E_1930_Zeitung_Nr.054
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N° 54 - <strong>1930</strong> AUTOMOBIL-REVUE ai<br />
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(Siehe Bedingungen im Hauptblatt)<br />
Landstrasse. Nachts. Plötzlich zerreisst<br />
ein greller Lichtkegel das Dunkel. Gleich<br />
einem apokalyptischen Reiter rast ein unförmiges<br />
Untier vorbei. Wesenlos. Kaum etwas<br />
zu erkennen als die Augen. Hunderte<br />
von Metern schleudern sie unwahrscheinlich<br />
gellen Glanz nach vorn. Jede Unebenheit der<br />
Strasse, das kleinste Hindernis im Wege<br />
zeichnet sich scharf vom Boden ab. Herausgerissen<br />
aus der Finsternis.<br />
Neiderfüllt der Fussgänger am Strassenrande.<br />
Das technische Wunder überholt ihn<br />
im 100-km-Tempo.<br />
Doch jetzt, ein schrilles Aufwimmern der<br />
Vierradbremse. Der Wagen stemmt sich mit<br />
allen seinen wilden Pferdekräften gegen die<br />
Macht, die ihm die Zügel stremmt Aber er<br />
gehorcht, steht. Scheideweg. Rechts oder<br />
links: — welche Strasse ist richtig?<br />
Ungeduldig lechzt der Motor nach Befreiung<br />
von der Fessel. Doch es geht dem Wagen<br />
wie dem Menschen: er ist hilfslos, wenn<br />
die Augen versagen. Die Scheinwerfer, für<br />
schnelle Fahrt auf freier Strecke unerlässlich,<br />
hunderte Kerzen, durch Spiegel vervielfacht,<br />
sind hier unvermittelt einem einzigen<br />
Zündhölzchen unterlegen. Ihr Licht gilt dem<br />
Boden; die Schrift des Wegweisers zu entziffern<br />
erlauben sie nicht.<br />
Erbost springt der nächtliche Fahrer aus<br />
item Wagen. Das sechste Streichholz fängt<br />
Fener. Das zehnte — letztes in der Schachtel<br />
— reicht, mit seinem Flackerschein gerade<br />
aus, um ihm die Gewissheit zu geben, dass<br />
der — nächste Blick die gesuchte Orientierung<br />
bieten würde. Alle Taschen umgekrempelt<br />
Kein Streichholz kommt zum Vorschein.<br />
''"Tücke des Objekts. Fluchen, selbst noch so<br />
herzlich, hilft auch nichts. Das Herrschergefühl,<br />
der beseeligende Genuss der rasenden<br />
Fahrt durch die Nacht ist verflogen.<br />
Grimmigste Laune ist an seine Stelle getreten.<br />
Glück muss man haben. Ein zweiter Fahrer<br />
naht Ein Zeichen. Er hält, hilfsbereit.<br />
Kamerad der Landstrasse. Ueberschaut die<br />
Lage mit einem Blick. Lächelnd ein Handgriff:<br />
sein Sucher blitzt auf, richtet sich auf<br />
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Der Sucher<br />
den Wegeschild. Buchstabe für Buchstabe<br />
tritt klar und deutlich hervor. Ein Dank. Ein<br />
Qruss. Zwei Wagen sausen weiter, ihrem<br />
Ziel entgegen.<br />
Ein anderes Bild. Vtllenstrasse im Vorort.<br />
Herbstabend. Spärlich erleuchtet. Ein Auto<br />
irrt auf und ab. Herrenfahrer. Steigt zum<br />
rierten Male aus. Sucht verzweifelt nach<br />
Hausnummern. Jedoch vergeblich, nichts zu<br />
erkennen. Jeder Schritt in eine Pfütze. Dazu<br />
Regen von oben zum Schmutz von unten.<br />
Angenehme Mischung.<br />
Die Stimmung sinkt unter Null. Unerbittlich<br />
laufen die Zeiger der goldenen Armbanduhr,<br />
selbstleuchtend, weiter. Peinlich, die<br />
Verspätung. Schon fünfzehn Minuten über<br />
die Zeit, nicht wieder einzuholen.<br />
Weit und breit kein Passant, kein Polizei-<br />
Agent Erlösung bringt ein Motorradfahrer,<br />
sonst gerade von «ihm» ein ganz klein wenig<br />
über die Achsel angesehen, der ihn jetzt<br />
durch zweckdienliche Ausrüstung beschämt.<br />
Sein Sucher leuchtet ein, zwei Schilder an.<br />
Das richtige ist schnell gefunden. Wieder<br />
hat der Sucher seine Rolle als Retter in der<br />
Not gespielt<br />
Es gibt mehr solcher Fälle:<br />
Die Chaussee ist durch Bauarbeiten eingeengt.<br />
Gefahr, denn regellose Schotterhaufen<br />
säumen sie ein. Der Sucher, seitlich gerichtet,<br />
leistet unschätzbare Dienste.<br />
Panne auf nächtlicher Landstrasse. Wer<br />
hat sie nie erlebt? Gutes Licht bedeutet dabei<br />
halbe Mühe. Der Sucher spendet es, denn<br />
er lässt sich nach allen Richtungen verwenden.<br />
—<br />
Jeder Selbstfahrer kann die Reihe von Beispielen<br />
beliebig verlängern. Wer einmal hinter<br />
Scheinwerfern und Steuerrad gesessen<br />
hat, weiss, dass immer wieder Situationen<br />
eintreten, die den Sucher fordern. Weitreichende<br />
Scheinwerfer für die Fahrbahn, ein<br />
lichtstarker Sucher für alles, was neben ihr<br />
wichtig ist: das ist für Auto und Motorrad<br />
die ideale Zusammenstellung für Nachtfahrten<br />
in Stadt und Land.<br />
Der Motorfahrer, der ohne sie eine «Fahrt<br />
ins Dunkel» antritt, gleicht dem Kapitän ohne<br />
Kompass. Eines sollte so unmöglich sein<br />
wie das andere.<br />
Der Zahnarzt und die<br />
Eskimos<br />
Solange die Eskimos ihr« primitive ursprüngliche<br />
Lebensweise führten, erfreuten<br />
sie sich herrlicher Gebisse, mit deren Stärke<br />
und Gesundheit es die keiner andern Menschenrasse<br />
aufnehmen konnten. Die Zivilisation,<br />
mit der die Eskimos in immer steigendem<br />
Masse in Berührung kommen, bedroht<br />
jedoch dieses kostbare Gut merklich. Neue,<br />
bisher nicht gekannte Lebensmittel und Gewohnheiten<br />
haben den Söhnen der Nordpolar-<br />
Regionen neue, bisher nicht gekannte Leiden<br />
beschert: Zahnschmerzen.<br />
Sobald Eskimos ihr rauhes Nomadenleben<br />
gegen ein sesshaftes eintauschen, sich in Ansiedlungen<br />
niederlassen, die Ernährungsgewohnheiten<br />
ihrer Vorfahren verlassen, um<br />
«zivilisierter© > anzunehmen, und an Stelle<br />
des früher gewöhnten rohen Fleisches zum<br />
grossen Teil auch zucker- und stärkereiche<br />
Nahrung geniessen, verfallen ihre Zähne infolge<br />
der plötzlichen Aenderung der Ernährungsweise<br />
meistens in kürzester Zeit der<br />
Fäulnis, Da gewöhnlich jede Behandlungsmöglichkeit<br />
fehlt, nehmen die Zahn- und Kiefererkrankungen<br />
oft mitleiderregende Dimensionen<br />
an.<br />
Dr. L. M. Waugh von der Universität in<br />
Columbia, der kürzlich von einer Reise in die<br />
Gegenden des nördlichen Eismeeres zurückkehrte,<br />
gab die folgende Geschichte zum<br />
Besten, die einen Begriff davon gibt, welchen<br />
Schrecken und welche Angst die Bewohner<br />
von Labrador vor dem Zahnschmerz empfinden<br />
:<br />
«Eines Tages zog ich dem Häuptling eines<br />
Stammes einen kariösen Zahn, während seine<br />
bei dieser Operation anwesenden Untertanen<br />
beim blossen Anblick der Zange zu stöhnen<br />
und zu heulen anfingen. Die Extraktion ging<br />
aber so leicht und schmerzlos vor sich, dass<br />
der Patient höchlichst erstaunt war, als ich<br />
ihm fast augenblicklich den gezogenen Zahn<br />
in der Zange zeigte. Tags darauf drängte<br />
sich eine ganze Menge Eskimos um mich, die<br />
mir durch lebhafte Mimik den dringenden<br />
Wunsch zn verstehen gaben, ich möge auch<br />
ihnen Zähne ziehen. Als ich den Leuten in<br />
den Mund schaute, musste ich feststellen, dass<br />
sie durchweg tadellose Gebisse besassen. Ein<br />
Dolmetsch klärte mich später darüber auf,<br />
dass die Armen von derartiger Angst vor<br />
etwaigen kommenden Zahnschmerzen besessen<br />
seien, dass sie sich die Zähne lieber vorher<br />
ziehen lassen wollten.»<br />
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