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November 2008 als pdf herunterladen - Israelitische ...

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© Alle Fotos: Renhard Engel<br />

in goldgelbes nachmittagslicht sind<br />

die Weinterrassen auf den Hän gen<br />

der nordungarischen Kleinstadt Tokaj<br />

getaucht. Verlässt man diese sanften,<br />

farbenfrohen Hügel, um in das Stadt -<br />

zentrum zu gelangen, empfängt ei nen<br />

ein ganz anderes Bild. Das Städtchen,<br />

das dem weltberühmten Wein den<br />

namen gab, wirkt eher ärmlich und<br />

wenig herausgeputzt. Auf der sich<br />

schlängelnden Hauptstrasse, der<br />

Rákóczi út, bröckelt der Verputz von<br />

den ehem<strong>als</strong> schönen Biedermeier -<br />

häu sern, die den Reichtum der hier<br />

an sässigen Weinbauern und Wein -<br />

händ ler erahnen lassen.<br />

Bereits im 17. Jahrhundert hatten<br />

sich hier auch jüdische Weinhändler<br />

angesiedelt. Als aber die Armee von<br />

Ferenc Rákóczi ii. im Jahre 1680 Tokaj<br />

durch Brandschatzung und Plünde -<br />

rung verunsicherte, verließen die Ju -<br />

den die Stadt. Erst im 18. Jahrhundert<br />

kamen sie wieder und konzentrierten<br />

sich auf die Weinproduktion: Sie<br />

pachteten Weingüter und Weinkeller<br />

und waren so erfolgreich, dass sie den<br />

neid ihrer mitbewerber erregten: Ab<br />

1798 durften sie keinen hochqualitativen<br />

Wein mehr herstellen und zwei<br />

Jahre später wurde ihnen auch die<br />

Pacht und der Kauf von Wein gär ten<br />

in Tokaj untersagt – mit Aus nah me<br />

eines kleinen Bezirkes.<br />

Doch die Juden in Tokaj ließen sich<br />

nicht entmutigen: Sie bewohnten an -<br />

sehnliche Häuser, errichteten soziale<br />

und wohltätige Einrichtungen für die<br />

Gemeinde - und sie bauten eine schöne,<br />

mächtige Synagoge, eine der zehn<br />

JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />

größten in Ungarn. Um die mitte des<br />

19. Jahrhunderts hatten die Juden<br />

schon viele andere Geschäftsfelder für<br />

sich entdeckt: 1879 öffnete eine Zünd -<br />

holz fabrik, und es gab jüdische Ban -<br />

ken, die wesentlich zur industriellen<br />

Entwicklung der Gegend beigetragen<br />

haben. Die Juden in Tokaj waren<br />

Hand werker und Händler, ein Teil<br />

hatte auch akademische Berufe. Die<br />

Gemeinde war orthodox-religiös und<br />

unterhielt jüdische Schulen mit intensiven<br />

Thorastudien.<br />

Zionismus made in Tokaj<br />

in den 1930er Jahren wurde Tokaj –<br />

heute rund zweieinhalb Stunden von<br />

Budapest entfernt - zu einem wichtigen<br />

Zentrum zionistischer Aktivitä ten.<br />

Während der Großteil der mittel -<br />

klas se nicht selbst an Alijah dachte, so<br />

unterstützten sie dennoch die idee,<br />

in dem sie Geld sammelten und den<br />

Zio nismus propagierten: Die Jugend -<br />

be wegung Barisia förderte eine be -<br />

trächt liche Einwanderung aus dieser<br />

Region nach Palästina.<br />

1938 zählte man bei einer Gesamt be -<br />

völkerung von 5.903 Personen knapp<br />

über eintausend Juden. Un garn, zu<br />

Kriegsbeginn Verbündeter des nS-Re -<br />

gimes, erließ diskriminierende Ju den-<br />

Gesetze, unter denen die jüdische<br />

Gemeinde sehr bald zu leiden hatte:<br />

Die männer über 40 wurden zur<br />

Zwangsarbeit verpflichtet und einige<br />

der wohlhabenden mitglieder der<br />

Tokajer Gemeinde wurden in das KZ<br />

in Kistarcsa deportiert.<br />

Letzte Spuren<br />

jüdischen Lebens<br />

in Tokaj und Mád<br />

Reportage aus dem<br />

nordöstlichen Ungarn<br />

VON MARTA S. HALPERT<br />

im April 1944, einen monat nach<br />

der Besetzung durch die Deutschen,<br />

pferchte man die Juden zuerst in ein<br />

Ghetto und in der Folge verschleppte<br />

man sie nach Auschwitz. nach dem<br />

Krieg kamen nur 112 Juden nach To kaj<br />

zurück. Derzeit leben zwei Juden in<br />

der Stadt.<br />

Lajos Löwy und die „koschere<br />

Tränke“<br />

Verlässt man die Rákóczi út, um an -<br />

dere Straßenzüge zu entdecken, sieht<br />

man meist kleine Häuser mit Vorgär -<br />

ten. Aber plötzlich ragt ein hell-gelb<br />

gestrichenes, riesiges Gebäude, wie<br />

ein Fremdkörper, aus der Kleinstadt -<br />

idylle heraus. Es ist die mit EU-Gel -<br />

dern renovierte Synagoge von Tokaj.<br />

An der Stelle, wo das ursprüngliche<br />

Gebäude aus dem 17. Jahrhundert im<br />

Jahr 1890 durch ein Feuer zerstört<br />

wurde, wurde eine neue Synagoge mit<br />

1.000 Sitzen errichtet. nachdem diese<br />

im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt<br />

wurde, hat die jüdische Gemein -<br />

de die Ruine 1960 verkauft. Erst 1990<br />

wurde die Fassade wieder hergerichtet,<br />

das innere ist noch immer eine<br />

Bau stelle, weil man keine Verwen dung<br />

für das Haus hatte. Knapp dahinter<br />

steht ein neues Glaskonstrukt, das<br />

heu te <strong>als</strong> Kulturzentrum genutzt wird.<br />

Ein niedriges quadratisches Ge bäu -<br />

de mit einer kleinen Kuppel ist heute<br />

der „jüdische Treffpunkt“ : Es ist ein<br />

ehem<strong>als</strong> chassidisches Stibl (Beth Ha -<br />

midrasch), das um 1930 von einem reichen<br />

Eisenwarenhändler errichtet<br />

30 november <strong>2008</strong>/Cheschwan 5769

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