Mai 2011 - Samtgemeinde Lachendorf
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„Kinder der Stiftung Linerhaus<br />
bekommen einen Einblick in die<br />
chinesische Kultur“<br />
„Der Lehrerin mit einem Nein zu antworten? Das hätte ich<br />
mich in China nie getraut“, erinnert sich Mingchen. „Da<br />
hätte ich zur Strafe sicher nachsitzen müssen.“ Sein Vater<br />
ergänzt: „Auch gegenüber Vorgesetzten gilt ein Nein in<br />
China als sehr unhöflich. Das kann hier in Deutschland<br />
schon mal zu Missverständnissen führen.“ Vor drei Jahren<br />
sind der vierzehnjährige Junge und sein Vater, Wei Chen,<br />
mit ihrer Familie aus China nach Deutschland gekommen.<br />
Nun sitzen sie 12 neugierigen Kindern aus dem Jugendhilfeprojekt<br />
<strong>Lachendorf</strong> der Stiftung Linerhaus gegenüber und<br />
berichten von ihrem Herkunftsland, der chinesischen Kultur<br />
und dem Alltag. Farbenfrohe Fächer, Bilder von pulsierenden<br />
Metropolen, Drachen und Fahrradrikschas bringen fernöstliches<br />
Flair in die Räume des Jugendhilfeprojektes <strong>Lachendorf</strong>.<br />
„Überhaupt ist es in der Schule ganz anders“, berichtet<br />
Mingchen. „Die Schüler sind in China viel disziplinierter<br />
und ehrgeiziger als hier in Deutschland.“ Sie dürften<br />
im Unterricht nicht reden und müssten möglichst still sitzen.<br />
Wer sich nicht an die Regeln halte, müsse zur Strafe zum<br />
Beispiel während des Unterrichts stehen.<br />
„Drei Mal am Tag, morgens, mittags und abends, finden für<br />
alle Schüler gemeinsame Gymnastikübungen statt“, erzählt<br />
der Vater. „Und sie tragen Schuluniform“. Das habe den<br />
Vorteil, dass anhand der Kleidung nicht erkennbar sei, welche<br />
Kinder aus einem wohlhabenden und welche aus einem<br />
armen Elternhaus kämen.<br />
Die jungen Zuhörer sind erstaunt über die Unterschiede<br />
zwischen den Schulsystemen. „Bis fünf Uhr am Nachmittag<br />
geht in China die Schule! Und selbst in den Pausen müssen<br />
die Schüler noch kleine Aufgaben erledigen“, wundert sich<br />
die zwölfjährige Tessa. „Und dann auch noch Hausaufgaben,<br />
da bleibt ja keine Zeit mehr zum Spielen.“<br />
Viel Wissenswertes berichtete Herr Chen auch über Chinas<br />
Geografie und Kultur: „China ist 27-mal größer als Deutschland<br />
und ca. 1,2 Milliarden Menschen leben dort. In<br />
Deutschland zum Vergleich nur 82 Millionen.“ Unvorstellbar<br />
groß sei auch die chinesische Mauer, die hinsichtlich<br />
Volumen und Masse als das größte Bauwerk der Welt gelte.<br />
Der Bau der Mauer, die als Grenzbefestigung vor Angreifern<br />
aus dem Norden schützen sollte, habe 1000 Jahre gedauert.<br />
Der chinesische Drachen symbolisiere Macht. So sei zu<br />
Kaiserzeiten nur dem Kaiser selbst das Tragen von Drachensymbolen<br />
erlaubt gewesen. Von Herrn Chen erfuhren die<br />
Kinder auch vom Philosophen Konfuzius und von der chinesischen<br />
Medizin, die mit Akupunktur und Akupressur auch<br />
in der westlichen Welt bekannt geworden ist.<br />
Schließlich gab Mingchen seinen Freunden aus dem Jugendhilfeprojekt<br />
noch eine handfeste Aufgabe: Mit Ess-Stäbchen<br />
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sollten sie Weingummi aufnehmen und in den Mund balancieren.<br />
Was er selbst geschickt demonstrierte führte bei allen<br />
anderen zu Schwierigkeiten und Lachern.<br />
Seit zwei Jahren besucht Mingchen das Jugendhilfeprojekt<br />
<strong>Lachendorf</strong> der Stiftung Linerhaus. Das brachte die pädagogischen<br />
Mitarbeiter, Matthias Rehli und Lea Borchers, auf<br />
die Idee zu diesem Chinaprojekt. „So können die Kinder<br />
hautnah einen Einblick in eine andere Kultur bekommen“,<br />
freut sich Rehli über das Engagement von Mingchen und<br />
seinem Vater. Und manche Anregung für das deutsche<br />
Schulsystem nimmt der Sozialpädagoge auch mit: „Die täglichen<br />
Bewegungsübungen in der Schule fände ich toll! Das<br />
wäre ein sinnvoller Ausgleich für die vielen Stunden, die die<br />
Kinder hierzulande vor dem Computer verbringen“.<br />
Zum Abschluss überreichten Mingchen und sein Vater allen<br />
Kindern der Stiftung Linerhaus einen Glückskeks und ihren<br />
Namen in chinesischen Schriftzeichen.