D-31224 Peine Telefon (0 51 71) 58 88 84 · Fax (0 51 71)
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6<br />
Titelgeschichte<br />
Firmenportrait<br />
�<br />
Über die Aussage, dass<br />
das Handwerk goldenen Boden<br />
hat, lässt sich bekanntlich<br />
streiten. Unumstritten<br />
aber ist, dass das Handwerk<br />
mit mehr als 100 Berufen und<br />
unzählbaren Aufgabenfeldern<br />
der wohl vielseitigste<br />
Wirtschaftsbereich ist und<br />
mit seinen kleinen und mittleren<br />
Betrieben das Kernstück<br />
der deutschen Wirtschaft<br />
bildet.<br />
Immerhin beschäftigen die<br />
weit mehr als 960 000 Betriebe<br />
rund 4,8 Millionen Menschen,<br />
fast 480 000 Jugendliche<br />
erhalten dort eine qualifizierte<br />
Ausbildung. Damit sind<br />
12,2 Prozent aller Erwerbstätigen<br />
und 30,3 Prozent aller<br />
Auszubildenden in Deutschland<br />
im Handwerk tätig. – Eine<br />
stolze Leistung. Dennoch hat<br />
das Handwerk ein enormes<br />
Imageproblem, das nicht zuletzt<br />
auch auf die Novelle der<br />
Handwerksordnung in 2004<br />
zurückzuführen ist.<br />
Galt der Meisterbrief bis dahin<br />
noch als unumgänglicher<br />
Qualifizierungsnachweis für<br />
die Existenzgründung und Betriebsführung,<br />
verlor er mit<br />
Wegfall der „meisterlichen<br />
Pflicht“ in einigen Berufen<br />
zunehmend an Bedeutung.<br />
„Schließlich stand es plötzlich<br />
fast jedermann frei, den<br />
Schritt in die Selbstständigkeit<br />
zu wagen – egal, ob wirklich<br />
qualifiziert, oder eben nicht“,<br />
bemängelt Erwin Günter, Geschäftsführer<br />
der Kreishandwerkerschaft<br />
<strong>Peine</strong>. Die Folge:<br />
Die Quote der Existenzgründungen<br />
– insbesondere im<br />
Bauhandwerk – schnellte in<br />
die Höhe, die Zahl der Konkurrenten<br />
nahm zu, während<br />
das Qualitätsniveau der Arbeiten<br />
in vielen Bereichen sank.<br />
„Von einem Tag auf den anderen<br />
wimmelte es am Markt nur<br />
noch so von Fliesen-, Platten-<br />
und Mosaiklegern, die oft zusätzlich<br />
Maurer- und Betonar-<br />
beiten zum Dumpingpreis anboten<br />
und dem zulassungspflichtigen<br />
Bauhandwerk damit<br />
bis heute schwer zu schaffen<br />
machen“, erklärt Günter<br />
mit Blick auf die scheinbar<br />
endlose „Dequalifizierungsspirale“.<br />
Allein der Kammerbezirk<br />
Braunschweig, dem auch<br />
die <strong>Peine</strong>r Kreishandwerkerschaft<br />
angehört, habe 800<br />
neue Betriebe im Fliesenlegerhandwerk<br />
gezählt.<br />
Kunden verloren Sicherheit<br />
Während die Initiatoren der<br />
Novelle die Flut der Unternehmensneugründungen<br />
lobten,<br />
sei den Verbrauchern aber die<br />
Sicherheit genommen worden,<br />
tatsächlich mit Meistern zu tun<br />
zu haben, die auch bei an-<br />
<strong>Peine</strong>r Wirtschaftsspiegel ;<br />
Das Handwerk: Auch in turbulenten<br />
Zeiten Rückgrat der Wirtschaft<br />
Erwin Günter über die Entwicklung des<br />
Handwerks.<br />
72<br />
67<br />
82<br />
25<br />
18 6 41 Lehrlingsstatistik für den Landkreis <strong>Peine</strong><br />
Die Statistik zeigt, in welchen Berufen <strong>Peine</strong>r Azubis eine Ausbildung fanden.<br />
315<br />
Insbesondere die Baubranche leidet unter der Vielzahl an Billiganbietern.<br />
Elektro- und Metallhandwerker: 315<br />
Lehrlingsstatistik für den Landkreis <strong>Peine</strong><br />
Gesundheits-/Körperpflege-,<br />
chemisches Elektro- und und Metallhandwerker: Reinigungshandwerk: 315 82<br />
Gesundheits-/Körperpflege-, chemisches und Reinigungshandwerk: 82<br />
Bau- Bau- und und Ausbauhandwerk: Ausbauhandwerk: 72 72<br />
Nahrungsmittelhandwerk (inkl. Verkauf): 67<br />
Nahrungsmittelhandwerk (inkl. Verkauf): 67<br />
Kaufmännische Ausbildungsberufe: 25<br />
Kaufmännische Holzhandwerke: Ausbildungsberufe: 18 25<br />
Sonstige Ausbildungsberufe: 6<br />
Holzhandwerke: 18<br />
Bekleidungs-, Textil- und Lederhandwerk: 4<br />
Sonstige Glas-, Papier-, Ausbildungsberufe: keramische und sonstige Handwerke: 1 6<br />
Bekleidungs-, Textil- und Lederhandwerk: 4<br />
Glas-, Papier-, keramische und sonstige Handwerke: 1<br />
schließenden Problemen noch<br />
zur Rechenschaft gezogen werden<br />
könnten. Und auch der erhoffte<br />
positive Impuls für den<br />
Arbeitsmarkt sei ausgeblieben.<br />
Schließlich versuchten sich die<br />
vermeintlichen Unternehmer<br />
noch heute meist als Einzelkämpfer<br />
neue Märkte zu erschließen.<br />
Zusätzlich habe es einen Einbruch<br />
im Ausbildungssektor<br />
gegeben, denn: „Welcher echte<br />
Meisterbetrieb im Bauhandwerk<br />
zieht sich schon gerne<br />
seine eigene Konkurrenz heran?“,<br />
fragt der Geschäftsführer.<br />
Und die Gründer ohne Qualifikation<br />
hätten weder die Fähigkeit<br />
noch die Berechtigung<br />
oder gar das Interesse an einer<br />
Ausbildung von Lehrlingen.<br />
Langfristig sei damit ein Verlust<br />
an Humankapital verbunden,<br />
der nicht nur Auswirkungen<br />
auf die Innovationsfähigkeiten<br />
der „meisterhaften Betriebe“<br />
hat, sondern sie angesichts des<br />
demografischen Wandels auch<br />
vor große Probleme stellt.<br />
Preiswettkampf hat Folgen<br />
Nicht zu vergessen sei in diesem<br />
Zusammenhang aber<br />
auch ein immer härter werdender<br />
Preiswettbewerb, der<br />
sich über sämtliche Gewerke<br />
erstreckt und beispielsweise<br />
im Nahrungsmittelsektor zu<br />
immer mehr Betriebsauflösungen<br />
geführt habe. „Vor rund<br />
30 Jahren gab es zum Beispiel<br />
noch mehr als 50 Bäcker in