E_1948_Zeitung_Nr.005
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10 AUTOMOBIL.REVUE MITTWOCH, 4. FEBRUAR 1918 - Nr. 5<br />
Querschnitt durch den französischen Automobilbau<br />
n."<br />
Simca, ein Beispiel modernen Personenwagenbaues<br />
Mitarbeit am <br />
Eine Einladung an touristisch interessierte Leser<br />
Im Frühjahr wird dos < Auto-Magazin», die<br />
Unterhaltungsbeilage der « Automobil - Revue >,<br />
wieder erscheinen können, nachdem sie im Winterhalbjahr<br />
dem Papier-Engpass zum Opfer gefallen<br />
war. Besondere Pflege wird darin der schweizerische<br />
Tourismus finden. Wiri möchten deshalb<br />
schreibgewandte Leser, die dem Autotourismus<br />
huldigen und sich für honorierte Mitarbeit an unserem<br />
Blatte interessieren, einladen, sich mit der Redaktion<br />
des « Auto-Magazins >, Breifenroinstr. 97,<br />
Bern, in Verbindung zu setzen.<br />
Die Legende von der angeblich völlig veralteten<br />
französischen Automobilindustrie wird ziemlich<br />
gründlich zerstört, wenn man, nach einer sorgfältigen<br />
Kontrolle seiner Ausweispapiere, das Gelände<br />
betritt, das sich in Nanterre, einem westlichen<br />
Vorort von Paris, ausbreitet und die Fabrikanlagen<br />
der « Societe de l'Induetrie Mecanique et<br />
de Construction Automobile» umschliesst. Zwar<br />
handelt es sich bei der « Simca », wie man weiss,<br />
um eine zur Ausnutzung der italienischen Fiat-<br />
Lizenz erfolgte Gründung, aber die französische<br />
Gesellschaft, die bisher in den Typen Simca 5 und<br />
Simca 8 hochwertige Personen- und Lieferwagen<br />
aus französischem Material fabrizierte, ist heute<br />
finanziell und praktisch selbständig.<br />
Die Werke beschäftigen zur Zeit 3000 Arbeiter<br />
und Angestellte, mit Einschluss der weitverzweigten<br />
Verkaufsorganisationen. Auf Grund der auch<br />
hier völlig<br />
unzureichenden Zuteilungen an Stahl,<br />
Buntmetaller), Textilien, Reifen und anderen Rohmaterialien<br />
(worunter auch Benzin, das nicht einmal<br />
ausreicht, um die Motoren-Prüfstände nach<br />
Bedarf in Betrieb zu halten), verlassen jetzt stündlich<br />
etwa 8 Wagen der beiden Typen, mit eingerechnet<br />
die Camionnetten, das Fliessband. Würden<br />
mehr als nur 16 000 t Stahlhalbzeug — dies<br />
war die Menge des Jahres 1947 — zugeteilt, so<br />
würde auch die Maximalkapazität von 18 Fahrzeugen<br />
pro Stunde eine ganz andere Ausnutzung<br />
dieser modernen Anlagen und damit eine weit rationellere<br />
Rechnung der Gestehungskosten ermöglichen.<br />
Tatsächlich könnte Simca heute 710 Fahrzeuge<br />
pro Woche oder 2000 im Monat herausbringen,<br />
statt knapp die Hälfte, wie dieß gegenwärtig<br />
der Fall ist.<br />
Der Betrieb führt mit zum Teil jüngerem, neu<br />
angelerntem Personal die 45-Stunden-Woche durch.<br />
Ein Arbeiter bedient aber heute im allgemeinen<br />
nur eine, anstatt wie vor dem Krieg drei Maschinen.<br />
Die Nichtausnutzung der Kapazität wirkt sich<br />
bei einem Werk wie bei Simca nicht nur zum<br />
Schaden des Inlands-, sondern auch des Weltmarktes<br />
aus, zeigten doch die Amerikaner beim letzten<br />
Pariser Salon derart reges Interesse für den neuen<br />
« Simca 6 » (der in der « Automobil-Revue » bereits<br />
beschrieben wurde), dass theoretisch eine unbegrenzte<br />
Zahl dieser neuen Wagen, deren erste<br />
Exemplare unter normalen Bedingungen die bis<br />
dann umgestellten Fliessbandanlagen Anfang August<br />
verlassen sollen, exportiert werden könnten.<br />
Indessen hat 6ich der Export der bisherigen Typen<br />
*) Siehe «AR» Nr. 3/<strong>1948</strong><br />
Leblond-Automot für die Bearbeitung von Kurbelwellenzapfen<br />
Luftbild der Simca-Werke in Nanterre bei Paris. Links das Blechstanzwerk.<br />
befriedigend entwickelt. Allein nach der Schweiz<br />
wurden 1946 und 1947 insgesamt 2000 Sünca-<br />
Wagen ausgeführt,<br />
« Linien »-Fabrikation der Bestandteile.<br />
Charakteristisch für die technische Organisation<br />
der Simca-Werke ist die Automatisierung der<br />
« Section Mecanique », d. h. der grossen Fabrikhaien,<br />
worin, zu ebener Erde, alles fabriziert wird,<br />
was die Herstellung eines Simca-Wagens erfordert,<br />
vom Motorblock bis zum Gehäuse, vom Zylinderkopf<br />
bis zur Kurbelwelle. Die Werkzeugmaschinen<br />
sind fast durchweg amerikanischer Herkunft; sie<br />
fiiii<br />
Eine < SIP »-Präzisionsmaschine für die Herstellung von Lehren<br />
und Werkzeugen mit Toleranzen von einem Tausendstel Millimeter.<br />
stehen in einem « Durchschnittsalter » von 10 Jahren,<br />
womit die bekanntlich erst nach dem ersten<br />
Weltkrieg entstandenen Werke einen erheblichen<br />
Vorsprung vor grösseren, aber älteren Unternehmen<br />
der französischen Automobilbranche besitzen.<br />
Ein Musterbeispiel moderner Technik in der Vörfabrikation<br />
von Karosserieteilen und Chassisträger<br />
stellt das grosse BlechstanzweTk dar, das, in einem<br />
weiträumigen, lichten Neubau untergebracht, mit<br />
seinen mächtigen «Pressen» (siehe Bild) einen<br />
packenden Eindruck hinterläs6t. Die Spezialmaschinen<br />
der Bestandteilfabrikation garantieren<br />
ein auf Hundertstelmillimeter genaues Fräsen,<br />
Schneiden, Schleifen und Bohren. Nicht nur sind<br />
die meisten Maschinen mit Mikrometer-Registrierapparaturen<br />
versehen, jeder einzelne Teil wird<br />
obendrein noch von einem Facharbeiter kontrolliert.<br />
Kein Wechselgetriebe, keine neue Kupplung<br />
und selbstverständlich auch kein Motor verlässt<br />
die Montagehalle oder das Fliessband ohne genaue<br />
Kontrolle. In einem besonderen Raum steht eine<br />
Spezialmaschine schweizerischer Herkunft (siehe<br />
Bild), und man erzählte un6, der alte Werkmeister,<br />
der sie bedient, wache nicht nur eifersüchtig darüber,<br />
dass eich keiner 6einem Heiligtum nähere, ja<br />
sogar der Generaldirektor der Werke dürfe — zur<br />
Vermeidung von Temperaturschwankungen und Erschütterungen<br />
— ohne Erlaubnis des betreffenden<br />
Contremaitre ; den Raum nicht betreten . . .<br />
Ueber das eigentliche Fliessband, das sich in<br />
seiner technischen Anordnung kaum von jenem anderer<br />
Werke unterscheidet, ist nichts Besonderes<br />
zu berichten dagegen um so mehr von dem schlangenförmig<br />
angeordneten Fliessband der Wagenlackiererei,<br />
in der die Simca-Fahrzeuge ihre vielfarbigen<br />
«Kleider» aufgespritzt erhalten. Jede<br />
Karosserie muss nicht weniger als 8 Einzelprozeduren<br />
mit der Spritzpistole über 6ich ergehen lassen<br />
und passiert dabei einen 650 m langen Tunnel,<br />
bis sie, dauerhaft gespritzt, lackiert, auf Hochglanz<br />
poliert und gebürstet, mittels eines Krans durch<br />
eine Luke auf das darunterliegende Fliessband<br />
herabgelassen werden kann. Dass die6e technische<br />
Organisation durch eine nach modernsten Prinzipien<br />
aufgebaute Betriebskontrolle ergänzt und —<br />
um nur ein Beispiel zu nennen — in einem eigenen,<br />
besonderen Bureau die rechtzeitige Lieferung der<br />
benötigten Rohmaterialien und Halbfabrikate überwacht<br />
wird, versteht sich von selbst. Ohne jede<br />
Geheimniskrämerei zeigt hier die Fabrikleitung<br />
ganz offen, wie ein moderner Serienwagen, der<br />
seine Eignung in fast allen Ländern der Welt unter<br />
Beweis gestellt hat und dessen Weiterentwicklung<br />
nicht minder grosse Möglichkeiten auf dem Gebiete<br />
der Popularisierung des Automobils eröffnet,<br />
sozusagen aus der rohen Materie entsteht.<br />
Dr. W. Bg.<br />
Automobil und Abwertung<br />
Zum französischen Währungsexperiment.<br />
(Von unserem Korrespondenten)<br />
Kurzer Rückblick auf 1947.<br />
Trotz Streiks und materieller Mangelwirtschaft,<br />
trotz aller technischen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten<br />
Hess sich das Jahr 1947 im ganzen für<br />
die französische Automobilindustrie nicht gar zu<br />
schlecht an. Die französischen Werke haben in der<br />
Tat während dieses politisch recht bewegten Jahres<br />
im ganzen 66 277 Personenwagen, gegen 29 432<br />
im Jahre 1946 (und 182 400 anno 1938) herausgebracht,<br />
womit also im vergangenen Jahre ca. 35 %<br />
der Vorkriegsproduktion erreicht wurden. Auf dem<br />
Gebiete der Nutzfahrzeugfabrikation schliesst die<br />
Vergleichsbilanz für 1947 mit 70 651 Einheiten, gegen<br />
65 640 im vorhergehenden Jahre und nur 45 000<br />
im Jahre 1938 ab, woraus u. a. hervorgeht, dass die<br />
Lastwagenerzeugung 1947 jene des letzten Friedensjahres<br />
um 55 % überstieg. Unter diesen Umständen-ist<br />
es nicht unberechtigt, von einer Uebersättigung<br />
des französischen Binnenmarktes mit<br />
Lastwagen, besonders solchen leichter Bauart, zu<br />
reden.<br />
,j.<br />
Viel zu wenig Personenwagen!<br />
Es ist ein offenes Geheimnis, dass Hunderte'<br />
«Tracks und Jeeps» aus dem amerikanischen<br />
« Surplus x hinter dem Stacheldraht der Pariser<br />
Wagendepots verrosten, während der französische<br />
Automobilist seit drei Jahren vergeblich auf die<br />
ihm beim Salon gezeigten alten und neuen Wagen<br />
wartet. Alle französischen Fachleute von Ruf haben<br />
wiederholt darauf hingewiesen, dass eine Senkung<br />
der Gestehungskosten für Personenwagen der<br />
französischen Serienfabrikation nur dann möglich<br />
NATCO-Fräsoutomat für das Fräsen der Zylinderblocke.<br />
ist, wenn anstatt 50 bis 100 Wagen in jedem grossen<br />
Werk täglich deren 300—400 die Fliessbänder<br />
verlassen. Aber während 1938 die Eisen- und<br />
Stahlmenge für die französische Autoindustrie<br />
465 000 t betrug, wurden ihr im vergangenen Jahr<br />
nur knapp 33 100 t zugewiesen. Hingegen erhielt<br />
die Staatsbahn im letzten Jahr mehr als 1,2 Mill. t<br />
Stahl und Eisen, während sie vor dem Krieg nur<br />
400 000 t verbrauchte. Und dieses Missverhältnis<br />
zwischen dem Bedarf und der Zuteilung von Rohstoffen<br />
in der französischen Autoindustrie bringt<br />
uns zum Kernproblem unserer Betrachtung, nämlich<br />
auf<br />
die Frage der übersetzten Preise.<br />
die wir bereits in früheren Nummern streiften, die<br />
aber durch die Abwertung des Frankens in ein<br />
ganz neues Licht gerückt wird. Gewis6 setzt die<br />
Aufwertung der ausländischen Devisen um 80 %<br />
dem Import ausländischer Waren bis auf weiteres<br />
ziffernmässig ebensolche Grenzen, wie sie im französischen<br />
Export nach allen Ländern der Welt fürs<br />
erste einen « Dumpingeffekt > bewirkt. Dass französische<br />
Wagen, auf der Preisbasis vom 1. Januar<br />
umgerechnet, sozusagen über Nacht mit einem Federstrich<br />
um 80 % billiger wurden (abgesehen von<br />
den Zollzuschlägen der Schweiz), stimmt zwar auf<br />
dem Papier. Aber in Wirklichkeit liegen die Dinge<br />
so, dass die Heraufsetzung der Kohlen- und Strompreise,<br />
von andern Preissteigerungen ganz zu<br />
schweigen, die gesamte französische Fertigwarenindustrie<br />
ohne Rücksicht auf das Deflationsexperiment<br />
Rene Mayers mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit<br />
dazu zwingen wird, ihre Gestehungskosten neu<br />
zu berechnen und — wenigstens wurde uns dies<br />
von einem durchaus seriösen Konstrukteur versichert<br />
— ihre Exportpreise heraufzusetzen. Man<br />
darf vor allem nicht vergessen, dass die 25prozentige<br />
Preiserhöhung für Treibstoffe, die 55prozentige<br />
für Pneus, die 35—50prozentige für Ersatzund<br />
Zubehörteile bisher nur ausnahmsweise in die<br />
neuen Wagenpreise eingerechnet wurden. Was es<br />
aber bedeutet, wenn der Preis für Hochspannungsstrom<br />
um volle 100 % steigt (was seit 1. Januar<br />
der Fall ist), weiss jeder Schweizer Industrielle.<br />
Die französischen Automobilkonstrukteure — so<br />
fürchten wir — werden so lange aus der Abwertung<br />
keinen grossen Nutzen ziehen können, als<br />
sich nicht eine allgemeine Reduktion der Preise<br />
von der Produktionsseite her anbahnt und also die<br />
Gestehungskosten so gesenkt werden können, dass<br />
man die massive Erhöhung der Frachten, Stromtarife,<br />
Kohlenpreise etc. mit in Kauf nehmen kann.<br />
Alles hängt somit auf diesem subtilen Gebiet<br />
von der weiteren Entwicklung am französischen<br />
Preis- und Lohnmarkt ab. Ganz verfehlt ist es<br />
aber, auf Grund der Abwertung voreilige Schlussfolgerungen<br />
auf<br />
die automobiltounstischen Beziehungen<br />
zwischen Frankreich und der Schweiz zu ziehen.<br />
Vorläufig sind weder die «Zwangsweohselverordnung<br />
» noch die sonstigen, für alle Ausländer geltenden<br />
Devisenbestimmungen aufgehoben. Einen<br />
«freien Sektor > für den Schweizer Franken gibt<br />
es nicht und kann es — im Gegensatz zur freien<br />
Notierung des Dollar und des Escudos — auch<br />
nicht geben, solange die bestehenden Handelsund<br />
Verkehrsbeziehungen zwischen Frankreich und<br />
der Schweiz nach den bestehenden Abkommen auf<br />
Grund eines einzigen amtlichen Kurses geregelt<br />
werden. Es muss also bis auf weiteres jeder<br />
Schweizer Automobilist, der nach Frankreich fährt,<br />
wie bisher seine 500 fFr". täglich zum offiziellen,<br />
allerdings jetzt auf die Hälfte verringerten Kurs<br />
bei einer Devisenbank wechseln; er muss ferner<br />
seine Devisen deklarieren und über den Verbleib<br />
bei der Wiederausreise aus Frankreich den französischen<br />
Zollbehörden Rechenschaft ablegen.<br />
Ob und wann der Schweizer Franken in den<br />
Kreis der Währungen einbezogen wird, für die, neben<br />
dem amtlichen, ein « freier » KUTS vorgesehen<br />
ist, lässt 6ich heute noch nicht voraussehen. Dazu<br />
bedarf es langwieriger und schwieriger Verhandlungen<br />
zwischen den beteiligten Regierungen.<br />
Summa summarum bleibt also auf touristischem<br />
Gebiet fürs erste alles beim alten. Dr. W. B*.<br />
Zunehmender Benzinmangel in Frankreich<br />
Aber Besserung der Versorgungslage in Aussiebt.<br />
In den letzten Tagen gingen wiederum allerlei<br />
alarmierende Nachrichten über die «verzweifelte<br />
Lage am Treibstoffmarkt» durch die französische<br />
Tagespresse. Natürlich macht sich jetzt die verminderte<br />
Erdöleinfuhr und die daraus resultierende<br />
Einschränkung der Benzinerzeugung der französischen<br />
Raffinerien auch in der Zuteilung bemerkbar.<br />
Aber wenn auch der Automobilverkehr in<br />
Paris wie in der Provinz sichtlich abgenommen hat,<br />
kann doch keine Rede davon sein, dass ausländische<br />
Automobilisten, die nach Frankreich einreisen,<br />
auf dem Trockenen sitzen. Die gesamte französische<br />
Fachpresse ist sich vielmehr darüber einig,<br />
dass die von der Regierung im Prinzip beschlossenen<br />
Massnahmen in Kürze trotz aller Dollarknappheit<br />
zu einer Steigerung der Erdöleihfuhren<br />
und damit zu einer Intensivierung der französischen<br />
Benzinproduktion führen werden. bg.