E_1933_Zeitung_Nr.032
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32 - <strong>1933</strong> AUTOMOBIL-REVUE 21<br />
Die Auferstehung des Knaben Rudi<br />
Von Dora Stocker-Meynert.<br />
Es ist noch kein Jahr, seit die Mutter starb. er es in der Tasche. Früher war es immer<br />
Gleich nach den Osterfeiertagen war es geschehen.<br />
besitzen. Einen Bruder wollte er nicht. Er<br />
sein Wunsch gewesen, ein Schwesterchen zu<br />
Wie sie mitsammen zur Auferstehung gingen,<br />
war sie noch frisch und gesund. Ihre ein Mädchen hätte er gern zum Gespielen<br />
hatte unter den Buben genug zu leiden. Aber<br />
blonden Haare hatten, unter der Haube hervor,<br />
wie ein golderner Reif um ihr rosenrotes mit ihm sein.<br />
gehabt. Das würde nie so täppisch und grob<br />
Gesicht geleuchtet. Rudi musste sie immerfort<br />
ansehen, so gut gefiel ihm die Mutter. er davon anfing, aber sie wollte ihm nie ein<br />
Seine Mutter hatte immer gelächelt, wenn<br />
Beim Heimkommen fand er dann das kleine, Versprechen geben. Erst an dem Tag, bevor<br />
weisse Zuckerhäschen auf dem Tisch stehen. sie krank wurde, nahm sie ihn zu sich in die<br />
Er hörte noch, wie sie auflachte, weil er mit Kammer und kniete vor ihm nieder, damit<br />
einem solchen Jubelschrei darauf zulief. sie ihm ins Ohr flüstern konnte, weil er<br />
Eine Woche später hatte sie ihn schon verlassen<br />
und er war allein mit dem Vater, der Dann sagte sie ihm in aller Heimlichkeit,<br />
sonst nicht an ihre Lippen heranreichte.<br />
so wenig mit ihm anzufangen wusste, wenn dass er das Schwesterchen bekommen werde,<br />
er am Abend heimkam. Oft sass er bis zum wenn er sehr brav sein würde.<br />
Schlafengehen, ohne ein Wort zu reden. Oder Er überlegte es sich keinen Augenblick.es<br />
er machte sich mit finsterem Gesicht irgend zuzusagen, denn ihre Augen sahen ihn so<br />
etwas zu schaffen, als wenn Rudi überhaupt<br />
nicht da wäre.<br />
Allerdings verkroch sich der gewöhnlich<br />
in einen Winkel, denn Rudi fühlte von jeher<br />
eine lähmende Angst vor seinem Vater.<br />
Selbst gegen den Ortspolizisten zeigte sich<br />
Rudi beherzter. Von der Frau Lehrerin gar<br />
nicht zu reden. An deren Strenge konnte er<br />
Oberhaupt nicht mehr glauben. Die hatte ihn<br />
bald nach dem Heimgang seiner Mutter dabei<br />
ertappt, wie en während die andern buchstabierten,<br />
das Zuckerhäschen mit brennender<br />
Zärtlichkeit betrachtete. In ihrem Aerger<br />
machte sie Miene, es fortzuwerfen. Da<br />
schrie er es, sinnlos vor Angst, heraus, von<br />
wem er es bekommen habe, und sah, wie<br />
sich ihre kurzsichtigen Augen mit Tränen<br />
füllten.<br />
Hastig steckte sie es ihm in die Hand zurück<br />
und ermahnte ihn, ein so teures Andenken<br />
doch lieber zu Hause zu lassen, statt es<br />
bei seiner Gebrechlichkeit Gefahren auszusetzen.<br />
Solche heilige Dinge mflssten sorglicher<br />
verwahrt werden, als in einer zerrisnen<br />
Joppentasche, aus der sie leicht verlorengehen<br />
oder herausgenommen werden<br />
konnten.<br />
Der Rudi erblasste Ober seine Unvorsichtigkeit<br />
und schob das Häschen schnell unter<br />
seinen Brustlatz.<br />
Aber die Buben hatten es schon gesehen<br />
und neckten Ihn fortwährend damit, dass sie<br />
sich ihm mit aufgerissenem Mund in den<br />
Weg stellten, als drohten sie, seinem Kleinod<br />
den Kopf abzubeissen.<br />
Zum Glück war Rudi nie wieder so leichtsinnig,<br />
es in die Schule mitzunehmen. Nur<br />
wenn er am Sonntag In die Kirche ging, trug<br />
froh und festlich an, dass ihm ganz feierlich<br />
zumute wurde.<br />
In derselben Nacht hmtte es bei ihr ange-r<br />
fangen. Dann kamen jene drei furchtbaren<br />
Tage, in denen sie das Haus mit ihrem Stöhnen<br />
erfüllte. Als es endlich aufhörte, war<br />
Mutter tot, und dann hatte des Vaters Weinen<br />
das Haus erfüllt, Tag und Nacht, Tag<br />
und Nacht.<br />
Dann war es Herbst geworden. Fremde<br />
Weiber nahmen das Obst ab und richteten<br />
das Haus für den Winter, wie es früher die<br />
.Mutter getan hatte. Nur war keine Fröhlichkeit<br />
dabei gewesen und niemand hatte Zeit<br />
dazu gefunden, sich um ihn zu kümmern und<br />
ihm dann und wann einen rotbackigen Apfel<br />
zuzustecken, wie er es von der Mutter gewohnt<br />
war. Sie schoben ihn nur überall aus<br />
dem Weg und verloren die Geduld, wenn er<br />
sie um etwas fragte.<br />
Dann fiel der este Schnee. Weihnachten<br />
kam, und trübe, endlose Abende, an denen<br />
der Vater untätig zu Hause sass und in das<br />
Feuer starrte, während Rudi unaufhörlich<br />
davor zitterte, dass er ihn ansprechen werde.<br />
Denn dann konnte er sich nur mit der grössten<br />
Anstrengung davon zurückhalten, in<br />
Weinen auszubrechen und Im Uebermass seines<br />
Verlassenheitsgeffihls jede Selbstbeherrschung<br />
zu verlieren.<br />
Es war ein jammervolles Leben und Rudi<br />
bflsste alle Unbefangenheit ein, die ihn zu einem<br />
Gespielen hätte tauglich machen können.<br />
Einsam schlich er den Schulweg hin und<br />
her und verdämmerte die Stünden daheim in<br />
der Stube, während sich die andern in lärmenden<br />
Rudeln über die Schleifbahn jagten<br />
oder Schneeballenschlachten schlugen.<br />
Dann waren eines Tages die Eiszapfen vom<br />
Dach weggeschmolzen und die Arbeit hatte<br />
draussen wieder begonnen. Aber darum war<br />
es im Haus um nichts heller geworden. Der<br />
Regen troff unausgesetzt über die Fenster.<br />
Es war dem Rudi, als ob seine Mutter die<br />
ganze Sonne mitgenommen hätte.<br />
Traurig sass er mit seinem vorjährigen<br />
Osterhäschen, das auch schon ein recht<br />
kümmerliches Aussehen hatte, beim Tisch,<br />
in der Essstube und horchte, ob die Glocken<br />
nicht schon zur Auferstehung läuteten. Dann<br />
würde der Vater bald zurückkommen und<br />
der Kaffee hereingetragen werden. Rudi<br />
wusste, dass er auf dem Friedhof war, denn<br />
er hatte seinen guten Rock angezogen und<br />
ihn vorher selbst sorgfältig ausgebürstet.<br />
Das tat er immer, wenn er seine tote Frau<br />
besuchen ging. Denn sie hatte immer darauf<br />
gehalten, dass er sauber aussah und dass<br />
seine Stattlichkeit, auf die sie so stolz war,<br />
recht zur Geltung käme.<br />
Das Büschel Krokus und Himmelschlüssel,<br />
das er gestern heimgebracht hatte, musste er<br />
auch für sie mitgenommen haben, denn das<br />
Glas stand leer auf dem Fensterbrett.<br />
Er seufzte und starrte wehmütig auf sein<br />
Häschen, dessen missfarbiger Leib dünne<br />
Sprünge zeigte. Auch das Halsband und die<br />
Fahne hatte er schon verloren. Nur seine<br />
Augen waren noch so blau wie die Vergissmeinnicht.<br />
Vielleicht war er nicht artig gewesen und<br />
hatte darum nicht die kleine Schwester bekommen?<br />
Er fing an, am ganzen Leib zn zittern.<br />
Vielleicht hat die Mutter sterben müssen,<br />
weil er das Schwesterchen nicht bekommen<br />
sollte, weil er nicht brav war? Verzweiflungsvoll<br />
pressten sich seine Hände um das<br />
Häschen. Es zerbröckelte ihm unter den Fingern.<br />
Entsetzt starrte er auf die Stücke. In<br />
diesem Augenblick fing eine Kirchenglocke<br />
zu läuten an. Dunkel und feierlich fiel eine<br />
zweite ein.<br />
«Christ ist erstanden!» sang die alte<br />
Wawra in der Küche mit einer hohen, zittrigen<br />
Stimme. Aber sie verstummte gleich<br />
wieder. Eine Tür war gegangen.<br />
Der Vater! Rudis Lippen verzogen sich<br />
krampfhaft. Jetzt hörte er ihn über den Flur<br />
gehen und beim Wandrechen stehen bleiben,<br />
um seinen Hut aufzuhängen. Jetzt legte er<br />
die Hand auf die Klinke.*,.<br />
Rudi Hess das letzte Stückchen seines<br />
zerbrochenen Kleinodes fallen und stürzte In<br />
trostsuchender Angst dem Vater entgegen.<br />
«Nicht wahr, Vater?» schrie er ausser sich,<br />
«sie ist nicht gestorben, weil ich schlimm<br />
war?»<br />
Passionsblume<br />
Von Georg von der Vrlng.<br />
Am Geländer der Terrasse<br />
Wächst sie mondelang heran.<br />
Regen taucht ihr Blatt ins Nasse.<br />
Alle schau'n und denken dran.<br />
Eines Morgens ist ihr Orden<br />
Aufgestellt und offenbar —<br />
Blaue Strahlen, weisse Borden,<br />
Wo nur grün die Knospe war.<br />
Eine Blüte sonder Regel,<br />
Die uns ängstigt und gefällt:<br />
Helle Hämmer, dunkle Nägel<br />
Ueberm Leidenskreis der Welt.<br />
Sein Vater fuhr zusammen und wurde<br />
noch blasser als er schon gewesen war.<br />
«Was redest du, dummer Bub?» stiess er<br />
hervor. Da kam es Rudi zu Bewusstseln,<br />
dass sie noch nie von der Mutter gesprochen<br />
hatten, obwohl sie sie beide unaufhörlich In<br />
sich trugen. Ueber sein Gesicht fuhr eine<br />
brennende Röte und er klammerte sich leidenschaftlich<br />
an den Arm seines Vaters.<br />
«Glaub' mir, Vater, für das Schwesterlein<br />
und für Mutti hätt' ich alles tun mögen...»<br />
«Schweig», schrie der Vater und schüttelte<br />
das Kind, als wollte er es zerbrechen. Dann<br />
riss er Rudi plötzlich an sich:<br />
«Bub», schluchzte er, «mein Bub.»<br />
Rudi klammerte sich mit verklärtem Gesicht<br />
an ihn. Es war das erstemal, dass ihn<br />
der Vater geküsst hatte.<br />
«Christ ist erstanden!» fing draussen die<br />
alte Wawra wieder zu singen an. Und die<br />
Glocken läuteten.<br />
Tourismus<br />
Wohin an Ostern?<br />
Lachender Sonnenschein, vier ganze lange<br />
freie Tage, da ist es doch ganz unmöglich, dass<br />
man zu Hause sitzen bleibt. Also los. Alltag,<br />
Arbeit und Sorgen werden zu Hause gelassen,<br />
und damit dem einen oder andern unserer<br />
Leser die Wahl seines Ausflugszieles etwas<br />
leichter fällt, geben wir im Nachfolgenden<br />
einige Ratschläge, wohin man an Ostern<br />
fahren könnte. Da wäre zum Beispiel einmaj<br />
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