November 2008 als pdf herunterladen - Israelitische ...
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Überall & nirgendwo<br />
KULTUR • KOLUMNE<br />
im Prinzip ist eine Grippeimpfung keine große Angelegenheit. Allerdings,<br />
wenn man dazu ins „Y“, in die Ym & YWHA (Young men’s & Young Women’s<br />
Hebrew Association), noch dazu zu einer Aktion des dortigen Senior Center<br />
Pro grams, in inwood, manhattan, geht, dann wird selbst eine Grippeimpfung<br />
zum Ereignis. Trotz Voranmeldung, mit nummer und genauer Zeitangabe, wird<br />
man in einen Warteraum geführt, in dem bereits die Unruhe zu verspüren ist,<br />
die die folgende Stunde begleiten wird. Einige mit viel niedrigerer nummer<br />
kommen zu spät. man wird aufgefordert sitzen zu bleiben. nach einiger Zeit<br />
werden etwa fünf bis sechs nummern aufgerufen, auch unsere sind dabei. Über<br />
ei nen langen Gang und Stiegen geht es ins Kellergeschoß, in einen anderen<br />
Wartesaal.<br />
Dort werden einem Formular in die Hand gedrückt, mit der Aufforderung, zu<br />
warten bis man zum Ausfüllen aufgerufen wird. Please sit down. Die schüchterne<br />
Frage, ob man denn das Formular selbst ausfüllen darf, wird mit Unver ständ -<br />
nis begegnet, aber mit einem eher unwilligen ‘Ja’ beantwortet. Trotzdem: die<br />
Formulare müssen überprüft werden. Weil ich angab, dass wir zu Hause we der<br />
Englisch noch Spanisch sprechen, redet mich meine „Betreuerin“ auf Russisch<br />
an (die vielen sehr alten Leute um mich kämen vermutlich besser mit Deutsch zu<br />
recht). Das Formular wird genehmigt und es geht weiter, zur nächsten Station.<br />
nicht zur impfung, wie man vielleicht annehmen hätte können, sondern in<br />
einem weiteren Wartesaal, zum Ausfüllen eines weiteren Formulars mit mehr<br />
oder weniger den gleichen Fragen. Auch dieses Formular wird begutachtet und<br />
überprüft, hauptsächlich von freiwilligen (älteren, weiblichen, sehr freundli -<br />
chen) Helfern des Centers. Wiederum ruft die Antwort meiner Frau, keine So -<br />
ci al Security number zu haben, Unverständnis hervor. ich habe, unberufen, eine<br />
solche und kann mir daher eine entsprechend langwierige Erklärung schenken.<br />
Übrigens auch in diesem Wartesaal wurden wir ständig zum Sitzen bleiben<br />
aufgefordert.<br />
Es geht weiter. nunmehr offensichtlich in Richtung impfung. Vor einem Zim -<br />
mer, in dem drei Ärzte ordinieren, sind etwa ein Dutzend Sessel der Reihe nach<br />
aufgestellt. Please sit down! immer wenn eine Person endlich das Arztzimmer be -<br />
treten darf – manches mal sind es sogar bis zu drei – stehen alle auf und setzen<br />
sich einen Sessel weiter. Ein junger mitarbeiter des Zentrums überwacht die<br />
peinlich genaue Durchführung des Sesselwechselns. Weil ich mich weigere, am<br />
„medical chairs“ Spiel teilzunehmen und einfach stehen bleibe, schaut er mich<br />
ganz giftig an. Es ist ihm offensichtlich unverständlich, dass man seine Vor sor ge<br />
nicht honoriert. Es juckt mich ihm zu sagen, dass man auch vom Sessel fallen<br />
kann. ich lasse es aber dann doch des Friedens willen bleiben. in der Zwi -<br />
schen zeit stehen die anderen brav auf und setzen sich auf den nächsten Sessel.<br />
im namen der Ordnung der Dinge.<br />
Endlich! Wir kommen an die Reihe! mein mitpatient schräg gegenüber legt<br />
sich seine Kappe über das Gesicht, damit er die impfnadel nicht sehen muss.<br />
Er sagt, das hätte er die letzten siebzig Jahre auch so gemacht. Die anderen la -<br />
chen verständnisvoll. Die impfung selbst dauert keine 30 Sekunden und schon<br />
ist man wieder draußen. Allerdings, seit dem Eintreffen im „Y“ ist rund eine<br />
Stunde vergangen, akkustisch versehen mit unzähligen Aufforderungen zum<br />
Sitzen bleiben bzw. den nächsten, dem Arztzimmer näher gelegenen Sessel ein -<br />
zunehmen. mich beschleicht langsam der Verdacht, dass der gesamte bisherige<br />
Ablauf der Dinge auch <strong>als</strong> Beschäftigungstherapie gedacht war.<br />
Viele der mitwarter scheinen zum mittagessen im Center zu bleiben. Zu ei nem<br />
Kostenbeitrag von einem Dollar und fünfzig Cents! Eine tolle Sache für viele,<br />
zum größten Teil sehr alte Emigranten, mit offensichtlich sehr kleinen Pen sio nen.<br />
P. Weinberger<br />
Steinstellung nach<br />
Frau Fela Grünwald<br />
findet am<br />
30. <strong>November</strong> 08,<br />
um 11.30h<br />
am Zentralfiredhof 4. Tor,<br />
statt.<br />
Buchprojekt<br />
Leopoldstädter<br />
Tempel<br />
Gesucht werden:<br />
• Zeitdokumente,<br />
• Photos und<br />
• Schilderungen.<br />
Zusendungen an die<br />
Redaktion "Die Gemeinde"<br />
oder an herkarplus@aol.com<br />
Auszeichnung für<br />
David Grossman<br />
Der israelische Schriftsteller David<br />
Gross man wird mit dem „Geschwis ter-<br />
Scholl-Preis“ ausgezeichnet. Der i s ra e -<br />
li erhält den mit 10.000 Euro do tier ten<br />
Preis für seinen Essayband „Die Kraft<br />
zur Korrektur“ und ausdrücklich auch<br />
für sein Gesamtwerk.<br />
„Grossmans Werk zeichnet sich durch ei ne<br />
erfindungsreiche und literarisch faszinierende<br />
Art aus, indem es von den menschlichen<br />
Leidenschaften, Traumata und<br />
Äng sten unserer Zeit erzählt“, begründete<br />
die Jury ihre Entscheidung. Wie<br />
kein anderer seiner Generation habe<br />
er immer wieder neu über den Zu -<br />
sam menhang von Literatur und Poli -<br />
tik nachgedacht. in „Die Kraft zur<br />
Korrektur“ plädiere er für eine Lite -<br />
ra tur, die auch unter der Bedingung<br />
des Krieges ein Refugium der Frei -<br />
heit bleiben müsse. Hervorgehoben<br />
wurde auch sein nicht nachlassendes<br />
Drängen, den Dialog zwischen<br />
israelis und Palästinensern nicht aufzugeben.<br />
38 november <strong>2008</strong>/Cheschwan 5769