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RAUMPLANUNG ALS<br />
GESAMTPOLITISCHE<br />
VERANTWORTUNG<br />
Die Probleme unserer Siedlungsentwicklung sind<br />
lösbar <strong>–</strong> wenn die Instrumente, die es gibt, endlich<br />
ernsthafte Anwendung finden.<br />
Von Reinhard Seiß<br />
Dass Österreich von allen vergleichbaren EU-Staaten den<br />
meisten Boden verbraucht, den höchsten Motorisierungsgrad<br />
aufweist und die größte Dichte an Einzelhandelsflächen verzeichnet,<br />
zeigt, dass jene Entwicklungen, die Raumplaner, Verkehrsplaner,<br />
Ökologen, Innenstadtkaufleute, aber auch manche Kommunalpolitiker<br />
und zunehmend mehr Bürger beklagen, keineswegs<br />
dem internationalen Durchschnitt entsprechen. Sie sind weit über<br />
jedes Ziel hinausgeschossen und nicht etwa „passiert“, sondern<br />
waren gewollt <strong>–</strong> und geplant!<br />
Das der Raumplanung anzulasten, wäre indes verfehlt, zumal<br />
diese Disziplin von sich aus nichts zu ändern vermag, sondern<br />
auf Umsetzung durch die Politik angewiesen ist. Aber auch die<br />
Planungspolitik allein könnte keinen Turnaround in unserer Siedlungsentwicklung<br />
bewirken, da viele andere Politikfelder in hohem<br />
Maße raumwirksam sind <strong>–</strong> auch wenn dies den Verantwortlichen<br />
nicht immer bewusst ist. Das Übel liegt im ressortübergreifenden<br />
Nebeneinander von Gesetzen, Verordnungen, Steuern, Abgaben<br />
und Förderungen begraben, die in ihrem Zusammenspiel jene<br />
verheerenden Wirkungen zeitigen, denen wir vermeintlich hilflos<br />
gegenüberstehen. Positiv formuliert: Wären alle Entscheidungsträger<br />
auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene bereit, ihre Politik<br />
aufeinander abzustimmen, wären wir einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung<br />
einen großen Schritt näher <strong>–</strong> und könnten im<br />
Übrigen mehr Geld als mit jeder Steuerreform sparen.<br />
Parkplatz vor dem Supermarkt. Der Ersatz der Kommunalsteuer<br />
als wichtigste Einnahmequelle der Gemeinden wiederum würde<br />
schlagartig den ruinösen Wettlauf unter den Bürgermeistern um<br />
Gewerbeparks und Fachmarktzentren beenden. Zudem wäre der<br />
Bund jederzeit in der Lage, die rechtliche Basis dafür zu schaffen,<br />
dass gewidmetes Bauland nicht mehr länger gehortet werden<br />
kann <strong>–</strong> und die Bodenwertsteigerung bei Umwidmungen mehrheitlich<br />
der öffentlichen Hand zufällt.<br />
Die Länder müssten ihre Wohnbauförderung konsequent auf Sanierung,<br />
Umnutzung und flächensparenden Neubau in zentralen<br />
Lagen konzentrieren <strong>–</strong> und dem Häuschen im Grünen jegliche<br />
Unterstützung versagen. Dasselbe gilt für die Wirtschaftsförderung<br />
<strong>–</strong> auch hier dürfte es zu keiner Subvention flächenvergeudender,<br />
autoabhängiger Betriebsansiedlungen mehr kommen. Zudem<br />
sollten die Kosten der Siedlungsinfrastruktur nach dem Verursacherprinzip<br />
dem Häuslbauer respektive dem Unternehmer weiterverrechnet<br />
und nicht wie <strong>bis</strong>her umverteilt werden. Auch eine<br />
Reform der Stellplatz- und Garagenverordnungen würde das Ihre<br />
dazu beitragen, dass der Flächenfraß und die Autogerechtigkeit<br />
unserer Siedlungsentwicklung eingedämmt werden. Und nicht<br />
zuletzt müsste die Landesraumordnung ihre verwaiste Aufgabe<br />
der Regionalplanung endlich mit Leben erfüllen <strong>–</strong> sowie ihrer Rolle<br />
als Aufsichtsbehörde in der Flächenwidmungsplanung deutlich<br />
gewissenhafter entsprechen.<br />
Auf Bundesebene etwa würden mit der Abschaffung der Pendlerpauschale<br />
nach heutigem Zuschnitt, der es seit Langem an<br />
sozialer Treffsicherheit mangelt, sowie der Steuerbegünstigung<br />
für Firmenwagen zwei wesentliche Treiber des Straßenverkehrs<br />
entfallen. Generell müsste die Subventionierung des Autos, die<br />
sogar der ÖAMTC eingesteht, durch Einführung der Kostenwahrheit<br />
in der Mobilitätspolitik gestoppt werden. Dies würde neue<br />
Investitionen für den öffentlichen Verkehr ermöglichen und eine<br />
kompaktere Siedlungsentwicklung begünstigen.<br />
Die Kommunen schließlich sollten die zunehmenden rechtlichen<br />
Möglichkeiten an boden- und infrastrukturpolitischen wie auch<br />
vertragsraumplanerischen Maßnahmen viel konsequenter ausschöpfen.<br />
Bei der Parzellierung neugewidmeter Flächen könnten<br />
sie verdichteten Bauformen bereits Vorschub leisten <strong>–</strong> und durch<br />
eine städtebaulich orientierte Bebauungsplanung unseren Siedlungsgebieten<br />
jene funktionale und räumliche Qualität zurückgeben,<br />
die sie in den letzten 50 Jahren verloren haben.<br />
Die Grundsteuer, letztmalig 1973 valorisiert, könnte als zusätzliches<br />
Steuerungsinstrument gegen bedenkenlosen Flächenverbrauch<br />
dienen <strong>–</strong> und die 1.000-Quadratmeter-Parzelle für ein Einfamilienhaus<br />
ebenso empfindlich verteuern wie den weitläufigen<br />
Dr. Reinhard Seiß ist Raumplaner, Filmemacher und<br />
Fachpublizist in Wien und Mitglied der Deutschen<br />
Akademie für Städtebau und Landesplanung.<br />
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