E_1949_Zeitung_Nr.007
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No7 REVTJE AUTOMOBILE - JEUDI 17 FEVRIER<br />
11<br />
Die Beanspruchung der Reifen<br />
bei hohen Geschwindigkeiten<br />
Von Max Zöhrer<br />
E* ist wohl allgemein bekannt, dass Schnellfahrer<br />
mit einem sehr starken Reifenverschleiss<br />
zu rechnen haben. Nicht nur die Wechselbeanspruchung<br />
durch brüskes Beschleunigen und<br />
Bremsen an sich, sondern auch die hohe Geschwindigkeit<br />
selbst nützt, wie man aus der<br />
Praxis weiss, die Reifen derart schnell ab, dass<br />
sich die. Lebensdauer auf einen Bruchteil der<br />
normalen Grosse reduzieren kann. Besonders<br />
deutlich zeigen sich diese Erscheinungen im<br />
Automobilsport, wo beispielsweise an Grossen<br />
Preisen die Reifen nach wenigen hundert Kilometern<br />
vollständig ausgefahren sind. Für diese<br />
Sonderzwecke sind bekanntlich spezielle Reifenarten<br />
entwickelt worden, die den auftretenden<br />
Beanspruchungen (beispielsweise der hohen<br />
Fliehkraft) gewachsen sein müssen. Dennoch<br />
kommt es von Zeit zu Zeit vor, dass sich der<br />
Protektor eines Reifens während der Fahrt löst.<br />
Immerhin sind von den grossen Spezialfirmen<br />
im Lauf der letzten zwanzig Jahre bedeutende<br />
Fortschritte erzielt worden; so mussten beispielsweise<br />
für die Weltrekordfahrten John Cobbs besondere<br />
Pneus zuerst entwickelt werden.<br />
Laboruntersuchungen über diese Verhältnisse<br />
sind nicht sehr leicht durchzuführen. Dennoch<br />
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(0 $0 WO Bt) M 160 m 200 120 km/h<br />
Fig. 1<br />
ROLLWIDERSTAND UND FAHRGESCHWINDIGKEIT<br />
Wie diese Kurvenschar xeigt, wächst der Rollwiderstand bei<br />
hohen Fahrgeschwindigkeiten nicht linear, sondern steigt<br />
ausserördentlich rasch an. Die frühere Berechnungsart mit der<br />
Annahme linearen Anwachsens ist deshalb unrichtig. Wie das<br />
Diagramm deutlich zeigt, verlangen hohe Geschwindigkeiten<br />
hohen Reifendruck.<br />
sind kurz vor dem Krieg und auch seither zahlreiche<br />
Forschungsergebnisse erzielt worden, die<br />
die Verhältnisse beleuchten und möglicherweise<br />
auch auf den Bau von Reifen für normale Beanspruchungen<br />
einen Einfluss ausüben könnten.<br />
Nachstehend seien einige dieser Erkenntnisse<br />
näher behandelt.<br />
Wenn man den Leistungsbedarf eines Fahrzeuges<br />
für verschiedene Geschwindigkeiten berechnet,<br />
so nimmt man meist einen konstanten<br />
Rollreibungskoeffizienten von ca. 0,02 an. Versuche,<br />
die an der technischen Hochschule in<br />
Karlsruhe mit Reifen 5.00—17 gemacht wurden,<br />
zeigen aber, dass diese Annahme falsch ist,<br />
wächst doch der Rollreibungskoeffizient<br />
mit zunehmender Geschwindigkeit<br />
ganz beträchtlich<br />
Fig. 2<br />
DEFORMATION BEI HOHEN GESCHWINDIGKEITEN<br />
fnfolge der einseitigen Beanspruchung des schnellfahrenden<br />
Reifens verteilt sich das Material nicht etwa schön konzentrisch,<br />
sondern es bildet sich, wie diese nach einem Standversuch<br />
gemachte Zeichnung darstellt, eine wellenförmige Deformation,<br />
die sich zu Spitzen erweitem kann.<br />
an. In Fig. 1 sind • einige an oben genannter<br />
Schule gemessene Werte in Funktion der Geschwindigkeit<br />
aufgetragen, und zwar bei verschiedenem<br />
Reifeninnendruck. Der starke An-<br />
««>*}<br />
Fig. 3<br />
DIE ROLLWIDERSTANDSLEISTUNG<br />
Zu den bekannten Faktoren Luftwiderstand und Rollreibung des<br />
Fahrzeugs kommt bei hohen Geschwindigkeiten noch die<br />
stark ansteigende Rollwiderstandsleistung der Reifen, die hier<br />
diagrammatisch aufgezeichnet ist. Bei einem Personenwagen<br />
mit einem Gesamtgewicht von 1200 kg und einem Reifendruck<br />
von 2 alü verlangt die Ueberwindung des Rollwiderstandes<br />
bei 120 km/h 12 PS, bei 180 km/h dagegen 54 PSt<br />
stieg des Rollreibungskoeffizienten bei zunehmender<br />
Geschwindigkeit lässt sich nicht ohne<br />
weiteres erklären. Erst nachdem Reifen bei hohen<br />
Geschwindigkeiten photögraphiert wurden,<br />
konnte man sich ein Bild über das Anwachsen<br />
der Arbeit machen. Fig. 2 zeigt die wellenförmige<br />
Deformation der Ablaufseite eines Reifens,<br />
der auf glatter Scheibe mit 170 km pro Stunde<br />
angetrieben wird. Dass diese zusätzliche Deformation<br />
auch zusätzliche Leistung benotigt, ist<br />
ohne weiteres verständlich. Aus diesen Werten<br />
kann nun die Rollwiderstandsleistung errechnet<br />
werden, die in Fig. 3 in PS pro 100 kg Fahrzeuggewicht<br />
als Funktion der Geschwindigkeit bei<br />
einem Innenluftdruck von 1,5 und bei 2 atü aufzeichnet<br />
Um darzulegen, wie gross der bei konstant<br />
angenommenem Rollreibungskoeffizienten<br />
von 0,02 entstehende Fehler bei grösseren Geschwindigkeiten<br />
ist, 'wurde auch diese Grosse als<br />
gestrichelte Linie eingezeichnet. Wenn man die<br />
Kurve bei 1,5 atü betrachtet, dann sieht man<br />
, c . | . . . • .<br />
70 20 30 UO 50 60 70 60 Min<br />
Zeit<br />
Fig. 4<br />
HOHE REIFENTEMPERATUREN<br />
Bei der Betrachtung dieses Diagramms versteht man, weshalb<br />
die Reifenspezialisten der Grand-Prix-Mannschaften jeweils<br />
mit Thermometern die Temperatur der Reifenoberfläche mit<br />
grösster Aufmerksamkeit messen. Erwärmung auf 100° C kann<br />
selbstverständlich die Gummieigenschaflen stark und nachteilig<br />
ändern.<br />
daraus, dass bei 158 km Stundengeschwindigkeit<br />
pro 100 kg eine Leistung von 4 PS im Reifen<br />
vernichtet wird bei einer Normalbelastung dieses<br />
Reifens 5.00—17 von ca. 400 kg, also 16 PS pro<br />
Reifen, und es ist ohne weiteres verständlich,<br />
dass eine solche Leistungsvernichtung im Reifen<br />
praktisch die sofortige Zerstörung desselben bedingt.<br />
Bei gleicher Geschwindigkeit ist der Leistungsverbrauch<br />
pro 100 kg Gewicht, wenn der<br />
Druck nur um 0,5 atü auf 2 atü gesteigert wird,<br />
nur noch 1,6 PS oder 6,4 PS für 400 kg Belastung.<br />
Dieser enorm grosse Leistungsverbrauch<br />
des Reifens wirkt sich als Erwärmung aus. Messungen<br />
an der Technischen Hochschule in München<br />
an einem Reifen 5.25—20 ergaben die in<br />
Fig. 4 aufgezeichneten Temperaturen, die bei<br />
jenen Versuchen bis auf 100o C stiegen. Es ist<br />
leicht verständlich, dass solche Temperaturen<br />
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'\51J>km/h \S1jkm/h\ 1101km/h | 111km/h<br />
20 I 1 I ' I ~~F<br />
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Fig. 7<br />
SPITZENBILDUNG BEI HOHER GESCHWINDIGKEIT<br />
Eine genaue Betrachtung dieser Photographie zeigt die wellenförmige Deformation bei hoher<br />
Geschwindigkeit und in der Kurve. Die Spitzen sind links noch einmal skizziert. Am stärksten<br />
scheint die Spitze 3 ausgebildet zu sein. Solche Formveränderungen beanspruchen die Reifen<br />
sehr stark. (Sterzi auf Ferrari.)<br />
für einen Reifen, der aus Gummi und Textilien<br />
aufgebaut ist, schädlich sind und zu rascher Abnutzung,<br />
ja selbst zur Zerstörung des Gewebes<br />
führen können. Wärme wird mit Recht als der<br />
grösste Feind der Autoreifen bezeichnet. Der Anstieg<br />
des Innendruckes durch die Wärmeausdehnung<br />
der Luft wird in diesem Bericht mit ca.<br />
15 % angegeben.<br />
Hoher Reifendruck für schnelle Fahrt?<br />
Gemäss obigen Angaben scheint ein hoher<br />
Druck für 'Schnelles Fahren vorteilhaft zu sein.<br />
Der Druck darf aber aus folgenden Ueberlegungen<br />
nicht beliebig hoch gewählt werden. Normalerweise<br />
spielt bei der Berechnung einer Reibungskraft<br />
die Grosse der Reibungsfläche keine<br />
Rolle, da nur der Druck und der Reibungskoeffizient<br />
in Rechnung fallen. Bei einem Reifen aber<br />
liegen die Verhältnisse etwas anders. Wenn ein<br />
Reifen, wie Fig. 5 zeigt, mit einer bestimmten<br />
Auflagefläche auf dem Boden aufliegt, dann wird<br />
er um die Höhe H zusammengedrückt. Bei zunehmendem<br />
Luftdruck und gleicher Belastung<br />
wird selbstverständlich diese Höhe H kleiner.<br />
Wenn nun diese Höhe kleiner wird als die Be-<br />
Fig. 5. ,<br />
DIE EINDRUCKHOHE H <<br />
Diese Distanz sollte eigentlich .so gross bemessen sein, dass<br />
auch beim Durchfedern nie der Kontakt mit dem Boden verloren<br />
geht. In der Praxis lässt sich diese Bedingung allerdings<br />
nicht erfüllen.<br />
wegung des ganzen Rades m seiner Aufhängung,<br />
dann kann sich der Reifen nicht mehr dauernd<br />
den Bodenunebenheiten anschmiegen, sondern er<br />
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IZEH<br />
160 200<br />
Fig. 6<br />
LUFTDRUCK UND REIFENLEBENSDAUER<br />
Diese Kurve zeigt, dass Fahren mit halb- oder dreiviertelleerem<br />
Reifen innerhalb kurzer Zeit zu völliger Zerstörung<br />
führt.<br />
hupft, und damit bricht auch das Fahrzeug beim<br />
raschen Durchfahren von Kurven seitlich aus.<br />
Ferner darf ein Reifen, der für einen bestimmten<br />
Luftdruck gebaut ist, nicht beliebig hoch gepumpt<br />
werden, da mit zunehmendem Luftdruck<br />
die Platzgefahr oder, genauer gesagt, die Durchschlagsgefahr<br />
beim Ueberfahren von Bodenunebenheiten<br />
anwächst.<br />
Ein Rezept, mit welchem Luftdruck am vorteilhaftesten<br />
gefahren werden soll, kann also<br />
nicht gegeben werden, sondern dies ist vom Fahrer<br />
von Fall zu Fall selbst festzulegen. Ein Anhaltspunkt<br />
mag aber immerhin sein, dass ein<br />
Druckanstieg durch die Wärmeausdehnung der<br />
Luft bei längerer Fahrt von 15 % oder 0,3 atü<br />
bei 2 atü Normaldruck als Norm angesehen<br />
werden kann. Steigt