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E_1949_Zeitung_Nr.006

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Autofahren in Deutschland<br />

wenn man zwei Leute nach ihren Erfahrungen<br />

mit Autofahrten in Deutschland fragt, kann<br />

man zwei direkt entgegengesetzt lautende Antworten<br />

hören. «Furchtbar einfach», sagt der<br />

eine, < man erhält den amtlichen Ausweis, fasst<br />

Benzin, isst in den Snack-Bars und geniesst die<br />

Autobahn. » Der andere erklärt kurz und bestimmt:<br />

« Vorläufig nicht mehr! » Warum? Ganz<br />

einfach, weil einer Glück und keine Panne hatte,<br />

und der andere irgendeinen Ersatzteil, einen<br />

neuen Schlauch oder auch nur ein paar Muttern<br />

suchen musste. Es ist ja vielleicht nicht gerade<br />

so, wie sich ein Garagebesitzer in der Gegend<br />

von Hannover ausdrückte, als wir ihn nach der<br />

Möglichkeit einer Hinterachsreparatur mit Ersatzteilen<br />

fragten. Er warf einen bezeichnenden<br />

Blick in seine Werkstatt, in der Draht, Blech<br />

und einige Hämmer das Inventar bildeten und<br />

sagte ohne langes Zaudern: «Ja, dann können<br />

Sie den Wagen in die Luft sprengen. ><br />

Wer eine Panne hat, muss auch Zeit haben.<br />

Auf der Autobahn wird man zur nächsten Hilfsstelle<br />

abgeschleppt, und dann muss man sich<br />

weiter helfen. Wohin? Zu wem? Oder gar auf<br />

die Bahn verladen (wobei irgend jemand den<br />

Wagen zur Bahn bringen muss)? Dabei soll die<br />

Bahn nach Aussagen von Kennern nur in Frage<br />

kommen, wenn man sich prophylaktisch damit<br />

abfindet, das Verdeck, die Pneus, die Birnen<br />

usw. nicht mehr zu sehen. Denn die Fahrzeit ist<br />

lang, der Aufenthalt auf den Strecken und Bahnhof<br />

en noch länger und die Not gross. Wenn man<br />

lebhafter Verkehr m «*r amertkanisehcn Zone<br />

einen zweiten Wagen bei sich hat, ist es viel<br />

sicherer und viel rascher, wenn man den reparaturbedürftigen<br />

Wagen von Frankfurt nach Basel<br />

schleppt (immerhin 250 km), als den Versuch<br />

einer grösseren Reparatur machen zu wollen.<br />

Die Autobahnen sind immer wieder herrlich,<br />

zum grossen Teil in bestem Zustande, nur im<br />

Ruhrbecken braucht die Wiederherstellung der<br />

riesigen Zerstörungen längere Zeit. Den Nebenstrassen<br />

merkt man die übermässige Beanspruchung<br />

und den mangelnden Unterhalt an. Schlaglöcher<br />

am laufenden Band. — Benzin ist kostbar.<br />

Selbst im amerikanischen Sektor kann es<br />

mal vorkommen, dass eine Station kein Benzin<br />

mehr hat. Unangenehm wird es erst dann, wenn<br />

die nächste Station zufällig auch kein Benzin<br />

mehr besitzt, und die dritte Station nochmals<br />

80 Kilometer weit weg ist. Tip für Anfänger auf<br />

der Autobahn: Nur neue Schläuche, da sich bei<br />

der dauernden Beanspruchung die alten Flicke<br />

lösen, und viele, viele Kanister im Wagen!<br />

Es braucht nicht viel, um mit dem Auto in<br />

Deutschland fahren zu können: neben den entsprechenden<br />

Ausweisen eine starke Dosis Glück.<br />

Wenn man kein Glück hat, also eine Panne,<br />

dann braucht es allerdings viel Zeit zum Vergeuden,<br />

eine Werkstatt mit Ausrüstung, den Ersatzteil,<br />

die Bewilligung für die Reparatur und<br />

vieles andere mehr. Und dass man das alles<br />

findet, ist doch wieder eine Glückssache. Es geht<br />

einfach nicht ohne das bisschen Glück. -tu-<br />

Werfctlätte m dw englischen ZOM.<br />

Autofähre an Stelle der zerstörten Rheinbrücke bei Maximilians»«.<br />

Ach, Sie wissen vielleicht nicht, was ein<br />

Test-Driver ist? Das ist so ein Mann, den die<br />

grossen Automobilfabriken engagieren, um die<br />

neuen Modelle auszuprobieren. Das heisst, einzelne<br />

davon aus einer neuen Serie. Glücklicherweise<br />

nur einzelne, wie Sie sehen werden, denn<br />

wenn alle auf diese Weise ausprobiert würden,<br />

kämen keine mehr auf den Markt.<br />

Also, so ein Test-Driver ist mein Freund<br />

John. Und wie er zu dieser Stelle kam, ist eine<br />

Geschichte für sich.<br />

Nachdem er das gesamte ratternde Vermögen<br />

seines Fahrlehrers in Trümmer gelegt hatte,<br />

fand er es an der Zeit, sich auf seine Eignung<br />

zum Autofahren untersuchen zu lassen. Zu diesem<br />

Zwecke begab er sich zu einem Psychotechniker.<br />

Einesteils ging er wirklich deswegen,<br />

andernteils weil er es nicht auf sich sitzen lassen<br />

wollte, von besagtem Fahrlehrer in der ganzen<br />

City als technisches Monstrum verschrien<br />

zu werden.<br />

Dieser Psychotechniker hatte eine wunderschöne<br />

Sammlung von Prüfgeräten, und mein<br />

Freund John brachte es ohne sonderliche Anstrengung<br />

fertig, die ganze Sammlung in weniger<br />

als einer halben Stunde zu ruinieren. Der<br />

unglückliche Besitzer wurde zuerst nervös, dann<br />

blass, und schliesslich lag er mit gesträubten<br />

Benzinstationen mit fliegenden Reparaturdetachementen.<br />

(Photos: Dr. Studerl<br />

Haaren und weit offenem Munde in einem<br />

LehnstuhL<br />

«Kommen Sie morgen nochmals vorbei»,<br />

stotterte er endlich. Als John anderntags wieder<br />

bei dem Mann vorsprach, hatte sich dieser wieder<br />

völlig erholt. Er lächelte sogar und bot John<br />

einen Stuhl und eine Zigarette an.<br />

« Haben Sie eine gute Stelle, Mister Smuts? •<br />

John hatte eine.<br />

« Wieviel verdienen Sie dabei? »<br />

John verdiente 45 Dollar die Woche.<br />

« Wollen Sie 100 Dollar die Woche verdienen?<br />

»<br />

John wollte.<br />

« Dann melden Sie sich morgen um elf Uhr ;<br />

bei Mr. White von den Thunderbolt-Motorcar-<br />

Factories. Auf Wiedersehen und viel Glück! »<br />

«Können Sie Autofahren? » fragte Tom<br />

White.<br />

• Nicht sehr gut », antwortete John zögernd,<br />

und das entsprach mindestens den Tatsachen.<br />

« Also », sagte Tom, c wir geben Ihnen einen<br />

neuen Wagen, und Sie fahren damit acht Stunden<br />

im Tag auf dem Prüfgelände der Fabrik<br />

herum. Wenn etwas am Wagen nicht stimmt,<br />

rufen Sie mich sofort an. Telephone gibt es<br />

überall auf der Strecke. Morgen fangen Sie an. »<br />

Und also geschah es. John erhielt einen Vertrag,<br />

einen Overall und einen wunderbaren<br />

neuen Wagen.<br />

'<br />

« Betty • nannte er ihn, in treuem Angedenken<br />

an seine letzte, eben verflossene Liebe. Und<br />

für Betty erhielt er eine Garage, von der er behauptete,<br />

sie sei zu klein. Eine Behauptung, die<br />

er nicht mehr aufrecht erhalten konnte, nachdem<br />

Tom zwei 5-Tonnen-Lastwagen herausgefahren<br />

hatte. 50 m vor der Garage stand eine<br />

Benzinsäule, und John machte den Vorschlag,<br />

diese um einen Kilometer nach rechts oder nach<br />

links zu versetzen. Dieser Vorschlag wurde von<br />

Test-Driver<br />

Tom abgelehnt, der fand, 50 m Distanz seien<br />

genug,, um daran vorbeizukommen.<br />

Am Mittag des dritten Tages läutete das<br />

Telephon in Toms Büro.<br />

«Hello Tom, hier ist John. Es ist wegen<br />

.Betty'. »<br />

« Was ist los? »<br />

Sie ging mit der Nase durch die Garagewand.<br />

Ich habe Ihnen doch gesagt, das Ding sei<br />

zu klein. ><br />

Im Versuchsgelände befand sich eine alte,<br />

nicht mehr benützte Kiesgrube. Zwei Tage später<br />

wurden Betty und John, beide leicht verbeult,<br />

aus dieser Grube herausgefischt unter Zuhilfenahme<br />

einer beträchtlichen Menge Seile,<br />

Ketten und zweier Traktoren. Doch Betty war<br />

so leicht nicht umzubringen. Sie lief trotz allem<br />

immer noch.<br />

Es war Samstagmorgen, als Tom den Hörer<br />

wieder abnahm.<br />

«Hello Tom, 3etty* steht so nahe bei den<br />

Bäumen, dass Sie sie nicht wiedererkennen werden.<br />

» Und so war es. Dank der Kraft von vierzehn<br />

starken Männern, zweier Bulldozers und<br />

des grössten Kranes, nach dem ein halbes Dutzend<br />

Bäume gefällt, der Strom ausgeschaltet<br />

und die ganze Fabrik für drei Stunden stillgelegt<br />

wurde, konnte « Betty », oder was noch<br />

von ihr übrig geblieben war, wieder auf die<br />

Strasse gebracht werden.<br />

Aber traurig sah sie aus. Die wunderschöne<br />

rotbraune Farbe weg; der glänzende Nickel weg;<br />

der funkelnde Chrom, die Lampen und alle Fenster<br />

weg. Arme, arme « Betty»! Die Karosserie<br />

erinnerte verzweifelt an eine Handorgel, und<br />

ihre Eingeweide waren blossgelegt. Sie sah jetzt<br />

wirklich aus wie eine jener Vertreterinnen des<br />

schwachen Geschlechts, bei denen die Natur und<br />

die Kosmetik versagt haben, aber sonst kein<br />

edler Teil verletzt ist.<br />

Doch « Betty » war ein feines Mädchen. Sie<br />

lief auch jetzt noch, trotzdem die hintere Stossstange<br />

wie eine lebend erstarrte Anklage in die<br />

Luft starrte und vom Verdeck nicht viel mehr<br />

als eine leise Ahnung geblieben war.<br />

Kaum hätte ihr jemand noch ein langes Leben<br />

zu prophezeien gewagt, aber wohl niemand<br />

hätte geglaubt, dass ihr Ende so nahe wäre. Bei<br />

der Rückkehr Johns und « Bettys » erwiesen sich<br />

die 50 m Abstand zwischen Garage und Tanksäule<br />

doch als zu gering. Test-Driver vom Formate<br />

Johns scheinen einen speziellen Schutzengel<br />

zu haben. Er rettete sich mit knapper Not<br />

aus dem brennenden Gemisch, in das sich<br />

« Betty » und die Benzinsäule verwandelt hatten.<br />

Jetzt hat John einen neuen Wagen, einen<br />

neuen Overall, einen Arm dick eingebunden, ein<br />

Pflaster auf der Nase und keine Haare mehr auf<br />

dem Kopf. Als Garage hat man ihm eine verlassene<br />

Montagehalle mit 18 m breitem Schiebetor<br />

zur Verfügung gestellt, und im Umkreis von<br />

2 km ist keine Tankstelle zu finden.<br />

Den neuen Wagen nannte er Dolly. Ganz<br />

zufällig heisst auch die kleine schwarzhaarige<br />

Klapperschlange so, die mit blitzenden Augen<br />

und Zähnen, mit roten Lippen und viel Temperament<br />

in Toms Büro sitzt und mit hexenschnellen<br />

Fingern die Schreibmaschine malträtiert.<br />

T. 1. Berchteld.

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