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<strong>AL</strong>LGÄUER KULTURSOMMER 2018 33<br />
Die mit<br />
dem Wolf spielt<br />
Pianistin Hélène Grimaud konzertiert beim Festival<br />
der Nationen in Bad Wörishofen. Ein Porträt<br />
Von Isabelle Reinhardt<br />
Ihre Biographie ziert eine glanzvolle<br />
Karriere: Konzerte mit internationalen<br />
Spitzenorchestern und berühmten<br />
Dirigenten, begeisterte Kritiken<br />
und zahlreiche Auszeichnungen für<br />
ihre Aufnahmen. Doch das gilt wohl<br />
für fast alle Musiker, die beim Festival<br />
der Nationen in Bad Wörishofen<br />
gastieren. Ausnahmetalente, die im<br />
frühen Kindesalter ihr Instrument erlernten<br />
und ihr Können zur Perfektion<br />
feilten.<br />
Eine weltbekannte französische Pianistin,<br />
das ist Hélène Grimaud für ihr<br />
Publikum. Aber wer ist der Mensch<br />
Hélène Grimaud, jener hinter den<br />
atemraubenden Klavierklängen?<br />
Als Kind hätte in Grimaud wohl<br />
kaum einer die in sich ruhende, still<br />
dasitzende, hochkonzentrierte Pianistin<br />
gesehen. Denn bevor sie mit<br />
dem Klavierspielen begann, litt die<br />
Künstlerin an einem Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom<br />
(ADHS). Rastlos, unzufrieden, ungehorsam.<br />
Die Musik war es, die sie<br />
heilte.<br />
Schon gewusst, dass manche<br />
Menschen beim Hören von Tönen<br />
Farben wahrnehmen? Hélène Grimaud<br />
ist einer von ihnen.<br />
Begegnung mit einem Wolf<br />
Vielleicht traut man einer Pianistin<br />
mit ihren zarten Künstler-Händen<br />
ein Kätzchen als passendes Haustier<br />
zu. Ein besonders schönes Bild<br />
ergibt sich, wenn dieses Kätzchen<br />
über die Tasten von Grimauds Klavier<br />
tapst und dem Instrument eine<br />
ungewohnt dissonante Melodie entlockt.<br />
Der Zufall wollte es allerdings anders.<br />
In Tallahassee, der Hauptstadt<br />
des US-Staates Florida, macht Hélène<br />
Grimaud unverhofft die Bekanntschaft<br />
mit einer Wölfin.<br />
Das Raubtier mit dem Namen Alawa<br />
verhielt sich der Pianistin gegenüber<br />
so zutraulich, dass Grimaud<br />
fasziniert war. Eine Streicheleinheit<br />
ließ sie eine tiefe Verbindung zu der<br />
Wölfin verspüren und den Funken<br />
überspringen.<br />
Denn seither brennt die Künstlerin<br />
nicht nur fürs Klavierspiel und klassische<br />
Musik, ihre Leidenschaft gilt<br />
auch den wilden Wölfen. Einige Jahre<br />
lang adoptierte sie Wolfswelpen<br />
und hielt sie in der Wohnung. 1999<br />
gründete Hélène Grimaud schließlich<br />
im Bundesstaat New York das Wolf<br />
Conservation Center auf knapp zwei<br />
Hektar Land.<br />
Ziel ist die Zucht, der Schutz und<br />
die Reintegration von Wölfen in eine<br />
natürliche Umgebung. Zudem engagiert<br />
sich das Wolf Conservation<br />
Center für bedrohte Arten wie den<br />
Mexikanischen Wolf und den Rotwolf.<br />
Der Wolf als Feind des Menschen?<br />
Um nachhaltig für ein Umdenken zu<br />
sorgen, vermittelt Grimauds Center<br />
Kindern und Jugendlichen in Vorträgen<br />
Wissen über die wilden Tiere<br />
und schafft Raum für Begegnung.<br />
Erster eigener Flügel<br />
Dass die Ausnahmepianistin ein<br />
ungewöhnlicher Mensch ist – und<br />
das nicht im schlechten Sinne –,<br />
steht mittlerweile fest. Doch Grimaud<br />
macht noch einmal staunen:<br />
Denn ein Haus voller Klaviere findet<br />
man bei ihr nicht. Tatsächlich kauft<br />
sie sich das erste eigene Piano, einen<br />
Flügel der Marke Steinway, und<br />
das mit 36 Jahren.<br />
Ein Leben für die Musik und für den<br />
Schutz der Wölfe würde die meisten<br />
nicht nur erfüllen, sondern bereits<br />
überfüllen. Doch Hélène Grimaud<br />
liegen nicht nur Raubtiere, sondern<br />
auch Menschen am Herzen. Als Mitglied<br />
der Organisation „Musicians<br />
for Human Rights“, einem weltumspannenden<br />
Netzwerk von Musikern<br />
und anderen in der Musikbranche<br />
Tätigen, setzt sie sich für Menschenrechte<br />
und sozialen Wandel ein.<br />
Ein Leben auf (Klavier-)Saiten<br />
Wer nun denkt, alles Wissenswerte<br />
über Hélène Grimaud erfahren zu<br />
haben, vergreift sich in den Tasten.<br />
Hunderte von Seiten gibt es über sie<br />
zu lesen – geschrieben von ihr selbst<br />
in drei Büchern. Über Wölfe, Musik<br />
und das Leben. Und natürlich über<br />
den Menschen Hélène Grimaud. Auf<br />
diese Magazinseite jedenfalls passt<br />
ihre Lebensgeschichte nicht.<br />
Hélène Grimaud ist eine Pianistin, die mit ihren zarten Fingern nicht nur Klaviertasten<br />
neckt. Sie krault mit ihnen auch Wölfe. Foto: Festival der Nationen<br />
Festival der Nationen in Bad Wörishofen<br />
Programm<br />
• 22. September, 20 Uhr:<br />
Sonderkonzert, Jonas Kaufmann<br />
(Tenor), Helmut Deutsch (Klavier)<br />
(ausverkauft)<br />
• 28. September, 19.30 Uhr:<br />
Eröffnungskonzert, Hélène Grimaud<br />
(Klavier), Christoph Adt (Dirigent),<br />
vbw Festivalorchester<br />
• 29. September, 20 Uhr:<br />
Hélène Grimaud (Klavier), Christoph Adt<br />
(Dirigent), vbw Festivalorchester<br />
• 30. September, 12-16.30 Uhr:<br />
Musikfest Klassik für alle (Eintritt frei)<br />
Kammeroper München<br />
(Leitung: Nabil Shehata)<br />
• 30. September, 19 Uhr:<br />
Nigel Kennedy (Violine), Band,<br />
Russische Kammerphilharmonie<br />
St. Petersburg (ausverkauft)<br />
• 1. Oktober, 20 Uhr:<br />
Khatia Buniatishvili (Klavier),<br />
Gvantsa Buniatishvili (Klavier),<br />
Ruben Gazarian (Dirigent),<br />
Georg. Kammerorchester Ingolstadt<br />
• 2. Oktober, 20 Uhr:<br />
„Pianissimo!“<br />
Hélène Grimaud (Klavier)<br />
• 4. Oktober, 20 Uhr:<br />
Jubiläumskonzert: „70 Jahre Mischa<br />
Maisky“, Mischa Maisky (Violoncello),<br />
Ivan Repušić (Dirigent),<br />
Münchner Rundfunkorchester<br />
• 5. Oktober, 10.30-11.30 Uhr:<br />
Classic for Kids, Kurtheater, „Mozart<br />
auf Reisen“ (Leitung: Heinrich Klug)<br />
• 5. Oktober, 20 Uhr:<br />
Quadro Nuevo „Ragazzo Music“<br />
• 6. Oktober, 19 Uhr:<br />
Abschlussgala mit Fazil Say<br />
Daniel Lozakovich (Violine),<br />
Fazil Say (Klavier),<br />
Aleksandar Marković (Dirigent),<br />
Münchner Rundfunkorchester<br />
Karten:<br />
☎ 0 82 45/96 09 63 (Mo.–Fr. 15–17 Uhr),<br />
☎ 0 82 47/3 50 35, ☎ 0 82 47/99 33 57,<br />
☎ 08 31/2 06 55 55, ☎ 0 89/54 81 81 81