuer. Sie fahren sogar besser<br />
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als die Männer. Ein Fall, wie Sie ihn eben<br />
schilderten, kommt wohl mal vor. Aber das<br />
halte ich für eine Ausnahme. Es wird eine<br />
Anfängerin gewesen sein. Vielleicht hat auch<br />
der Motor nur mal seine Mucken gehabt.<br />
Das kommt doch vor. Schwierigkeiten macht<br />
sie so gut wie keine. Sie hält rechtzeitig,<br />
sie fährt rechtzeitig. Di© Herren dagegen<br />
wollen immer noch «grade rüber», die haben<br />
es alle viel zu eilig. Mit denen habe ich<br />
dann die Scherereien. Di© Dame dagegen beachtet<br />
korrekt alle Verkehrssignale. Ichkann<br />
Ihnen nur sagen, dass sie wirklich besser<br />
fährt als der Herr.»<br />
Ein anderer Polizist meint:<br />
«Di© Frau fährt ebenso gut wie der Mann.<br />
Ich habe auf meinem Posten keinen Fall erlebt,<br />
dass man der Dame zu Hilfe kommen<br />
musste. Sie fährt im allgemeinen vorsichtiger<br />
als die anderen. Bei Neulingen ist es ja<br />
manchmal nicht geheuer, doch das geht allen<br />
so. Verwarnen muss ich «.sie » nie.»<br />
Zwei Urteile aus berufenem Munde. Das<br />
eine war herzlich, freundlich und galant, das<br />
andere knapp, militärisch und korrekt. Stehen<br />
sich also zwei Meinungen gegenüber ?<br />
Die Beobachtung, die man selbst gemacht<br />
hat, und das Urteil der Verkehrsposten ?<br />
Wer hat recht? fragt die «Frankfurter <strong>Zeitung</strong>»,<br />
was ist die Ausnahme, was ist die Regel<br />
?<br />
Das Urteil des Fachmannes.<br />
«Im allgemeinen ist die Auffassungsgabe<br />
beim Fahrenlernen bei den Damen eine bessere<br />
als bei den Herren», behauptet der Leiter<br />
einer Fahrschule. «Selbstverständlich gibt<br />
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Man fährt mit dem Gefühl. Man darf nicht<br />
lange über eine Situation nachdenken, man<br />
muss instinktiv handeln, fahren. Diese Eigenschaft<br />
bringt die Frau in hohem Grade<br />
mit. So erklärt sich auch die scheinbar paradoxe<br />
Tatsache, dass intellektuelle Menschen,<br />
ich mache täglich die Erfahrung an<br />
Akademikern und auch sonst hochgebildeten<br />
Leuten, dass diese viel zu viel überlegen<br />
und schlecht fahren. Ja, ich möchte sagen,<br />
dass die Kunst zu fahren umgekehrt proportional<br />
der Intelligenz ist. Gefühlssicherheit<br />
ist das Haupterfordernis zum Autofahren.<br />
Und diese hat die Frau. Beim Theoretischen<br />
ist sie ganz bei der Sache. In der kürzesten<br />
Zeit beherrscht sie die Theorie. Vielleicht gerade<br />
aus dem Grunde, weil der Stoff ihr<br />
fremd ist, spröde und trocken, darum stürzt<br />
sie sich mit sehr grossem Eifer auf diese Materie.<br />
Die Herren glauben, alles nicht nötig<br />
zu haben. Bei den ersten Ausfahrten fährt<br />
sie sehr vorsichtig und macht kaum Fehler.<br />
Wie gesagt, sie ist mit ganzer Seele dabei,<br />
sei es nun in Theorie oder in Praxis. Dass<br />
eine Dame mit ihrem Wagen gerade an wichtigen<br />
Verkehrspunkten stecken bleibt, kann<br />
sehr leicht vorkommen. Die Frau hat das<br />
beste Zeug, ein guter Fahrer zu sein — aber<br />
ihr mangelt die Entschlusskraft. In jenen Momenten,<br />
in denen es auf den Bruchteil einer<br />
Sekunde ankommt, versagt sie sehr leicht.<br />
Ich habe schon oft diese Erfahrung gemacht.<br />
An jeder Strassenkreuzung kommt sie leicht<br />
vorbei; kommt sie aber an einen Verkehrsposten,<br />
der Verkehr mag noch so ruhig sein,<br />
dann fühlt sie sich sofort unsicher. Ein falscher<br />
Griff und der Wagen bleibt stehen.<br />
Das Publikum grinst. Die Verwirrung wächst.<br />
Doch glaube ich, dass dieses Unheil keine<br />
erfahrene Fahrerin trifft. Es wird ihr nur in<br />
der ersten Zeit nach dem Erwerb des Führerscheins<br />
passieren.><br />
Es hilft nichts, wir müssen gestehen: «Gnädige<br />
Frau, Sie fahren gut.»<br />
Wie Frauen sich einen guten<br />
Erwerb schaffen<br />
Wie könnte man Geld verdienen? Welchen<br />
Beruf könnte man ergreifen, um sich<br />
einen guten und dauernden Erwerb zu<br />
sichern? Mehr denn je werden Menschen,<br />
die den Kampf ums Dasein aufnehmen<br />
müssen, ohne sich auf besondere Berufsausbildung<br />
und Berufserfahrung stützen<br />
zu können, heute von diesen Fragen bedrängt.<br />
Alle Erwerbssphären sind überfüllt,<br />
viele Möglichkeiten, die sich einst<br />
Unternehmungsfreudigen erschlossen hatten,<br />
erschöpft. Alle Notwendigkeiten der<br />
Wirtschaft, alle Bedürfnisse des Menschen<br />
scheinen mehr als reichlich beachtet zu<br />
werden. Dennoch — man muss Geld verdienen,<br />
um das Leben fristen zu können.<br />
Was tun?<br />
Man muss neue Bedürfnisse<br />
Von Gisela Urban.<br />
schaffen.<br />
Wie lasst sich dies bewerkstelligen? Ganz<br />
einfach: Man erwäge alle Lebensvorgänge*<br />
alle Neigungen und Instinkte der Menschen,<br />
alle Begleiterscheinungen und Resultate<br />
unserer kulturellen Entwicklungen<br />
und unserer Geschmackswandlungen. Und<br />
man denke dann darüber nach, welche<br />
neuen Bedürfnisse sich aus den veränderten<br />
Lebensverhältnissen und-anschauungen<br />
ergeben könnten, um schliesslich, die eigensten<br />
Fähigkeiten und Kenntnisse überprüfend,<br />
einen Erwerbszweig zu wählen, auf<br />
dem man das eine oder andere dieser neuen<br />
Bedürfnisse lebendig werden lässt. Ohne><br />
sich erst über das Entstehen dieses neuen<br />
Bedürfnisses den Kopf zu zerbrechen, nehmen<br />
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