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Heimat-Rundblick Frühjahr 2018

Magazin für Kultur, Geschichte und Natur

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<strong>Frühjahr</strong> <strong>2018</strong><br />

Einzelpreis € 4,50<br />

1/<strong>2018</strong> Û·31. Jahrgang<br />

ISSN 2191-4257 Nr. 124<br />

RUNDBLICK<br />

AUS DER REGION HAMME, WÜMME, WESER<br />

GESCHICHTE Û KULTUR Û·NATUR<br />

I N H A L T<br />

unter anderem:<br />

4Die Familie Hackfeld<br />

4„Mühlenbach Lichtspiele“<br />

4Ein Gnadenhof für Störche<br />

4Heinrich Vogeler und Otto Sohn-Rethel<br />

4Ich bin ein Star-<br />

Bau mir ein Haus<br />

4Vor 100 Jahren<br />

4Die Osterholzer Ziegelei<br />

4Heinrich Vogelers Friedensappell<br />

I N H A L T


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Redaktionssitzung<br />

Dr. Pourshirazi<br />

Fotos: Maren Arndt<br />

Am 27, Januar <strong>2018</strong> fand die aktuelle Redaktionssitzung<br />

unserer Zeitschrift statt – im stilvollen<br />

Overbeck-Museum in Vegesack. Frau Dr.<br />

Pourshirazi führte die Redakteure in lebendiger<br />

und gefühlvoller Weise in das Werk und das<br />

Leben von Fritz Overbeck ein – wir bedanken<br />

uns herzlichst!<br />

Anschließend besuchten wir zwecks Stärkung<br />

das Café gleich in der Nachbarschaft,<br />

eigentlich auch gedacht als Tagungsort, was<br />

allerdings aufgrund von Enge und Lautstärke zu<br />

Kopfzerbrechen über die weitere Gestaltung<br />

führte. Hocherfreut nahmen wir das Angebot<br />

von Frau Dr. Pourshirazi an, uns in die oberen<br />

Räume des Museums zurückziehen zu dürfen.<br />

Schnell ein paar Stühle organisiert – und schon<br />

konnte es losgehen.<br />

Verleger Jürgen Langenbruch berichtete von<br />

dem Renteneintritt unserer eigentlich unersetzlichen<br />

Almuth Roselius – wir wünschen Ihr<br />

alles Gute. (Gottseidank bleibt sie uns für einige<br />

Stunden in der Woche erhalten...). Erfreulicherweise<br />

arbeitet sich zur Zeit die Grafik-Designerin<br />

Christina Meyer, die in dem Haus des ehemaligen<br />

Daumlingsdorfs in Lüninghausen lebt,<br />

in die Materie ein. Ebenso erfreulich ist, dass<br />

Nächste Redaktionssitzung<br />

wir einige neue Autoren begrüßen dürfen – wir<br />

freuen uns!<br />

Eine gute Nachricht kommt vom Museum in<br />

OHZ – einige Aktivisten kümmern sich um eine<br />

mögliche Weiterführung – viel Erfolg!<br />

Nach Rückblick folgte die traditionelle Aufnahme<br />

neuer Themen – von denen so viele<br />

gemeldet wurden, dass auch für die neue Ausgabe<br />

kein Mangel herrschen wird. Nach Schlusswort<br />

und vielen Plaudereien ging auch diese<br />

Sitzung zu Ende –<br />

vielen Dank an Alle! Jürgen Langenbruch<br />

Die nächste Redaktionssitzung findet am 28. April <strong>2018</strong>, 15 Uhr, in der Kunstschau Lilienthal statt. Wir besuchen<br />

die neue Ausstellung „Karl Vinnen und Carl Krummacher“ und tagen gleich dort im Café.<br />

Ich lade herzlich dazu ein – Jürgen Langenbruch.<br />

2<br />

RUNDBLICK <strong>Frühjahr</strong> <strong>2018</strong>


Aus dem Inhalt<br />

Aktuelles<br />

Jürgen Langenbruch<br />

Redaktionssitzung Seite 2<br />

BRAS e. V.<br />

Köksch un Qualm Seite 22<br />

Axel Miesner<br />

Worphüser Heimotfrünn Seite 28<br />

Daniela Platz<br />

800 Jahre Worpswede Seite 34 – 38<br />

<strong>Heimat</strong>geschichte<br />

Harald Steinmann<br />

was lange währt... Seite 20-22<br />

Wilhelm Berger<br />

Die Osterholzer Ziegelei Seite 23 – 25<br />

Helmut Strümpler<br />

Jugendherbergen in den<br />

Dreißigerjahren Seite 29<br />

Daniela Platz<br />

Heinrich Vogelers Friedensappell<br />

von 1918 - aktuell bis heute Seite 32 – 33<br />

Kultur<br />

Rudolf Matzner<br />

Erinnerung an die ehemaligen Burglesumer<br />

„Mühlenbach Lichtspiele“ Seite 13<br />

Siegfried Bresler<br />

Heinrich Vogeler und<br />

Otto Sohn-Rether Seite 16 – 17<br />

Hans-Jörg Baake<br />

„Im Nebel der Vergangenheit“<br />

Die Enstehung „Neuenkirchen“ Seite 26-27<br />

Jens Uwe Böttcher<br />

Lilienthaler Wintertheater Seite 30-31<br />

Jürgen Langenbruch<br />

Ausstellung „Schwebschrauben<br />

und Scheinblüten“ Seite 39<br />

Natur<br />

Maren Arndt<br />

Ein Gnadenhof für Störche Seite 12-13<br />

Susanne Eilers<br />

Ich bin ein Star -<br />

bau mir ein Haus Seite 18-19<br />

Serie<br />

Peter Richter<br />

‘n beten wat op Platt Seite 9<br />

Vor 100 Jahren Seite 14 – 15<br />

Humor im Jahre 1918 Seite 19<br />

Bauernregeln Seite 25<br />

Fast vergessen Seite 33<br />

Redaktionsschluss für die nächste<br />

Ausgabe: 15. Mai <strong>2018</strong><br />

RUNDBLICK <strong>Frühjahr</strong> <strong>2018</strong><br />

Liebe Leserinnen<br />

und Leser,<br />

Sie ahnen es vielleicht - unser Heft ist etwas<br />

ganz Besonderes. Jedenfalls ist mir nichts<br />

Gleichartiges bekannt: ein, fast hätte ich<br />

gesagt "Kollektiv", also eine Gruppe Gleichgesinnter,<br />

weiblich und männlich, erarbeitet seit<br />

vielen Jahren in jedem Vierteljahr mit viel Zeitaufwand<br />

und Recherche eine Reihe von in der<br />

Regel qualitativ hochwertigen Artikeln, die sich<br />

mit allen möglichen Ereignissen aus Vergangenheit<br />

und Gegenwart, aber auch mit die<br />

Zukunft tangierenden Entwicklungen beschäftigen.<br />

Dafür gebührt allen Beteiligten Dank<br />

und Anerkennung - vielleicht fällt dabei auch<br />

etwas für den Verleger ab, der bei der Kostenkalkulation<br />

gerne seine Brille mit den rosarot<br />

gefärbten Gläsern aufsetzt. Nun, sei es wie es<br />

ist: der Frühling ist eingetroffen und mit ihm<br />

die Störche, die deshalb auch unsere Titelseite<br />

schmücken.<br />

Ihnen ist sicher das Konsul-Hackfeld-Haus<br />

in der Birkenstraße bekannt, das Haus des<br />

CVJM, in dem zudem viele Veranstaltungen<br />

aller Art stattfinden. Wer dieser Konsul Hackfeld<br />

war, erfahren Sie in einem ausführlichen<br />

Artikel unseres Autors Rudolf Matzner; und<br />

dazu gibt es auch noch einen Nachtrag über<br />

den Zuckerfabrikanten Paul Isenberg.<br />

Wann waren Sie zum letzten Mal im Kino?<br />

Wenn Sie nicht mehr ganz jung an Jahren sind<br />

und Burglesum kennen, erinnern Sie sich vielleicht<br />

an die dortigen „Mühlenbach Lichtspiele“?<br />

In Berne gibt es eine Auffangstation für<br />

verletzte Störche, Maren Arndt berichtet uns<br />

von dieser verdienstvollen Unternehmung.<br />

Viele Vögel werden durch unsere ach so wunderbaren<br />

Windkraftwerke, für die es ja „keine<br />

Alternative“ gibt, verletzt oder getötet. Falls<br />

Ihre Uhr in letzter Zeit mal etwa nachging, es<br />

lag an der Vielzahl stromtechnischer Einspeisungen<br />

in das Netz, die je nach aktueller Lage<br />

(Wind – kein Wind, Sonnenlicht – kein Sonnenlicht)<br />

zu Schwierigkeiten bei der Synchronisation<br />

(50 Hz) führen. Und wenn der Strom<br />

einmal da ist und nicht gespeichert oder verbraucht<br />

werden kann, wird es schwierig.<br />

Vor 100 Jahren gab es das noch nicht, aber<br />

es gab andere Probleme – auch mit dem Strom,<br />

wie Peter Richter in dieser beliebten Rubrik<br />

erläutert.<br />

Siegfried Bresler berichtet von der Künstlerfreundschaft<br />

zwischen Heinrich Vogeler und<br />

Otto Sohn-Rethel, eine wichtige Episode aus<br />

dem spannungsreichen Leben Vogelers. Vogel<br />

des Jahres ist der Star – Susanne Eilers zitiert<br />

aus Veröffentlichungen der NABU.<br />

Nicht unumstritten ist die Geschichte des<br />

Klosters Lilienthal, Harald Steinmann konfrontiert<br />

uns mit neuen Erkenntnissen zu diesem<br />

Thema.<br />

Die Osterholzer Ziegelei wird ausführlich<br />

von Wilhelm Berger vorgestellt, in bewährter<br />

Qualität mit Wort und Bild.<br />

Hans-Jörg Baaake und Herbert A. Peschel<br />

rätseln zusammen über die Entstehung von<br />

Neuenkirchen – lesen Sie selbst.<br />

Im Lilienhof fand die diesjährige JHV der<br />

rührigen „Worphüser <strong>Heimat</strong>frünn“ statt – der<br />

neue Vorsitzende Axel Miesner berichtet.<br />

Jeder von uns hat sicher schon einmal in<br />

einer Jugendherberge übernachtet und erinnert<br />

sich gerne daran. Helmut Strümpler erinnert<br />

an die Jugendherberge Worpswede und<br />

den Missbrauch im „3. Reich“. Jens-Uwe Böttcher<br />

erzählt von einer Zusammenarbeit der<br />

Lilienthaler Freilichtbühne mit der Bremer<br />

Heimstiftung im Ellener Hof. Und noch einmal<br />

Heinrich Vogeler – der Friedensappel an den<br />

Kaiser von 1918; eine Rezension der Buchs von<br />

Bernd Stenzig: „Das Märchen vom lieben Gott“.<br />

Zwischendurch erfreut uns Peter Richter mit<br />

dem Gedicht „Sommerabend“ von Richard<br />

Dehmel; mögen uns auch solche Erbnisse<br />

beschieden werden...<br />

„Worpswede“ - das Dorf gab es auch schon<br />

ohne Künstler, Daniela Platz berichtet von 800<br />

Jahren Worpswede. Sie merken es: es gibt viel<br />

zu Lesen – ich wünsche Ihnen viel Spaß und<br />

hoffe, dass die so verschiedenen Themen auch<br />

Ihre Aufmerksamkeit verdient haben.<br />

Ihr Jürgen Langenbruch<br />

Impressum<br />

Herausgeber und Verlag: Druckerpresse-Verlag UG<br />

(haftungsbeschränkt), Scheeren 12, 28865 Lilienthal,<br />

Tel. 04298/46 99 09, Fax 04298/3 04 67, E-Mail<br />

info@heimat-rundblick.de, Geschäftsführer: Jürgen<br />

Langenbruch M.A., HRB Amtsgericht Walsrode 202140.<br />

Redaktionsteam: Wilko Jäger (Schwanewede),<br />

Rupprecht Knoop (Lilienthal), Dr. Christian Lenz (Teufelsmoor),<br />

Peter Richter (Lilienthal), Manfred Simmering<br />

(Lilienthal), Dr. Helmut Stelljes (Worps wede).<br />

Für unverlangt zugesandte Manuskripte und Bilder wird<br />

keine Haftung übernommen. Kürzungen vorbehalten. Die<br />

veröffentlichten Beiträge werden von den Autoren selbst<br />

verantwortet und geben nicht unbedingt die Meinung der<br />

Redaktion wieder. Wir behalten uns das Recht vor,<br />

Beiträge und auch Anzeigen nicht zu veröffentlichen.<br />

Leserservice: Telefon 04298/46 99 09, Telefax 04298/3 04 67.<br />

Korrektur: Helmut Strümpler.<br />

Erscheinungsweise: vierteljährlich.<br />

Bezugspreis: Einzelheft 4,50 ¤ , Abonnement 18,– ¤<br />

jährlich frei Haus. Bestellungen nimmt der Verlag<br />

entgegen; bitte Abbuchungsermächtigung beifügen.<br />

Kündigung drei Monate vor Ablauf des Jahresabonnements.<br />

Bankverbindungen: Für Abonnements: Kreissparkasse<br />

Lilienthal IBAN: DE27 2915 2300 1410 0075 28,<br />

BIC: BRLADE21OHZ.<br />

Für Spenden und Fördervereins-Beiträge: Volksbank<br />

Osterholz eG, IBAN: DE66 2916 2394 0732 7374 00, BIC:<br />

GENODEF1OHZ.<br />

Druck: Langenbruch, Lilienthal.<br />

Erfüllungsort: Lilienthal, Gerichtsstand Osterholz-Scharmbeck.<br />

Der HEIMAT-RUNDBLICK ist erhältlich:<br />

Bremen: Böttcherstraße/Ecke Andenkenladen<br />

Worpswede: Buchhandlung Netzel, Aktiv-Markt, Barkenhoff.<br />

Titelbild:<br />

Storchenstation „Mutter bringt Futter“<br />

Foto: Maren Arndt<br />

3


Die Familie Hackfeld<br />

Aufstieg und Niedergang des ehemals größten Unternehmens im Südseeraum<br />

Vorbemerkung:<br />

Das Haus des Bremer CVJM in der Birkenstraße<br />

Verwaltungsgebäude des Hackfeld-Konzern auf Hawaii<br />

Mit diesem Aufsatz soll versucht werden, das<br />

Lebenswerk des Heinrich Hackfeld und dessen<br />

Neffen und Nachfolgers Johann Friedrich Hackfeld<br />

ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken.<br />

Beide Familien haben ihre Spuren sowohl in<br />

Bremens Innenstadt als auch in St. Magnus hinterlassen.<br />

Während meines Vortrages über Persönlichkeiten<br />

unserer Stadt am 3. April 2003 in<br />

der ehemaligen Hackfeldschen Sommervilla in<br />

St. Magnus war ich versucht zu sagen, dass Bremens<br />

Geschichte um einiges ärmer wäre, wenn<br />

es Bremen-Nord nicht gäbe. Das können wir<br />

allerdings aus heutiger Sicht nur so sagen, denn<br />

zu der Zeit, als sich Bremer Reeder, Kapitäne,<br />

Künstler, Senatoren und Kaufleute ihre Sommerhäuser<br />

hier an der Lesum und an der Weser<br />

errichten ließen, gehörte dieser Landstrich -<br />

mit Ausnahme von Vegesack - bis 1939 zu<br />

Preußen und zuvor zum Königreich Hannover.<br />

Absichtlich habe ich die Kaufleute zuletzt<br />

angeführt, um darauf hinzuweisen, dass es in<br />

Bremen unüblich war, von einem Großkaufmann<br />

zu reden. Trotz eines verdienten Wohlstandes<br />

gab man sich bescheiden und so sprach<br />

man in Bremen zum Beispiel vom Weinkaufmann,<br />

Getreidekaufmann, Kaffee- oder Holzkaufmann.<br />

Die Hackfelds waren Überseekaufleute,<br />

und zwar die größten mit Firmensitz in<br />

Honolulu.<br />

Die auswärtige Konkurrenz bezeichnete die<br />

Bremer Kaufleute als „Pfeffersäcke" und zum<br />

anderen sagte man: „Die Bremer Kaufleute sind<br />

so steif wie ihr Grog".<br />

Zu Bremen-Nord wäre noch zu sagen, dass<br />

sich die zuvor erwähnten Kaufleute und dergleichen<br />

seit Beginn der zweiten Hälfte des vorletzten<br />

Jahrhunderts und auch überwiegend im<br />

zweiten Abschnitt ihres Lebens hier angesiedelt<br />

haben, so auch die Hackfelds. Es galt der<br />

Spruch: „Landluft macht frei".<br />

Biografien und Beschreibungen über<br />

Geschäftsentwicklungen sind auch immer<br />

Dokumente der Zeitgeschichte die - je länger<br />

die Zeit darüber vergeht - oft in Vergessenheit<br />

geraten. Das ist mir besonders bei meinen<br />

Recherchen über Baron Ludwig Knoop, dem<br />

Besitzer von Schloss Mühlenthal in St. Magnus,<br />

und dem Gutsbesitzer Johannes Pellens aufgefallen,<br />

der für seine Frau die Villa Marßel bauen<br />

ließ.<br />

Erfreulicherweise trägt das CVJM-Haus in der<br />

Bremer Birkenstraße in großen Lettern die<br />

Foto: R. Matzner<br />

Foto aus Privatbesitz<br />

Bezeichnung „Konsul-Hackfeld-Haus", ein Zeichen,<br />

dass dieser christlich orientierte Verein<br />

dem Konsul Hackfeld sich zu Dank verpflichtet<br />

fühlt. In ähnlich anerkennender Weise schrieb<br />

die Delmenhorster Zeitung 1992 unter der<br />

Überschrift: „Das Märchen von Heinrich Hackfeld"<br />

und „Es war einmal ein armer Junge"'.<br />

Dabei wurde berichtet, dass der Hackfeldsche<br />

Marienfonds wieder zur Verfügung steht. Diese<br />

beiden Hinweise mögen schon mal den großzügigen<br />

Charakter beleuchten, der mit dem<br />

Namen Hackfeld verbunden ist.<br />

Lebenslauf des Firmengründers<br />

Heinrich Hackfeld<br />

Es begann mit Heinrich Hackfeld, der am 24.<br />

August 1816 in Almsloh bei Ganderkesee als<br />

Sohn armer Eltern geboren wurde. Sein Vater<br />

war von Beruf Tagelöhner und verstarb am 7.<br />

Februar 1824, als Heinrich siebeneinhalb Jahre<br />

alt war. Die Mutter hatte danach drei Töchter<br />

und vier Söhne zu versorgen. Tätigkeiten als<br />

Hütejunge beim Bauern, mäßiger Schulbesuch<br />

und ärmliche Lebensverhältnisse bestimmten<br />

Heinrichs Kindheit. Nach der Konfirmation, also<br />

im Alter von etwa dreizehn oder vierzehn Jahren,<br />

verließ Heinrich Hackfeld seinen <strong>Heimat</strong>ort<br />

im Oldenburgischen in Richtung Amsterdam,<br />

um Seemann zu werden. Amsterdam war<br />

damals der Treffpunkt aller Fahrensleute aus<br />

der Gemeinde Ganderkesee und Umgebung.<br />

Zahlreiche junge Männer zog es dort hin, weil<br />

sie in ihrer <strong>Heimat</strong> keine Zukunft sahen. Nach<br />

mehreren Fahrten besuchte Heinrich mit finanzieller<br />

Unterstützung eines Freundes die Steuermannsschule<br />

in Bremen. Mit achtundzwanzig<br />

Jahren segelte er als Kapitän und Mitbesitzer<br />

des Schiffes „Expreß" zunächst nach Honolulu.<br />

Sein Schiff strandete 1845 bei der Insel Batan.<br />

4 RUNDBLICK <strong>Frühjahr</strong> <strong>2018</strong>


Mannschaft und Silberladung wurden geborgen;<br />

jedoch in der Zeit lernte Heinrich Hackfeld<br />

die Schauplätze seines späteren Erfolges kennen.<br />

So richtete er im Januar 1847 als dreißigjähriger<br />

Kapitän ein Schreiben an die heute<br />

noch existierende Reedereifirma W. A. Fritze in<br />

Bremen, in welchem er auf die große Bedeutung<br />

der Hawaii-Inseln für den Handel in der<br />

Südsee mit Amerika und China aufmerksam<br />

machte. Seine Absicht war es, Vertreter des<br />

bekannten Bremer Unternehmens zu werden.<br />

Es war sein Glück, dass die Geschäftsleitung der<br />

Firma Fritze auf sein Angebot nicht eingegangen<br />

war. Kurzentschlossen kaufte er die Brigg<br />

„Wilhelmine", fuhr von Hongkong nach Bremen<br />

und kaufte hier Ware ein für ein in Honolulu zu<br />

gründendes Geschäft. In Bremen heiratete er<br />

Das Elternhaus von Marie Gesine Hackfeld, geborene Pflüger, an der Schlachte - zweites Haus von<br />

links - Fassade heute an der Sparkasse am Bremer Marktplatz<br />

Foto aus Privatbesitz<br />

Heinrich Hackfeld<br />

noch die Tochter des Schiffsmaklers Georg-Friederich<br />

Pflüger Marie Gesine. Mit ihr und ihren<br />

beiden Brüdern trat er die Reise nach Honolulu<br />

an. Johann Carl Diederich Pflüger (1833-1883),<br />

sein Schwager, wurde aufgrund seines Fleißes<br />

als Geschäftspartner und Teilhaber aufgenommen.<br />

Das 1849 gegründete Geschäft befasste sich<br />

zunächst mit der Ausstattung von Walfangschiffen<br />

und deren Besatzung. Der Erwerb von<br />

RUNDBLICK <strong>Frühjahr</strong> <strong>2018</strong><br />

Foto aus Privatbesitz<br />

Marie Gesine Hackfeld, geb. Pflüger<br />

Foto aus Privatbesitz<br />

zwei Zuckerplantagen stabilisierte das Unternehmen<br />

und die Entwicklung des Holzimportes.<br />

Die Einführung von Ananaspflanzungen von<br />

Mexiko nach Hawaii brachte der Firma Hackfeld<br />

einen ungeahnten Aufschwung. Im Jahre 1850<br />

wurde ein Ladengeschäft für Kleiderstoffe -<br />

auch Seidenhaus Haie Kalika genannt - eingerichtet.<br />

Die Leitung übernahm Hackfelds Neffe<br />

Bernd-Carl Ehlers, dem bald 70 Angestellte<br />

unterstanden.<br />

Heinrich Hackfeld kehrte 1862 mit seiner<br />

Frau Marie Gesine nach Bremen zurück. Zuvor<br />

aber wurde noch eine Reedereigesellschaft<br />

gegründet, deren Register 1871 achtzehn<br />

Schiffe zählte. Hackfelds Reedereiflagge auf<br />

den Schiffen war das rote Hanseatenkreuz auf<br />

weißem Feld. Eine interessante Nachbildung<br />

dieser ehemaligen Verdienstmedaille für Bremer<br />

Freiheitskämpfer der Jahre 1810-1813 finden<br />

wir auf dem Pflaster des Bremer Marktplatzes.<br />

Heinrich Hackfeld war Konsul von Schweden<br />

und Russland. Sein Nachfolger Johann Friedrich<br />

Hackfeld bzw. die Direktoren der Hackfeld-<br />

Gruppe vertraten Jahrzehnte die verschiedensten<br />

Staaten, wie Österreich, Ungarn, Schweden,<br />

Norwegen, Belgien und das deutsche Kaiserreich.<br />

Am 20. Oktober 1887 starb Heinrich Hackfeld<br />

im Alter von 71 Jahren in Bremen, von wo<br />

er die Geschäfte seines Unternehmens noch<br />

betreut hatte. Der Firmengründer Heinrich<br />

Hackfeld wurde in Delmenhorst bestattet, später<br />

auf den 1897 fertiggestellten Friedhof an<br />

der Wildeshauser Straße umgebettet. Marie<br />

Gesine Hackfeld hat ihren Ehemann dreißig<br />

Jahre überlebt. Sie starb am 4. Februar1917 und<br />

wurde nach der Einäscherung im Elterngrab auf<br />

dem Riensberger Friedhof in Bremen beigesetzt.<br />

Zunächst wurde die Leitung des umfangreichen<br />

Unternehmens auf Hawaii von dem<br />

Schwager Johann Carl Diederich Pflüger wahrgenommen.<br />

Als hochqualifizierter Mitarbeiter<br />

in der Firmenspitze fungierte Paul Isenberg, ein<br />

aus Dransfeld stammender Landwirt, dem der<br />

Konzern seine starke Stellung in der Hawaiischen<br />

Zuckerwirtschaft verdankte. Bleibt noch<br />

anzumerken, dass freie Pflanzer mit großzügigen<br />

Krediten unterstützt wurden, allerdings mit<br />

der Auflage, ihre Erzeugnisse über das Hackfeldsche<br />

Unternehmen abzurechnen.<br />

Aus der Ehe des Firmengründers sind keine<br />

Kinder hervorgegangen, sodass Heinrich Hackfeld<br />

seinen Neffen Johann Friedrich Hackfeld<br />

im Jahre 1878 nach Hawaii schickte. Sein Vater,<br />

der am 10. Februar 1821 geborene Hermann<br />

Wilhelm Hackfeld, war der Bruder von Heinrich<br />

Fassade des ehemals Pflügerschen Hauses an<br />

der Sparkassenfiliale am Marktplatz<br />

Foto: R. Matzner<br />

Hackfeld. Er war Tagelöhner aber auch Schneidermeister.<br />

Aus der übernommenen Reihenfolge<br />

der Berufsbezeichnungen ist zu vermuten,<br />

dass er im Winter seinen Lebensunterhalt als<br />

Schneider bestritten hat. Wie erwähnt, befand<br />

sich das Ehepaar Marie Gesine und Heinrich seit<br />

5


Das Landgut Hackfeld. Im Dreikaiserjahr 1888 kaufte die Witwe des Konsuls Heinrich Hackfeld,<br />

Marie Gesine Hackfeld, ein Grundstück mit dem dazugehörenden Landhaus an der heutigen Lesmonastraße<br />

mit Blick auf die Lesum. Das i. J.1870 erbaute Gebäude wurde 1933 abgebrochen und<br />

ein Jahr später wurde für die Familie Drettmann eine ansehnliche Villa erbaut.<br />

Foto aus Privatbesitz<br />

1862 bereits in Bremen.<br />

Im Jahre 1892 kehrte Johann Carl Diederich<br />

Pflüger nach Bremen zurück, wo er 5O-jährig<br />

verstarb. Auf die Todesnachricht hin schlossen<br />

in Honolulu sämtliche Regierungs- und<br />

Geschäftsbüros; die Handelskammer trat zu<br />

einer Trauersitzung zusammen und die Flaggen<br />

wehten auf halbmast.<br />

Johann Friedrich Hackfeld,<br />

der Neffe und Nachfolger auf<br />

Hawaii (genannt John)<br />

Am 26. Dezember 1856 in Gruppenbühren<br />

nordwestlich von Delmenhorst geboren, hatte<br />

Johann Friedrich Hackfeld nach seiner Lehrzeit<br />

bei der Firma Papendiek in Bremen seine<br />

Militärzeit absolviert und war dann 2O-jährig in<br />

das Unternehmen seines Onkels in Honolulu<br />

eingetreten. Als Mitarbeiter der Konzernleitung<br />

hatte er sich außerordentlich bewährt, sodass<br />

er 1903 nach dem Tode von Paul Isenberg allein<br />

verantwortlich die Unternehmensführung auf<br />

Hawaii übernahm. Doch schon zuvor, 1888, heiratete<br />

er eine Nichte von Paul Isenberg, Julita<br />

Berkenbusch aus Pueblo in Mexiko. Aus dieser<br />

Ehe sind die Töchter Julia und Marie-Dorothee<br />

hervorgegangen. Aus den Überlieferungen ist<br />

zu entnehmen, dass es außergewöhnlich hübsche<br />

Damen gewesen waren.<br />

Wie schon Heinrich Hackfeld, so pflegten<br />

auch sein Schwager Johann Pflüger und Neffe<br />

Johann Friedrich Hackfeld enge persönliche<br />

Kontakte zu dem hawaiischen König Kamehameda.<br />

So war es nicht ungewöhnlich, dass der<br />

König mit seinem Gefolge schon morgens um<br />

5.00 Uhr im Hause Hackfeld erschien, um einzukaufen<br />

und sich beim Kaffeetrinken bedienen<br />

zu lassen. Johann Friedrich Hackfeld war<br />

zum Berater des Königs aufgestiegen und er<br />

galt insgeheim als ..König von Honolulu". Selbst<br />

Banknoten von Hawaii trugen den Namen<br />

Hackfeld.<br />

Auf dem Sterbebett liegend war es dem<br />

König Kamehameda ein wichtiges Anliegen,<br />

Heinrich Hackfelds Schwager Johann Pflüger zu<br />

versichern, dass die vom Hause Hackfeld geliehene<br />

Schuldsumme umgehend zurückgezahlt<br />

werden würde. Johann Pflüger war inzwischen<br />

zum Minister und bevollmächtigten Gesandter<br />

des Königshauses von Hawaii aufgestiegen.<br />

Bleibt noch zu erwähnen, dass die königliche<br />

hawaiische Armee vom Hause Hackfeld eingekleidet<br />

wurde, wobei die Uniformen in der<br />

Schneiderei Hering in Bremen - früher gegenüber<br />

der Wallmühle - angefertigt wurden.<br />

Fortan durfte sich die Uniformschneiderei<br />

Hering mit dem Titel „Königlich Hawaiische<br />

Hofschneiderei" schmücken. Übrigens, die<br />

hawaiische Armee wurde von einem deutschen<br />

Offizier ausgebildet. Ebenso wurde die Militär-<br />

Musikkapelle von der Firma Hackfeld unterstützt,<br />

denn auch die Musik spielte eine verbindende<br />

Rolle zwischen den beiden doch so<br />

unterschiedlichen Volksgruppen. So hat der<br />

Potsdamer Kapellmeister Heinrich Berger von<br />

1872 bis 1915 als Leiter der Royal Hawaiian<br />

Band sich als Komponist engagiert, sodass ihn<br />

die Königin Lili Uokalowi als ,.Vater der hawaiischen<br />

Musik" bezeichnete, denn von ihm<br />

stammt auch die Nationalhymne -Aloha He-.<br />

Bis 1914 war die Firma Hackfeld das größte<br />

Unternehmen im Südseeraum und noch heute<br />

leben etwa 25000 Menschen rein deutscher<br />

Abstammung auf Hawaii. Die Hackfeldsche<br />

Firma hat in diesen Jahrzehnten vor Ausbruch<br />

des l. Weltkrieges ihre größte Blüte erlebt.<br />

Johann Friedrich Hackfeld war nicht nur im<br />

geschäftlichen Leben, sondern auch in der<br />

öffentlichen Begegnung in Honolulu eine<br />

angesehene Persönlichkeit. Mit dem hawaiischen<br />

Ehrenbürgerrecht ausgezeichnet, leistete<br />

er durch seinen Einfluss für die Übernahme<br />

der Inseln durch die Vereinigten Staaten wertvollste<br />

Dienste. Im Sternbanner der USA nimmt<br />

Hawaii den 50sten Platz ein.<br />

Der Wert der von Johann Friedrich Hackfeld<br />

geführten Firma wurde auf rund 18 Millionen<br />

Dollar geschätzt.<br />

Als Korrespondenzreederei der Firma Hackfeld<br />

in Honolulu verschiffte die Firma Pflüger in<br />

Bremen europäische, vorwiegend deutsche<br />

Waren nach Hawaii. Die eigene Schiffstonnage<br />

reichte nicht mehr aus, sodass fremde Segler<br />

und Dampfer gechartert werden mussten. Von<br />

der Stecknadel bis zur Lokomotive, Stoffe,<br />

Bekleidung, Bier, Seife, Zement usw. gab es ja<br />

kaum etwas, was nicht in den Schiffen der Firmen<br />

Hackfeld und Pflüger verfrachtet worden<br />

wäre. Darüber hinaus besaß man eigene Sägewerke<br />

und Maschinen zur Bearbeitung von<br />

Rohkaffee.<br />

Der Nordbremer Schriftsteller Ulf Fiedler<br />

schreibt in seinem Buch:<br />

„Die Firma Hackfeld und Co. gründete Niederlassungen<br />

in Kamschatka und Alaska, in der<br />

Südsee und an vielen Plätzen der Welt. Der<br />

Blumenthaler Kapitän Dallmann, selbst Ehrenbürger<br />

von Hawaii, landete im Auftrag Hackfelds<br />

als erster auf der Wrangelinsel an der sibirischen<br />

Eismeerküste. Hackfeld selbst war Konsul<br />

von Honolulu und hisste an Feiertagen in<br />

Lesum die Flagge von Honolulu.“ Soweit Ulf<br />

Fiedler.<br />

Es darf nicht unerwähnt bleiben, dass neben<br />

der persönlichen Tüchtigkeit dieses Mannes<br />

und die verwandtschaftlichen Verbindungen in<br />

der Konzernspitze zahlreiche Menschen aus<br />

Bremen und anderen deutschen Landen zum<br />

Aufstieg und Erfolg des Hackfeldschen Unternehmens<br />

beigetragen haben. Sowohl deutsche<br />

Kaufleute, Handwerker und Landwirte haben<br />

ihren beruflichen Weg hier gemacht. Pfarrer<br />

und Lehrer aus Deutschland wurden gerufen,<br />

um in dem von Hackfeld und Isenberg gestifteten<br />

Gotteshauses zu predigen und in der Schule<br />

zu lernen.<br />

Johann Friedrich Hackfeld wurde auf Hawaiisch<br />

„Hakapila“ und Johann Diederich Pflüger<br />

wurde „Feluga“ genannt. Die Übersetzung von<br />

Paul Isenberg ist mir nicht bekannt.<br />

Und nun zur<br />

entscheidenden Enteignung<br />

Nach dem 1917 erfolgten Kriegseintritt der<br />

Vereinigten Staaten von Amerika fand die<br />

gesamte Geschäftsentwicklung ein jähes Ende.<br />

Durch Beschlagnahme der in deutschen Händen<br />

befindlichen Firmenanteile wurde der Verkauf<br />

an ein amerikanisches Wettbewerbsuntenehmen<br />

ermöglicht und gegen Ende des Krieges<br />

durchgesetzt. Johann Friedrich Hackfeld<br />

hat den Wandel nur aus der Ferne miterlebt,<br />

denn er befand sich bei Kriegsausbruch in<br />

Deutschland. Seine Frau Julita hielt sich mit den<br />

beiden Töchtern bereits seit dem Jahre 1900<br />

aus klimatischen und gesundheitlichen Gründen<br />

in Bremen auf. Wäre Johann Friedrich<br />

Hackfeld beim Umbruch in Honolulu gewesen,<br />

hätte er an dem Ergebnis gewiss nichts ändern<br />

können. Danach hat er Hawaii nie wieder betreten.<br />

Der Prozess um die Eigentumserklärung hat<br />

bis zum Beginn des 2. Weltkrieges gedauert,<br />

verlief für die früheren Eigentümer jedoch<br />

6 RUNDBLICK <strong>Frühjahr</strong> <strong>2018</strong>


erfolglos. Der geringste Betrag an die späteren<br />

Erben soll immerhin noch 150.000 DM betragen<br />

haben. Johann Friedrich Hackfeld lebte als Privatmann<br />

in Bremen.<br />

Am 27. August 1932 verstarb er in Glotterbad<br />

im Schwarzwald während einer Kur im Alter<br />

von 75 Jahren. Er wurde im Familiengrab auf<br />

dem Riensberger Friedhof beigesetzt.<br />

In den überlieferten Schriftstücken wird er<br />

als ein ruhiger und sachlicher Mann beschrieben,<br />

dessen Charakter mit den Worten „vornehm<br />

und ausgeglichen" beschrieben wird. Er<br />

war sich seiner besonderen Stellung bewusst<br />

und so heißt es „ohne dass er die eine Hand wissen<br />

ließ, was die andere tat".<br />

Sein Familienleben wird als vorbildlich beurteilt,<br />

persönlich still, bescheiden und<br />

anspruchslos. Nicht als Eigentümer, sondern als<br />

Verwalter seines Vermögens fühlte er sich, so ist<br />

zu lesen in seiner Biografie.<br />

Mit Sicherheit kann gesagt werden, dass er<br />

seinen Reichtum teilte, sowohl die kirchlichen,<br />

aber auch die bürgerlichen Einrichtungen<br />

haben davon profitiert.<br />

Johann Friedrich Hackfeld besaß kein Auto,<br />

auch keine Kutsche, wie es früher üblich war.<br />

Ein Glas Rotwein und eine Zigarre genoss er nur<br />

bei besonderen Anlässen. Er war ein Freund<br />

guter Musik und er schätzte besonders Männerchöre.<br />

Dr. Prüser schreibt über Johann Friedrich<br />

Hackfeld: „So steht ein Bild vor uns, das eines<br />

untadeligen Menschen und eines wahren Christen<br />

von echter Nächstenliebe"<br />

Nun hatte ich berichtet, dass sich Johann<br />

Friedrich Hackfeld bei Ausbruch des 1. Weltkrieges<br />

bereits in Deutschland befand. Hier in<br />

Bremen lebte die Familie in ihrem Haus in der<br />

Parkallee, in Sommermonaten jedoch - von Mai<br />

bis September - wohnte man in dem Sommerhaus<br />

in St. Magnus. Dieses große, massive Haus<br />

hinter der heutigen Kirche in St. Magnus, hatte<br />

der Neffe des Unternehmensgründers um 1900<br />

erbauen lassen. Nach einem Gespräch mit<br />

Pastor Berger erfuhr ich, dass das bis zur Bahnlinie<br />

reichende Grundstück eine Fläche von 42<br />

Morgen einnahm und dort, wo sich jetzt die<br />

Sommerhaus der Familie Johann Hackfeld hinter<br />

der ev. Kirche in Bremen-St. Magnus. Das<br />

Haus dient heute als Begegnungsstätte für<br />

Senioren und die obere Etage wird als Jugendtreff<br />

genutzt. Foto aus Privatbesitz<br />

Sparkassenfiliale befindet, standen große<br />

Gewächshäuser. Vor seinem Sommersitz in St.<br />

Magnus hatte Konsul Hackfeld einen Fahnenmast<br />

setzen lassen, der von Hawaii stammte und<br />

so lang war, dass er hinter dem Schiff hergezogen<br />

werden musste. An den Festtagen wurde<br />

dann die Flagge von Hawaii gehisst.<br />

Ein Blitzschlag hat dem Fahnenmast ein<br />

jähes Ende bereitet. Dieser Sommersitz hatte<br />

damals die Bezeichnung „Tannenhof“ in<br />

Neuschönebeck.<br />

Heinrich Hackfeld, nun wieder zurück zum<br />

Gründer des Unternehmens, hat trotz seiner<br />

Erfolge und seines märchenhaften Reichtums<br />

nie seine <strong>Heimat</strong> und seine ärmliche Kindheit<br />

vergessen. So wurde seinem Wunsche entsprechend<br />

von seinem Vermögen - ein Jahr nach seinem<br />

Tode - 1888 in Ganderkesee der „Hackfeldsche<br />

Marienfonds" gegründet. Bis heute waren<br />

aus den Zinserträgen Stipendien für besonders<br />

begabte Jugendliche evangelisch-lutherischer<br />

Konfession gewährt, um ihnen eine über den<br />

Hauptschulabschluss hinausgehende Ausbildung<br />

zu bieten. Die Witwe des verstorbenen<br />

Heinrich Hackfeld und der Neffe haben das<br />

Stiftungskapital von 75.000 Mark dem Kuratorium<br />

unter der Oberaufsicht der ,,Großherzoglichen<br />

Commission für Verwaltung" übergeben.<br />

Allerdings stellte das Kuratorium in einer Sitzung<br />

am 16. Januar 1956 fest, dass nicht mehr<br />

viel zu verwalten war. An dieser Sitzung nahmen<br />

der Ganderkeseer Bürgermeister, der evangelische<br />

Ortspfarrer und der Rektor der Volksschule<br />

teil. Der stolze Betrag von 75.000 Mark<br />

war auf 3.200 DM zusammengeschmolzen.<br />

Inzwischen ist der „Hackfeldsche Marienfonds"<br />

wieder aufgefüllt worden auf etwa 35.000 Euro,<br />

obwohl der Ganderkeseer Gemeinderat 1956<br />

vor der Frage stand, die Stiftung aufzulösen.<br />

Interessant noch zu erwähnen, dass der Stiftungszweck<br />

sich insbesondere an Knaben richtete,<br />

um ihnen eine weiterführende Ausbildung<br />

als Lehrer, Pfarrer, Arzt, Tierarzt oder ähnliches<br />

zu ermöglichen.<br />

In Erinnerung an die Leistungen und Verdienste<br />

der Familie Hackfeld sowie an Paul Isenberg<br />

und an Johann Carl Diederich Pflüger hat die<br />

Die heutige Ansicht des ehemaligen Sommerhauses<br />

der Familie Johann Friedrich Hackfeld in<br />

Bremen-St.Magnus<br />

Foto aus Privatbesitz<br />

Stadt Bremen mit den folgenden Straßenbenennungen<br />

den hier beschriebenen Persönlichkeiten<br />

ein bleibendes Denkmal gesetzt. In St.<br />

Magnus ,,An Hackfelds Park" (Lt. Senatsbeschluss<br />

vom 26.11.1979) und in Schwachhausen<br />

„Hackfeldstraße", „Isenbergweg" und „Pflügerweg".<br />

An der Contrescarpe 101 eröffnete der Bremer<br />

CVJM im Jahre 1928 sein eigenes Vereinshaus.<br />

Dieses villenartige Gebäude wurde allerdings<br />

im 2. Weltkrieg zerstört. Schon die<br />

Namensgebung des 1955 errichteten Konsul -<br />

Hackfeldhauses in der Birkenstraße macht<br />

deutlich, dass sich der Bremer Jugendverein der<br />

Familie Hackfeld noch nach langen Jahren verpflichtet<br />

fühlt.<br />

Johann Friedrich Hackfeld hat dem Bremer<br />

CVJM für den Kauf des ersten Vereinshauses die<br />

beachtliche Summe von 30.000 Mark zur Verfügung<br />

gestellt. Später sind dem Bremer CVJM<br />

weitere 25.000 Mark zugeflossen. Gewiss hatte<br />

auch Marie Gesine Hackfeld ihre wohltätige<br />

Hand dabei und dieses jugendfördernde Projekt<br />

zustimmend begleitet.<br />

Das „Haus an der Weser" der Bremer Heimstiftung<br />

ist der Nachfolgebau des im Jahre 1890<br />

von Johann Friedrich Hackfeld auf den Rönnebecker<br />

Weserklippen. Zuvor gehörte das Anwesen<br />

einem Zöllner. Während der Sommermonate<br />

wurden in dem erheblich vergrößerten<br />

Haus Bremer Kinder im Wechsel von 6 bis 8<br />

Wochen zur Erholung hier aufgenommen.<br />

Bezugnehmend auf die Inselgruppe im Pazifik,<br />

zu der auch Hawaii gehörte, und auf der das<br />

Hackfeld-Unternehmen große Plantagen<br />

besaß, übertrug der Mäzen Hackfeld den<br />

Namen der Sandwichinseln auf dieses Haus als<br />

„Sandwichheim". Übrigens: J.F. Hackfeld war<br />

daran interessiert, die Sandwichinseln als deutsches<br />

Kolonialgebiet zu gewinnen, doch die<br />

Amerikaner waren dagegen und Bismarck ließ<br />

das entsprechende Schreiben unbeachtet in<br />

seinem Schreibtisch liegen. So wurde nichts<br />

daraus.<br />

Marie Gesine Hackfeld<br />

hat durch großzügige<br />

Schenkungen in Bremen<br />

Spuren hinterlassen<br />

Gehen wir nochmal zurück zu Heinrich<br />

Hackfeld, dem 1887 verstorbenen Gründer des<br />

Unternehmens und seiner dreißig Jahre später<br />

verstorbenen Ehefrau Marie Gesine. In den Jahren<br />

1888 bis 1909 wurde der Bremer Dom<br />

umfangreich restauriert. In dieser Zeit wurden<br />

auch die beiden großen metallenen Domtüren<br />

an der Westfront angefertigt und mit biblischen<br />

Szenen des Alten und Neuen Testaments versehen.<br />

In Erinnerung an ihren verstorbenen Mann<br />

hat Marie Gesine Hackfeld die Finanzierung der<br />

Türen übernommen, wobei der Bronzeguss der<br />

linken Seite der rechten Tür das Bildnis einer<br />

knienden Frau vor dem segnenden Christus<br />

zeigt. Im oberen Feld sieht man einen Landmann<br />

mit einem Pflug. Beide Motive zeugen<br />

von einer Verbindung zu der Familie Hackfeld.<br />

RUNDBLICK <strong>Frühjahr</strong> <strong>2018</strong><br />

7


Auf dem Lesumer Friedhof an der Bördestraße<br />

befindet sich links vom Ehrenmal ein<br />

schlichtes kurzes Holzkreuz zur Erinnerung an<br />

die im 1. Weltkrieg vermissten Soldaten.<br />

Und im Turmzimmer der evangelischen St.<br />

Martini Kirche zu Lesum hängt ein großes Christusbild,<br />

das vor etlichen Jahren als Altarbild im<br />

großen Kirchenraum seinen ursprünglich vorgesehenen<br />

Platz hatte. Es ist die Arbeit der<br />

Burgdammer Malerin Elisabeth Rapp, die auch<br />

ihrer vielen Katzen wegen als Katzenmutter<br />

bekannt war. Sie wurde unterstützt von Marie<br />

Gesine Hackfeld, die das Bild in Auftrag gegeben<br />

hatte. Das zuvor beschriebene Vermisstenkreuz<br />

auf dem Lesumer Friedhof geht ebenfalls<br />

auf die Initiative der Frau Hackfeld zurück.<br />

Die Witwe Marie Gesine Hackfeld erwarb<br />

1888 einen Sommersitz in Lesum am heutigen<br />

„Admiral-Brommy-Weg". Die 1870 erbaute Villa<br />

war ihres Aussehens wegen im Volksmund als<br />

„Kaffeemühle" bekannt. Die Familie Drettmann<br />

als späterer Besitzer hat das Haus 1933<br />

abreißen und durch einen Neubau ersetzen lassen,<br />

der danach von der Familie des Barons<br />

Uslar von Gleichen als Wohnsitz diente.<br />

Nun sind an vorheriger Stelle die von Marie<br />

Gesine Hackfeld gestifteten Domtüren erwähnt<br />

worden. Dabei bietet es sich an, die schöne<br />

Rokokofassade des so genannten Pflügerschen<br />

Hauses am Bremer Marktplatz in die Betrachtung<br />

mit einzubeziehen. Heute hat die Sparkasse<br />

wohl ihre schönste Filiale dort eingerichtet.<br />

Der Schwiegervater von Heinrich Hackfeld<br />

kaufte im Jahre 1836 das für den Ratsherrn und<br />

Weinhändler Georg Hoffschläger 1755 erbaute<br />

Haus, welches sich an der Schlachte befand und<br />

die Hausnummer 31 B trug. Anfang der 20er-<br />

Jahre des letzten Jahrhunderts wurde das<br />

Gebäude unter Verwendung der Rokokofassade<br />

von dem Architekten Albert Dunkel neu gestaltet.<br />

Das Haus brannte 1944 nach einem Luftangriff<br />

aus, doch die schöne Fassade wurde geborgen<br />

und 1958 für den Neubau der Sparkassenfiliale<br />

Ecke Langenstraße-Marktplatz wieder<br />

verwendet. Friedrich Pflüger war nicht nur<br />

Schiffsmakler, sondern er soll auch eine Gaststätte<br />

in dem Gebäude betrieben haben und<br />

auf der Weser hatte er ein kleines Fährboot liegen.<br />

Nach meinem Hackfeld-Vortrag beim Seniorenkreis<br />

der evangelischen Kirchengemeinde<br />

in St. Magnus in dem ehemaligen Hackfeldschen<br />

Sommerhaus bekam ich von August<br />

Rohlfs eine Bassumer Jubiläumsschrift. Darin<br />

wurde berichtet, dass der Bruder der Marie<br />

Gesine Hackfeld - Georg Pflüger - 20 Jahre von<br />

der Bassumerin Fräulein Schlu in ihrem Hause<br />

aufopferungsvoll gepflegt worden ist. Er verstarb<br />

am 8. März 1900 siebzigjährig. Die Bremer<br />

Konsulswitwe und Schwester des Verstorbenen<br />

wollte sich im Nachhinein erkenntlich zeigen,<br />

doch die Pflegerin Agnes Schlu hatte nur einen,<br />

aber großen Wunsch, Geld für ein in Bassum zu<br />

errichtendes Krankenhaus. Marie Gesine wollte<br />

30.000 Goldmark zur Verfügung stellen, aber<br />

nur unter der Bedingung, dass das Krankenhaus<br />

bis zum 1. Mai 1903 in Betrieb genommen werden<br />

würde und zweitens, dass es groß genug<br />

wäre für ein Einzugsgebiet von 1.000 Menschen.<br />

In einer Bremer Zeitung war am 15. Dezember<br />

2003 zu lesen: „Das Bassumer Krankenhaus<br />

ist heute hundert Jahre alt. Am Wochenende<br />

wurde das Jubiläum im kleinen Kreis gefeiert.<br />

Die Stadt Bassum benannte eine Straße nach<br />

Marie Hackfeld, die mit 30.000 Goldmark<br />

damals den finanziellen Grundstock für dieses<br />

Haus gelegt hatte. Bürgermeister Wilhelm Baker<br />

enthüllte das Namensschild der spendablen<br />

Bürgerin." Während einer Halbtagesfeier des<br />

Lesumer <strong>Heimat</strong>vereins am 26. Mai 2003 zur<br />

Besichtigung des Damenstifts in Bassum führte<br />

mich anschließend mein Weg zum nahe gelegenen<br />

Krankenhaus. Das 1903 erbaute Haus musste<br />

im Jahre 1983 einem Neubau weichen. Von<br />

dem ehemals mit 20 Betten ausgestatteten<br />

Krankenhaus konnten mir von dem Verwaltungsleiter<br />

Herrn Feldmann lediglich zwei<br />

Ansichtskarten ausgehändigt werden. Die dienen<br />

nun als Bereicherung meiner Dia-Serie und<br />

die kopierten schriftlichen Unterlagen runden<br />

das Bild über die Familie Hackfeld ab.<br />

Bleibt noch zu erwähnen, dass das Delmenhorster<br />

Kreisblatt im Mai 1998 berichtet hat,<br />

dass sich im Bremer Bürgerpark eine Marie<br />

Hackfeld-Brücke befindet. So schön es auch<br />

wäre, doch diese Meldung stimmt nicht!<br />

Die Enkeltöchter der Eheleute Johann Friedrich<br />

und Julita Hackfeld, Gisela Grabenhorst<br />

aus Schwachhausen und Ruth Nagel aus Schönebeck,<br />

waren vor Jahren Gäste in meinem<br />

Freundeskreis beim Bremer CVJM. Ihnen danke<br />

ich für einen Teil der Informationen, ebenso<br />

dem Ehepaar Gisela und Heinz Hackfeld aus<br />

Bremen-Aumund. Gisela Grabenhorst sagte:<br />

„Unser Großvater hat darauf hingewiesen, dass<br />

der Wohlstand nicht selbstverständlich sei, und<br />

sie könne sich nicht daran erinnern, dass er viel<br />

Autorität besaß."<br />

Der Bremer Professor Leuthold sagte abschließend<br />

in einem Zeitungsbericht, dass sich Bremens<br />

historischer Ruf und Unternehmenskultur<br />

auf Persönlichkeiten wie Hackfeld und Pflüger<br />

stützen und heute gebe es auf Hawaii noch<br />

Spuren des ehemaligen Weltunternehmens<br />

Hackfeld.<br />

Abschließend äußere ich meine Hoffnung,<br />

dass das Bremer CVJM-Gebäude aus gutem<br />

Grund noch lange die Bezeichnung „Konsul -<br />

Hackfeld-Haus" tragen möge. Mein Dank gilt<br />

Gisela Grabenhorst, Ruth Nagel, Pastor Berger<br />

und August Rohlfs für die nützlichen Informationen.<br />

Rudolf Matzner<br />

Das ehemalige Isenbergheim in der Bremer Kornstraße<br />

8<br />

Foto: R. Matzner<br />

RUNDBLICK <strong>Frühjahr</strong> <strong>2018</strong>


Paul Isenberg, 15. April 1837-16. Januar 1903<br />

Foto: R. Matzner<br />

Nachtrag: Der Zuckerfabrikant<br />

Paul Isenberg<br />

Wenngleich Paul Isenberg nicht unmittelbar<br />

zur Hackfeldfamilie zuzurechnen ist — wie etwa<br />

Carl Diederich Pflüger - so hat er doch in der<br />

Hackfeldschen Konzernspitze eine führende<br />

Position eingenommen. Heinrich Hackfeld<br />

hatte das große Glück, in seiner Personalpolitik<br />

verantwortungsbewusste und fleißige Fachleute<br />

um sich zu scharen, die den Erfolg des<br />

Unternehmens maßgeblich beeinflusst haben.<br />

Nun ist Paul Isenberg in diesem Aufsatz zwar<br />

erwähnt worden, doch die späteren Stiftungen<br />

dieses Mannes und seiner Frau Beta, geborene<br />

Glade, sind der Anlass, den Weg und die Verdienste<br />

der Isenbergs etwas ausführlicher in<br />

diesem Nachtrag zu beschreiben:<br />

Das große Bremer Lexikon von Professor Dr.<br />

Herbert Schwarzwälder gibt zu diesem Thema<br />

folgende Auskunft:<br />

„Isenberg, Paul: Zuckerfabrikant, geboren am<br />

15. April 1837 in Dransfeld, gestorben am 16.<br />

Januar 1903 in Bremen.<br />

Isenberg, Beta: geboren am 12. Mai 1846 in<br />

Bremen, gestorben am 10. März 1933 in Bremen.<br />

Paul Isenbergs Vater war Pastor zu Dransfeld,<br />

später Superintendent in Wunstorf; der Sohn<br />

besuchte das Realgymnasium in Braunschweig<br />

und ging 1858 zur Ausbildung als Landwirt<br />

nach Hawaii, wo er zunächst Verwalter auf einer<br />

Vieh-Ranch, dann auf einer Zuckerplantage<br />

wurde. 1861 heiratete er die Tochter des<br />

Eigentümers der Plantage und übernahm nach<br />

einigen Jahren deren Verwaltung. 1867 starb die<br />

Frau von Paul Isenberg. In dieser Zeit knüpfte er<br />

Beziehungen zu Heinrich Hackfeld an, der auch<br />

im Zuckergeschäfl tätig war. 1869 schloss Paul<br />

Isenberg eine zweite Ehe mit Beta Glade, Tochter<br />

eines Bremer Kramers. 1878 zog das Paar<br />

RUNDBLICK <strong>Frühjahr</strong> <strong>2018</strong><br />

Beta Isenberg, 12. Mai 1846-10. März 1933<br />

Foto: R. Matzner<br />

nach Braunschweig, 1879 nach Bremen und<br />

bezog das Haus Contrescarpe Nr. 3, das 1912<br />

dem Bau des Schauspielhauses weichen musste.<br />

1881 wurde Paul Isenberg Teilhaber, 1889 Leiter<br />

der Zuckerfabrik Heinrich Hackfeld & Co. Nach<br />

dem Tode von Paul Isenberg (1903) blieb die<br />

Firma in der Hand der Familie. Die Witwe, Beta<br />

Isenberg, zog 1912 in das große Haus Contrescarpe<br />

Nr. 19. Sie setzte die Großherzigkeit ihres<br />

Mannes fort. Er hatte vor allem dem Ellener Hof,<br />

einer Erziehungsanstalt für Knaben, mehrfach<br />

Spenden überwiesen. In seinem Todesjahr gingen<br />

100.000 Mark an die Paul-Isenberg-Stiftung,<br />

deren Zinsen dem Ellener Hof zur Verfügung<br />

standen. Beta Isenberg war zudem Vorsitzende<br />

des „Vereins für eine Zufluchtstätte für<br />

Frauen und Mädchen". Nach zwei Provisorien<br />

wurde 1914/15 nach den Plänen der Architekten<br />

Abbehusen und Blendermann ein Haus an<br />

der Kornstraße 209-211 gebaut, für das Beta<br />

Isenberg 100.000 Mark stiftete. In ihm wurde<br />

ein Kinderheim eingerichtet, das den Namen<br />

„Isenberg-Heim" erhielt.<br />

Im 1. Weltkrieg ging das Isenberg-Vermögen<br />

auf Hawaii verloren, nach dem Kriege schmolz<br />

das Geldvermögen durch die Inflation zusammen.<br />

Die Isenberg-Stiftung (Ellener Hof) wurde<br />

1966 aufgelöst. Das Haus an der Contrescarpe<br />

Nr. 19 dient heute dem Institut Francais.<br />

Das Isenbergheim an der Kornstraße wurde<br />

1915 fertiggestellt und nahm nach Kriegsbeginn<br />

Kriegswaisen auf, auch wurden<br />

Angehörige von Gefallenen betreut. Seit 1933<br />

nur Kinderheim. Im 2. Weltkrieg war das Haus<br />

überfüllt mit Töchtern von Soldaten und<br />

Rüstungsarbeiterinnen. Oft mussten Hausbewohner<br />

in Dörfer der Bremer Umgebung<br />

umquartiert werden. Nach 1945 nur Mädchenheim.<br />

1950 wurde das Gartenhaus für 22 weibliche<br />

Lehrlinge ausgebaut. Das Heim ging 1960<br />

an die Innere Mission, wurde 1978 als<br />

Mädchenheim aufgegeben und in einen<br />

„beschützenden Wohnraum für ältere Männer<br />

mit besonderen sozialen Problemen" umgewandelt.<br />

Aus ärmlichen Verhältnissen aufgestiegen,<br />

wurde Paul Isenberg auf Hawaii als „Zuckerkönig"<br />

angesehen. Der Bau einer großen Raffinerie<br />

- so hoffte er - würde ihn zum „Kaiser" der<br />

Hawaiischen Zuckerindustrie machen. Der Lauf<br />

des Schicksals nahm jedoch seine Wendung.<br />

1881 entwindet Johann Carl Pflüger mit<br />

Unterstützung von Paul Isenberg dem Zuckerkönig<br />

Claus Spreckels die Herrschaft über die<br />

hawaiischen Zuckerrohrpflanzer, die sich nun<br />

dem Hackfeld-Unternehmen anschließen.<br />

Und damit enden meine Aufzeichnungen<br />

über den märchenhaften Aufstieg der Familien;<br />

man könnte auch sagen, Geschichten, die das<br />

Leben schrieb. - Dabei habe ich auch berichtet<br />

von einer Inselgruppe in der Südsee, die etwa<br />

16.000 km und rund dreißig Flugstunden von<br />

Bremen entfernt ist, und dennoch gab es durch<br />

Bremer Kaufleute enge Verbindungen zu unserer<br />

alten Hansestadt Bremen.<br />

Es ist wahrlich:<br />

eine Insel aus Träumen geborgen!<br />

Rudolf Matzner<br />

Weitere benutzte Quellen:<br />

Aufzeichnungen von Prof. Dr. Alexander Pflüger,<br />

Bonn 1932<br />

Aufsatz von Dr. Prüser, Bremen<br />

Buch „Bremische Landgüter" Dr. Stein, Bremen<br />

Sonderdruckbuch „Bremische Biografie 1912-<br />

1962"<br />

Archiv des Bremer CVJM<br />

Lesumer <strong>Heimat</strong>buch, G. Schmolze<br />

Eigenes Zeitungsarchiv<br />

Hauszeitung der Bremer Heimstiftung<br />

‘n beten<br />

wat op Platt<br />

Redensarten unserer<br />

engeren <strong>Heimat</strong><br />

Wenn de Bottern all is, hett dat Smären `n<br />

Enne.<br />

Achtern Barg ward ok Botterkoken backt.<br />

De ruugsten Fohlen weerd de besten Peer.<br />

Gegen `n Foor Mest kann`n nich anstinken.<br />

Wenn de Göös` Water seht, denn wüllt se<br />

supen.<br />

Keen dat Letzte ut`n Kroog nimmt, den<br />

fallt de Deckel op`r Näs.<br />

De Fulen drägt sick doot, de Fliedigen loopt<br />

sick doot.<br />

(Aus „Plattdüütsche Lüde – gistern un<br />

hüde“, 1962)<br />

Peter Richter<br />

9


Erinnerung an die ehemaligen Burglesumer<br />

"Mühlenbach Lichtspiele"<br />

Schaut man heute ins aktuelle Bremer Branchen-Telefonbuch,<br />

dann findet man Eintragungen<br />

von nur noch sieben Kinos. Das ist eine<br />

unvorstellbar geringe Anzahl im Vergleich zu<br />

den Lichtspielhäusern in der Zeit der 60er- und<br />

7Oer-Jahre des letzten Jahrhunderts. Man<br />

konnte früher davon ausgehen, dass jeder<br />

Stadtteil zumindest über ein Kino-Theater verfügte.<br />

Das Fernsehen hat als Heimkino zahlreiche<br />

Kinos verdrängt und die wenigen noch<br />

erhaltenen, und insbesondere die neu hinzugekommenen<br />

Spielstätten, sind an Ausstattung<br />

und Technik enorm verbessert und modernisiert<br />

worden. Dazu passend sind dann auch die<br />

zunächst ungewohnten Namen zu lesen, wie<br />

Cinemaxx, CineStar, Kristal-Palast, wobei die<br />

Schauburg noch an alte Zeiten erinnert.<br />

Das bekannteste Vergnügungslokal dieser Art<br />

in Burglesum befand sich an der Kreuzung Hindenburgstraße/Bremer<br />

Heerstraße, dort wo später<br />

das Jugendheim entstand. Lange Jahre als<br />

"Mühlenbach Lichtspiele" bekannt und hier<br />

gegenüber steht auch heute noch das Gasthaus<br />

"Stadt London". Nach mehrmaligem Pächterwechsel<br />

ist nun ein asiatisches Speiselokal dort<br />

eingezogen.<br />

Eigenartigerweise wurde in einem Zeitungsbericht<br />

von 1979 auch dieses Kino als "Stadt<br />

London" bezeichnet. Es ist wirklich unverständlich,<br />

wie der Schreiber vor 35 Jahren auf diese<br />

irrtümliche Bezeichnung hereingefallen ist. Der<br />

Name "Mühlenbach Lichtspiele" ist zurückzuführen<br />

auf die ehemals hier gestandene Blendermannsche<br />

Mühle. Im Volksmund wurde sie<br />

auch die Untermühle genannt.<br />

In meinem Aufsatz vom September 2O14<br />

über "Hillmanns Hotel und die familiäre Verbindung<br />

nach Burgdamm" hatte ich aus der Familienchronik<br />

berichtet, dass der Bruder des Bremer<br />

Hoteliers Johann Heinrich Hillmann, der i.J.<br />

1796 geborene Johann Carl Hillmann, 1831<br />

nach Lesum gezogen ist. In der Sterbeurkunde<br />

wurde er als Halbhöfner und Posthalter<br />

bezeichnet. Es ist nicht überliefert, ob Johann<br />

Carl Hillmann auch der Bauherr war und es ist<br />

auch nicht bekannt, wann dieses günstig gelegene<br />

Haus erbaut worden ist. Zumindest weiß<br />

man, dass in diesem Haus von 1862 bis 1911 sich<br />

die Königlich Hannoversche Posthalterei<br />

befand, die von Johann Carl Hillmann verwaltet<br />

wurde.<br />

Interessanterweise war am Ostgiebel des<br />

Gebäudes ein steinerner Reichsadler zu sehen,<br />

der beim Abbruch des Hauses 1979 in drei Teile<br />

zerbrach. Die Vegesacker Post war sehr darauf<br />

bedacht, das vermeintliche Postwappen zu bergen<br />

und im Keller des Verwaltungsgebäudes zu<br />

lagern. Nachforschungen haben ergeben, dass<br />

es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um den<br />

Reichsadler des neuen deutschen Reiches handelt.<br />

Wie auch immer; die Post betrachtete das<br />

Wappen als ihr Eigentum und so sehen wir die<br />

steinerne Erinnerung an die ehemalige Burgdammer<br />

Post heute unter einer Glaswand links<br />

vom Eingang zum Postgebäude an der Schafgegend.<br />

Sollte es als historisches Andenken<br />

gedacht sein, dann wirkt das über ein Meter<br />

hohe Wappen doch recht verloren an dieser<br />

kaum beachteten Wand.<br />

Doch zurück zu den früheren "Mühlenbach<br />

Lichtspielen" In den unteren Räumen des Hauses<br />

befand sich eine Gaststätte mit Namen<br />

"Zum Tunnel". Eigentlich waren es ausgebaute<br />

Kellerräume, die wegen ihrer Gemütlichkeit<br />

nicht nur von den Einheimischen sehr geschätzt<br />

wurden. Es ist berichtet worden, dass sich im<br />

Haus auch ein Saal für Tanzvergnügen und Ausstellungen<br />

anbot und selbst der Radfahrverein<br />

zeigte hier seine akrobatischen Kunststücke.<br />

Darüber hinaus gab es an der seitlichen Außenfront<br />

des Hauses einen schönen Freiluftbereich,<br />

der als "Thielbars Sommergarten" bekannt war.<br />

Es war nicht zu ermitteln, wann die<br />

"Mühlenbach Lichtspiele" ihren Betrieb aufnahm,<br />

wohl aber, dass es ein gut florierendes<br />

Unternehmen gewesen sein muss. Der Inhaber<br />

Gauert habe als Filmbegleiter die Besucher mit<br />

Ansichtskarte von 1909. Rechts das Schild Postamt.<br />

Foto: Archiv R. Matzner<br />

10 RUNDBLICK <strong>Frühjahr</strong> <strong>2018</strong>


seiner Geige unterhalten. Kurz nach dem Zweiten<br />

Weltkrieg waren in diesem Kino die schönsten<br />

Filme mit Marika Rökk zu sehen. Eine<br />

besondere Anziehungskraft hatte der Film<br />

"Moulin Rouge" Es ist doch erstaunlich wenn<br />

man erfährt, dass die verschiedenen Veranstaltungen<br />

mit der jeweilig passenden Dekoration<br />

schon im Vorraum eingeleitet wurden. So wurden<br />

z.B. bei der Aufführung des Filmes "Grün<br />

ist die Heide", die Zuschauer schon im Theatervorraum<br />

zur Einstimmung mit Birkengrün und<br />

Heidekraut als Wandschmuck begrüßt.<br />

Die Kinoveranstaltungen hatten dann im<br />

Laufe der Zeit an Attraktivität verloren.<br />

Zunächst versuchte man durch Kinderfilme den<br />

Betrieb aufrechtzuerhalten und als letzte<br />

Anstrengung wurde den männlichen Besuchern<br />

die ersten gewagten Pornofilme angeboten.<br />

Heute würden wir darüber laut lachen, doch<br />

Sitte und Anstand wurden beachtet und jeder<br />

Zuschauer wurde angehalten, sich namentlich<br />

in ein großes Anwesenheitsbuch am Saaleingang<br />

einzutragen. Die Kinobesucher trugen<br />

sich mit den unmöglichsten Namen ein, von<br />

Schauspielern, Wissenschaftlern und sogar mit<br />

Namen ehemaliger Naziführer und dergleichen.<br />

Etwa 1976 wurde der gesamte Gebäudekomplex<br />

von der Stadtgemeinde aufgekauft, um die<br />

Straßenführung dem Verkehr anzupassen und<br />

letztlich um Platz zu gewinnen für das Jugendfreizeitheim.<br />

Eine Abbruchfirma aus Farge hatte dafür<br />

gesorgt, dass nur noch die Erinnerung bleibt.<br />

Quellenangabe:<br />

U. Ramlow. Burglesum 1860-1945<br />

A. und G. Schmölze. An der Lesum<br />

Eigenes Zeitungsarchiv<br />

Gespräche mit Zeitzeugen<br />

Rudolf Matzner, Januar 2O16<br />

Ein Haus voller Geschichten wurde um 1979<br />

abgerissen. Früher befanden sich in dem<br />

Gebäude das Kino „Mühlenbach Lichtspiele“,<br />

die Posthalterei, ein Friseurgeschäft, eine Gaststätte<br />

mit Saal und ein Sommergarten.<br />

Foto: Archiv R. Matzner<br />

Sommergarten, Burgdamm am Mühlenbach.<br />

RUNDBLICK <strong>Frühjahr</strong> <strong>2018</strong><br />

Foto: Archiv R. Matzner<br />

11


Ein Gnadenhof für Störche<br />

Die Storchenstation in Berne, Ortsteil Glüsing<br />

Störche Collage<br />

Foto: Maren Arndt<br />

In Berne in der Wesermarsch, Ortsteil Glüsing,<br />

gibt es eine Auffangstation für verletzte<br />

Störche. Udo Hilfert gründete diese Station<br />

1992 auf seinem Grundstück in Privatinitiative.<br />

Seitdem kümmert sich die ganze Familie Hilfers<br />

um Störche. Es hat sich herumgesprochen, aus<br />

der gesamten Region werden verletzte Störche<br />

nach Berne gebracht. Die Station ist eine vom<br />

Land Niedersachsen anerkannte Storchenpflegestation,<br />

dauerverletzte Störche findet dort<br />

eine Bleibe auf Lebenszeit.<br />

2017 hatte Familie Hilfers mehrere Gründe<br />

zum Feiern. Die Storchenstation hatte 25-jähriges<br />

Jubiläum, der gemeinnützige Verein bestand<br />

seit 10 Jahren und feierte sein 1000. Mitglied.<br />

Zudem war 2017 in der Wesermarsch ein wirklich<br />

erfolgreiches Storchenjahr, trotz des nassen<br />

Sommers. Laut Udo Hilfers brüteten 128 Storchenpaare<br />

und zogen 312 Junge groß.<br />

Die weitläufige Wiesenlandschaft mit einem<br />

großen Nahrungsangebot ist wohl mit ein<br />

Grund dafür, dass sich in der Wesermarsch eine<br />

regelrechte Storchenkolonie gegründet hat.<br />

Ausgewilderte, gesunde Störche kehrten im<br />

Frühling aus dem Süden zurück und bauten<br />

neue Nester. Allein die dauerhaft in der Pflegestation<br />

lebenden Störche zogen im vergangenen<br />

Sommer 45 Küken groß, die beringt wurden<br />

und ausflogen. Viele davon werden zurückkehren<br />

nach Berne. Das wäre ohne menschliche<br />

Hilfe und Unterstützung nicht möglich gewesen.<br />

Die Wesermarsch ist ein Schwerpunktgebiet<br />

für Weißstörche in ganz Niedersachsen.<br />

Leider richtete Orkan Xavier großes Chaos in<br />

der Storchenstation an. Bäume mit den zentnerschweren<br />

Storchennestern knickten um. Die<br />

Orkanböen wirbelten zentnerschwere Nester<br />

durch die Luft, dicke Äste, auf denen Nester<br />

gebaut waren, brachen ab. Insgesamt 16 Nester<br />

gingen verloren. Im Laufe der Jahre trugen die<br />

Störche unglaubliche Mengen an Nistmaterial<br />

zusammen, all das lag nach dem Orkan zerstört<br />

auf der Erde. Viel Arbeit für die Betreiber der<br />

Station und es muss schnell gehandelt werden,<br />

denn im Januar schon kehren die ersten Störche<br />

zurück. Störche sind standorttreu und<br />

Familie Hilfers ist nun mit Freunden, Vereinsmitgliedern<br />

und Unterstützern dabei, neue<br />

Nistmöglichkeiten zu schaffen.<br />

Besucher sind auf der Storchenstation gern<br />

gesehen. Es stehen Bänke bereit, man kann sich<br />

Zeit nehmen für die Beobachtung der Störche.<br />

Blumen und Gartenfreude finden ein buntes<br />

Ambiete vor, im Sommer blüht es in allen Farben<br />

im Garten der Hilperts. Ein Besuch dort ist<br />

gratis, Spenden sind willkommen, ganz besonders<br />

jetzt, da der Orkan soviel zerstört hat. Anke<br />

und Udo Hilfers bieten für Besuchergruppen<br />

Führungen an, die etwa eine Stunde dauern<br />

und nach vorheriger Anmeldung stattfinden.<br />

Der Besucher lernt dabei viel Wissenswertes<br />

über Störche und die Arbeit in der Station. So<br />

erfährt der Besucher u.a., dass Hilfers die Nester<br />

vor jeder Brutsaison reinigt. Störche bauen<br />

auch allerlei Müll und Plastik in ihre Nester ein.<br />

So verhindert Plastik zusätzlich zu der verbauten<br />

Lehmsilage in den Nestern, dass das Regenwasser<br />

ablaufen kann. Der Nestboden wird wasserundurchlässig<br />

und hart wie Beton. In kalten<br />

und nassen Sommern ist das verheerend für<br />

den Storchennachwuchs. Das Gelege kühlt aus,<br />

die Eier sterben ab und Jungstörche erfrieren.<br />

Sehr wichtig ist also auch die jährliche Reinigung<br />

und Instandsetzung der vorhandenen<br />

Nester. Auch Kunststoffnetze und Taue können<br />

Altvögeln und größeren Küken gefährlich wer-<br />

12 RUNDBLICK <strong>Frühjahr</strong> <strong>2018</strong>


den, sie verheddern sich und strangulieren sich<br />

damit. Das passiert ebenso in der berühmten<br />

Basstölpelkolonie auf Helgoland, wo sich regenmäßig<br />

Tölpel in zerfetzten Fischernetzen strangulieren.<br />

Gefahren drohen aber nicht nur im Nest. Kollisionen<br />

mit Windkrafträdern zum Beispiel können<br />

zu schwersten Verletzungen führen. In<br />

Osterholz Scharmbeck wurde eine Störchin aus<br />

dem Nest im Ortsteil Buschhausen durch ein<br />

nahes Windkraftrad so schwer verletzt, dass<br />

auch Udo Hilfers dem Vogel nicht mehr helfen<br />

konnte, die Störchin musste eingeschläfert werden.<br />

Gerettete Tiere werden im Freigehege der<br />

Auffangstation gesund gepflegt und möglichst<br />

wieder ausgewildert. Diejenigen ohne Chance<br />

auf ein Überleben in der freien Wildbahn bleiben<br />

für immer und bekommen aber auch dort<br />

die Chance, gesunden Nachwuchs aufzuziehen.<br />

Störchen ist ihr Zugverhalten angeboren, Jungstörche<br />

sammeln sich und ziehen im großen<br />

Verbund schon einige Wochen vor ihren Eltern<br />

gen Süden. So ist es möglich, dass auch die in<br />

Gefangenschaft geborenen Jungvögel erfolgreich<br />

ausgewildert werden. Manche Störche<br />

leben allerdings schon 20 Jahre mit ihrer jeweiligen<br />

Behinderung in der Station.<br />

Auch im Landkreis Osterholz ist die Anzahl<br />

der brütenden Störche in den letzten Jahren<br />

gestiegen. Allein im Tiergarten Ludwigslust sind<br />

jährlich mindestens 2 Storchennester besetzt,.<br />

Wildstörche, von denen vielleicht der eine oder<br />

der andere Vogel das Licht der Welt in Berne<br />

erblickt hat. Ein Junges aus Ludwigslust fiel im<br />

vergangenen Jahr aus dem Nest und kam verletzt<br />

und auf einem Auge blind nach Berne, wo<br />

er gesund gepflegt wurde. Wegen seiner Sehbehinderung<br />

wird er dort auch bleiben auf dem<br />

Gnadenhof für Störche.<br />

Maren Arndt Udo Hilfers Foto: Maren Arndt<br />

Hunger Foto: Maren Arndt Mutter bringt Futter Foto: Maren Arndt Storchenstation Foto: Maren Arndt<br />

Storchenstation Foto: Maren Arndt Im Apfelbaum Foto: Maren Arndt<br />

RUNDBLICK <strong>Frühjahr</strong> <strong>2018</strong><br />

13


Vor 100<br />

Jahren…<br />

<strong>Heimat</strong>-Rückblick:<br />

Wie sich der Erste Weltkrieg in der<br />

hiesigen Presse widerspiegelt<br />

„Nieder mit dem Krieg! Nieder mit der Regierung!<br />

Es lebe der Massenstreik!“ Mit diesen<br />

Parolen ruft der Spartakusbund in Berlin im<br />

<strong>Frühjahr</strong> 1918 zum Streik auf und fordert ein<br />

Ende des Krieges. Rund 200 000 Arbeiter folgen<br />

diesem Aufruf. Im gesamten Reichsgebiet und<br />

auch in Österreich beginnen Massenstreiks.<br />

Doch das Militär greift ein, die Streiks brechen<br />

zusammen, der sehnlichste Wunsch der Menschen<br />

nach Frieden erfüllt sich nicht. Aber auch<br />

an der Front nimmt die Ernüchterung zu: Die<br />

Begeisterung ist geschwunden, die Moral sinkt<br />

auf den Nullpunkt.<br />

Divisionskommandeure werfen der Heeresführung<br />

vor, dass die Truppe trotz der Verluste<br />

keinen einsatzfähigen Nachschub mehr erhält.<br />

Mittlerweile werden sogar Munitionsarbeiter<br />

nach einer Kurzausbildung an der Front eingesetzt.<br />

Auch die Hochseeflotte in Wilhelmshaven<br />

und Kiel meutert. Die Marinesoldaten weigern<br />

sich, weiter zu aussichtslosen Seegefechten<br />

auszulaufen und sich ohne Aussicht auf Erfolg<br />

zu opfern. Aber noch ist kein Ende des Krieges<br />

in Sicht…<br />

Arbeitskräfte für die Landwirtschaft<br />

– Verschickung<br />

von Kindern<br />

Nach dem Ende eines wieder einmal strengen<br />

Winters soll die Vorbereitung der Äcker für die<br />

<strong>Frühjahr</strong>sbestellung beginnen, um die notwendige<br />

Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten.<br />

Dies erweist sich jedoch als problematisch,<br />

fehlen vor allem dafür die Männer, die an der<br />

Front Kriegsdienst leisten müssen. Schon im<br />

Januar hatte die Reichsregierung deshalb Vorsorge<br />

getragen. In einer entsprechenden<br />

Bekanntmachung der Kreisverwaltung Osterholz<br />

teilt Landrat Dr. Becker mit:<br />

„Bei dem bekannten, in diesem <strong>Frühjahr</strong><br />

infolge vermehrter Einziehung noch verschärften<br />

Arbeitermangel hat das Kriegswirtschaftsamt<br />

schon jetzt mit dem deutschen<br />

Industriebüro in Brüssel persönlich Fühlung<br />

aufgenommen und erreicht, daß ihm eine<br />

größere Anzahl tüchtiger Arbeitkräfte, die<br />

landwirtschaftliche Erfahrungen besitzen,<br />

garantiert sind, wenn die festen Bestellungen<br />

bis Anfang Februar vorliegen. Es handelt sich<br />

zunächst um 2 000 Mädchen und 500 Männer,<br />

die zu folgenden Bedingungen abgegeben werden<br />

sollen.“ Darauf folgt eine detaillierte<br />

Beschreibung des Verfahrens, wie eine solche<br />

„Bestellung“ zu formulieren ist.<br />

Unter dem fortdauernden Mangel an ausreichender<br />

Ernährung leiden die Kinder besonders.<br />

Vor allem die in den Städten wohnenden Kleinen<br />

sollen nun durch einen Aufenthalt „auf<br />

dem Lande“ wieder zu Kräften kommen. Im<br />

April wendet sich deshalb die Kreisverwaltung<br />

an die Bevölkerung mit einer nachdrücklichen<br />

Bitte: „Die in den Großstädten und Industriebezirken<br />

unvermindert fortbestehenden<br />

Ernährungsschwierigkeiten zwingen dazu, auch<br />

in diesem Jahre eine umfangreiche Verschickung<br />

von Kindern auf das Land in Aussicht<br />

zu nehmen. Dank der Opferfreudigkeit der<br />

Landbevölkerung konnten im vergangenen<br />

Sommer mehr als eine halbe Million Kinder die<br />

Wohltat eines Landaufenthaltes genießen und<br />

im Herbst an Leib und Seele gestärkt in ihre<br />

<strong>Heimat</strong> zurückkehren.<br />

In diesem Jahr soll die Aufnahme schon vom<br />

Monat Mai ab bis auf weiteres, möglichst aber<br />

auf die Dauer von 3 bis 4 Monaten erfolgen,<br />

damit eine, für die Kinder so dringend notwendige,<br />

nachhaltige Erholung erreicht werden<br />

kann.“ Landrat Dr. Becker hofft auf große Resonanz<br />

und Bereitwilligkeit der ländlichen Bevölkerung<br />

und ergänzt: „Es handelt sich bei der<br />

Aufnahme der Kinder um ein vaterländisches<br />

Werk der Nächstenliebe, das nicht etwa nur den<br />

Städtern zugute kommt, sondern Deutschlands<br />

heranwachsender Jugend in ihrer Gesamtheit.“<br />

Probleme Flüchtlingsfürsorge<br />

und Überführung gefallener<br />

Soldaten<br />

Auch die Aufnahme von Flüchtlingen muss<br />

geregelt werden. Seit der Besetzung östlicher<br />

Gebiete diesseits und jenseits der Reichsgrenze<br />

durch russische Soldaten hatte vor allem dort<br />

eine große Fluchtbewegung Richtung Westen<br />

eingesetzt.<br />

Dazu schreibt die Presse Folgendes: „Die aus<br />

dem feindlichen Auslande zurückkehrenden<br />

Deutschen werden von der militärischen<br />

Grenzübernahmestelle einem Wohnorte zuge-<br />

14 RUNDBLICK <strong>Frühjahr</strong> <strong>2018</strong>


wiesen, der nach Möglichkeit ihren Wünschen<br />

entspricht. Zunächst kommt dabei ein Ort in<br />

Frage, wo sich Verwandte oder Bekannte befinden,<br />

die zur Aufnahme oder Unterstützung<br />

bereit sind oder lohnbringende Beschäftigung<br />

vermitteln können. (…) Die Zurückkehrenden<br />

erhalten an der Grenze die für die Lebensmittelversorgung<br />

erforderlichen Karten ausgehändigt.<br />

Die Reise erfolgt für Mittellose kostenfrei.<br />

Weiteres wird in unserer Provinz durch die<br />

Flüchtlingsfürsorgestelle des Roten Kreuzes<br />

wahrgenommen. Personen, die deren Hilfe in<br />

Anspruch nehmen wollen, müssen sich an den<br />

Magistrat oder Gemeindevorstand ihres Aufenthaltsortes<br />

wenden.“<br />

Ein nahezu unlösbares Problem bedeutete<br />

für die Militärs die Überführung der unzähligen<br />

Toten in die <strong>Heimat</strong>. Wenn auch die Angehörigen<br />

hofften, die sterblichen Überreste in der<br />

<strong>Heimat</strong>erde bestatten zu können, so erlaubten<br />

Kampfhandlungen und riesige Nachschubbewegungen<br />

dies kaum. Betroffene Angehörige<br />

konnten dazu in der Zeitung erfahren: „Mit<br />

Rücksicht auf die militärische Lage sind schon<br />

seit geraumer Zeit alle Überführungen von<br />

Kriegerleichen aus dem gesamten Grenzgebiet<br />

des Westens ausnahmslos gesperrt. Da mit dem<br />

1. Mai des Jahres die Sommersperre eintritt, die<br />

bis zum 1. Oktober dauert, können Gesuche an<br />

das stellvertretende Generalkommando um<br />

Genehmigung zur Rückführung von Leichen<br />

Gefallener erst wieder im September mit Aussicht<br />

auf Erfolg eingereicht werden. (…) Auch<br />

auf die deutsche Ostfront wird die Sperre schon<br />

jetzt vor dem 1. Mai ausgedehnt, zumal hier<br />

nach dem abgeschlossenen Frieden neue<br />

Bestimmungen in Rückführungsangelegenheiten<br />

vereinbart werden müssen.“<br />

Kleidung aus Torffasern<br />

Ein aus heutiger Sicht besonderes Kuriosum<br />

verbirgt sich in einem Beitrag unter dem Titel<br />

„Milliarden im Moor“. Dass in der damaligen<br />

Kriegszeit der Erfindungsgeist besonders einfallsreicher<br />

Menschen gefragt war, wurde in den<br />

letzten Ausgaben unseres Magazins bereits<br />

mehrfach dargestellt. Hier nun ein weiteres<br />

erstaunliches Beispiel:<br />

„Vor einem Jahr staunte man in Berlin in der<br />

Versammlung des ‚Vereins zur Förderung der-<br />

Moorkultur im Deutschen Reich‘ einen Mantel<br />

an, der aus Torffasern hergestellt war. Inzwischen<br />

hat die Torffaser immer weitere Verwendung<br />

als Ersatz für unsere sonst gebräuchlichen<br />

Spinnstoffe gefunden. Welche Bedeutung die<br />

faserhaltigen Torfmoore haben, zeigte Professor<br />

Dr. W. Magnus während der in diesem Jahr wieder<br />

in Berlin abgehaltenen Versammlung des<br />

Vereins. Könnte man alle Fasern, die in unseren<br />

Mooren vorhanden sind, gewinnen, so würde<br />

man zu ungeheuren Werten kommen.<br />

Ein rechnungsfroher Regierungsbeamter hat<br />

den Wert der in den norddeutschen Mooren liegenden<br />

Fasern mit 9 Milliarden Mark angegeben.<br />

Aber die Gewinnung ist nicht so einfach.<br />

Fast nirgends kommt die Faser, die vertorften<br />

Blattscheiden des Wollgrases, in so großem Prozentgehalt<br />

in den Mooren vor, daß es sich<br />

lohnte, das Moor ausschließlich für die Gewinnung<br />

umzugraben. Im allgemeinen ist ihre<br />

Gewinnung auf das Absammeln aus den zu<br />

anderen Zwecken bewegten Torfmassen<br />

beschränkt. Im letzten Sommer erhielt man<br />

ungefähr 700 Waggons Rohfasern; fast nur<br />

Frauen und Kinder hatten in Nebenarbeit diese<br />

Menge gesammelt. Für dieses Jahr ist die<br />

Zuweisung von Kriegsgefangenen in Aussicht<br />

gestellt.“<br />

Das auch noch…<br />

- „Wie wir hören, tragen sich die verantwortlichen<br />

Stellen in Berlin mit Erwägungen, eine<br />

weitere Beschlagnahme aller entbehrlichen<br />

Kleidunsstücke für männliche Personen vorzunehmen.<br />

So dürfte jeder Mann nur zwei vollständige<br />

Anzüge behalten. Wer beruflich<br />

gezwungen ist, einen Frack zu benutzen, wird<br />

ihn neben den beiden Anzügen behalten dürfen.<br />

Die Beschlagnahme soll erfolgen, nachdem<br />

auf Formularen der Bestand als eidesstattliche<br />

Versicherung angegeben worden ist.“<br />

- „Zur Verbesserung des Geschmackes der<br />

alten Kartoffeln: Da zurzeit die alten Kartoffeln<br />

im Keimen begriffen sind, haben die Knollen<br />

einen starken Solanumgehalt. Dieser beeinträchtigt<br />

den Geschmack und wirkt nachteilig<br />

auf die Verdauung. Es empfiehlt sich deshalb,<br />

den Kartoffeln oder Kartoffelspeisen beim<br />

Beginn des Kochens einige Kümmelkörner<br />

zuzusetzen.“<br />

- „Borgfeld. Am letzten Sonntag fand hier in<br />

glücklicher Fügung der Umstände bei der Einführung<br />

des neuen Gesangbuches zugleich die<br />

Weihe unserer neuen Orgel statt. Das kleine,<br />

aber feine Werk, welches im wesentlichen<br />

einem Legat des Frl. Marie von Lingen zu verdanken<br />

ist, macht der Orgelbaufirma Furtwängler<br />

& Hammer in Hannover alle Ehre. Nach<br />

dem Gutachten des Herrn Organisten Hoyermann<br />

von St. Ansgari in Bremen ist es in Material<br />

und Stimmung vorzüglich. Beim Festgottesdienst<br />

in der gefüllten Kirche hat Herr Hoyermann<br />

auch selber kunstvoll die neue Orgel der<br />

andächtig lauschenden Gemeinde vorgeführt.<br />

So verlief die schöne Doppelstunde ganz im<br />

Sinne des Predigttextes: Singet und spielet dem<br />

Herrn in euren Herzen!“<br />

Peter Richter<br />

Anmerkung: In den Originaltexten wurde die<br />

damals gültige Rechtschreibung beibehalten.<br />

Quelle: Zeitungsarchiv des <strong>Heimat</strong>vereins Lilienthal<br />

e.V.<br />

RUNDBLICK <strong>Frühjahr</strong> <strong>2018</strong><br />

15


Heinrich Vogeler und Otto Sohn-Rethel<br />

Eine Künstlerfreundschaft<br />

Als der siebzehnjährige Heinrich Vogeler im<br />

September 1890 an die Düsseldorfer Akademie<br />

kam, lernte er dort den einige Jahre jüngeren<br />

Otto Sohn-Rethel kennen. Aus dieser Begegnung<br />

entwickelte sich eine langjährige Künstlerfreundschaft.<br />

Sohn-Rethel besuchte schon als Dreizehnjähriger<br />

die Kunstakademie. Wie Vogeler verbesserte<br />

er als Kunstschüler sein Zeichentalent in<br />

Vorkursen, um später mit einer repräsentativen<br />

Kunstmappe vor der Aufnahmekommission der<br />

Akademie bestehen zu können und als Kunsteleve<br />

in die Akademie aufgenommen zu werden.<br />

Die zeichnerische Begabung war Sohn-Rethel<br />

mit in die Wiege gelegt, entstammte er doch<br />

Gnädig wurden die Akademieflüchtlinge<br />

wieder in den Kunstbetrieb aufgenommen und<br />

konnten ihr Studium in Düsseldorf im Wintersemester<br />

1894/1895 beenden. Heinrich Vogeler<br />

hatte schon während des Studiums durch den<br />

Kontakt zu Fritz Overbeck Verbindung zur<br />

Künstlergruppe in Worpswede aufgenommen<br />

und auch Otto Sohn-Rethel kam zeitweise ins<br />

Künstlerdorf. Als er 1895 mit Zustimmung von<br />

Fritz Mackensen beabsichtigte, sich der Gruppe<br />

anzuschließen, schrieb ihm Vogeler eine Ablehnung:<br />

„Lieber Otto Sohn! Dass ich dir diesen<br />

Brief schreiben muss, ist mir sehr unangenehm;<br />

aber Otto Modersohn und Overbeck stehen<br />

jedem Neuen so misstrauisch gegenüber, dass es<br />

Michels. Sein älterer Bruder Alfred hatte die<br />

Tochter des Hauses, Julie Michels, geheiratet.<br />

Von Hannover kam er immer mal wieder ins<br />

norddeutsche Künstlerdorf. Auch Vogeler<br />

besuchte ihn in der Leinestadt und ließ später<br />

von Eduard Michels einen Teppichentwurf fertigen.<br />

(3)<br />

Das Verhältnis zwischen Heinrich Vogeler und<br />

Otto Sohn-Rethel war herzlich und vertrauensvoll.<br />

Vogeler nannte seinen jüngeren Kollegen<br />

liebevoll „Söhnlein“ und bat ihn, als er sich längere<br />

in Berlin aufhielt, ein Bild von ihm zu verpacken<br />

und zu einer Ausstellung des Hannoveraner<br />

Kunstvereins zu bringen: „Carissimo! Du<br />

könntest mir einen hohen Dienst erweisen:<br />

Atelier-Strohl-Fern Foto: S. Bresler Sint anna 3 Foto: S. Bresler<br />

einer bekannten Düsseldorfer Künstlerfamilie.<br />

Sein Großvater war der berühmte Historienmaler<br />

Alfred Rethel und sein Vater der Maler Karl-<br />

Rudolf Sohn. Otto Sohn-Rethel malte und<br />

zeichnete schon als Kind und übte sich schon<br />

mit zehn Jahren in Aquarellieren und Zeichnung<br />

mit Tierstudien und Porträts von Familienmitgliedern.<br />

An der Akademie war er zwar einer der jüngsten<br />

Schüler, doch seine Lehrer konnten ihm<br />

wenig Neues bieten. Ähnlich wie Heinrich Vogeler<br />

langweilte er sich in den Kursen des akademischen<br />

Zeichnens nach Gipsmodellen.<br />

Gemeinsam mit dem Studienfreund Robert<br />

Weise beschlossen sie daher im Herbst 1892,<br />

nachdem sie als Eleve die Weihen der Kunsthochschule<br />

erhalten hatten, dem öden Akademiebetrieb<br />

den Rücken zu kehren.<br />

Anders als Vogeler in seiner Autobiografie<br />

WERDEN schreibt, besuchten sie aber nicht<br />

Sohn-Rethel im südholländischen Sluis, sondern<br />

sie entdeckten gemeinsam diesen idyllischen<br />

Ort, in dem Otto sich Jahre später für<br />

kurze Zeit niederließ. Zu dritt erkundeten sie<br />

von dort aus die Kunst eines Hans Memling oder<br />

Jan van Eyck im nahe gelegenen Brügge. Vor der<br />

ausbrechenden Cholera flüchten sie nach<br />

Genua und Rapallo.<br />

für den Frieden besser ist, wenn du nicht<br />

kommst. Ich schreibe dir dies mit brutaler<br />

Offenheit da ich dich kenne und du mich verstehen<br />

wirst. […]“(1) Anscheinend nagte die<br />

schroffe Abweisung an Vogelers Gewissen und<br />

er schrieb gleich einen neuen Brief: „Lieber<br />

Otto Sohn, Söhnchen! Vor allem erst einmal die<br />

Hauptsache: Ich erwarte dich sobald wie möglich<br />

hier auf dem Weyerberg. Am liebsten wäre<br />

es mir, wenn du in 8 Tagen kämest. Leider ist die<br />

Roggenernte schon vorüber, das wäre was für<br />

dich gewesen. Ich rate dir, wenn du kommen<br />

willst komme sobald wie möglich. - Du musst<br />

meinen Freunden nun nur nicht ihr Misstrauen<br />

verübeln. Es war nicht die Furcht vor dem<br />

Künstler viel mehr vor dem neuen Menschen. –<br />

Also hiermit lade ich dich ein, wenn du dich<br />

etwas behelfen willst, kannst du bei mir wohnen.<br />

[…]“ (2)<br />

Der zweite Brief scheint die Freundschaft<br />

gerettet zu haben. Zwar lässt sich Sohn-Rethel<br />

nicht dauerhaft in Worpswede nieder, doch<br />

besuchte er Vogeler dort häufiger. Beide standen<br />

in engem Kontakt, tauschten Rezepte für<br />

Malfarben und ihre gesundheitlichen Befindlichkeiten<br />

aus.<br />

Bis 1899 wohnte Sohn-Rethel wiederholt in<br />

Hannover bei dem Teppichfabrikanten Eduard<br />

Gehe hin zum Barkenhoff nimm dir 2 (zwei)<br />

starke Männer (worunter ein Tischler) und gieb<br />

ihnen Anordnung mein Bild zu verpacken. Die<br />

Kiste steht fertig. Hinten gut festschrauben.<br />

[…]“ (4)<br />

Als sich Sohn-Rethel ab <strong>Frühjahr</strong> 1899 längere<br />

Zeit in Paris aufhielt, stand Vogeler mit ihm<br />

brieflich in Verbindung und hielt ihn über<br />

eigene Aktivitäten und die Veränderungen in<br />

Worpswede auf dem Laufenden. Nach dem Parisaufenthalt<br />

begab Otto Sohn-Rethel sich nach<br />

Holland, wo er in der Nähe von Sluis, das er ja<br />

aus Studententagen kannte, in Sant Anna ter<br />

Muiden ein kleines Häuschen anmietete und<br />

dort bis 1902 lebte und arbeitete.<br />

Als Heinrich Vogeler im <strong>Frühjahr</strong> 1901<br />

Martha Schröder heiratete, führte sie ihre<br />

Hochzeitsreise nach Holland zu Otto Sohn-<br />

Rethel.<br />

„ […] 20 Minuten von unserem Städtchen<br />

liegt ein wunderbar malerisch kleines Nest St<br />

Anna Ter Muiden und dort wohnt das kleine<br />

Söhnlein. Das hättest du sehen müssen als wir<br />

beide da plötzlich eines schönen Nachmittags<br />

bei ihm antraten. In einem ganz kleinen Häuschen<br />

mit niedrigem Ziegeldach und grünen<br />

Fensterläden wohnt der Mensch wie ein alter<br />

Sonderling umgeben von den wertvollsten alten<br />

16 RUNDBLICK <strong>Frühjahr</strong> <strong>2018</strong>


Sohn-Rethel jung<br />

RUNDBLICK <strong>Frühjahr</strong> <strong>2018</strong><br />

Foto: S. Bresler<br />

Sachen, ein riesiges malerisches Heim vollgestopft<br />

von feinen Stoffen, wunderbaren Copien,<br />

die Gebhardt (5) nach alten Meistern gemacht<br />

hat, schönen Gläsern, Silbersachen, Porzellanen,<br />

vielleicht sieht es etwas zu sehr nach<br />

einem Althändler aus, aber wenn die Sonne<br />

durch eines der kleinen Fenster kommt und<br />

über die Truhen, Schränke, Spitzen und Brokatstoffe<br />

scheint , dann ist doch eine ganz besondere<br />

märchenhafte Stimmung in dem Häuschen.<br />

– […].“ (6)<br />

Das freie, ungezwungene Leben seines jungen<br />

Studienfreundes schien Vogeler fasziniert<br />

zu haben. Auch als Otto Sohn-Rethel im folgenden<br />

Jahr nach Rom ging und bei dem Kunstmäzen<br />

Alfred Strohl-Fern eine Atelierwohnung<br />

bezog, folgte Vogeler ihm im November 1902<br />

nach. Gemeinsam mit Martha begab er sich<br />

nach Rom und wohnte auf der Piazza Barberini<br />

nicht weit von dem Villengelände Strohl-Ferns<br />

entfernt. Als Martha Mitte Dezember Rom verlässt<br />

und nach Worpswede zurückkehrte, zog<br />

Heinrich Vogeler bei Otto Sohn-Rethel in die<br />

Atelierwohnung. Zusammen mit anderen<br />

Künstlern feierten sie Weihnachten und Vogeler<br />

reiste auf Anraten von Sohn-Rethel nach Neapel<br />

und Pompeij.<br />

In Neapel besuchte er gleich zweimal die<br />

Bibliothek der Zoologischen Station, die mit<br />

Wandbildern Hans von Marées ausgeschmückt<br />

sind. Diese Begegnung hatte Vogeler, wie zuvor<br />

auch schon seinen Freund Otto, in seiner künstlerischen<br />

Entwicklung stark beeinflusst. „Wieder<br />

in Neapel, trieb es mich noch einmal in das<br />

Aquarium am Meeresstrand, um Abschied von<br />

den Fresken zu nehmen, mit denen Hans von<br />

Marées die Wände dieses Studienortes für italienische<br />

und ausländische Studenten geziert<br />

hatte. Wenn man diese frischen, realistischen<br />

monumentalen Wandbilder aus dem Leben der<br />

Fischer mit den Naturforschern gesehen hat,<br />

dann forscht man immerwährend nach der<br />

Fortsetzung dieses einzigartigen Weges zur<br />

monumentalen Kunst, der hier beschritten<br />

wurde.“ (7)<br />

Um den 20. Januar 1903 kehrte Vogeler<br />

zurück nach Rom und verbrachte dann noch bis<br />

Ende Februar 1903 eine künstlerisch stimulierende<br />

Zeit mit Otto Sohn-Rethel in dessen Atelierwohnung<br />

auf dem Gelände der Villa Strohl-<br />

Fern. In dieser Zeit wurde Vogelers Gemälde<br />

„Erster Sommer“ in einer Ausstellung der Berliner<br />

Sezession ausgestellt. In dem von Paul Cassirer<br />

herausgegebenen Katalog ist er mit „Vogeler<br />

Heinrich, Maler, Worpswede bei Bremen. Z.Z.<br />

Rom Villa Strohl-Fern“ (8) verzeichnet. Im März<br />

1903 kehrte Vogeler nach Worpswede zurück<br />

und der Kontakt zu Otto Sohn-Rethel scheint<br />

einzuschlafen.<br />

Dann verkaufte Vogeler im Jahre 1912 eine<br />

Zeichnung der Villa Strohl Fern, die während<br />

seines Aufenthaltes in Rom entstanden war, für<br />

450 M an die Hamburger Galerie Commeter.<br />

Diese Aktion mag noch einmal die gemeinsame<br />

Zeit mit Sohn-Rethel in Erinnerung gebracht zu<br />

haben. Sein Künstlerfreund wohnte nun schon<br />

einige Zeit auf der Insel Capri. In dem Ort Anacapri<br />

hatte er sich in der Villa Lina eine repräsentative<br />

Bleibe einrichten können. Dort empfing<br />

er Künstler, Literaten und Musiker aus ganz<br />

Europa und widmete sich neben der Malerei<br />

auch seiner frühen Passion, den Schmetterlingen.<br />

Diese Leidenschaft brachte ihm auf der<br />

Insel den Namen Farfallaro von Anacapri ein<br />

(von ital. farfalla für Schmetterling). Wahrscheinlich<br />

hat Vogeler im September 1913 seinen<br />

Studienfreund noch einmal besucht. Eine<br />

Visitenkarte Vogelers im Archiv der Bibliothek<br />

der Zoologischen Station in Neapel vom<br />

04.09.1913 legt diese Vermutung nahe. Danach<br />

Von der Raupe zum Falter, Otto Sohn-Rethel ca. 1910<br />

scheinen sich ihre Kontakte jedoch zu verlieren.<br />

Heinrich Vogeler zog bald in den Krieg,<br />

schwörte dem Jugendstil ab und wandte sich<br />

dem Kommunismus zu. Otto Sohn-Rethel blieb<br />

meist auf Capri und hielt von dort aus weiter<br />

Kontakt zu Künstlern in Deutschland. Er verstarb<br />

am 09. Juni 1949 auf Capri und ist auf<br />

dem Friedhof in Anacapri begraben.<br />

Siegfried Bresler - Bielefeld<br />

(1) Brief Heinrich Vogelers an Otto Sohn-<br />

Rethel vom Juli 1895.<br />

(2) Brief Heinrich Vogelers an Otto Sohn-<br />

Rethel, vom 29. Juli 1895.<br />

(3) Hinweis von Frau Lambert Düsseldorf. Sie<br />

ist eine Nachfahrin der Familie<br />

Sohn-Rethel.<br />

(4) Postkarte Heinrich Vogelers aus Berlin an<br />

Otto Sohn-Rethel, vom 18.02.1897<br />

(5) Das ist Eduard von Gebhardt, bei dem<br />

Vogeler und Sohn-Rethel Malerei<br />

studierten<br />

(6) Brief Heinrich Vogelers an Otto Modersohn,<br />

vom 24. März 1901.<br />

(7) Heinrich Vogeler. Werden. Erinnerungen.<br />

Fischerhude 1989. S. 89.<br />

(8) Paul Cassirer (Hrsg.): Katalog der siebten<br />

Kunstausstellung der Berliner Secession,<br />

Berlin 1903, S. 47.<br />

Foto: S. Bresler<br />

17


Ich bin ein Star - bau mir ein Haus!<br />

Das sollten Sie über den Vogel des Jahres <strong>2018</strong> wissen<br />

Der Star ist uns ein vertrauter Nachbar. Er ist<br />

uns vertraut aus den Parks und Gärten, wenn er<br />

auf Nahrungssuche über den Rasen flitzt oder<br />

sich am Kirschbaum gütlich tut. Schwarz auf<br />

den ersten Blick, aber erst bei genauerem Hinsehen<br />

ist er eine wahre Attraktion: sein glänzender<br />

Frack und ihr Pünktchenkleid sind ein<br />

echter Hingucker insbesondere zur Brutzeit.<br />

Zwar ist der Starenmann nicht so stimmgewaltig<br />

wie manch anderer Singvogel, dafür gibt es<br />

keinen vielseitigeren Imitator unter den heimischen<br />

Vögeln als ihn. Zwischen seine schnalzenden<br />

und pfeifenden Töne mischt er auch<br />

mal ein Froschquaken oder eine Alarmanlage.<br />

Seine bevorzugten Lebensräume wie Weiden,<br />

Wiesen und Felder mit Alleen und Waldrändern<br />

werden immer intensiver genutzt. Er benötigt<br />

Baumhöhlen zum Brüten und Nahrungsflächen<br />

mit kurzer Vegetation, wo er Würmer und Insekten<br />

findet. Doch Hecken und Feldgehölze<br />

„stören“ eher beim intensiven Anbau von<br />

Getreide und Energiepflanzen in Monokulturen.<br />

Auch die zunehmende Haltung von Nutztieren<br />

in abgeriegelten Riesenställen setzt dem Star<br />

zu. Grasen Tiere nicht auf der Weide und hinterlassen<br />

dort ihren Mist, bleibt mit den<br />

angelockten Insekten ein wichtiges Nahrungsmittel<br />

aus.<br />

Heute stellen Parks und Friedhöfe mit ihren<br />

zum Teil alten und höhlenreichen Bäumen<br />

sowie den kurzrasigen Wiesen wichtige Ersatzlebensräume<br />

dar. Auch an Gebäuden nutzt<br />

unser Jahresvogel Hohlräume zum Brüten.<br />

Jeder Garten- oder Hausbesitzer kann der Wohnungsnot<br />

des Stars mit einem Nistkasten<br />

www.lbv.de<br />

begegnen. Gärtnern ohne Pflanzenschutzmittel<br />

und Insektizide sowie Beeren tragende Gehölze<br />

verhelfen dem Star zu ausreichend Nahrung.<br />

Eine strukturbereichernde und ökologische<br />

Landwirtschaft mit artgerechter Tierhaltung<br />

hilft dem Star und vielen anderen Vögeln.<br />

Die Nahrung für seine Jungen findet der Star<br />

auf insektenreichen Wiesen und Weiden, von<br />

denen es in der industriellen Landwirtschaft<br />

aber immer weniger gibt. Auch Streuobstwiesen<br />

und beerenreiche Hecken verschwinden aus<br />

unserer Landschaft und lassen dem Star keine<br />

andere Wahl, als seinen Hunger auf Früchte in<br />

Wein- und Obstplantagen zu stillen. In der grünen<br />

Stadt geht es ihm da schon ein wenig besser,<br />

doch herrscht vielerorts Wohnungsmangel,<br />

wenn Höhlenbäume gefällt oder Fassadenlöcher<br />

geschlossen werden.<br />

Richtig imposant wird es, wenn mehrere tausend<br />

Stare dichte Schwärme bilden. In filigranen<br />

Wogen tanzen sie am Himmel und zeigen<br />

ein einzigartiges Naturschauspiel, das seinesgleichen<br />

sucht. Doch die Schwärme werden<br />

kleiner. In vielen Ländern Europas und auch in<br />

Deutschland gehen die Starenbestände zurück.<br />

Am besten zu beobachten sind die imposanten<br />

www.rbb-online.de<br />

Foto: Dieter Goebel-Berggold, fotocommunity.de, fc-foto 5470525 *<br />

18 RUNDBLICK <strong>Frühjahr</strong> <strong>2018</strong>


www.rbb-online.de<br />

Schwarmwolken im September und Oktober,<br />

etwa eine Stunde vor Sonnenuntergang. Doch<br />

schon im Frühsommer oder noch Ende November<br />

können Sie mit etwas Glück Starenschwärme<br />

am Himmel sehen, bevor sie schlagartig<br />

nach unten sinken. Starenschwärme reichen<br />

von kleinen Nahrungstrupps bis zu einer<br />

Million Tiere an Hauptsammelplätzen. Vor allem<br />

an Gewässern mit großen, ausgedehnten Schilfzonen<br />

und in Baumgruppen sammeln sich<br />

Schwärme besonders gern und suchen dort<br />

Schutz für die Nacht. Große Trupps finden Sie<br />

aber auch im Grünland auf Weiden oder auf<br />

Stromleitungen. Da natürliche Höhlen in alten<br />

Bäumen immer weniger zur Verfügung stehen,<br />

helfen Sie dem Vogel des Jahres mit einem Nistkasten.<br />

Sowohl im Privatgarten als auch in<br />

öffentlichen Grünbereichen und in ländlichen<br />

Gebieten findet der Star so einen Platz, um<br />

seine Jungen aufzuziehen. Der Starenkasten<br />

bietet auch Wendehals oder Kleiber Unterschlupf<br />

– ein Argument mehr, um zu Hammer<br />

und Säge zu greifen.<br />

Zusammengestellt von Susanne Eilers anhand<br />

von NABU Veröffentlichungen<br />

Foto: Kleinbucher.blogspot.de<br />

Obwohl Krieg herrscht:<br />

Humor im Jahre 1918<br />

Oh, diese Fremdwörter!<br />

In einer Volksschule waren die Augen<br />

sämtlicher Schüler einer Untersuchung<br />

durch den Augenarzt unterzogen worden.<br />

Den Eltern derjenigen Kinder, bei denen<br />

nicht alles in Ordnung war, wurde eineentsprechende<br />

Mitteilung gemacht.<br />

Infolgedessen erhielt der Vater Reinhold<br />

Müllers einen Brief des Rektors, in dem<br />

dieser ihm schrieb: „Sehr geehrter Herr!<br />

Hierdurch teile ich Ihnen mit, daß sich bei<br />

Ihrem Sohn Reinhold Anzeichen von<br />

Astigmatismus bemerkbar machen,<br />

wogegen sofort Schritte getan werden<br />

müssen. Hochachtungsvoll, pp.“<br />

Am nächsten Morgen brachte Reinhold<br />

folgenden Brief seines Vaters: „Sehr geehrter<br />

Herr Rektor! Es ist mir zwar nicht klar,<br />

was der Junge diesmal wieder angestellt hat,<br />

aber auf jeden Fall habe ich ihn tüchtig verwichst,<br />

und ich wäre Ihnen dankbar, wenn<br />

Sie ihm auch noch eine ordentliche Tracht<br />

Prügel zukommen lasssen wollen. Hochachtungsvoll,<br />

pp.“<br />

Sparsamkeit...<br />

Drei Reisende saßen im Raucherabteil<br />

eines Schnellzuges und unterhielten sich.<br />

„Ja,“ sagte der eine, „es gibt Leute, die so<br />

sparsam sind, daß es an Geiz grenzt. Ein<br />

früherer Chef von mir verlangte von seinen<br />

Angestellten, daß sie eine ganz kleine Handschrift<br />

schrieben, um Tinte zu sparen.“ -<br />

„Ach,“ sagte der zweite, „mein Onkel ist<br />

noch viel sparsamer! Der stellt, wenn er zu<br />

Bett geht, sämtliche Uhren in der Wohnung<br />

still, damit die Werke während der Nacht<br />

nicht abgenutzt werden.“ - „Da weiß ich<br />

noch etwas Besseres,“ erklärte der dritte,<br />

„ich kenne einen alten Geizkragen, der keine<br />

Zeitung liest, weil er findet, daß das seine<br />

Brille angreift.“<br />

Peter Richter<br />

RUNDBLICK <strong>Frühjahr</strong> <strong>2018</strong><br />

19


Was lange währt …<br />

Neues zur Geschichte des Klosters Lilienthal<br />

Seit mehreren Jahren gibt es das Rätselraten<br />

darüber, ob der kleine Ort Wollah in der Nähe<br />

von Lesum bei Bremen ein Standort des Klosters<br />

Lilienthal war. Da veröffentlicht am 16. April<br />

2017 der WESER-KURIER unter dem Titel „Klosterlandschaft<br />

wird virtuell sichtbar“ einen Artikel<br />

über eine gerade erschienene „Niedersächsische<br />

Klosterkarte“. In seiner E-Mail vom 20.<br />

November 2017 antwortet Dr. Niels Petersen<br />

vom Institut für Historische Landesforschung<br />

an der Georg-August-Universität in Göttingen,<br />

dass die Anfrage, ob das Kloster Lilienthal sich<br />

in Wollah befunden hat, ihren Weg über zwei<br />

Schreibtische nahm. Das Ergebnis: In Wollah bei<br />

Lesum hat es nie ein Kloster gegeben, es handelt<br />

sich um eine Verwechslung bei der Zuordnung<br />

des Ortsnamens!...<br />

Erste Zweifel<br />

„…, als ob in Wolda (Wollah) von Hartwich<br />

wirklich ein Kloster errichtet sein, so scheint<br />

mir das ein Irrthum zu sein, denn man findet<br />

auch nicht eine Spur davon.“ (Archiv des Vereins<br />

für Geschichte und Alterthümer der Herzogthümer<br />

Bremen und Verden und des Landes<br />

Hadeln zu Stade, Stader Geschichts- und <strong>Heimat</strong>verein,<br />

1863)<br />

Der Irrtum<br />

„Das Kloster auf St. Stephani wurde abgebrochen<br />

und der Erzbischof von Bremen kaufte<br />

den Ort Wolda „by der Leßem mit allen thobehoringe<br />

von dem Junker Wilken van Marsale<br />

(Marssel) har man dor bouwen scholde ein<br />

Jungfrouwenkloster von St. Bernhardsorden in<br />

der ehre unser Leuen freuwen.“ Und jetzt folgt<br />

die Passage, die Christoph Tornée nicht besser<br />

wissen konnte: „Daß der Erzbischof Hartwig II.<br />

[1187] ein Stück Land in Wolda (Wolla) gekauft<br />

hat, steht fest; …“. Er übersetzt dabei Wolda mit<br />

Wollah [bei Lesum] und fügt hinzu: „aber für<br />

die Herstellung unter seiner Aegide [Leitung]<br />

fehlen alle Beweise.“!<br />

Die älteste Bremer Chronik<br />

Im Jahr 1968 gibt der Verlag Carl Schünemann<br />

in Bremen eine Chronik heraus, die<br />

eigentlich schon vor dem Zweiten Weltkrieg<br />

erscheinen sollte, jedoch nicht fertig gestellt<br />

wurde, weil der damit Beauftragte, Hermann<br />

Meinert, Staatsarchivrat beim Preußischen<br />

Geheimen Staatsarchiv in Berlin-Dahlem, 1940<br />

zur kämpfenden Truppe einberufen wurde. Er<br />

„übersetzte“ aus der Urkundenschrift, was Gert<br />

Rinesberch [um 1315-1406], Herbord Schene<br />

[um 1358-1413] und Johann Hemeling [um<br />

1358-1428], Abkömmlinge aus Bremer Familien,<br />

über das Werden der Freien und Hansestadt<br />

Bremen geschrieben hatten. Hier findet man<br />

Hist. Karte Altenwalde 2<br />

auch den Text im Original, den Christoph Tornee<br />

in seiner Chronik zitiert: „ock kofte he [Erzbischof<br />

Hartwig II.] ene stede, geheten Wolda,<br />

mit alle siner tobehoringe vor hundert unde<br />

sostich mark, dat men dar makede ein junckfrouwen<br />

closter van sunte Bernhardus orden in<br />

de ere unser leven vrouwen, dat nu to deme<br />

Liliendale hetet, unde wart van dar to der Trupe<br />

gebuwet, dar id nu steit.“ Datiert auf den 1. Mai<br />

1187. - Ein Blick in das Register: Wolda s. Altenwalde<br />

! - (Im „Urkundenbuch des Klosters Neuenwalde“<br />

findet man die Schreibweise „Wolda“<br />

für Altenwalde bei mehreren Urkunden.) - Herbord<br />

Schene, einer der Autoren dieser Bremer<br />

Chronik, war Bruder von vier Klosterschwestern<br />

im Kloster Lilienthal, darunter die Äbtissin Gertrudis,<br />

deren von ihm im Jahr 1400 gestiftete<br />

Grabplatte als Denkmal bezeichnet wird. So<br />

wird auch die mündliche Überlieferung eine<br />

Rolle gespielt haben. – Irritierend die Titel dieser<br />

Chronik: Die Chroniken der deutschen<br />

Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert Siebenunddreißigster<br />

Band Untertitel: Die Chroniken<br />

der niedersächsischen Städte. Dann erst Bremen.<br />

Altenwalde<br />

Allein das Auffinden dieser Stelle zum Vergleich<br />

zwischen den beiden Chroniken reicht<br />

aus, um den Irrtum von Johann Renner (und<br />

anderen) aufzuklären. Doch eine große Anzahl<br />

Historischer Plan Altenwalde;<br />

Karte Amt Ritzebüttel (Schröter,1594);<br />

weiterer Fakten untermauert diese Feststellung.<br />

Die historische und christliche Vergangenheit<br />

von Altenwalde ist ein nächster Anhaltspunkt<br />

dafür, dass sich der vorübergehende Standort<br />

des Klosters Lilienthal dort befunden hat und<br />

nicht in Wollah.<br />

Im September 1971 erschien die „Chronik<br />

von Altenwalde“ (Winfried Siefert), doch auch<br />

in diesem Werk wurde die älteste Bremer Chronik<br />

nicht berücksichtigt. Der von Erzbischof<br />

Hartwig II. im Jahr 1187 getätigte Kauf der<br />

„stede Wolda“ (= Altenwalde) wird mit keiner<br />

Silbe erwähnt! Auch für Altenwalde ist diese<br />

neue Erkenntnis daher eine weitere bemerkenswerte<br />

Etappe auf dem ohnehin geschichtsträchtigen<br />

Weg dieses Ortes in die heutige Zeit.<br />

Das Kloster<br />

In der Altenwalder Chronik beginnt die<br />

Geschichte ihres Klosters mit der Gründung im<br />

Jahr 1219 eines Kanonissenstiftes in Midlum,<br />

etwa 10 km südlich von Altenwalde gelegen. Die<br />

Edelherren von Diepholz errichteten kein Klostergebäude,<br />

statteten es jedoch mit Diepholzer<br />

Gütern der Umgebung aus. Erzbischof Giselbert<br />

verlegt 1282 dieses Kloster nach Altenwalde, zu<br />

einem Zeitpunkt, als das Kloster Lilienthal<br />

schon 50 Jahre in Trupe sesshaft war. Auch hier<br />

kein Wort über die „Zwischenstation“, den<br />

bereits ca. 100 Jahre vorher getätigten Kauf der<br />

„stede Wolda“ mit dem Namen „Liliendale“ für<br />

ein dort geplantes Kloster.<br />

Der Wallfahrtsort<br />

Altenwalde war ein stark besuchter Wallfahrtsort<br />

im Erzbistum Bremen mit einer Reliquie,<br />

einem Splitter vom Kreuz Jesu Christi, in<br />

der dortigen „capella sanctae crucis sanctissimique<br />

patris Willehadi“ (Kapelle des heiligen<br />

Kreuzes und des heiligen Vaters Willehad) auf<br />

der Altenwalder Höhe. Die Trümmerstätte auf<br />

der Altenwalder Höhe war noch 1905 (Heinrich<br />

Rüther) übersät mit gebrannten Steinen und<br />

Dachziegeln, kleineren Stücken von Tuffsteinen,<br />

20 RUNDBLICK <strong>Frühjahr</strong> <strong>2018</strong>


Bereiches um Altenwalde und die Aussage, dass<br />

hier bereits zur Römerzeit intensiver Handel<br />

betrieben wurde.<br />

Das Kloster Lilienthal hat mit dem Kauf der<br />

„stede Wolda“ nicht nur dort seinen Namen<br />

erhalten und mit nach Trupe genommen, es hat<br />

sich am Wallfahrtsort Altenwalde auch einen<br />

Namen gegenüber dem Bremer Erzbistum<br />

gemacht. Hätte sonst die Äbtissin Grethen ihren<br />

Platz als Konsolfigur unter der Skulptur des<br />

Markgrafen von Brandenburg an der Schauseite<br />

des Bremer Rathauses für eine Ewigkeit durch<br />

eine Spende erwerben dürfen?...<br />

Vergleich Klostergebäude<br />

Lilienthal / Neuenwalde<br />

Romanische Feldsteinkirche St. Cosmas und Damian in Altenwalde<br />

dem älteren Baumaterial aus Kalk mit Muschelteilen<br />

und Sand, das auch in den alten Kirchen<br />

von Wremen und Blexen zu finden ist. Gleichzeitig<br />

war der Ort nördlicher Endpunkt eines<br />

tief aus dem Süden kommenden Handelsweges,<br />

der daher ebenfalls Reisestation für Händler,<br />

Seefahrer und Besucher war. Es muss eine viel<br />

größere Anzahl von Reisenden gewesen sein, die<br />

hier um Unterkunft baten, als bisher gedacht.<br />

Eine der Begründungen für den Umzug des Klosters<br />

nach Neuenwalde, die Unruhe durch die<br />

große Anzahl von Reisenden wäre einer der<br />

Punkte gewesen, das Kloster nach Neuenwalde<br />

zu verlegen, ist gut nachzuvollziehen.<br />

„ … Allerdings mußte man tatsächlich das<br />

Wasser stets den Berg hochschleppen, da ein<br />

Brunnen nicht ergiebig war.“ Mit dieser Aussage<br />

findet ein anderer Punkt aus der bisherigen Lilienthaler<br />

Klostergeschichte eine neue<br />

Erklärung: Nicht das Hochwasser der Wümme /<br />

Wörpe hat den Klosterinsassen am Standort<br />

Trupe große Schwierigkeiten bereitet, diese<br />

Aussage war viele Jahre vorher in Altenwalde<br />

von großer Bedeutung. Und einer der Hauptgründe,<br />

das Kloster 1334 von Alten- nach Neuenwalde<br />

zu verlegen.<br />

„Sämtliche Einwohner der Orte Altenwalde,<br />

Gudendorf, Oxstedt, Arensch, Berensch und<br />

Holte wurden Klostermeier und damit zehntpflichtig.“<br />

- Auch hier ist die Bedeutung und der<br />

Einfluss des Erzbischofs auf den Ort abzulesen,<br />

der damals schon mit den umliegenden Dörfern<br />

fast als Kleinstadt zu bezeichnen war.<br />

Die Altenwalder Mühle, eine Bockmühle, war<br />

auf der Altenwalder Höhe (38 m), die über den<br />

Geestrücken Hohe Lieth noch hinausragt, auch<br />

als Schifffahrtszeichen sowohl für die Wesermündung<br />

als auch die Zufahrt über einen Kanal<br />

nach Altenwalde, deutlich sichtbar. Im historischen<br />

Plan von Altenwalde sind nah beieinander<br />

drei Kreuze eingezeichnet: Das Kloster, die<br />

Kapelle sowie die Mühle.<br />

Archäologische Funde im Bereich Altenwalde,<br />

Lagerplätze aus der Hamburger Stufe<br />

(um 12.000 v. Chr.), Steingräber (1700 bis 700<br />

v. Chr.), die Altenwalder Silberschale (spätrömisch)<br />

und ein römischer Bronzeeimer vom<br />

Hemmoorer Typ bestätigen das hohe Alter des<br />

Ein Gemälde vom ehemaligen Amtshaus Lilienthal<br />

könnte als Erinnerung an das Klostergebäude<br />

dienen. Ein Klostergebäude wie in Hude<br />

vorzufinden … Dieser Gedanke ist auszuschließen.<br />

- Der Anblick des von Alten- nach Neuenwalde<br />

verlegten Klosters lässt eher einen Vergleich<br />

zu.<br />

Bodenuntersuchung<br />

Vor einigen Jahren führte Professor Thilo von<br />

Dobeneck (Uni Bremen) im Lilienthaler Amtsgarten<br />

eine geophysikalische Bodenuntersuchung<br />

durch, um mithilfe der Ergebnisse sagen<br />

zu können, ob dort noch Fundamente von<br />

Gebäuden oder Kreuzgängen nachzuweisen<br />

wären. Der Befund: Es konnten keine Fundamentreste<br />

gefunden werden! Die Vorstellung, in<br />

Trupe habe ein Klostergebäude gestanden, das<br />

mit der verbliebenen Ruine des Klosters Hude<br />

vergleichbar wäre, ist damit Vergangenheit. Hier<br />

gab es, vergleichbar mit dem Kloster Neuenwalde,<br />

ein Wohngebäude, wohl ähnlich dem auf<br />

dem Gemälde im <strong>Heimat</strong>verein Lilien-thal<br />

gezeigten Amtshaus mit dem noch vorhandenen<br />

Klosterkeller.<br />

Pilgerzeichen Neuenwalde<br />

RUNDBLICK <strong>Frühjahr</strong> <strong>2018</strong><br />

21


Das Mutterkloster<br />

In einem Buch über das Kloster Walberberg<br />

(nahe Köln) findet man unter dem Titel „Das<br />

Walberberger Tochterkloster Lilienthal“ auch<br />

folgende Aussage: Der damalige Bremer Erzbischof<br />

Gerhard II. (1219-1258) ließ demnach<br />

durch Boten und Briefe vier Nonnen aus Walberberg<br />

holen, um ein Kloster zu gründen. Diese<br />

Darstellung fällt in das Jahr 1230, zwei Jahre<br />

vor der bisher angenommenen Klostergründung<br />

...<br />

Straßennamen in Wollah<br />

Eine weitere interessante Fage bleibt: Wann<br />

wurden Straßen in Wollah in Anlehnung an das<br />

Kloster benannt? Nach 1969? ... Dann war der<br />

veröffentlichte Fehler aus der Chronik von<br />

Johann Renner der Anlass. Eine nachgewiesene<br />

Fundstelle für ein Klostergebäude dort ist nicht<br />

bekannt. - Abschließend darf man feststellen,<br />

dass das Auffinden dieser Stelle in der ältesten<br />

Bremer Chronik das Kloster Lilienthal in einem<br />

völlig neuen, ganz anderen Licht erscheinen<br />

lässt.<br />

Harald Steinmann<br />

Weitere Quellen:<br />

Chronica der Stadt Bremen, Johann Renner,<br />

1583; Urkundenbuch des Klosters Neuenwalde,<br />

Heinrich Rüther, 1905; Chronik von Altenwalde,<br />

Winfried Siefert, 1971; Cuxpedia: Altenwalde,<br />

<strong>2018</strong>; Pilgerzeichen: Focke Museum Bremen<br />

Straßenschild Mönchstr. / Klosterstr. in Wollah<br />

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Richtig, sie ist die Verfasserin der Mädchenbriefe<br />

“Sommer in Lesmona”. Es gibt jedoch viel<br />

mehr in ihrem literarischen Schaffen zu entdecken!<br />

Christine Bongartz kommt als “Gesine<br />

von Katenkampp” und liest aus “Die goldene<br />

Wolke” sowie “Aus meiner Kinderzeit” und<br />

bringt Ihnen damit die Autorin ein bisschen<br />

näher.<br />

DO 24.05.18, 14.00 Uhr Anmeldung erbeten!<br />

Kartoffel- und Blütendruck<br />

Rita Wichmann stellt Ihnen die kreative Gestaltung<br />

von Papier und Stoff mit zwei simplen<br />

Drucktechniken vor. Erzielen Sie schöne Effekte<br />

dank des Einsatzes von Naturmaterialien, wie<br />

Kartoffeln, Blüten, Moos und Blättern. Bringen<br />

Sie kleine Gegenstände (Briefpapier, Packpapier,<br />

Kopfkissen, Geschirrhandtücher etc. ) mit.<br />

(Kosten für weiteres Material je nach Aufwand.)<br />

DO 31.05.18, 14 -17 Uhr Anmeldung erbeten!<br />

Köksch un Qualm – Zu Besuch im 19. Jahrhundert<br />

Weißnäherin Elsa, Waschfrau Emma und Meta<br />

die Köksch, erklären die mühevolle Hausarbeit<br />

um 1900. Herr Richtering, der Zigarrenfabrikant,<br />

präsentiert Ihnen das Zigarrenkabinett<br />

und im Salon werden selbst gebackene Waffeln<br />

mit heißen Kirschen und frischer Sahne serviert.<br />

DO 07.06.18, 15.00 Uhr<br />

Das Päckchen aus Amerika<br />

Was ist das nur für ein Stoff, den der Neffe der<br />

Familie Richtering 1907 aus Amerika schickte?<br />

Eine Stoffseite ist dunkelblau, die andere Seite<br />

fast weiß. Und hart ist dieser Stoff! Wie kann<br />

dieser ein hauswirtschaftliches Problem seiner<br />

Tante lösen? Und was haben die Richteringschen<br />

Zigarren damit zu tun? Fragen über Fragen,<br />

die an diesem Tag geklärt werden.<br />

DO 14.06.18, 15.30 Uhr Anmeldung erbeten!<br />

Lesumer Kulturtage <strong>2018</strong> –Das Glück liegt in<br />

der Ferne!<br />

Christine Bongartz liest als Gesine von Katenkampp<br />

aus Robinson Crusoe. Über ihn gibt es so<br />

viel mehr zu erfahren, als dass er jahrelang mit<br />

seinem treuen Begleiter Freitag auf einer einsamen<br />

Insel gelebt hat.<br />

DO 21.06.18, 14.00 Uhr Anmeldung erbeten!<br />

Spitzendeckchen kreativ einsetzen!<br />

Im Laufe des 19. Jahrhunderts haben sich<br />

diverse edle Stoffarten entwickelt. Darunter<br />

finden sich Häkel-, Tüll-, Klöppel- oder Applikationsspitzen.<br />

Heute erhalten Sie nicht nur<br />

historische Informationen über diese edlen Textilien,<br />

sondern lernen, wie sie mit den feinen<br />

Mustern aus durchbrochenem Stoff und Ton<br />

kleine Alltagsgegenstände wie Seifenablagen,<br />

Brettchen, Schälchen etc. dekorativ gestalten.<br />

(Kosten für Material je nach Aufwand.)<br />

DO 28.06.18, 14 – 17 Uhr<br />

Zu Besuch im 19. Jahrhundert – Ferienspezial<br />

Erwachsene und Kinder können unseren fleißigen<br />

Waschfrauen zur Hand gehen und ausprobieren<br />

wie früher gewaschen wurde: Wäschestampfen,<br />

mit dem Waschbrett schrubben und<br />

die große Wringe kurbeln. Zur Belohnung gibt<br />

es selbst hergestellte Seife.<br />

Anmeldung unter:<br />

Telefon 0421 636958-66 oder<br />

E-Mail zigarrenfabrik@brasbremen.de<br />

www.koeksch-un-qualm.de<br />

22 RUNDBLICK <strong>Frühjahr</strong> <strong>2018</strong>


Die Osterholzer Ziegelei<br />

Wie der Betrieb funktioniert haben könnte (I)<br />

Ausschnitt aus der Karte „Plan von…Osterholtz…1756“; NLA Stade,<br />

Karten Neu Nr. 12929<br />

Nachdem Ende 1730 erste Vorschläge zur<br />

Errichtung einer Ziegelei nahe dem damaligen<br />

Flecken Osterholz durch den Drost von Schwanewede<br />

gemeinsam mit dem Amtschreiber<br />

Anton Friedrich Meiners der Kammer in Hannover<br />

unterbreitet worden waren, wurden im<br />

Laufe des Jahres 1731 diverse Fragen aufgeworfen<br />

und beantwortet, sodass am Ende dieses<br />

Jahres Zustimmung aus Hannover signalisiert<br />

wurde und die Inbetriebnahme als Herrschaftliche<br />

Ziegelei wohl bereits im Jahre 1732 erfolgen<br />

konnte.<br />

Eine erste kartografische Bestandsaufnahme<br />

ist erfolgt, indem durch F. v. Haerlem 1749 das<br />

Gelände kartiert wurde. 1) Jürgen Christian Findorff<br />

hat dann 1756 ganz Osterholz kartiert,<br />

inklusive der damals schon über 20 Jahre bestehenden<br />

und damit am Ende der vereinbarten<br />

Pachtdauer befindlichen Ziegelei. 2)<br />

Inwieweit sich dabei gegenüber der Ausgangssituation<br />

in den verflossenen Jahren Veränderungen<br />

ergeben haben, soll anhand der<br />

Quellentexte erörtert werden. Diese legen nahe,<br />

dass die ersten Anlagen etwas bescheidenere<br />

Dimensionen hatten, aber mit wirtschaftlichem<br />

Erfolg dann zu dem weitläufigen Ensemble<br />

angewachsen sind, wie es sich zu Findorffs Zeiten<br />

präsentierte und das sich mit Sicherheit von<br />

sonst in Gebrauch befindlichen Betrieben zur<br />

Ziegelherstellung deutlich abhob.<br />

Eine erste Beschreibung liegt vor aus dem<br />

Jahre 1733 und wurde am 4. März aus Osterholz<br />

„unterthänigst“ an die Herrschaft gesandt. 3)<br />

Die zeichnerische Darstellung ist nicht mehr<br />

vorhanden, nur noch die Legende zum „Grundriss<br />

der zu Osterholtz angelegten Ziegelbrennerey“<br />

liegt dem Schreiben bei. Darin werden drei<br />

Gebäudekomplexe genannt: „1. die pfannen<br />

Hütte, 2. Hütten zum Stein streichen, 3. der<br />

Brennofen vor Mauer Steine“.<br />

Daraus lässt sich folgern, dass nach anfänglicher<br />

Beschränkung auf die Produktion von<br />

Mauersteinen sehr bald auch mit der Pfannenherstellung<br />

begonnen wurde. Unterpunkte lassen<br />

Schlussfolgerungen auf den Produktionsprozess<br />

zu.<br />

Um die Steine herzustellen, wurde Ton in<br />

einen Behälter, eine Kumpe, gefahren und dort<br />

– unter Zugabe von Wasser – von Pferden getreten.<br />

Daraus wurden dann Steine geformt und<br />

vorgetrocknet (aus Nr. 2). Im Umfeld des Ofens<br />

befanden sich ein Raum zur Lagerung der Rohlinge<br />

sowie ein weiterer für den erforderlichen<br />

Torf. Auch die Arbeitskräfte waren hier untergebracht;<br />

je „eine Cammer vor die Ziegel Knechte“<br />

und „vor den Brandmeister“ sind vermerkt. Ferner<br />

wurden die benötigten Gerätschaften in<br />

„zwey Cammern“ hier verwahrt (aus Nr. 3).<br />

Vieles in der Pfannenhütte (Nr. 1) war ähnlich;<br />

eine Besonderheit bildete eine „Kleymühle“,<br />

in der mit Hilfe eines Pferdes das<br />

Rohmaterial (der Kley) gemahlen und in eine<br />

gleichmäßige Konsistenz gebracht werden<br />

sollte. Hierzu findet sich eine Beschreibung im<br />

Umfang von 10 Punkten, die zur Erläuterung<br />

der Konstruktion dienen sollte. Dazu wurde –<br />

wie es im Brief heißt – ein „Modell von der<br />

Kleymühle“ im Maßstab 1 : 12 mit übersandt.<br />

Die detaillierte Erläuterung lässt den Schluss zu,<br />

dass es sich bei der Mühle um eine ganz spezielle,<br />

vielleicht besonders fortschrittliche Anlage<br />

gehandelt hat.<br />

Special-Plan der Herrschafftl. Ziegelei zu Osterholtz; NLA Stade,<br />

Karten Neu Nr. 13061, Tab. VI<br />

RUNDBLICK <strong>Frühjahr</strong> <strong>2018</strong><br />

Standort der Betriebsstätte<br />

Für die Ziegelei hatte man einen Standort<br />

ausgewählt, der im Übergangsbereich von der<br />

dort niedrigen Geest zur Hammeniederung eine<br />

weitgehend ebene Fläche bot. Diese lag südlich<br />

23


ewilligt wurde. Der Abbau muss also über viele<br />

Jahrzehnte und mindestens bis in die 1780er-<br />

Jahre hinein stattgefunden haben; die Örtlichkeit<br />

ist jedoch unbekannt. Auch in der kürzlich<br />

erschienenen Chronik von Lintel findet sich kein<br />

Hinweis hierauf.<br />

Die Gebäude und<br />

ihre Funktion<br />

Trete-Diehle; aus: NLA Stade, Karten Neu Nr. 13061, Tab VII. Nr. G<br />

des Fleckens Osterholz und war bis dahin unbewohnt.<br />

Wege nach Osterholz, Scharmbeck, Bremen<br />

und in Richtung Hamme kreuzten sich dort; so<br />

war eine Verbindung auf dem Landweg gegeben.<br />

Ein bei Findorff bereits vorhandener Kanal<br />

zur Hamme stellte einen Wasserweg dar, der im<br />

Zusammenhang mit der Gründung der Ziegelei<br />

geschaffen bzw. ausgebaut worden war. Durch<br />

die Schiffgräben waren große Flächen erschlossen;<br />

dadurch war die Belieferung mit Brenntorf<br />

per Schiff sichergestellt.<br />

Nicht weit entfernt befanden sich im Klosterholz<br />

gut erreichbare Ton- und Lehmvorkommen,<br />

die für den Betrieb leicht verfügbar, weil<br />

in herrschaftlichem Besitz, waren. 4)<br />

Aus den Erörterungen hinsichtlich der<br />

Errichtung der Ziegelei war jedoch zu entnehmen,<br />

dass die Tonvorkommen im Klosterholz<br />

zwar gut geeignet erschienen für die Herstellung<br />

von Mauersteinen, für Dachpfannen<br />

jedoch zu sehr von gröberem Material, also<br />

24<br />

kleineren und größeren Steinen, durchsetzt<br />

seien. Hier musste eine anderweitige Quelle<br />

gefunden und erschlossen werden. Erstmals<br />

erfahren wir hierüber durch eine Urkunde des<br />

„Commissario“ Conrad Friedrich Meiners,<br />

unterzeichnet am 29. April 1746 in Lilienthal. 5)<br />

Diese verweist darauf, dass bereits in „vorigen<br />

Zeiten“ aus der „Gemeinheit zwischen Scharmbeck<br />

und Lintel“ der für die „Osterholtzische<br />

Ziegeley erforderliche Pfannen leim“ gegraben<br />

wurde, wobei dieser Kontrakt für das laufende<br />

Jahr verlängert werden sollte mit der Zusage,<br />

dass alle durch den Abbau entstehenden Kuhlen<br />

beseitigt und das Gelände nachträglich wieder<br />

eingeebnet werden solle. Als (Mit-)Erbe der<br />

Ziegelei wolle Obiger sich gütlich mit den Eingesessenen<br />

vergleichen.<br />

Der Akte kann man weiterhin entnehmen,<br />

dass sich jedoch Ende der 1770er-Jahre Widerstand<br />

seitens der Linteler Bauern regte, jedoch<br />

durch Entscheid Hannovers jegliche Ansprüche<br />

abgewiesen und das Lehmgraben weiterhin<br />

Der Ziegelknechte Wohnung in der sog. Jungfern Bude; in: NLA Stade, Karten Neu Nr. 13061,<br />

Tab. VII. Nr. A<br />

Die ambitionierte Planung zielte von Anfang<br />

an darauf, sowohl Ziegelsteine als auch Dachpfannen<br />

herzustellen. Das hatte Auswirkungen<br />

auf die zu errichtenden Gebäude. Da die Produktionsverfahren<br />

voneinander verschieden<br />

sind, mussten die Produktionsstätten entsprechend<br />

den Anforderungen konzipiert werden.<br />

Der o. g. Gebäudebestand deckt sich noch<br />

nicht mit den Aussagen der Karten. Innerhalb<br />

der Akte 6) befindet sich jedoch noch eine ausführliche<br />

Erläuterung auf 15 handgeschriebenen<br />

Seiten mit dem Titel „Umbständliche<br />

beschreibung der zu Osterholtz angelegten Ziegelbrennerey“.<br />

Leider ist dieser Text ohne Verfasserangabe<br />

und ohne Datum hinterlegt, sodass<br />

eine Zuordnung nicht eindeutig möglich ist.<br />

Zeitlich dürfte die Beschreibung näher an die<br />

Karten heranrücken. Auch hierin wird auf Risse<br />

verwiesen, die aber ebenfalls nicht vorliegen.<br />

Dass Veränderungen vorgenommen worden<br />

sind, ist auch der Karte von v. Haerlem zu entnehmen.<br />

Ganz am Rande ist ein alter eingefallener<br />

Brennofen (G) verzeichnet; dieser ist<br />

durch neue ersetzt (J und K).<br />

Im o. g. Text wird einleitend auf die Kapazitäten<br />

hingewiesen: pro Jahr können 300 000<br />

große Mauersteine und 200 000 Dachpfannen<br />

geformt und gebrannt werden; die fertigen<br />

Steine haben ein Sollmaß von 1 Fuß x 5 ⅞ Zoll<br />

x 3 ¼ Zoll (ca. 28,7 x 14 x 7,8 cm), die Pfannen<br />

von 1 ½ Fuß Länge und 1 Fuß Breite.<br />

Eine Hütte dient zum Vorbereiten von 24 000<br />

Steinen. Man erfährt, dass diese zunächst<br />

gestrichen und dann 8 Tage „gestrecket liegen,<br />

bevor sie auffgeringelt und zu fernern trocken<br />

in hagen auffgesetzet werden können“. Erst<br />

dann können sie gebrannt werden, wozu ein<br />

Ofen dient, der im Lichten 16 Fuß breit, 21 Fuß<br />

lang und 17 Fuß hoch ist und dabei 4 Fuß dicke<br />

Mauern hat. 30 000 Steine können hierin auf<br />

einmal gebrannt werden, wozu Torf dient, der<br />

direkt vor den Öfen in separaten Hütten trocken<br />

lagert.<br />

Für die Pfannenherstellung gibt es entsprechende<br />

Gebäude; der Ofen hat jedoch eine<br />

andere Form und kann 10 000 Pfannen aufnehmen.<br />

Unterschiedlich sind auch die benötigten<br />

Gerätschaften, wobei beim Pfannenwerk wieder<br />

der Einsatz der Kleymühle besonders hervorgehoben<br />

und diese bis ins Detail im Aufbau<br />

und in ihrer Funktion beschrieben wird. Und<br />

wieder findet sich ein Hinweis auf ein mitgeliefertes<br />

Modell.<br />

Wirft man einen Blick auf die vom Conducteur<br />

Findorff kartierte Anlage (s. S. 23) , so fällt<br />

die Vielzahl der Gebäude auf. 7) Im Zentrum stehen<br />

zwei Öfen, ein größerer und ein kleinerer<br />

(als Anbauten zu E), in denen Mauersteine<br />

RUNDBLICK <strong>Frühjahr</strong> <strong>2018</strong>


Profil durch den großen Ofen (c), Grundrisse des<br />

großen (a) und kleinen (b) Brandt-Ofens; aus:<br />

NLA Stade, Karten Neu Nr. 13061, Tab. VII. Nr. B<br />

gebrannt werden konnten, die in benachbarten<br />

Gebäuden geformt und vorbereitet wurden. Der<br />

benötigte Brenntorf konnte mit wenig Aufwand<br />

aus dem „Torff-Schauer“ (F) herangeschafft<br />

werden.<br />

Vorbereitet wurde der Ton in der Trete Deehle<br />

(K); auf überdachter Fläche wurde er hier ggf.<br />

angefeuchtet und dann von Pferden getreten,<br />

um eine gleichmäßige, geschmeidige Masse zu<br />

erhalten, die sich gut formen lassen sollte. Zwei<br />

Flächen gab es mit je einem Pferd. Das<br />

benötigte Wasser konnte aus dem nahen Bach<br />

entnommen und hierher geleitet werden.<br />

Diesem am nächsten erstreckt sich auf 260<br />

Fuß Länge und 28 Fuß Breite die Bek Hütte<br />

(auch Bach Hütte genannt). Da diese auch am<br />

nächsten zum Tonvorkommen gelegen ist, lässt<br />

sich hier dessen Anlieferung vermuten. Dann<br />

käme die Jungfern Bude (B) für die Formung<br />

und erste Trocknung der Ziegel in Frage, bevor<br />

sie zur weiteren Trocknung in die Pferde-Hütte<br />

(E) verbracht werden. Diese Funktion wird auch<br />

durch die Bezeichnung „Trocken Stein Hütte“<br />

nahe gelegt. Von dort ist es nur noch ein kurzer<br />

Weg in den großen oder kleinen Brandt-Ofen (c<br />

bzw. d).<br />

In einem Anbau an die Jungfern Bude (B) ist<br />

eine Wohnung für die Ziegelknechte untergebracht,<br />

die also direkt auf dem Betriebsgelände<br />

gewohnt haben. Was man aus der Zeichnung<br />

allerdings herauslesen kann, deutet doch auf<br />

eine Gruppenunterkunft mit sehr spartanischer<br />

Ausstattung hin.<br />

Herstellung der Rohziegel<br />

Ein separater Punkt in der „Umbständlichen<br />

beschreibung“ befasst sich speziell mit den<br />

Arbeiten im „Steinwerck“, da diese sich gegenüber<br />

anderen Ziegeleien unterschieden. Fasst<br />

man diese Beschreibung mit den Kartenbefunden<br />

und anderen Hinweisen 8) zusammen, so<br />

lässt sich folgender Arbeitsablauf für die Herstellung<br />

der Rohlinge konstruieren. Dabei waren<br />

einige Arbeitsgänge erforderlich, die arbeitsteilig<br />

zu absolvieren waren.<br />

1) Die Lehmgrube befand sich im Klosterholz.<br />

Hier wurde ggf. bereits im Vorjahr der Lehm<br />

vorbereitet und im Winter der Witterung<br />

ausgesetzt, um dessen Struktur zu verbessern.<br />

2) Die ersten drei Tage einer Woche dienten<br />

dazu, Lehm für 12 000 Steine zuzubereiten.<br />

Dazu mussten zwei Lehmmacher täglich 40<br />

Karren Ton graben. Sie bereiteten vor Ort den<br />

Rohstoff zu, damit er weich, gut formbar und<br />

von gleichmäßiger Qualität war. Zu „fetter“<br />

Lehm wurde mit Sand versetzt.<br />

3) Zwei Aufkarrer „fahren solchen an in die<br />

nahe bey der Hütten befindliche Kumpe“, wo<br />

er ggf. mit Wasser aus dem Bach angefeuchtet<br />

wurde.<br />

4) Zur Durchmischung bediente man sich auf<br />

einer speziellen Diele der Hilfe von zwei Pferden,<br />

die den Ton so lange treten mussten, bis<br />

dieser so fein und zäh geworden ist, dass<br />

Mauersteine daraus gestrichen werden<br />

konnten.<br />

5) Danach wurde „die zubereitete Erde aus dem<br />

Kumpen wieder in die Karren geschlagen“<br />

und in die Streichhütte gefahren.<br />

6) In Form gebracht wurde der Lehm dann in<br />

den drei restlichen Tagen der Arbeitswoche<br />

durch den Ziegelstreicher. Nachdem der Einschlager<br />

die Masse in vorbereitete Rahmen<br />

aus Holz geschlagen hatte, konnte der Streicher<br />

oder Former diese dann mit einem<br />

Streichbrett glätten. Bei dieser im Akkord<br />

verrichteten Tätigkeit erhielt der Lehm dann<br />

die gewünschte Form; in der Regel war es der<br />

Quader, aber auch andere Formen waren<br />

möglich.<br />

7) Im nächsten Arbeitsschritt war es dann der<br />

Abträger, der die gefüllten Formen zu einem<br />

Trockenplatz trug. Dort konnten die Formen<br />

dann abgezogen und zum Ziegelstreicher<br />

zurückgebracht werden.<br />

8) Nach einigen Tagen der Trocknung trat dann<br />

der Ziegler (Hagensetzer) in Aktion und stapelte<br />

die vorgetrockneten Rohlinge so, dass<br />

sie dann für 2 – 3 Wochen weiter trocknen<br />

konnten. Dabei verloren diese außer an<br />

Masse auch an Volumen, was im Vorfeld bei<br />

der Bemessung der Formen zu berücksichtigen<br />

war.<br />

Anmerkungen<br />

Wilhelm Berger<br />

1) Siehe HRB Nr. 122, S. 6.<br />

2) Zur Errichtung der Ziegelei und zu vertraglichen<br />

Regelungen s. HRB Nr. 123, S. 10 – 12.<br />

3) NLA Stade, Rep. 74 Osterholz Nr. 799<br />

4) Hans Siewert, Der Wandel von einer Tongrube<br />

zum Osterholzer Waldstadion; in: HRB Nr.<br />

3/2009, S. 21<br />

5) NLA Stade, Rep. 74 Osterholz Nr. 800. C. F.<br />

Meiners war Sohn von A. F. Meiners und seit<br />

1744 Amtschreiber und Kommissarius in Lilienthal.<br />

1744 war sein Vater gestorben, dessen<br />

Erbe er antrat. Dazu gehörte auch die<br />

Osterholzer Ziegelei. Drost in Osterholz war<br />

damals B. C. von Gruben. (Angaben von H.-C.<br />

Sarnighausen: Amtsjuristen…; in: Genealogie<br />

1/2015, S. 373 – 376)<br />

6) NLA Stade, Rep. 74 Osterholz Nr. 799<br />

7) NLA Stade, Karten Neu Nr. 13061, Tab. VI und<br />

VII. Die Gebäudestruktur deckt sich mit der<br />

im HRB Nr. 123, S. 10, veröffentlichten Darstellung.<br />

8) Die Ausführungen basieren u. a. auf:<br />

http//wiki-de.genealogy.net/Ziegler_(Beruf)<br />

April<br />

Der April kann rasen,<br />

nur der Mai halt Maßen.<br />

Ist die Krähe nicht mehr weit,<br />

wird‘s zum Säen höchste Zeit.<br />

Bauernregeln<br />

April – Mai – Juni<br />

Mai<br />

Donnert‘s im Mai viel,<br />

haben die Bauern leichtes Spiel.<br />

Der Mai, zum Wonnemonat erkoren,<br />

hat den Reif noch hinter den Ohren.<br />

Juni<br />

Was im September soll geraten,<br />

das muss bereits im Juni braten.<br />

Wenn im Juni wechseln Regen und Sonnenschein,<br />

wird die Ernte reichlich sein.<br />

RUNDBLICK <strong>Frühjahr</strong> <strong>2018</strong><br />

25


„Im Nebel der Vergangenheit“<br />

Das Rätsel um die Entstehung der dörflichen Ansiedlung „Neuenkirchen“ am östlichen Geestrand der Weser<br />

Das Kirchdorf Neuenkirchen liegt am Ostufer<br />

der Unterweser (Niederweser), etwa auf halber<br />

Strecke zwischen Bremen-Mitte und Bremerhaven.<br />

Heute ist es verwaltungsmäßig ein Ortsteil<br />

von Schwanewede, Kreis Osterholz, Land<br />

Niedersachsen, und schließt unmittelbar am<br />

nördlichen Rand des Landes Bremen an,<br />

genauer an dessen Ortsteil Farge-Rekum.<br />

Das Kirchspiel und das Gericht Neuenkirchen<br />

entstanden nach den historischen Überlieferungen<br />

„als Erzbischof Liemar im Jahre 1071<br />

seinen treuen Vasallen des Adelsgeschlechtes<br />

„von Stelle“ das Kirchspiel mit Ländereien<br />

und Landgütern beschenkte und später 1080<br />

auch die Gerichtsbarkeit für dieses Kirchspiel<br />

übertrug“, so berichtet zumindest die Historie<br />

des heutigen Ortes.<br />

Doch können diese überlieferten Daten auch<br />

das Gründungsdatum des Ortes sein, wie kann<br />

man einem Gefolgsmann die Herrschaft über<br />

ein Gebiet schenken, welches noch nicht existiert?<br />

Dann könnte es ja nur unbewohntes<br />

Ödland gewesen sein. Also muss das Dorf, vielleicht<br />

auch ein kirchlicher Andachtsraum,<br />

früher entstanden sein!<br />

Das Adelsgeschlecht derer „von Stelle“ residierte<br />

auf einem schlossähnlichen Gutshof am<br />

Ortsausgang Neuenkirchen nach Rade. Im Jahr<br />

1791 brannte der Gutshof ab und wurde nie<br />

wieder aufgebaut, nur das Vorwerk „Steller<br />

Bruch“, welches als Meierhof zum Steller Gut<br />

gehörte, erinnert heute noch daran.<br />

Peschel 1974, Hochwasserwarnanlage<br />

Gehen wir einmal in der Geschichte zurück,<br />

Anno 780 weist „Karl der Große“ dem angelsächsischen<br />

Priester Willehad den Gau Wigmodien<br />

als Missionsgebiet zu und er begann alsbald<br />

darauf die Sachsen als Bewohner zu christianisieren.<br />

Nach der Überlieferung wirkte Erzbischof<br />

Liemar sehr viel später, vom Jahre 1072<br />

bis 1101, vor ihm wirkten an seiner Stelle bereits<br />

von 1035 – 1043 Adalbrand (auch: Bezelin,<br />

Alebrand) und danach von 1043 – 1072 Adalbert<br />

I., Pfalzgraf von Sachsen, als Erzbischöfe des<br />

Erzbistums Hamburg-Bremen. Noch vor der<br />

Schenkung Anno 1071 vermuten wir die Gründung<br />

und Entstehung des Dorfes Neuenkirchen,<br />

als Erzbischof Liemar hiernach noch gar nicht<br />

im Amte war.<br />

Die alten Stedinger Lande - Copyright v. Wersebe 1815<br />

Der „Bremisch Verdische Rittersahl“, von Luneberg<br />

Mushard, berichtet 1720 (p508), dass den<br />

„von Stelle zum Stellerbroke“ im Jahre Christi<br />

1080 das Gericht zu Neuenkirchen an der<br />

Weser gegeben wurde. Das Wirken der adligen<br />

Herren von Stelle wurde ausgiebig in der Chronik<br />

der St. Michaels-Kirche zu Neuenkirchen<br />

von Karl Heinz Berendt beschrieben. Aber es<br />

gab noch einen Adligen, der als Stadtvogt von<br />

Bremen sicherlich einen Einfluss auf die<br />

Geschehnisse um Neuenkirchen hätte haben<br />

können, nämlich „Adolf von Neuenkirchen“!<br />

Doch konnte er der Begründer und Namensgeber<br />

sein? Nein, er trat sehr viel später mit Heinrich<br />

dem Löwen in Erscheinung.<br />

Adolf von Neuenkirchen entstammte dem<br />

Hause der Grafen von Ricklingen (Hannover). Da<br />

er an den Gütern der Grafenfamilie nicht erbberechtigt<br />

war, wird angenommen, ein Halbbruder<br />

oder Stiefkind gewesen zu sein und war<br />

als Gefolgsmann des „Heinrich der Löwe“ im<br />

Raum Goslar ansässig. 1153 wurde Adolf von<br />

Neuenkirchen mit der Vogtei zu Bremen von<br />

Welfenherzog „Heinrich dem Löwen“ betraut<br />

(Urkunde Heinr.d.Löwe 21). Nach dieser<br />

Urkunde hat sich Adolf von Neuenkirchen nach<br />

Neuenkirchen in Osterstade genannt, was<br />

RUNDBLICK <strong>Frühjahr</strong> <strong>2018</strong>


Jade Weser - Wikimedia Commons<br />

jedoch äußerst angezweifelt werden darf. In der<br />

Bürgerweideurkunde v. 1159 wird a. v. Neuenkirchen<br />

„advocatus civitatis“, also Stadtvogt<br />

genannt. Landvergabe in Stedingen, Besitz in<br />

Hiddigwarden, Wersabe und Buren (Hasenbüren)<br />

(Hofmeister / Röpcke 1987, 24f, 65, 232).<br />

Im Buch „Über die Niederländischen Colonien<br />

welche im nördlichen Teutschlande…“<br />

schreibt August von Wersebe, königlich Großbritannisch-Hannoverschem<br />

Landrosten und<br />

Randrathe, Assessor des Bremen und Verdenschen<br />

Hofgerichts, Erb- und Gerichtsherrn zum<br />

Meienburg, im Jahre 1815 über Adolf von Neuenkirchen<br />

und seiner Beziehung zum Erzbischof:<br />

„Bey der hieraus anscheinenden Connexion<br />

dieses Adolf von Neuenkirchen mit dem Vorgänger<br />

des Erzbischofs lässt es sich um so eher erklären,<br />

dass demselben hier die Qualität eines „advocati<br />

civitatis Bremensis“ beygelegt wird, wiewohl dieser<br />

Umstand sonst beym ersten Anblicke befremdet<br />

scheint, da es ausserdem kein Beyspiel davon<br />

gibt, dass dieser Adolf eine Advocatie in Bremen<br />

bekleidet hätte“….<br />

Verlassen wir hier den Adel und wenden uns<br />

anderen Quellen und Möglichkeiten für die<br />

Datierung einer Ortsgründung zu. Der „Blanke<br />

Hans“, wie die verheerenden Sturmfluten seit<br />

alters schon von den heidnischen Bewohnern<br />

dieses Landstriches genannt werden, wird nach<br />

meiner Vermutung seine Hände im Spiel um die<br />

Orts-Gründung gehabt haben. Ich denke dabei<br />

an eine Sturmflut, die vor 1071 stattgefunden<br />

haben muss, denn die Julianenflut fand erst viel<br />

später am 17. Februar 1164 statt. Da war aber<br />

Neuenkirchen längst gegründet. Damals, vor<br />

1071, werden die von der Flut vertriebenen Bauern<br />

an den rettenden Geestrand geflüchtet sein<br />

und hier auf sicherem Boden ihre „Neue Kirche“<br />

errichtet haben. Daraus wurde dann mundartlich<br />

Nienkarken und später auf Hochdeutsch<br />

„Neuenkirchen“.<br />

Vor tausend Jahren war noch der gesamte<br />

heutige Jadebusen von einem großen Moorgebiet<br />

bedeckt, das sich im Westen bis an den<br />

Geestrand erstreckte und im Osten bis an den<br />

hohen Marschrücken des Stadlandes reichte.<br />

Zwei Ströme waren Nebenarme der Weser,<br />

nördlich die „Dornebbe“ und südlich die<br />

„Wester Weser oder Line“ genannt, durchzogen<br />

das moorige Land von der „Friesischen Balje“<br />

zur Weser hin und führten nahe Brake und Elsfleth<br />

von dort in westlicher Richtung zur See“.<br />

Den Nachweis dazu liefern Reste der alten Wurten<br />

und deichähnliche Aufschüttungen die entlang<br />

dieses Urstromtales von den Deichverbänden<br />

gefunden und untersucht wurden.<br />

Die frühere Gründung Neunkirchens scheint<br />

auch durch die Tatsache eines eichenen Holzfundes<br />

recht gut belegt zu sein, der von Hans-<br />

Jörg Baake im Gemäuer des Kirchturmes der<br />

Michaeliskirche in etwa 8 Meter Höhe gefunden<br />

wurde. Von den „<strong>Heimat</strong>freunden Neuenkirchen<br />

e.V.“, durch Herrn Baake, wurde eine<br />

Holzprobe 2013 zur Altersdatierung (Probe KIA<br />

48074) an die Christian-Albrecht-Universität in<br />

Kiel, an das Leibniz-Labor für Altersbestimmung<br />

gegeben, die das Radiokarbonalter auf<br />

915 ± 20 Jahre datierte, woraus sich das Jahr der<br />

Fällung zum Bauholz auf 1078-1098-1118<br />

ableiten lässt. Der untere Teil des heutigen<br />

Kirchturms war auf Grund seiner Bauart gewiss<br />

ein viel älterer mächtiger Aussichts- und Wehrturm<br />

gegen die in jener Zeit immer wieder einfallenden<br />

Wikinger. Die bisherige Vermutung<br />

war, dass das gefundene Holzstück ein vergessenes<br />

Teil einer Pfette eines Daches und bei der<br />

Erhöhung für einen Kapellenraum im Mauerwerk<br />

übersehen wurde. Das gefundene Eichenholzstück<br />

ist aber nach dem Ergebnis eher kein<br />

vergessenes Teil eines alten Daches, sondern<br />

gehörte als Stück Bauholz, dessen Zweck unbekannt<br />

bleibt, in die Zeit der Aufstockung. Der<br />

erste sichere Versammlungsraum für kirchliche<br />

Zwecke ist damit auf die Jahre zwischen 1078-<br />

1118 anzunehmen und liegt damit nahe am Jahr<br />

1080, der Zeit, in der Neuenkirchen bereits zum<br />

Gerichtsort – nicht aber in die Zeit, als Neuenkirchen<br />

zum Kirchdorf erhoben wurde, wie im<br />

„Bremisch Verdische Rittersahl“ genannt wird.<br />

Das Ereignis, an dem Erzbischof Liemar das<br />

Gebiet um Neuenkirchen an die adeligen Ritter<br />

„von Stelle“ verschenkt haben soll, fand schon<br />

vorher statt, bevor Liemar Erzbischof wurde.<br />

Der erste kirchliche Raum im Turm dürfte den<br />

Beginn des Kirchdorfes und Kirchspiels kennzeichnen,<br />

Neuenkirchen oder Nienkarken war<br />

geboren.<br />

Hans-Jörg Baake, Neuenkirchen<br />

& Herbert A. Peschel, Aumund-Fähr<br />

Verwendete Quellen:<br />

<strong>2018</strong>, Ergebnisse eigener Recherchen in diversen<br />

Quelle durch H.-J. Baake und Herbert A.<br />

Peschel.<br />

1997, „Beiträge zur Geschichte der Ev.-ref. Kirchengemeinde<br />

Neuenkirchen“ herausgegeben<br />

vom Kirchenrat der Ev.-ref. Kirchengemeinde<br />

Neuenkirchen.<br />

1720, „Bremisch Verdische Rittersahl“ von Luneberg<br />

Mushard (p508).<br />

1815, „Ueber die Niederländischen Colonien,<br />

welche im nördlichen Teutschlande im zwöften<br />

Jahrhunderte gestiftet worden, und weitere<br />

Nachforschungen“ von August von Wersebe,<br />

königlich Großbritannisch-Hannoverschem<br />

Landrosten und Randrathe, Assessor des Bremen<br />

und Verdenschen Hofgerichts, Erb- und<br />

Gerichtsherrn zum Meienburg.<br />

2013, „Datierungsbericht KIA 48074“ zur<br />

Altersbestimmung des Leibnitz Labor für<br />

Altersbestimmung und Isotopenforschung der<br />

Christian Albrecht Universität Kiel.<br />

2015, „Ritter und Knappen zwischen Weser und<br />

Elbe“. Die Ministerialität des Erzstifts Bremen,<br />

von Hans G. Trüper.<br />

RUNDBLICK <strong>Frühjahr</strong> <strong>2018</strong><br />

27


Worphüser Heimotfrünn<br />

Bericht von der Jahreshauptversammlung am 16. Februar <strong>2018</strong><br />

Hinrich Tietjen zum Ehrenvorsitzenden<br />

und Helmut Meyer<br />

zum Ehrenkassenwart ernannt<br />

- Wahlen zum<br />

Vorstand<br />

Ehrenmitglieder<br />

Die diesjährige Jahreshauptversammlung der<br />

Worphüser Heimotfrünn war geprägt von einem<br />

würdigen Abschied der langjährigen Vorstandsmitglieder<br />

Helmut Meyer und Hinrich Tietjen.<br />

Beide gehörten seit Gründung des Vereins am 8.<br />

Mai 1977 ununterbrochen dem Vorstand an.<br />

Wie der neue Vorsitzende Axel Miesner im Rückblick<br />

feststellte, startete Hinrich Tietjen<br />

zunächst als Schriftführer und übernahm am 8.<br />

September 1987 nach Einweihung des Bauernhauses<br />

und damit offizieller Eröffnung des Lilienhofes<br />

von Gustav Geffken den Vorsitz bei den<br />

Heimotfrünn. Als Dank und Anerkennung für<br />

seine bereits damals langjährige Vorstandsarbeit<br />

wurde Hinrich Tietjen 2006 das Niedersächsische<br />

Verdienstkreuz ausgehändigt. Helmut<br />

Meyer und Hinrich Tietjen wurde 2007 für<br />

ihre damals 30-jährige Arbeit im Vorstand der<br />

Worphüser Heimotfrünn durch die Gemeinde<br />

die Ehrennadel verliehen. Beide haben sich um<br />

den Verein auf dem Lilienhof mehr als verdient<br />

gemacht. Mit ihnen wurde der Lilienhof, was er<br />

heute ist. Ein Filetstück in Worphausen und ein<br />

Schmuckstück in der Gemeinde Lilienthal. Der<br />

Verein ist zu mehr als Dank verpflichtet, so Axel<br />

Miesner. Ein Dank gilt in diesem Zusammenhang<br />

auch den Ehefrauen, die ihre Männer<br />

unterstützt haben. Als Dank und Anerkennung<br />

für die 40-jährige Tätigkeit wurde Hinrich Tietjen<br />

zum Ehrenvorsitzenden und Helmut Meyer<br />

zum Ehrenkassenwart ernannt. Beide gehören<br />

weiter unserem Vorstand an, können ihre Erfahrungen<br />

einbringen und stehen dem neuen Vorstand<br />

weiter mit Rat und Tat zur Seite.<br />

Bürgermeister Kristian Tangermann bedankte<br />

sich bei allen Aktiven im Verein für ihre<br />

ehrenamtliche Tätigkeit auf dem Lilienhof.<br />

Allen Mitgliedern und Gästen würden immer<br />

sehr schöne Veranstaltungen geboten. Gegenüber<br />

Helmut Meyer und Hinrich Tietjen brachte<br />

der Bürgermeister zum Ausdruck, dass es in der<br />

heutigen Zeit schon fast einmalig sei, dass sich<br />

Bürger vierzig Jahre aktiv in die Vorstandsarbeit<br />

einbringen. Auch er bedankte sich bei den beiden<br />

Ehrenvorstandsmitgliedern für die enorme<br />

Arbeit, die sie geleistet haben.<br />

Zum neuen Vorsitzenden der Worphüser Heimotfrünn<br />

wurde der bisherige stellvertretende<br />

Vorsitzende Axel Miesner gewählt. Stellvertretender<br />

Vorsitzender ist zukünftig Peter Brünjes,<br />

Schriftführerin bleibt Birgit Reiß, ihre Stellvertreterin<br />

wurde Heike Brüning. Neue Kassenwartin<br />

wurde die bisherige stellvertretende Kassenwartin<br />

Sonja Brüggemann und ihre Stellvertreterin<br />

wurde Elke Geffken-Dreier.<br />

Als Delegierte für den Ortsjugendring Lilienthal<br />

wurde Andrea Schwarz gewählt. Miriam<br />

Holz wurde für 2 Jahre zur Kassenprüferin<br />

gewählt, die dieses Amt mit Hendrik Grotheer<br />

ausübt. Anschließend wurden langjährige Mitglieder<br />

für ihre 40- jährige bzw. 25-jährige Vereinszugehörigkeit<br />

geehrt. Darauf folgten<br />

Berichte aus den Gruppen und die Termine für<br />

Der Vorstand<br />

das Jahr <strong>2018</strong> wurden besprochen, u. a. die<br />

Tagesfahrt nach Emden. Im Anschluss an die<br />

Versammlung wurden noch selbst geschmierte<br />

Brote gereicht, sodass der Abend gemütlich<br />

ausklang.<br />

Axel Miesner, Vorsitzender<br />

28<br />

RUNDBLICK <strong>Frühjahr</strong> <strong>2018</strong>


Jugendherbergen in den Dreißigerjahren<br />

Zur Geschichte der Jugendherberg Worpswede<br />

„Die Jugend wandert – Jugendherbergen in<br />

Bremens Umgebung“, mit dieser Überschrift<br />

beginnt ein Artikel in der Zeitschrift „Bremer<br />

Hausfrau“ vom 08.09.1932 . Im Weiteren wird<br />

über norddeutsche Jugendherbergen berichtet,<br />

die Anfang der Dreißigerjahre gebaut bzw. eingeweiht<br />

wurden, u.a. von der Grundsteinlegung<br />

des Westturms auf Wangerooge, die der bremische<br />

Senator Kleemann in seiner Festrede mit<br />

folgenden Worten einführte:<br />

„Denn auf unserer Jugend beruht die<br />

Zukunft des Volkes . Deshalb müssen wir auch in<br />

schwersten Zeiten Möglichkeiten schaffen,<br />

unsere Jugend gesund zu erhalten. Das ist kein<br />

Luxus, sondern eiserne Notwendigkeit im Dienste<br />

an unserem Volke! Jugend und <strong>Heimat</strong>, das<br />

sind die beiden gewaltigen Klänge, die in solchen<br />

Stunden durch unsere Seelen rauschen<br />

und uns zu Opfern und zum Verständnis für<br />

diese Bewegung bereit finden lassen.“ Die Sprache<br />

ist uns heute fremd. Da ist die Rede von<br />

„Gottes herrlicher Natur, von der Liebe zum<br />

Vaterland, von Jugend und <strong>Heimat</strong>...“<br />

JH Worpswede Anfang der 30ger-Jahre<br />

Erinnert wird u.a. an die Jugendherberge in<br />

Worpswede, „die herrlich am westlichen<br />

Abhang des Weyerberges liegt und ihren Gästen<br />

nicht nur die Möglichkeit erschließt, den eigenartigen<br />

Zauber von Moor- und Heidefahrten zu<br />

erleben, sondern ihnen auch Gelegenheit gibt,<br />

die hier bodenständige Kunst an Ort und Stelle<br />

durch Besuch der Künstlerwerkstätten und<br />

Ausstellungen zu studieren.“ Und in diesem<br />

Haus gebe es „herrliche Wasch-, Dusch- und<br />

Badegelegenheit, so daß die bestaubten Wanderer<br />

sich schnell erfrischen können.“ Auch die<br />

in jenen Tagen fertig gewordene Jugendherberge<br />

„Zum Utkiek“ in Bremen-Vegesack wird<br />

erwähnt, ein Haus , das „in sehr bevorzugter<br />

Lage direkt an der alten Hafenmauer liegt und<br />

in opferwilliger Aufbauarbeit durch Arbeitslose<br />

aufgebaut worden ist.“<br />

Immer wieder wird in dem Artikel auf die<br />

erzieherische Bedeutung hingewiesen, die Aufenthalte<br />

in Jugendherbergen für die Jugend<br />

haben. Wer Gelegenheit habe, die Jugend in den<br />

Herbergen zu beobachten, der würde merken,<br />

dass es „nirgends geordneter und gesitterter<br />

hergehen kann, als dort.“ Dafür sorge einmal die<br />

straffe Hausordnung, für die der Herbergsvater<br />

verantwortlich zeichne, „und vor allen Dingen<br />

die Selbsterziehung und Kameradschaftlichkeit<br />

unter der Jugend selbst.“ Und es besteht die<br />

Hoffnung, dass „die jungen Menschen durch<br />

die Hausordnung in den Herbergen dazu erzogen<br />

werden, Ordnung um sich herum zu halten.“<br />

Für die Selbstversorger heißt es: selbst<br />

kochen, die gebrauchten Gegenstände selbst<br />

aufwaschen und Eßtische und Schlafsäle in<br />

gesitterter Ordnung zu hinterlassen.“ Der Beitrag,<br />

durchzogen von Volkstümelei, endet mit<br />

einem Ausspruch von Turnvater Jahn: „Wer auf<br />

Wanderschaft gehen will, muß in der <strong>Heimat</strong><br />

Foto: „Die Hausfrau“<br />

flügge geworden sein. Die Wanderfahrt ist die<br />

Bienenfahrt nach dem Honigtau des Erdenlebens.“<br />

„Niederdeutsche Jugendherbergen“, so ist<br />

ein weiterer Beitrag in der Zeitschrift „Bremer<br />

Hausfrau“ vom 07. Dezember1933 überschrieben.<br />

Die Übernachtungszahlen haben sich verändert:<br />

Gab es 1911 siebzehn Jugendherbergen<br />

mit 3000 Übernachtungen, so haben 1932<br />

bereits in 2124 Häusern 4 200 000 Menschen<br />

übernachtet.<br />

Aber auch die Diktion hat sich verändert, sie<br />

ist völkisch-national geworden, ein Beispiel:<br />

„Für die Jugend das Richtige zu schaffen, darauf<br />

kommt es an. Und das Richtige? Was kann<br />

es anderes sein als Erziehung zu wahrer Volksgemeinschaft,<br />

zur Vaterlandsliebe, zur Kame-<br />

Jugendherberge Worpswede heute mit dem<br />

neuen Anbau<br />

Quelle: Dt. Jugendherbergswerk<br />

radschaftlichkeit und zur Ordnung und Sauberkeit<br />

des inneren und äußeren Menschen.“<br />

Die Nationalsozialisten sind inzwischen an<br />

der Macht. Der Reichsjugendführer der NSDAP,<br />

Baldur von Schirach, hat die Schirmherrschaft<br />

für das Jugendherbergswesen übernommen. Es<br />

steht nun „unter dem machtvollen Schutz des<br />

ganzen Reiches, da werden nun wohl auch für<br />

die immer noch abseits stehenden Eltern die<br />

Jugendherbergen für ihre Kinder gesellschaftsfähig<br />

geworden sein.“<br />

Die Eltern werden aufgefordert, vor allen<br />

Dingen die „zuständigen“ Mütter, „sich mehr<br />

mit diesem Erziehungswerk zu beschäftigen<br />

und bei Ausflügen und anderen Gelegenheiten<br />

selbst einmal in die Jugendherbergen hineinzuschauen,<br />

um sich davon zu überzeugen, daß<br />

ihre Kinder in Freizeiten und auf Fahrten gut<br />

untergebracht sind...“<br />

Die Jugendorganisationen HJ (Hitlerjugend)<br />

und BDM (Bund deutscher Mädel) werden hier<br />

vorbereitet. Verräterisch sind Sätze wie diese:<br />

“Denn wie kann ein Mensch sein Vaterland lieben,<br />

wenn er die Schönheiten desselben nicht<br />

kennt? Wie kann er seinen Volksgenossen verstehen<br />

lernen, wenn er nicht in kameradschaftlichem<br />

Zusammensein mit demselben andere<br />

Wesensart kennenlernt?“<br />

Rechtspopulistische Gruppierungen in vielen<br />

Ländern Europas, verstärkt auch seit einigen<br />

Jahren in Deutschland, bedienen sich heute der<br />

Sprache der Nationalsozialisten; historische<br />

Parallelen zur Blut- und Boden-Ideologie sind<br />

unverkennbar. Ein Menetekel?<br />

Helmut Strümpler<br />

Jugendherberge Worpswede<br />

Quelle: Dt. Jugendherbergswerk<br />

RUNDBLICK <strong>Frühjahr</strong> <strong>2018</strong><br />

29


Wie das Lilienthaler Wintertheater<br />

die Bremer Stadtmusikanten hinter sich ließ<br />

Passt der Schuh?<br />

Wer hätte damit gerechnet - im Jahre 1993,<br />

als Dieter Klau-Emken der Freilichtbühne Lilienthal<br />

seine Idee einer angegliederten Schauspielschule<br />

vorstellte - dass daraus ein so starkes<br />

Ensemble vorwiegend jugendlicher Schauspielenthusiasten<br />

erwachsen könne, die in der<br />

abgelaufenen Saison auf mehr als 20 Vorführungen<br />

kommen und sogar auf Tournee<br />

gehen würde?! Diesen langen Satz wollen wir<br />

inhaltlich mal etwas näher durchleuchten:<br />

Dieter Klau-Emken, in Grevenbroich im<br />

Rheinland aufgewachsen, hatte es in jungen<br />

Jahren als begabter Turner zu einigem Erfolg<br />

auf Landesebene in Nordrhein-Westfalen<br />

gebracht. Während seines Studiums an der<br />

Sporthochschule in Köln wechselte der Schwerpunkt<br />

seines Interesses aber von Turnen zu Tanz.<br />

Und von dort war es kein weiter Schritt mehr<br />

zum Theater. Auf Umwegen führte ihn sein Weg<br />

irgendwann in den Norden und schließlich über<br />

Bremen und Worpswede nach Lilienthal, wo er<br />

seit der Jahrtausendwende zu Hause ist. In dieser<br />

Zeit hatte er mehrere Jahre lang einen Lehrauftrag<br />

für Tanz an der Hochschule für Gestaltende<br />

Kunst und Musik wahrgenommen, dem<br />

direkten Vorläufer der heutigen Hochschule für<br />

Künste. Und er gehört als Schauspieler und<br />

Choreograph zu den frühen Mitgliedern der<br />

Freilichtbühne, die bekanntlich 1984 aus der<br />

Taufe gehoben wurde.<br />

Nachdem er also 1993 die Verantwortlichen<br />

vom Nutzen einer Schauspielschule für die Freilichtbühne<br />

und für Lilienthal überzeugt hatte,<br />

galt es, das Projekt organisatorisch anzubinden<br />

und seine Finanzierung zu sichern. In Anlehnung<br />

an die Organisation größerer Sportvereine<br />

wurde die Theaterschule als eigenständige<br />

Abteilung der Freilichtbühne gegründet. In den<br />

ersten Jahren legte Klau-Emken besonderen<br />

30<br />

Wert auf Sprech- und (dies vor allem!) Bewegungstraining.<br />

Im Vordergrund stand das<br />

Improvisationstheater, mit dem die Truppe in<br />

der Umgebung mit wachsendem Zuspruch auftrat.<br />

Zeitweise teilten sich bis zu 50 Schülerinnen<br />

und Schüler auf bis zu vier Gruppen auf.<br />

Irgendwann wurden die Empfehlungen zahlreicher<br />

und lauter, es wäre doch schön, mit solchen<br />

Begabungen auch mal ein richtiges Stück<br />

aufzuführen.<br />

Gesagt, getan. Mit der Premiere von "Sterntaler"<br />

im Winter 2000/2001 wurde das Wintertheater<br />

ins Leben gerufen, so genannt als<br />

Pendant zum Sommerbetrieb der Freilichtbühne.<br />

Ständige Spielstätte wurde schnell der<br />

dafür umgebaute Martinssaal der Diakonischen<br />

Behindertenhilfe Lilienthal, für die Klau-Emken<br />

nur wenige Jahre zuvor bereits das "Theater<br />

Mobile" (die aus der Kulturszene Lilienthals<br />

ebenfalls nicht mehr wegzudenken ist) gegründet<br />

hatte. Bedingt auch durch den demographischen<br />

Wandel, der zu einem schleichenden<br />

Rückgang der Schauspieleleven führte, ging die<br />

Schauspielschule allmählich in das Wintertheater<br />

über. Mittlerweile hat sich die Teilnehmerzahl<br />

bei rund 30 begeisterungsfähigen Nachwuchsschauspielerinnen<br />

und -spielern stabilisiert.<br />

Das erlaubt es dem Regisseur Klau-<br />

Emken, dem es wichtig ist, möglichst allen<br />

Interessierten eine, zumindest bescheidene<br />

Mitwirkung zu ermöglichen, seine Rollen doppelt<br />

zu besetzen. Was für die Beteiligten, die<br />

zumeist die Schulbank drücken oder den Hörsaal<br />

frequentieren, bei der hohen Anzahl von<br />

Aufführungen je Spielzeit, teilweise sogar an<br />

Vormittagen (für Schulklassen oder KiTas) eine<br />

spürbare Terminentlastung bedeutet.<br />

Auf die Spielzeit zu Hause folgt für das<br />

Ensemble seit einigen Jahren ein Wochenende<br />

mit mehreren Auftritten in Göttingen.<br />

Am 10. Juni 1846 gründeten engagierte Bremer<br />

Bürger den Verein Ellener Hof zum Betrieb<br />

eines "Rettungshaus für sittlich verwahrloste<br />

Kinder". Vorbild dazu war das vom 'Reformpastor'<br />

Johann Hinrich Wichern 1833 in Hamburg<br />

gegründete "Rauhe Haus". Das damals rasant<br />

an Fahrt aufnehmende Industriezeitalter hatte<br />

eine ebenso rasant wachsende Zahl verwahrloster<br />

Kinder und Jugendlicher zur Folge, die für<br />

ihre Verfehlungen bis dahin durchweg ins<br />

Gefängnis - oder gar ins Zuchthaus - geworfen<br />

wurden. Wie viele Geistliche seiner Zeit war<br />

Wichern von der Überzeugung getrieben, dass<br />

eine solche Erziehungsanstalt jungen Menschen,<br />

die wegen fehlender Lebensperspektive<br />

auf die schiefe Bahn geraten waren, viel bessere<br />

Resozialisierungsmöglichkeiten biete als eine<br />

Haftanstalt, die zu der Zeit noch um einiges<br />

trostloser (und auch inhumaner!) war als heute.<br />

Diesem Reformansatz schloss sich der 'Grün-<br />

Dieter Klau-Emken: Der Kopf vom Ganzen<br />

dungsvater' der bald "Ellener Hof" genannten,<br />

autark arbeitenden Einrichtung vor der Stadt,<br />

Pastor Georg Gottfried Treviranus an.<br />

Nach einer langen, höchst wechselvollen<br />

Geschichte, auf die in einer zukünftigen Ausgabe<br />

des <strong>Heimat</strong>-<strong>Rundblick</strong>s ausführlicher eingegangen<br />

werden soll, wurde der Betrieb dieser<br />

Einrichtung, im frühen 20. Jahrhundert auch<br />

als "Rettungs-Anstalt für verwahrloste Knaben"<br />

bezeichnet, im Juni 1989 eingestellt An einer<br />

Ecke des Geländes wurde ein größeres Altenheim<br />

für betreutes Wohnen errichtet, die vorhandenen<br />

Altbauten verfielen allmählich. Dem<br />

Verein Ellener Hof fehlte jedoch die Kraft zu<br />

einem dynamischen Neuanfang. Im Jahr 2015<br />

schenkte er das gesamte Gelände der Bremer<br />

Heimstiftung, dem größten Altenpflegebetrei-<br />

RUNDBLICK <strong>Frühjahr</strong> <strong>2018</strong>


er am Ort. Gemeinsam mit dem Senat und<br />

einem niederländischen Stadtplanungsbüro<br />

wird das Areal, das nun 'Stiftungsdorf Ellener<br />

Hof' heißt, neu gestaltet. Mehr als 500 Wohneinheiten<br />

sind vorgesehen, ebenso wie ein Studentenwohnheim,<br />

ein Hindutempel, zwei Kitas,<br />

diverse Therapiepraxen, Einkaufsmöglichkeiten<br />

und eine Außenstelle der Volkshochschule, um<br />

nur einige der neuen Siedler zu nennen. fast<br />

alles in nachhaltig ökologischer Holzbauweise.<br />

Auch hierüber wird demnächst an dieser Stelle<br />

im Detail zu berichten sein.<br />

Nur wenige der alten Gebäude werden auf<br />

dem Gelände stehen bleiben können. Dazu<br />

gehört ein Haus, in dessen Keller sich die zentrale<br />

Heizungsanlage für einen Großteil des<br />

Areals befindet. In dessen Erdgeschoss liegt der<br />

ehemalige Speisesaal, der zugleich als Aula<br />

genutzt werden konnte.<br />

Noch in der ersten Planungsphase, gleich<br />

Kultur-Aula, Stiftungsdorf Ellener Hof<br />

nach Übernahme des Ellener Hofs, wurde den<br />

Verantwortlichen bei der Bremer Heimstiftung<br />

schnell klar, dass es nicht nur auf dem Gelände<br />

selbst, sondern in der gesamten Umgebung an<br />

geeigneten Räumlichkeiten für niederschwellige<br />

kulturelle Veranstaltungen für die dort<br />

lebende und arbeitende Bevölkerung fehlte -<br />

Veranstaltungen, die zuvörderst auf die Bedürfnisse<br />

der Menschen in Blockdiek auf der einen<br />

Seite des Geländes und dem Ellener Feld auf der<br />

anderen zugeschnitten waren - Veranstaltungen<br />

vor allem, ob Konzerte, Theater, Tanz, Ausstellungen<br />

oder anderes, die von den Ansässigen<br />

selbst organisiert oder gar einstudiert und aufgeführt<br />

würden. Die ursprüngliche Idee, dort<br />

einen reinen Theaterbetrieb aufzubauen, wurde<br />

rasch verworfen. An einem Standort im Außenbezirk<br />

und ohne lange, pulsierende Theatertradition<br />

regelmäßig mindestens einhundert<br />

Plätze je Aufführung verkaufen zu müssen,<br />

erschien allen Planungsbeteiligten dann doch<br />

als ein allzu ambitioniertes Vorhaben. Außerdem<br />

hatten informelle Umfragen und Erkundungen<br />

gezeigt, dass ein Mehrzweckveranstaltungsraum<br />

doch eher den Bedürfnissen der<br />

Menschen vor Ort gerecht würde.<br />

Nachdem die grundsätzliche Ausrichtung<br />

Junger Prinz versteht Erwachsene nicht...<br />

des Projekts geklärt war, musste geplant, entrümpelt,<br />

umgebaut und eingerichtet werden -<br />

nachdem die Finanzierung des ja nicht ganz billigen<br />

Vorhabens geklärt war. Zu Letzterem war<br />

die Bremer Heimstiftung nur zu einem geringen<br />

Teil in der Lage. Satzungsgemäß ist sie ja eine<br />

gemeinnützige Betreiberin von Altenpflegeeinrichtungen,<br />

nicht von Kulturstätten. Doch mit<br />

Unterstützung insbesondere des Ortsbeirats<br />

und des Ortsamts Osterholz sowie von Förderstiftungen<br />

und der Sparkasse Bremen konnte<br />

die "Kultur-Aula", wie sie zwischenzeitlich<br />

getauft worden war, in knapp zweijähriger<br />

Arbeit als ein von vielen Besuchern bewunderter<br />

Phoenix aus der Asche "alter Speisesaal"<br />

entsteigen. Auf ihrem Einweihungskonzert, bei<br />

dem unter anderem die bewährte Bremer<br />

Oldie-Coverband "Larry & the Handjive" für<br />

Stimmung sorgte, übergab die Bremer Heimstiftung<br />

den Betrieb des Hauses an den dafür<br />

gegründeten "Ellener Hof Verein".<br />

Blieb nur noch das eine Thema: Was soll dort<br />

aufgeführt werden? Neue Ensembles, welcher<br />

künstlerischer Ausrichtung auch immer,<br />

schießen auch in Bremen-Osterholz nicht über<br />

Nacht aus dem Boden. Also erst einmal ein Veranstaltungsjahr<br />

gleichsam zur Probe, mit diversen<br />

Vor- und Aufführungen aus ganz unterschiedlichen<br />

Richtungen. Da kam es dem für<br />

die Programmgestaltung verantwortlichen Vereinsvorsitzenden<br />

sehr gelegen, dass er sich<br />

zumindest in seinem heimischen Lilienthal<br />

etwas auskannte. Vor allem kannte er das Wintertheater<br />

- und ihren Gründungsleiter.<br />

Warum, so sagte er sich, sollen die, so gut, wie<br />

sie sind, nicht mal in Bremen ihr Glück versuchen?<br />

Ein Anruf, ein Treffen - und die Idee ging in<br />

die Umsetzung. Zwei Vorstellungen sollten es<br />

werden, und zwar nach der Dernière in Lilienthal<br />

Ende Januar und vor dem Gastspiel in Göttingen<br />

am letzten Februarwochenende. Am 8.<br />

Februar, einem Donnerstag, wurden Kleider und<br />

Kulissen aus Lilienthal abgeholt und Letztere<br />

noch am selben Tag in der Kultur-Aula aufgebaut.<br />

Tags darauf gab es schon die erste von<br />

zwei vereinbarten Vorstellungen. Wie die Profis<br />

gingen die Akteure zu Werk. Für vollwertige<br />

Proben, etwa um sich mit der neuen Bühne vertraut<br />

zu machen, vor allem mit ihrer Akustik<br />

und ihren Auf- und Abgängen, reichte die Zeit<br />

nicht. Ein paar kurze Anweisungen des Prinzipals<br />

und Regisseurs und ebensolche Abstimmungen<br />

untereinander mussten ausreichen.<br />

Kaum eine Stunde später öffnete sich der Vorhang.<br />

Obwohl das Haus noch lange nicht ausverkauft<br />

war, waren die Zuschauer vom grandiosen<br />

Spiel der Truppe begeistert. Auch bei der zweiten<br />

Aufführung, einer besser besuchten Nachmittagsvorstellung<br />

am Sonntag, den 11. Februar,<br />

sprang der Funke von der Bühne aufs Publikum<br />

über. Und zwar so deutlich, dass das Ensemble<br />

entschied: Nächstes Jahr kommen wir wieder.<br />

Dann allerdings mit einem ausgesprochen<br />

anspruchsvollen Stück: "Momo", nach dem<br />

Roman von Michael Ende.<br />

Zum Schluss erfuhr der Chronist ganz<br />

nebenbei, dass dies doch nicht der erste Auftritt<br />

der Truppe in Bremen war. Im Jahr 2003 hatte<br />

das Wintertheater mit "König Drosselbart" an<br />

einem Tag der offenen Tür des Bremer Theaters<br />

teilgenommen - und sogar den Publikumspreis<br />

gewonnen! Damals also schon weiter gekommen<br />

als die Bremer Stadtmusikanten, die<br />

bekanntlich nie in Bremen angekommen sind.<br />

Jens Uwe Böttcher<br />

RUNDBLICK <strong>Frühjahr</strong> <strong>2018</strong><br />

31


Heinrich Vogelers Friedensappell von 1918<br />

- aktuell bis heute<br />

H. Vogeler; Schützengraben<br />

32<br />

In unseren heute so friedlichen Zeiten in<br />

Europa scheinen die Gräuel der beiden Weltkriege,<br />

die von Deutschland angezettelt wurden,<br />

langsam in Vergessenheit zu geraten. Mit<br />

großer Distanz können wir die Kriege dieser<br />

Welt von sicherem Territorium aus betrachten.<br />

Kaum vorstellbar ist das Risiko, das vor einhundert<br />

Jahren Heinrich Vogeler auf sich nahm, als<br />

er seinen Friedensappell an den deutschen Kaiser<br />

schrieb. Dieser Protestbrief hat, dank der<br />

vielen weltweiten Kriegsschauplätze, heute<br />

nichts von seiner Aktualität eingebüßt, und so<br />

veröffentlichte zum Jahresanfang der Kenner<br />

der Worpsweder Kunstgeschichte Bernd Stenzig<br />

ein akribisch recherchiertes Buch über „Das<br />

Märchen vom lieben Gott“, wie Vogeler selbst<br />

sein Schreiben an den Deutschen Kaiser betitelte.<br />

Der Autor, der Privatdozent und Hochschullehrer<br />

am Institut für Germanistik der Universität<br />

Hamburg ist, schrieb schon zahlreiche<br />

Publikationen über Heinrich Vogeler. Durch<br />

seine profunden Kenntnisse von Originalquellen<br />

entsteht eine spannende Chronologie der<br />

Ereignisse – ausgehend vom Originaltext des<br />

Friedensappells, der in einem Worpsweder<br />

Museum als handschriftliche Abschrift von<br />

Heinrich Vogeler vorliegt. Vogelers militärische<br />

Karriere vom kriegsfreiwilligen Oldenburger<br />

Dragoner bis zum zeichnenden Kundschafter<br />

und Gestalter von Drucksachen ist nicht durch<br />

Heldentaten und Nationalpatriotismus<br />

geprägt, sondern zunächst von einem naiven<br />

Glauben an den Kaiser. Immer wieder pendelt<br />

der sensible Künstler zwischen Generalstab und<br />

Front hin und her und ist zunehmend erschüttert<br />

vom Elend und der Sinnlosigkeit des Krieges.<br />

Anfang Januar 1918 kehrt Vogeler, für die<br />

Familie überraschend, aus dem Krieg zurück. Er<br />

ist empört über das deutsche Verhalten<br />

während der in Brest-Litowsk stattfindenden<br />

Verhandlungen über einen Separatfrieden mit<br />

der Sowjetunion, das einen baldigen Frieden<br />

verhindert. Interessant und neu ist, dass sich<br />

Vogeler zu dieser Zeit noch als einen treuen<br />

Anhänger der Monarchie bezeichnet. Sein am<br />

20. Januar 1918 formulierter Brief an den Kaiser<br />

und auch ein weiterer Brief drei Tage später<br />

an seinen vorgesetzten Major sollen den Kaiser<br />

sowie die Oberste Heeresleitung Hindenburg<br />

und Ludendorff zu einem baldigen Friedensschluss<br />

bewegen.<br />

Im ersten Brief verwendet Vogeler dafür eine<br />

Erzählform, die an die zeitgenössische expressionistische<br />

Literatur erinnert, wie Bernd Stenzig<br />

schlüssig erläutert. Hierin kommt der „liebe“<br />

Gott als alter, trauriger Mann am 24. Dezember<br />

auf den Potsdamer Platz in Berlin und verteilt<br />

ein Flugblatt, auf dem steht: „Friede auf Erden<br />

und den Menschen ein Wohlgefallen“. Nachdem<br />

er durch die Staatsmacht standrechtlich<br />

erschossen wurde, erscheint er ein paar Tage<br />

später wieder und verweist auf die zehn Gebote.<br />

Er findet aber keine Aufmerksamkeit. Zum<br />

Abschluss fordert Vogeler Kaiser Wilhelm II. auf:<br />

„Sei Friedensfürst […] In die Knie vor der Liebe<br />

Gottes, sei Erlöser, habe die Kraft des Dienens.“<br />

Stenzig hält Heinrich Vogelers Bekenntnis zum<br />

Christentum für eine durchaus „gläubige“ Haltung,<br />

die sich auch ab 1917 in mehreren Briefen<br />

an seine Frau Martha und an Harry Graf<br />

Kessler belegen lassen. Heinrich Vogeler und der<br />

kunstaffine Ordonnanzoffizier Graf Kessler hatten<br />

sich 1915 bei einer gemeinsamen Frontinspektion<br />

kennengelernt.<br />

Aus Sorge der erste Brief würde vielleicht den<br />

Kaiser nicht erreichen, sendet Vogeler am 23.<br />

Januar 1918 einen weiteren Brief mit einer<br />

Abschrift des ersten auf dem ordentlichen<br />

Dienstweg über seinen Major mit der Bitte um<br />

Weiterleitung an Ludendorff. In diesem doppelt<br />

so langen Begleitbrief ist zu spüren, dass Vogeler<br />

über die Auswirkungen des Krieges außer<br />

sich ist. „Unser Volk ist am Ende, die Revolution<br />

lebt wie eine fressende Flamme. Kein Brot, keine<br />

Sättigung kann sie ausschalten! Wahrheit!<br />

Wahrheit, gebt den Menschen Wahrheit!“<br />

Diese Briefe setzt Bernd Stenzig in den historischen<br />

Kontext und bescheinigt Vogeler eine<br />

politische Weitsicht. Wenige Tage später treten<br />

über anderthalb Millionen Arbeiter, angeführt<br />

durch das linke politische Spektrum, in den<br />

Streik – und Heinrich Vogeler findet sich<br />

„unversehens auf Seiten derLinken wieder. Im<br />

Bürgertum ist er damit ein Sonderfall, er tritt<br />

ein erstes Mal heraus aus seiner Klasse“, so<br />

Stenzig. Beide Briefe könnte man todesmutig<br />

nennen, vielleicht sind sie aber auch in einer<br />

tiefen Depression geschrieben worden. Es ist<br />

nicht überliefert, ob der Kaiser die Briefe gelesen<br />

hat. Im Hauptquartier beim Ersten Generalquartiermeister<br />

Erich Ludendorff sorgte der<br />

Brief für Empörung. Der Befehl, Heinrich Vogeler<br />

standrechtlich zu erschießen, ist dann aber<br />

doch zu einer Einweisung in die Bremer Irrenanstalt<br />

abgewandelt worden. Am 27. Februar<br />

wird Vogeler wieder entlassen.<br />

Im Verlauf der nächsten Jahre entwickelt<br />

Vogeler eine eigene politische Weltanschauung,<br />

in der er auf unorthodoxe Weise Religion und<br />

Rätekommunismus verknüpft, findet dafür aber<br />

weder bei den örtlichen noch bei den Bremer<br />

Kommunisten Verständnis. Seine Kommune<br />

Barkenhoff, eine Insel im kapitalistischen Staat,<br />

bleibt ein Solitär und scheitert nach wenigen<br />

Jahren.<br />

Im letzten Kapitel geht Bernd Stenzig ausführlich<br />

auf die Bedeutung des Kaiserbriefs in<br />

Vogelers letzten Lebensphase von 1931 bis 1942<br />

in der Sowjetunion ein. Heinrich Vogeler bezog<br />

sich später immer wieder auf diesen Brief, um<br />

seinen frühen Einsatz für den Kommunismus<br />

deutlich zu machen. Er geht dabei so weit, seine<br />

eigenen Intentionen und politischen Einstellungen<br />

nachträglich umzudeuten, um sich als<br />

treuen Parteigänger darzustellen. Warum er<br />

dies tat, stellt Stenzig umfassend dar – sein<br />

Ausschluss 1929 aus der KPD in Deutschland,<br />

die Umsiedlung nach Moskau 1931, seine<br />

beruflichen und persönlichen Schwierigkeiten<br />

bis hin zu seiner Zwangsevakuierung 1941, die<br />

1942 zu seinem einsamen Tod in der kasachischen<br />

Steppe führt. Insbesondere das Studium<br />

der Komintern-Kaderakte im Russischen Zentrum<br />

für die Aufbewahrung und Erforschung<br />

RUNDBLICK <strong>Frühjahr</strong> <strong>2018</strong>


der Dokumente der neuesten Zeit (RCCHIDNI) in<br />

Moskau, die dank Reinhard Müller 1995 erstmals<br />

eingesehen und publiziert wurde, ist dafür<br />

eine bedeutende Quelle.<br />

Bernd Stenzig gelingt es mit seiner Analyse,<br />

die Geburtsstunde des politischen Engagements<br />

Heinrich Vogelers verständlich zu<br />

machen. Mit seinem Buch veröffentlicht er ein<br />

Standardwerk zu einem entscheidenden<br />

Lebensabschnitt Heinrich Vogelers. Dazu trägt<br />

auch das Personenregister am Ende des Buches<br />

bei, das eine schnelle Suche nach bestimmten<br />

Personen ermöglicht.<br />

Durchweg ist Stenzigs starke Empathie für<br />

Vogelers todesmutigen Einsatz für den Frieden<br />

zu spüren und er schließt mit den Worten der<br />

deutschen UNESCO-Kommission. Es sei die<br />

mutige Tat eines großen Menschen, „dessen<br />

Friedensbrief an Kaiser Wilhelm II. im Januar<br />

1918 als kühnes Friedensvorhaben in die<br />

Geschichte einging – und dessen Verhalten<br />

auch heute Generationen beeindruckt.“<br />

Daniela Platz<br />

Bernd Stenzig, Das Märchen vom lieben Gott<br />

– Heinrich Vogelers Friedensappell an den Kaiser<br />

im Januar 1918. Hardcover, 119 Seiten, div.<br />

teils farbige Abb. von Dokumenten, Zeichnungen<br />

und Gemälden, erschienen im Donat Verlag,<br />

Bremen <strong>2018</strong>. ISBN 978-3-943425-59-8<br />

Bildnachweis: Buchtitel, Donat Verlag Bremen<br />

Postkarte nach Federzeichnung, 1915, Privatbesitz<br />

Fast<br />

vergessen …<br />

Stimmungsbilder aus Moor und<br />

Heide im Spiegel der Dichtkunst<br />

Heute nahezu unbekannt ist der Dichter<br />

Richard Dehmel, obwohl er in den ersten beiden<br />

Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts als<br />

herausragender Lyriker galt. Hier und dort findet<br />

man noch in Anthologien und Lesebüchern<br />

einzelne Gedichte von ihm. Doch im<br />

Gegensatz zu denen seiner Zeitgenossen wurden<br />

seine Werke nicht neu aufgelegt. Richard<br />

Dehmel wurde am 18. November 1863 als<br />

Sohn eines Försters in Hermsdorf, Provinz<br />

Brandenburg, geboren. Nach dem Abitur in<br />

Danzig studierte er in Berlin Naturwissenschaften,<br />

Nationalökonomie und Philosophie.<br />

Er beendete sein Studium in Leipzig mit der<br />

Promotion im Jahre 1887 und arbeitete daran<br />

anschließend als Sekretär im Versicherungswesen<br />

in Berlin. Während dieser Zeit verkehrte<br />

er im Umkreis des Berliner Naturalismus und<br />

widmete sich der Dichtkunst. Nach der Scheidung<br />

von seiner ersten Frau Paula Oppenhei-<br />

mer, mit der er auch Kinderbücher verfasst<br />

hatte, heiratete Dehmel ein zweites Mal. Weite<br />

Reisen durch Europa folgten. 1912 bezog das<br />

Paar ein in Hamburg-Blankenese neu gebautes<br />

Haus. Trotz seines schon fortgeschrittenen<br />

Alters meldete sich Richard Dehmel beim Ausbruch<br />

des Ersten Weltkrieges 1914 freiwillig<br />

zum Kriegsdienst. Am 8. Februar 1920 starb er<br />

an einer Venenentzündung, die er sich im Krieg<br />

zugezogen hatte.<br />

Peter Richter<br />

Sommerabend<br />

Klar ruhn die Lüfte auf der weiten Flur;<br />

fern dampft der See, das hohe Röhricht flimmert,<br />

im Schilf verglüht die letzte Sonnenspur,<br />

ein blasses Wölkchen rötet sich und schimmert.<br />

Vom Wiesengrunde kommt ein Glockenton,<br />

der Hirte sammelt seine satte Herde;<br />

im stillen Walde steht die Dämmrung schon,<br />

ein Duft von Tau entweicht der warmen Erde.<br />

Im jungen Roggen rührt sich nicht ein Halm,<br />

die Glocke schweigt wie aus der Welt geschieden;<br />

nur noch die Grillen geigen ihren Psalm.<br />

So sei doch froh, mein Herz, in all dem Frie-<br />

RUNDBLICK <strong>Frühjahr</strong> <strong>2018</strong><br />

33


800 Jahre Worpswede<br />

Von der Ansiedlung zum Künstlerdorf<br />

Das kleine Bauerndorf Worpswede wurde<br />

1218 erstmals in einer Urkunde erwähnt – ein<br />

guter Grund der Einheimischen, mit Gästen von<br />

Nah und Fern ein großes Fest zu feiern. Seit vier<br />

Jahren bereitet sich das Dorf auf sein Jubiläum<br />

vor. Das Ergebnis der Planungen ist eine<br />

Mischung aus speziell kreierten Veranstaltungen,<br />

die auf verschiedene Epochen der Ortsentwicklung<br />

oder direkt auf die mittelalterliche<br />

Zeit vor 800 Jahren Bezug nehmen, und Traditionsfeste,<br />

die in diesem Jahr mit besonderen<br />

Attraktionen aufwarten. Das gesamte Jahr steht<br />

unter dem Motto „800 Jahre Worpswede – mit<br />

Brief und Siegel“.<br />

Mittelalter<br />

Es war Sonnabend, der 21. Juli 1218, als der<br />

Erzbischof Gerhard I. von Hamburg-Bremen<br />

dem Benediktiner Nonnenkloster St. Marien zu<br />

Osterholz eine Hälfte des Zehnten von vier<br />

Hufen in „Worpensweerde“, das heißt von vier<br />

Vollhöfnern, übertrug. Der Name eines Worpsweder<br />

Einwohners wird in dieser Urkunde<br />

genannt: „mit samt den Töchtern des Swether“.<br />

1<br />

Er ist damit der älteste bekannte Worpsweder<br />

Familienname – der allerdings später im Ort<br />

nicht mehr zu finden ist. Die drei Töchter heirateten<br />

vielleicht in die Familien Oldenbüttel,<br />

Schmonsees, Behrens, Bötjer oder Segelken, die<br />

aus den Hofakten überliefert sind.<br />

1223 folgt eine Schenkung des Welfen Heinrich<br />

V., Herzog von Sachsen und Pfalzgraf bei<br />

Rhein, Sohn des Welfen Heinrich der Löwe, der<br />

dem Kloster Osterholz „vier Hufen Landes zu<br />

Worpswede mit dem Obereigentumsrecht“<br />

überschreibt. Etwa um 1224 schenkt auch die<br />

Altes Bauernhaus nach 1932, Verlag H. Ch. Büsing, Bremen<br />

34<br />

Markgräfin Mathilde von Brandenburg, Witwe<br />

des Askanier Albrecht II., die zweite Hälfte der<br />

Worpsweder Insel, „medietatem insule“ mit vier<br />

Hufen. Hier mutiert der Name zu „Worpeneswede“.<br />

In einer Urkunde des Papstes Gregor IX.<br />

vom 5. Februar 1229 wird dem Kloster Osterholz<br />

der Besitz des Ortes Worpswedes, nun „Worpensethe“<br />

genannt, bestätigt. 2 1244 verfügt dann<br />

der Erzbischof von Bremen Gerhard II. die letzte<br />

Hälfte des Zehnten der Worpsweder Höfe an das<br />

Kloster. 3<br />

Im Mittelalter wurde, unabhängig vom Zehnten,<br />

der an die Kirche gezahlt wurde, auch eine<br />

Abgabe an die adeligen Gerichts- und Grundherren<br />

entrichtet. So hat es für eine lange Zeit<br />

die Situation gegeben, dass die Worpsweder<br />

Bauern ihre Grundsteuer an unterschiedliche,<br />

sogar verfeindete Adelsfamilien zahlen mussten<br />

und den Zehnten zusätzlich an die Landeskirche.<br />

Mit der Zusammenführung der Eigentumsverhältnisse<br />

und der verschiedenen Abgaben<br />

kam eine Jahrzehnte dauernde Erbstreitigkeit,<br />

in die Heinrich der Löwe und einige andere Protagonisten<br />

der Zeit verwickelt waren, zu einem<br />

friedlichen Ende. Der Streit um die Herrschaftsrechte<br />

an der unteren Elbe und der Weser hatte<br />

eine bis 1236 dauernde Konfrontation zwischen<br />

dem Welfen und den Staufern entfacht.<br />

In Folge der Streitigkeiten war das kleine, aber<br />

auf einer strategisch interessanten Landmarke<br />

im Teufelsmoor gelegene Fleckchen Worpswede,<br />

1106 auf zwei verfeindete Erbparteien aufgeteilt<br />

worden. 4 Gerrit Aust sind diese Erkenntnisse<br />

zu verdanken, der recherchierte, dass die<br />

Teilung des Dorfes einen strategischen Grund<br />

hatte.<br />

Im Kriegsfalle konnte sich die Truppe auf diesen<br />

Hügel zurückziehen und von dort aus die<br />

Bauernhof Hof 6 nach 1932<br />

Verlag H. Ch. Büsing; Bremen<br />

Bewegungen der feindlichen Heere zwischen<br />

Bremen und Stade am Osterholzer Geestrand<br />

beobachten.<br />

Der Weyerberg war allerdings nur schwer zu<br />

erreichen, denn er war vollständig eingeschlossen<br />

von Nieder- und Hochmooren, die jegliche<br />

Querung zu einem waghalsigen Abenteuer<br />

machten. Die Moore begannen vor etwa 11.000<br />

Jahren den Weyerberg von der Außenwelt abzuschneiden.<br />

Es gab nur wenige Knüppelwege,<br />

später zu Sandwegen ausgebaut, die im Winterhalbjahr<br />

wegen der häufigen hohen Wasserstände<br />

durch Sturmfluten und ergiebige<br />

Regenfälle unpassierbar waren. Das Hauptverkehrsmittel<br />

war dann ein Kahn mit geringem<br />

Tiefgang, mit dem man das Moorflüsschen<br />

Hamme befuhr. Allerdings mussten die Bewohner<br />

dafür zunächst zweieinhalb Kilometer zu<br />

Fuß an den Fluss laufen. Noch im siebzehnten<br />

Jahrhundert war Worpswede nur durch einen<br />

Sommerweg Richtung Tarmstedt mit der<br />

Außenwelt verbunden. 5<br />

In den Urkunden werden insgesamt acht<br />

Worpsweder Hufe erwähnt. Eine Hufe war ein<br />

landwirtschaftliches Gut, das mit einem Pflug<br />

bestellt werden kann und damit der Arbeitskraft<br />

einer Familie entspricht. Die Worpsweder<br />

Bauern bewirtschafteten den sandigen Boden<br />

des Weyerbergs in einer Heideplaggwirtschaft.<br />

Vermutlich wurden in den benachbarten Moorflächen<br />

und auf dem Berg der obere, durchwurzelte<br />

Bodenbereich abgetragen und als<br />

Stalleinstreu benutzt. Mit dem Stallmist angereichert,<br />

wurde dies Material als Dünger auf die<br />

dorfnahen Ackerflächen, die sogenannten<br />

Eschen, aufgebracht. Allerdings brauchten die<br />

Bauern mindestens das fünffache an Plaggfläche,<br />

um ihre Äcker gut bewirtschaften zu<br />

können. Von hier kommt vermutlich der Begriff<br />

„sich abplagen“. Durch das Abplaggen entstand<br />

eine Auszehrung des Bodens, auf dem dann nur<br />

noch Heide und wenige Büsche und Birken<br />

wuchsen. Der Standort auf dem Weyerberg<br />

ermöglichte immerhin eine einträgliche<br />

Bewirtschaftung mit Ackerbau und Viehzucht -<br />

und als weiteres Zubrot den Fischfang in der<br />

RUNDBLICK <strong>Frühjahr</strong> <strong>2018</strong>


Hamme und seinen Ausläufern. An den Sonntagen,<br />

zu Beerdigungen und Hochzeiten fuhren<br />

die Worpsweder Familien mit dem Kahn nach<br />

Scharmbeck. Im elften Jahrhundert wurde der<br />

Ort allerdings noch „Scirnbeci“, etwas später<br />

dann „Sandbeck“ genannt. Die Gründung der<br />

ersten Holzkirche „St. Willehardi“ soll auf den<br />

Missionar Ansgar aus Bremen zurückgehen und<br />

ist somit die älteste Kirche in der Region. 6 1182<br />

wird am Geest-rand das Benediktinerkloster St.<br />

Marien zu Osterholz gegründet. Obwohl die<br />

Bauern ihre Zehnten ab dem dreizehnten Jahrhundert<br />

hier abliefern, gehören sie weiterhin<br />

der Kirche von Scharmbeck an, bis sie ihre<br />

eigene Kirche auf dem Weyerberg erhalten.<br />

Aber bis dahin erleben die Worpsweder noch so<br />

manche unruhigen Zeiten.<br />

Die Reformationszeit<br />

Im sechzehnten Jahrhundert breitet sich die<br />

Reformation im norddeutschen Raum rasant<br />

aus. Vor allem an Orten mit großen Märkten<br />

Gehöft Weyermoor 3, mit Blick auf den Moorexpress, 1934<br />

Schnaars (Worpswede 6), Gevert Behrens<br />

(Worpswede 7), Hinrich Segelken (Worpswede<br />

8), Gevert Schmonsees, Vorfahre der Monsees<br />

(Worpswede 9), Dierk Bötjer (Worpswede 12),<br />

die sich alle im Südosten des Weyerberges angesiedelt<br />

haben. Dann folgen die Familien Reiners,<br />

Mahnken, Wellbrock, Semken und Kück. Beim<br />

Studium der Stammbäume fällt auf, dass es<br />

zahlreiche familiäre Verbindungen zwischen<br />

den Familien gibt.<br />

Das Teufelsmoor wird<br />

schwedisch<br />

Im Westfälischen Frieden von 1648 werden<br />

Königin Christine von Schweden unter anderem<br />

die Bistümer Bremen und Verden zugesprochen.<br />

Allerdings nimmt sie dieses Gebiet als deutsche<br />

Reichsfürstin in Besitz, sodass das Territorium<br />

als Provinz Mitglied im schwedischen Landesgebiet<br />

wird und alle seine Rechte und Privilegien<br />

des Heiligen Römischen Reiches weiter Bestand<br />

haben.<br />

Foto: Martha Vogeler<br />

Königin Christine schenkt ihrer Kusine Eleonora<br />

Catharina von Pfalz-Zweibrücken-Kleeburg,<br />

die mit ihr gemeinsam in Stockholm aufgewachsen<br />

war, zur Hochzeit mit dem Landgrafen<br />

Friedrich von Hessen-Eschwege (der „tolle<br />

Fritz“) das Rittergut Beverstedtermühlen. Von<br />

der Mitgift kaufen sich die beiden darüber hinaus<br />

noch das Gut Stotel. Für seine Verdienste im<br />

Kriege erhält der Landgraf die Klöster Osterholz<br />

und Lilienthal. Zunächst regieren sie von<br />

Eschwege aus die Region. Auf einer Reise durch<br />

das Gebiet entdecken der Landgraf und seine<br />

Frau die Schönheit des Weyerberges und<br />

beschließen 1654, ein sogenanntes Lust- oder<br />

Jagdschloss zu bauen. Die Schloss-Scheune, der<br />

Fischteich und der Entenfang im Straßentor<br />

waren schon fertiggestellt und der Thiergarten<br />

mit einigen Baumpflanzungen angelegt, als<br />

Friedrich 1655 während des schwedisch-polnischen<br />

Krieges stirbt. Seine Witwe Eleonora Catharina<br />

ist 29 Jahre alt und bleibt mit ihren Kindern<br />

allein in Eschwege zurück. Karl X. Gustav,<br />

Eleonora Catharinas Bruder, war ein Jahr zuvor<br />

der nächste schwedische König geworden. Er<br />

bestätigt sie als Erbin und Landgräfin mit ihren<br />

Besitztümern in Osterholz, Lilienthal und Stotel<br />

und sie erhält eine Pension von 3.000 Reichstalern,<br />

was für eine Frau in der damaligen Zeit<br />

nicht selbstverständlich war.<br />

Um 1656 verlegt sie ihren Wohnsitz nach<br />

Norddeutschland und bewohnt die alten<br />

Gebäude des Klosters in Osterholz. Ihr Schwiegersohn<br />

Baron von Lilienburg übernimmt die<br />

Verwaltung des Guts Stotel. Die Sommermonate<br />

residiert sie in Lilienthal, im Winter wohnt sie in<br />

Osterholz. Von hier aus leitet sie die Amtsgeschäfte,<br />

sitzt selbst dem Gericht vor und siedelt<br />

weitere Bauern in Osterholz an. Das Armenund<br />

Pflegehaus wird finanziell von ihr unterstützt,<br />

ein Arzt von ihr eingesetzt und eine Apotheke<br />

gegründet. Und es werden die Gilden für<br />

Tuchmacher und Schuster als Amt eingerichtet,<br />

die die Ausübung der Berufe regulieren sollen. 8<br />

Das Schlossbauprojekt betreibt sie nicht weiter.<br />

verbreitet sich die neue Lehre schnell. 1522 predigt<br />

der Augustinermönch Heinrich von Zütphen<br />

erstmals in Bremen. Das Osterholzer Kloster<br />

erhält in dieser Zeit von 120 Ortschaften<br />

den Zehnten und war dadurch finanziell sehr<br />

gut gestellt. In Lilienthal gab es seit 1230 das<br />

Zisterzienser Nonnenkloster St. Maria im Tal der<br />

Lilien. Der Dreißigjährige Krieg von 1618 bis<br />

1648 fordert auch hier in der Region seine<br />

Opfer. Immer wieder streifen kämpfende Truppen<br />

durch die Region. Es ist nicht überliefert, ob<br />

sie auch bis an den Weyerberg kamen. Das Moor<br />

mag in dieser Zeit ein guter Schutz gegen<br />

unliebsame Besucher gewesen sein. Allerdings<br />

haben die Bauern ihre kostbaren Eichen als<br />

Kriegsmaterial abliefern müssen, sodass der<br />

Baumbestand vermutlich fast ganz verschwunden<br />

war. In dieser Zeit begannen die Bauern ihr<br />

Brennmaterial, aus Mangel an Holz, durch Torf<br />

zu ersetzten.<br />

Über die Familien dieser Region gibt es aus<br />

dem sechzehnten Jahrhundert nur wenige Aufzeichnungen.<br />

7 In Worpswede sind es die Namen<br />

Gevert Oldenbüttel (Worpswede 5), Johann<br />

RUNDBLICK <strong>Frühjahr</strong> <strong>2018</strong><br />

Totenweg 1934<br />

Foto: Martha Vogeler<br />

35


Alter Ortskern Worpswede mit Slottschün<br />

Heute gibt es nur noch wenige Zeugnisse aus<br />

dieser Zeit. Ein Wanderweg am Rand des Weyerbergs<br />

heißt immer noch Thiergarten. Eine Trauben-Eiche,<br />

den Einheimischen als die „Mackensen-Eiche“<br />

bekannt, stammt noch aus der Aufforstung<br />

des Weyerbergs und zeichnete sich<br />

Jahrhunderte besonders vor dem Berghang ab.<br />

Sie wurde als Naturdenkmal unter Schutz<br />

gestellt. Im letzten Jahr zerbarst der Baum bei<br />

einem Sturm und bleibt nun als Fragment weiterhin<br />

Zeugnis dieser Zeit. Die Schloss-Scheune<br />

(Slottschün) erfährt eine zweite Renaissance,<br />

als die Worpsweder Künstlervereinigung<br />

1933/1934 das Fachwerkgebäude als Versammlungsraum,<br />

in dem sie unzensiert ihre Ausstellungen<br />

durchführen kann, einrichtet. Vier Jahre<br />

später wird das Gebäude abgerissen. Begründet<br />

wird es von der Verwaltung mit dem Bau der<br />

Straße nach Osterholz, Insider vermuteten<br />

damals aber politische Gründe – die Künstlerschaft<br />

galt tendenziell als Links orientiert.<br />

Am 3.3.1692 stirbt Eleonora Catharina. 9 Zu<br />

ihrer Trauerfeier am 18.3. kommen hochrangige<br />

weltliche und geistliche Würdenträger. Die<br />

Glocken läuten in Lilienthal, St. Jürgen, Hambergen,<br />

Lesum, Trupe, Scharmbeck und Osterholz.<br />

Ihr Leichnam wurde aus Geldmangel in<br />

einem einfachen Holzsarg in die Fürstengruft<br />

nach Eschwege überführt. 10<br />

Neu Helgoland, Torfkahn, Fotograf unbekannt<br />

36<br />

Vollkommen zu Unrecht ist diese bedeutende<br />

Person unserer Region in Vergessenheit geraten.<br />

Siebenunddreißig Jahre hat sie über die<br />

Geschicke der Bewohner und Bewohnerinnen<br />

bestimmt. Mit ihrer gerechten, aber auch milden<br />

und fürsorglichen Art war sie eine Ausnahmeerscheinung<br />

in der sonst männerdominierten<br />

Herrscherwelt. Ab 1672 taucht der Name<br />

Catharina als Mädchenname in Worpswede auf<br />

- vielleicht als Wertschätzung ihrer Landesherrin.<br />

Moorkolonisierung<br />

Fotograf unbekannt<br />

Ab 1742 beschäftigt sich die Hannoversche<br />

Regierung unter Georg II., Kurfürst von Hannover<br />

und englischer König, mit der Besiedlung<br />

der Moore. 1751 wird Jürgen Christian Findorff<br />

mit der Umsetzung der Moorkolonisation<br />

beauftragt. Die Randbereiche der Moore waren<br />

schon besiedelt, aber im unwegsamen<br />

Hochmoor in der Mitte des Teufelsmoores werden<br />

nun neue Kolonien geplant und vermessen.<br />

Auch aus Worpswede lassen sich einige Bewohner,<br />

Häuslinge, Knechte, Mägde und Bauernsöhne<br />

und -töchter als Moorsiedler gewinnen.<br />

Auf dem Weyerberg wird eine neue Kirche<br />

errichtet, die für viele Jahre die Hauptanlaufstelle<br />

aller neuen Moorbewohner und -bewohnerinnen<br />

wird. Die Kirchengemeinde bestand<br />

anfangs aus 153 Feuerstellen, das sind bei<br />

durchschnittlich sieben Familienmitgliedern<br />

insgesamt über 1.000 Personen. Etwa fünfzig<br />

Jahre später zählt die Kirchengemeinde schon<br />

400 Feuerstellen mit 2.886 „Seelen“. 11 Der Ausflug<br />

der Moorsiedler nach Worpswede, ob zu<br />

Fuß oder mit Kutsche, ist einerseits eine willkommene<br />

Abwechslung im harten und einsamen<br />

Alltag. Andererseits ist der Kirchgang für<br />

mindestens ein Familienmitglied Pflicht, denn<br />

die Kirche ist auch der Ort der amtlichen<br />

Bekanntmachungen. Jeder Siedler unterschrieb<br />

mit der Übernahme seines Landes, dass er sonn-<br />

tags zur Kirche kommt.<br />

Entlang der Hauptstraße in Worpswede siedeln<br />

sich bald Gastwirtschaften, Geschäfte,<br />

Handwerker und eine Apotheke an. Jeden<br />

Sonntag strömen hunderte Menschen die<br />

Kirchstraße hinauf und erledigen ihre Einkäufe<br />

nach dem Gottesdienst. Plötzlich wird aus dem<br />

weltabgeschiedenen Dorf, das sich Jahrhunderte<br />

nicht veränderte, ein Ort mit einem regen<br />

Kommen und Gehen. Worpswede erhält einen<br />

enormen Entwicklungsschub. Die letzte neue<br />

Moorkolonie „Neu Mooringen“ wird 1808 nach<br />

Jürgen Christian Findorffs Plänen gegründet.<br />

Der „Vater aller Moorbauern“ erlebt dies nicht<br />

mehr, er war 1792 gestorben.<br />

Künstlerdorf<br />

Mit dem Einzug der Künstler und Künstlerinnen<br />

in das Dorf kommt es erneut zu einer<br />

wesentlichen Erweiterung der Dorfgemeinschaft.<br />

Fritz Mackensen besucht seit 1884 das<br />

Dorf im Teufelsmoor regelmäßig. Heute ist die<br />

Gründung der Künstlerkolonie 1889 durch ihn<br />

und seine Malerfreunde Otto Modersohn und<br />

Hans am Ende legendär. Es ist vermutlich der<br />

freundlichen Aufnahme durch die einheimische<br />

Bauernschaft zu verdanken, dass sie blieben<br />

und auch weitere Künstler und Künstlerinnen<br />

in den Ort zogen. 1895 sind es sechs Künstler,<br />

um 1900 sind es mehr als fünfzehn Kollegen<br />

und Kolleginnen mit stetig wachsender Tendenz.<br />

Ihre Häuser und Villen tragen zur Veränderung<br />

des Ortsbildes bei. Den größten Einfluss<br />

hat Heinrich Vogeler, der 1903 mit dem Bauern<br />

Johann Bötjer den Verschönerungsverein<br />

Worpswede e.V. initiiert und dann Vorsitzender<br />

des Vereins und Mitglied der Baukommission<br />

wird. Er berät nicht nur die Bauwilligen des<br />

Ortes, sondern bekommt auch diverse Planungsaufträge<br />

für neue Gebäude. Haus Garmann,<br />

heute Vogeler-Villa genannt, ist der erste<br />

Auftrag für einen Eisenwarenhändler. Vogeler<br />

wird sogar zwei Künstler, die Brüder Walter und<br />

Alfred Schulze, zur Unterstützung einstellen.<br />

Wenn man alle Gebäude der drei talentierten<br />

Zeichner zusammenrechnet, haben sie bis 1914<br />

fünfzehn Häuser entworfen. 12 Das bekannteste<br />

Gebäude ist der Worpsweder Bahnhof, der 1910<br />

fertiggestellt wird und heute unter Denkmalschutz<br />

steht, weil es eines der sehr seltenen<br />

vollständig erhaltenen Jugendstilgebäude<br />

Deutschlands ist.<br />

Als die Künstler ihren ersten großen Ausstellungserfolg<br />

in München 1895 feiern können,<br />

wird Worpswede ein touristisch interessantes<br />

Ausflugsziel. Schon vorher kamen die Bremer<br />

als Tagesbesucher in das Bauerndorf. Ab 1906<br />

entstehen Ausstellungshäuser, Cafés, Kunstgewerbewerkstätten<br />

und weitere Künstlerateliers,<br />

die um die Aufmerksamkeit der Besucher werben.<br />

In einem Interview, das Radio Bremen 1953<br />

mit dem Hoferben Nicolaus Bötjer aus der Bauernreihe<br />

führte, berichtet er davon, dass Künstler,<br />

Kaufleute und Bauern zu Beginn miteinander<br />

befreundet waren und viele Feste miteinander<br />

feierten. 13<br />

RUNDBLICK <strong>Frühjahr</strong> <strong>2018</strong>


An der Hamme nach 1932 Verlag H. Ch. Büsing; Bremen<br />

Nationalsozialismus<br />

Zwischen den beiden Weltkriegen wird<br />

Worpswede zu einem Schauplatz weltanschaulicher<br />

und politischer Auseinandersetzungen.<br />

Nicht nur die Künstlerschaft, auch die anderen<br />

Einwohner Worpswedes teilen sich in ein konservatives<br />

und ein linkes Lager. Heinrich Vogeler<br />

gründet auf dem Barkenhoff eine kommunistische<br />

Kommune und verkündet in öffentlichen<br />

Reden seine neuesten politischen Erkenntnisse.<br />

Fritz Mackensen entwickelt sich zu einem erbitterten<br />

Feind in dieser Zeit. Mit der Ernennung<br />

Adolf Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar<br />

1933 verändert sich das Leben im Ort schlagartig.<br />

Bei der im März durchgeführten Reichstagswahl<br />

stimmen von 859 Wahlberechtigten<br />

Worpswede 1939, Maryan Žurek<br />

RUNDBLICK <strong>Frühjahr</strong> <strong>2018</strong><br />

472 für die NSDAP, 98 für die Kampffront<br />

Schwarz-Weiß-rot (deutschnational), 94 für die<br />

SPD, 47 für die KPD, der Rest wählt Splitterparteien.<br />

Vermutlich wird kurze Zeit später die<br />

Kirchstraße in Adolf-Hitler-Straße (heute Findorffstraße)<br />

und die Bergstraße hieß Hindenburgallee.<br />

Am ersten April 1933 wird in Deutschland<br />

zum „Judenboykott“ aufgerufen. Kurze Zeit<br />

später wird am Tennisplatz des jüdischen Kaufmanns<br />

Walter Steinberg aus Bremen ein judenfeindliches<br />

Schild angebracht. 14 Der Platz<br />

befand sich in der Bergstraße auf dem Gelände<br />

der Nr. 12. Auch die Familie des jüdischen<br />

Schlachters Abraham im Udo-Peters-Weg<br />

(heute Schlachter Schopfer) bekommt die<br />

feindliche Atmosphäre zu spüren. Henny Abraham<br />

und ihr Sohn Fred können zu ihren Ver-<br />

wandten nach New York City flüchten. Mutter<br />

Rosa Abraham bleibt in Worpswede, weil sie sich<br />

immer noch sicher fühlt und stirbt 1942 im Vernichtungslager<br />

Treblinka. In den Schulen wird<br />

inzwischen Rassenkunde und Vererbungslehre<br />

eingeführt. Christel Meiners-DeTroy berichtet<br />

in ihrem Buch über die bedrohliche Stimmung<br />

andersdenkenden Menschen gegenüber. 15 Eine<br />

weitere wichtige Quelle ist das Buch von Anning<br />

Lehmensiek über die Juden in Worpswede. 16<br />

Künstler und Künstlerinnen hatten auf<br />

unterschiedliche Weise unter dem nationalsozialistischen<br />

Regime zu leiden. Der 1931 in die<br />

Sowjetunion ausgereiste Heinrich Vogeler wird<br />

drei Jahre später ausgebürgert und kann nicht<br />

mehr in seine <strong>Heimat</strong> zurückkehren. Karl Jakob<br />

Hirsch flüchtet zunächst in die Schweiz und<br />

dann in die USA. Bernhard Hoetger, selbst<br />

Anhänger Adolf Hitlers, wird als entarteter<br />

Künstler mit Ausstellungsverbot belegt. Die<br />

Werke Paula Modersohn-Beckers werden aus<br />

öffentlichen Museen und Sammlungen<br />

beschlagnahmt. Mehrere expressionistische<br />

Künstler erhalten Ausstellungsverbot. Andere<br />

passen sich an den staatlich empfohlenen<br />

nationalsozialistischen Realismus an.<br />

Auf Anordnung der Partei entstehen Arbeitslager,<br />

in denen junge Frauen und Männer für<br />

verschiedenste Arbeiten auf dem Lande eingesetzt<br />

werden. Auf der Dohnhorst entsteht das<br />

sogenannte Maidenlager. Als der Krieg beginnt,<br />

werden die meisten jungen Männer zum Kriegsdienst<br />

eingezogen. Alte, Frauen und Kinder bleiben<br />

zurück und tragen die ganze Arbeitslast<br />

allein - bis Ende September 1939 in Sandborstel<br />

das riesige Kriegsgefangenenlager Stalag<br />

XB entsteht. Während des gesamten Krieges<br />

werden überall im Deutschen Reich Kriegsgefangene<br />

als Zwangsarbeiter eingesetzt. Rund<br />

um Worpswede entstehen in Gasthöfen, Schuppen<br />

und Baracken örtliche Arbeitslager für Soldaten<br />

aus der ganzen Welt, die als Erntehelfer,<br />

Bäcker, Molkereiarbeiter und an vielen anderen<br />

Stellen arbeiten müssen.<br />

1938 wird eine neue Straße von Osterholz<br />

über Waakhausen nach Worpswede gebaut. Mit<br />

erheblichen Mengen Sand aus Lintel und<br />

Worpswede wird ein Damm aufgeschüttet,<br />

sodass die Straße auch bei winterlichen hohen<br />

Wasserständen passierbar bleibt. Durch den<br />

Sandabbau entsteht mitten in Worpswede vor<br />

der Zionskirche ein großer Geländeeinschnitt,<br />

den der Lehrer aus Wörpedahl in seiner<br />

Schulchronik als eine Art „Culebra cut“<br />

bezeichnet. Er vergleicht dieBaumaßnahme mit<br />

dem Bau des Panamakanals. Seine Bemerkung<br />

dazu: „So etwas kann auch nur in Worpswede<br />

passieren“.<br />

Ab 1940 kreisen regelmäßig feindliche Flugzeuge<br />

über dem Teufelsmoor. Einzelne Flieger<br />

werden abgeschossen und stürzen in die Moore<br />

rings um Worpswede. In den letzten Kriegsjahren<br />

muss die Worpsweder Feuerwehr zahlreiche<br />

Einsätze in den Großstädten Bremen, Hamburg,<br />

Wesermünde und anderswo übernehmen. 17 Zu<br />

Beginn des Krieges hatte Worpswede 2.706 Einwohner,<br />

1945 vergrößert sich die Zahl auf 5.591<br />

Personen durch die Flüchtlinge aus den Ostgebieten.<br />

Die Wohnungsnot ist sehr groß. Kriegs-<br />

37


Zionskirche vor 1899<br />

rückkehrer finden manchmal in ihrem eigenen<br />

Haus kein Bett zum Schlafen. Die ehemaligen<br />

Zwangsarbeiterlager werden zu Notunterkünften,<br />

selbst der Niedersachsenstein von Bernhard<br />

Hoetger beherbergt Flüchtlinge. Es dauert bis in<br />

die 1950er-Jahre, bis durch neue Baugebiete<br />

alle Neubürger menschenwürdige Unterkünfte<br />

beziehen können.<br />

Worpswede heute<br />

Seit 1974 ist Worpswede mit den Dörfern<br />

Hüttenbusch, Mevenstedt, Neu Sankt Jürgen,<br />

Ostersode, Schlußdorf, Waakhausen und Überhamm<br />

zu einer Einheitsgemeinde verschmolzen<br />

und hat heute ca. 9.500 Einwohner. Der Ort<br />

Worpswede auf dem Weyerberg zählt ca. 5.500<br />

Einwohner. Worpswede versteht sich immer<br />

noch als ein Dorf, das aber auf Grund der heterogenen<br />

Bevölkerungsstruktur sehr unterschiedliche<br />

Fassetten hat. Der Tourismus<br />

ermöglicht eine Vielfalt an gastronomischen<br />

und musealen Angeboten, die auch den Einheimischen<br />

zugutekommen.<br />

800 Jahre feiern<br />

38<br />

Die Hauptveranstaltung des Jubiläums findet<br />

am Wochenende 21. und 22. Juli direkt im historischen<br />

Ortskern in der Bauernreihe und dem<br />

Straßentor statt. Auf dem Gelände des Rathauses,<br />

einem der ältesten Bauernhäuser des Dorfes,<br />

können die Besucher einen Living History<br />

Markt erleben, auf dem professionelle Darsteller<br />

in historischen Kostümen das Leben der<br />

Worpsweder vor 800 Jahren authentisch darstellen.<br />

Im weiteren Umfeld präsentieren sich<br />

verschiedene Vereine und Initiativen der<br />

Gemeinde, die den Bogen von der Vergangenheit<br />

in die Gegenwart schlagen. In einer Freiluftausstellung<br />

werden einige Meilensteine der<br />

Ortsgeschichte und das Leben der Torfbauern<br />

im Teufelsmoor präsentiert. Einige Autoren des<br />

Worpsweder Lesebuchs, das erstmals zum<br />

Jubiläum vom <strong>Heimat</strong>verein Worpswede e.V.<br />

herausgegeben wird, berichten von ihren ortsgeschichtlichen<br />

Forschungsergebnissen.<br />

Seit Jahresbeginn bieten die Worpsweder<br />

Gästeführer besondere Touren, Ortsspaziergänge<br />

mit Museumsbesuch und begleitete<br />

Rundfahrten per Rad, an. Die öffentlichen<br />

Rundgänge „800 Jahre Worpswede“ starten ab<br />

der Tourist-Information in der Bergstraße. Dort<br />

beginnen auch die geführten Radtouren, die<br />

zwischen Mai und September angeboten werden,<br />

die zwar Worpsweder Geschichte im Fokus<br />

haben, aber auch die landschaftlich spannende<br />

Umgebung erleben lassen.<br />

Der erst vor rund zwei Jahren gegründete<br />

<strong>Heimat</strong>verein Worpswede e.V. versteht sich als<br />

Koordinationsstelle und Veranstalter. Über ihn<br />

ist auch eine vollständige Liste der Veranstaltungen<br />

des gesamten Jahres erhältlich. Kontakt<br />

über: <strong>Heimat</strong>verein Worpswede e.V., Hans-Hermann<br />

Hubert, Bergstr. 1, 27726 Worpswede,<br />

<strong>Heimat</strong>verein@Worpswede.de<br />

Daniela Platz<br />

1<br />

Übernommen aus dem Urkundenbuch des<br />

Klosters Osterholz, Hans-Heinrich Jark 1982.<br />

Abschrift: Hodenberg 15. Druck: Pratje, Herzogtümer<br />

IV Nr. 4(S. 16); Hamb. UB 1, Nr. 418;<br />

Brem. UB 1 Nr. 113 (S. 134; Auszug) – Regest:<br />

May 1 Nr. 754.<br />

2<br />

Zitat aus „Urkundenbuch des Klosters<br />

Osterholz“ in der Bearbeitung von Hans-<br />

Heinrich Jarck, 1982.<br />

Fotograf unbekannt<br />

3<br />

Gerrit Aust, Das zweigeteilte Dorf, aus:<br />

Worpswede – Das Bauerndorf wird Künstlerdorf,<br />

2. Auflage 1992.<br />

4<br />

Ebd.<br />

5<br />

Karte de Wit in: Friedrich Netzel Stiftung<br />

2017<br />

6<br />

www.willehadi.de abgerufen am 12.3.<strong>2018</strong><br />

7<br />

Datenbank genealogy, Ortsfamilienbücher,<br />

Teufelsmoor in: www.online-ofb.de/, abgerufen<br />

am 13.3.<strong>2018</strong><br />

8<br />

Wilhelm Berger, <strong>Heimat</strong> <strong>Rundblick</strong> 27. Jahrgang,<br />

4/2014 Nr. 111, und Wilhelm Berger,<br />

<strong>Heimat</strong> <strong>Rundblick</strong> 27. Jahrgang, 1/2015 Nr.<br />

112<br />

9<br />

Wikipedia:<br />

https://de.wikipedia.org/wiki/Eleonore_Kat-<br />

harine_von_Pfalz-Zweibr%C3%BCcken-<br />

Kleeburg, abgerufen am 8.1.<strong>2018</strong><br />

10<br />

Erika Thies, Die Landgräfin mit den zwei<br />

Klöstern, in: Weser Kurier, 9.6.2007.<br />

11<br />

www.worpswede-moordoerfer.de, abgerufen<br />

2.2.<strong>2018</strong><br />

12<br />

Heike Albrecht, Worpswede, Künstler verändern<br />

ein Dorf. Untersuchung zur baulichen<br />

Entwicklung Worpswedes zwischen<br />

1889 und 1929. Diplomarbeit Universität<br />

Hannover 1988<br />

13<br />

Radio Bremen, Worpswede gestern und<br />

heute. 1953. Kopie der Sendung in meinem<br />

Archiv.<br />

14<br />

Mündlicher Bericht von Thomas Schiestl<br />

und Christel Meiners-DeTroy 2017<br />

15<br />

Christa Meiners-DeTroy, Das schweigsame<br />

Dorf am Weyerberg, Fischerhude 2016<br />

16<br />

Anning Lehmensiek, Juden in Worpswede.<br />

Bremen 2014<br />

17<br />

Internetseite Freiwillige Feuerwehr<br />

Worpswede<br />

RUNDBLICK <strong>Frühjahr</strong> <strong>2018</strong>


Ausstellung „Schwebschrauben und Scheinblüten"<br />

Werke von Constantin Jaxy im Hafenmuseum Speicher XI in der Bremer Überseestadt.<br />

Der seit vielen Jahren in Oyten lebende und<br />

schaffende Künstler Constantin Jaxy wurde<br />

1957 in Bremen-Walle geboren, studierte an<br />

der Hochschule für Bildende Künstler in Braunschweig<br />

(Meisterschüler bei dem 2017 verstorbenen<br />

Prof. Malte Sartorius) und an der Königlichen<br />

Akademie für Bildende Künstler in Den<br />

Haag - um nur zwei Punkte aus seinem<br />

umfangreichen Lebenslauf zu nennen. Eine<br />

Vielzahl von nationalen und internationalen<br />

Preise lassen sich aufzählen, ebenso Einzel- und<br />

Ausstellungsbeteiligungen weltweit.<br />

Jaxy arbeitet in Schwarz-Weiß - was nicht<br />

schwarz wird, bleibt weiß, Yin und Yang, dunkel<br />

und hell, Stillstand und Bewegung, Technik und<br />

Zeit. Im Hafenmuseum zeigt er kleine und großformatige<br />

Werke, gemalt und gezeichnet mit<br />

Holz, Kohle, Kreide und Grafit auf Papier und<br />

Karton, dazu bewegliche Konstruktionen und<br />

Mobiles. Seine häufigen Reisen, insbesondere in<br />

asiatlische Länder, vermitteln ihm neuartige<br />

Perspektiven, die sich unmittelbar in seinem<br />

künstlerischen Schaffen niederschlagen.<br />

Seine künstlerisches Fühlen und Denken<br />

generiert sich aus der Beschäftigung mit Technik<br />

und Architektur, aus Bewegung und Energie.<br />

Unterwegs fotografiert er viel, um die aktuellen<br />

Eindrucke für spätere Gestaltungen zu konservieren<br />

- so kommen unzählige Fotos zusammen.<br />

Die Ausstellung ist bis zum 8. April <strong>2018</strong> zu<br />

sehen.<br />

Weitere Informationen findet man im Internet<br />

unter www.constantinjaxy.homepage.tonline.de.<br />

Text und Fotos: Jürgen Langenbruch<br />

RUNDBLICK <strong>Frühjahr</strong> <strong>2018</strong><br />

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