E_1930_Zeitung_Nr.061
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am Strassenunterhalt zu erleichtern, ging<br />
ganz besonders eifrig ans Werk. Fast in allen<br />
Ländern wurden von ihm aus Massnahmen<br />
getroffen, die dem Luftreifen das Aufkommen<br />
möglichst erleichtern, dem Vollgummireifen<br />
aber das Leben möglichst sauer<br />
machen < sollten. Die Steuererleichterungen,<br />
die luftbereifte Fahrzeuge genossen oder die<br />
Extrasteuern anderseits, die vollgummibereiften<br />
Wagen aufgehalst wurden, eine eifrige<br />
Propaganda der Luftreifenfabrikanten und<br />
«in gewisser Enthusiasmus für die Neuerung<br />
•veranlassten denn auch viele Verkehrsunternehmungen,<br />
ohne vieles Rechnen zur Luftbereifung<br />
fiberzugehen.<br />
Heute kann man sich aber des Eindrucks<br />
nicht erwehren, dass dabei vielfach übers Ziel<br />
hinausgeschossen wurde. Für den Staat allerdings<br />
ist der. Luftreifen, dank 1 seiner geringeren<br />
Strassenschädlichkeit, zweifellos ein<br />
Vorteil. Ein anderes Hauptargument, das für<br />
ihn angeführt wurde, die Möglichkeit einer<br />
Erhöhung der Wagenleistungsfähigkeit, ist<br />
ebenfalls stichhältig, vorausgesetzt nämlich,<br />
dass dem sonst keine betriebstechnischen<br />
Hindernisse entgegenstehen. Der Luftreifen<br />
hat dem Schwerautomobil tatsächlich zum<br />
erstenmal ermöglicht, Geschwindigkeiten von<br />
60, ja, wenn'ssein muss, von 100 Stundenkilometern<br />
zu erreichen oder gar längere Zeit<br />
durchzuhalten. Er ist, soweit man heute sehen<br />
kann, auch der einzige Reifen, der in Zukunft<br />
für derartige Geschwindigkeiten taugt.<br />
In der Praxis sind aber die Fälle, in denen<br />
es wirklich auf so hohe Geschwindigkeiten<br />
ankommt, noch ziemlich selten. Bei einem<br />
grossen Teil von Schwerfahrzeugbetrieben,<br />
in allen jenen Fällen beispielsweise, wo das<br />
Fahrzeug in der Stadt oder zwischen eng beieinariderliegenden<br />
Auf- und* Abladestellen<br />
verkehrt, können solche Geschwindigkeiten<br />
aus technischen Gründen gar nicht zur Anwendung<br />
kommen. Bei andern Gelegenheiten<br />
wieder wäre selbst mit hohen Geschwindigkeiten<br />
nur verschwindend wenig einzuholen,<br />
z. B. dann, wenn das Auf- und Abladen den<br />
grössten Teil der Zeit beansprucht.<br />
Bei der Beurteilung eines Einzelfalles spielen<br />
natürlich noch eine Anzahl andere Faktoren<br />
eine Rolle, wie der Zustand der Strassen,<br />
auf denen das Fahrzeug verkehren soll,<br />
die Empfindlichkeit des Ladegutes, die Störungssicherheit,<br />
die man von der Bereifung<br />
fordert die Möglichkeit des Mitiührens von<br />
Reserverädern usw. Ein Lastwagen, der zum<br />
Verfahren von scharfem Strassenschotter<br />
Öder Kehricht dient, wird meist besser mit<br />
andern als Luftreifen ausgerüstet, da > diese<br />
zu leicht verletzt würden, wie auch ein<br />
Stadt-Feuerwehrfahrzeug, bei dem eine Pneu-<br />
Links: Eine Stromlinien-Limousine neuester Bauart in den Strassen Berlins. Der Motor ist hinten eingebaut, wodurch der hintere Wagenteil sehr<br />
schlank und für guten Luftabfluss geeignet gebaut "werden kann. Rechts: Eine Villa mit Vergaser. In der Avenue des Champs Elysees in Paris, sah<br />
man kürzlich diesen neuartigen Uebwlandw'agen, der in seiner komfortablen Inneneinrichtung eine kleine fahrende Villa darstellt, und einen<br />
Salon, ein. Schlafzimmer, eine Küche, ein Badezimmer und einen Raum für ein Ruderboot enthält. Die Räume sind mit Kalt- und Heisswasserversorgung,<br />
elektrischen "Geräten, Rundfunk und vielen anderen neuzeitlichen Einrichtungen versehen.<br />
panne verhängnisvolle Verzögerungen verursachen<br />
könnte. Zugunsten des Luftreifens<br />
kann in manchen Fällen wieder sein grösseres<br />
Adhäsionsvermögen und seine grössere<br />
Schleudersicherheit sprechen.<br />
Im grossen und ganzen aber steht oder<br />
fällt beim Warentransport die Wünschbarkeit<br />
und Rentabilität der Luftbereifung mit dem<br />
kommerziell erreichbaren Qeschwindigkeitsdurchschnitt.<br />
Wie sind nun aber die Fahrzeuge zu bereifen,<br />
die nicht genügend schnell sind, um<br />
Luftbereifung zu rechtfertigen, aber doch<br />
noch zu schnell, als dass sich die Schäden an<br />
der Strasse, die eine Vollgummibereifung mit<br />
sich brächte, vernachlässigen Hessen ? Womit<br />
kann man auch bei langsamer fahrenden<br />
Wagen zugleich der Rentabilität und dem Interesse<br />
des Staates Genüge leisten?<br />
Den gewünschten Ausweg bietet hier der<br />
Hohlraum- oder Halbelastikreifen,<br />
der gewissermassen als . Kreuzung zwischen<br />
dem Vollgummi- und dem Luftreifen aufgefast<br />
werden kann, von seinen Eltern aber nur.<br />
die guten Eigenschaften geerbt hat. Ein schon<br />
gut bekannter Reifen dieser Art ist der«Luftr<br />
kammer»-Reifen von Pirelli. Vom Vollgummi-,<br />
reifen unterscheidet er sich durch einen in<br />
der Richtung des Umfanges verlaufenden<br />
Hohlraum, eben die «Luftkammer», die unter ;<br />
normalem Luftdruck steht und gegen, aussen<br />
durch ein spezielles Verfahren hermetisch<br />
abgeschlossen ist. ferner durch die viel grössere<br />
Auflagefläche, durch die Profilierurig der<br />
AUTOMOBIL-REVUE <strong>1930</strong> - N° 61<br />
Spielarten der Technik<br />
Lauffläche und dem angewandten, besonders<br />
schmiegsamen Gummi.<br />
Schon vor fünf Jahren wurde festgestellt,<br />
dass mit derartigen Reifen eine weit bessere<br />
Stossaufnahme zu erzielen ist als mit Vollgummibandagen.<br />
Messungen mit Seismographen<br />
ergaben, dass Strassenerschütterungen<br />
in vertikaler Richtung beim Hohlraumreifen<br />
kaum grösser waren als bei Luftreifen, in horizontaler<br />
Richtung.gar nicht grösser. Bei ein<br />
; und demselben Fahrzeug Hess sich die Fahrgeschwindigkeit<br />
von 15 auf 25 Stundenkilometer,<br />
erhöhen, nachdem die Vollgummireifen<br />
durch' Halbellastikreifen ersetzt waren, ohne<br />
dass die Erschütterungen zunahmen.<br />
Seitdem sind nochmals bedeutende Fortschritte<br />
erzielt worden. Wir können hier nicht<br />
näher auf die zahlreichen Versuche eingehen,<br />
die auf diesem Gebiet vom « Research Board<br />
of Roads» in den Vereinigten Staaten, von<br />
Professor de Quervain in Zürich, vom «Office<br />
Nationale des Inventions» und der « Societe<br />
de, Transports en commun de la Region Parisienne»<br />
in Frankreich, von Professor Becker<br />
von der Technischen Hochschule in Charlottenburg<br />
in Deutschland, Dr. Ing. Ariano in<br />
Italien angestellt worden sind. Es mag genügen,<br />
wenn wir hier die wichtigsten Erkenntnisse,<br />
die bei den Untersuchungen durch diese<br />
:Ariitsstellen,,Verbänden und Fachleute ge-<br />
•wonnen wurden, kurz aufführen.<br />
So wurde festgestellt, dass im Geschwinrdigkeitsbereich<br />
von 25 — 35 Stundenkilometern<br />
die Strassenabnützung nahezu keine<br />
Unterschiede zeigte, ob das Fahrzeug nun mit<br />
Luft- oder Halbelastikreifen ausgerüstet war,<br />
dass aber die Strassenbeanspruchung durch<br />
den Elastikreifen ungleich viel geringer war<br />
als beim Vollgummireifen und insbesondere,<br />
auf die Tonnen-Kilometer-Leistung bezogen,<br />
fast 60 mal geringer war als bei Eisenbereifung,<br />
trotzdem der Halbelastikreifen-Lastwagen<br />
durchschnittlich 20 km/Std. fuhr, der<br />
eisenbereifte Wagen aber nur in der Gangart<br />
eines Pferdes sich fortbewegte.<br />
Bodenunebenheiten nimmt der Elastikreifen<br />
sogar noch besser auf als der Luftreifen, ><br />
sobald er genügend breit bemessen wird.<br />
Sein Vermögen, Hindernisse gewissermassen<br />
zu verschlucken, ist dabei besonders gross,<br />
wenn diese quer zur Fahrrichtung liegen.<br />
Beim Pirelli-Luftkammerreifen nimmt die<br />
Elastizität durch die Abnützung des Reifens,<br />
nicht ab, sondern im Gegenteil zu, da die<br />
stossdämpfende Luftkammer immer mehr an<br />
die Oberfläche kommt. Bis zu Geschwindigkeiten<br />
von 40—45 km kann deshalb der Halbelastikreifen<br />
hinsichtlich des Stossabsorbtionsvermögens<br />
dem Luftreifen als ebenbürtig<br />
bezeichnet werden. Hinsichtlich der Dauerhaftigkeit<br />
verhält er sich ungefähr wie der<br />
Vollgummireifen, Fahrleistungen von 60,000<br />
Kilometern kommen häufig vor.<br />
Die völlige Unverletzbarkeit und die verhältnismässig<br />
geringen Anschaffungskosten<br />
stellen einen weiteren Vorteil dar, der die<br />
Einbürgerung der Halbelastikreifen begünstigen<br />
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