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E_1930_Zeitung_Nr.103

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N°103 - <strong>1930</strong> ATJTOMOBIL-REVUE 19<br />

Weihnachts-Einkauf<br />

Von Guarnerius.<br />

Jetzt muss ich mich aber beeilen. In einer<br />

halben Stunde schliessen die Geschäfte. Und<br />

ich habe noch nicht einmal an meine Schwester<br />

gedacht. Und erst Max — und Mimi —<br />

mein Gott, mein Gott, jetzt heisst es vorwärtsmachen.<br />

Ich kann doch nicht langjährige<br />

Freundschaften so mutwillig aufs Spiel<br />

setzen !<br />

Ach, hier ist die Strumpfabteilung.<br />

«Ja, ein Paar Damenstrümpfe.»<br />

:«...»<br />

«Wie? Ja natürlich, reinseiden. ><br />

«Hier, mein Herr, zu fünf siebzig, acht neunzig,<br />

vierzehn Franken.»<br />

«Schön. Ja. Sehr schön. 'Hören Sie mal,<br />

Fräulein, haben Sie nicht längere Strümpfe.<br />

Wissen Sie, für eine sehr grosse Dame...»<br />

«Bedaure, das ist alles, was mir noch<br />

bleibt.»<br />

Ich rase weiter. Vorerst im selben Warenhaus.<br />

Max, deine Hosenträger sind ein Gedicht...<br />

Jetzt meine Schwester Ellen: Auch<br />

du wirst dieses Jahr praktisch bedacht. Ich<br />

denke, der Vasen sind es genug. Ach, jener<br />

Kamm im Silberetui. Gar nicht so teuer. So.<br />

Geht das aber eine Ewigkeit an dieser<br />

Kasse. Den Teufel auch, ich muss doch noch<br />

weiter! So, danke. «Auiedersehn!»<br />

«Auiedersehn.»<br />

Jetzt raus. Halt, hier ist ja die Blumenabteilung.<br />

«Fräulein, bitte, bitte, rasch!»<br />

Eine Ewigkeit. Endlich.<br />

«Bitte, ein Strauss rote Rosen und ein<br />

grosser Strauss so Dinger hier. Wie heisst<br />

das Zeug? Wie? Das sind doch Chrysanthemen.<br />

Nicht? Na, mir kann's recht<br />

sein.»<br />

Die Sträusse sehen ja sehr manierlich aus<br />

— Marion wird sicher nett sein darauf hin.<br />

«So. Wieviel?» Donnerwetter, ist das aber<br />

teuer.<br />

Jetzt endlich.<br />

Nun fehlen ja noch die Strümpfe! Wie<br />

soll ich denn als wandelnder Blumenladen<br />

hier hinein. In Henkels totschicken Strumpf-<br />

Luxus-Etablissement. Herrgott, ist das ein<br />

Name! Was heisst Etablissement?<br />

Rein! Hurra!! Ich bin der Letzte, der<br />

noch hereingelassen wird. Gleich wird zugemacht.<br />

So. Nun kann ich es mir ja leisten,<br />

etwas zu warten.<br />

Was für komische Leute da beieinander<br />

sind. Dort der kleine Dicke! Haha! Wie<br />

der mit seinen Schlächterhänden in den<br />

Seidengeweben wühlt Die Verkäuferin sieht<br />

bedauernd zu. Und dort diese stolze Erscheinung<br />

— ganz Grande Dame! Allerlei!<br />

Ach, ich bin schon dran! Das ist ja fabelhaft!<br />

«Ja, bitte, ein Paar sehr schöner, langer<br />

Strümpfe.»<br />

«Eine Modefarbe?»<br />

«Ja, bitte.»<br />

Und ich geniesse die Seidenströme, die<br />

üa vor mir ausfliessen...<br />

wja, Fräulein, glauben Sie, dass diese<br />

Farbe zu einem mattgrünen Kleid getragen<br />

werden kann?»<br />

«Vielleicht. Oder dann jedenfalls diese<br />

hier ganz bestimmt.»<br />

«Ja, aber die scheinen Qualitativ nicht<br />

so...»<br />

«O doch, die 'Qualität dieses ganz neuen<br />

Gewebes ist die allerbeste...»<br />

«Sie gefallen mir einfach nicht...»<br />

«Aber der Dame werden sie sehr gefallen<br />

...»<br />

«Glauben Sie?» frage ich zweifelnd und<br />

betrachte das junge Mädchen zweifelnd...<br />

«Bestimmt» sagte sie da, «der «Einbein-<br />

Patentseidenflor» ist der neueste Wunsch<br />

jeder Dame.»<br />

«Jeder?» frage ich da.<br />

«Jeder.<br />

«Also auch —»<br />

«Aber wie Sie wünschen, mein Herr. Auch<br />

diese Qualität hier wird sich sehr schön<br />

tragen...»<br />

Mittlerweile war ich der letzte Käufer im<br />

Laden. Der Direktor schaute ungeduldighöflich<br />

aus seinen Kragenecken und drückte<br />

die Perle tiefer in seinen Plastron. Ich<br />

wählte rasch. Ich nahm beide Paare, bezahlte<br />

und ging. Ich musste das Lokal durch<br />

die Hintertür verlassen. Die meisten Verkäuferinnen<br />

gingen eben hinaus. Ich drückte<br />

mich, ein arg bepackter Weihnachtsengel,<br />

so gut es ging, mit meinen'Blumen zwischen<br />

den Türpfosten durch.<br />

Ein nettes Mädel, diese Verkäuferin. Da<br />

ging sie übrigens — und Jagdfieber überkam<br />

mich. Doch ich sollte es nicht mal<br />

bfSu'che'h. Sie kam in der Richtung gegen<br />

mich — ich grüsste — warum sollte ich<br />

dehn nicht? Und sie lächelte.<br />

«Sind Sie aber bepackt» sagte sie.<br />

rieh antwortete nicht. Schade, dass das<br />

alles einfach so aufhörte.<br />

Ich brachte die Blumen nach Hause, legte<br />

die Pakete auf den Tisch und zog mich um.<br />

Ich ging zu Marion. Es wurde Zeit. Ich<br />

packte den grossen Strauss mit den Blumen<br />

mit unverständlichem Namen, die Strümpfe,<br />

die Zigaretten (ägyptische Auslese) und was<br />

der kleinen Dinge mehr sind.<br />

Es war wohl nötig, eine Taxe zu nehmen.<br />

Wie dumm! Marion wohnte ja so nah.<br />

Doch wer kam da! Meine kleine Verkäuferin!<br />

Und auch sie war bepackt. Sie<br />

war nett, erkannte mich und lächelte!<br />

«Aber mein Fräulein! So bepackt!»<br />

«Und Sie erst!» lachte sie.<br />

Und da kam es, das Himmelsgeschenk:<br />

die rettende Taxe.<br />

«Aber, bitte, erlauben Sie mir, dass ich<br />

Sie nach Hause bringe, ja?»<br />

Das zweite Himmelsgeschenk! Wir lebten<br />

im zwanzigsten Jahrhundert. Das Mädchen<br />

lachte und stieg ein. Hurra!<br />

Die Fahrt war nur kurz. Ich benahm mich<br />

sehr inkorrekt und bezahlte und stieg aus<br />

und blieb steh'n und fragte endlich, ob wir<br />

nicht noch ein wenig Vorweihnachten feiern<br />

könnten zusammen.<br />

Und meine reizende, bezaubernde Verkäuferin<br />

nickte und lud mich zum Tee ein.<br />

Ja, dieser Tee. Diese Weihnacht. Es<br />

war kaum zu glauben. Ich glaube es auch<br />

nicht. Aber es war sehr schön. Tee ist so<br />

ein herrliches Getränk. Wirklich, wenn er<br />

richtig gewürzt wird!<br />

Und ja... das wurde er.<br />

Es ist zu schwierig, unser Gespräch zu<br />

erzählen.<br />

«Nun muss ich wirklich geh'n.»<br />

«Wirklich?» lächelte sie.<br />

Ich stand auf, öffnete meinen Strauss,<br />

stellte ihn in die grosse Vase, die auf dem<br />

Sims stand, legte die Strümpfe und die<br />

Schokolade dazu und wollte gehen.<br />

Aber sie lächelte, stand auf, gab den<br />

Strauss wieder zusammen, gab ihn mir in<br />

die Hand, steckte die Schokolade in meine<br />

Manteltasche — öffnete das Strumpfpäckchen,<br />

nahm die «Einbein-Florstrümpfe» heraus<br />

und legte das andere Paar zu de»<br />

Zigaretten.<br />

«Aber Liebling,» sagte ich, «warum willsi<br />

du denn nicht...»<br />

«Nein,» sagte sie, «nur das hier... und»<br />

flüsterte sie mir ins Ohr, «du hast sie docli<br />

für mich gekauft, nicht wahr?»<br />

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