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Juni 2018 I Jahrgang 17 I Nr. 192<br />
Blickpunkt 07<br />
Was, wenn das liebe Geld nicht wäre?<br />
Viele Betriebe verfolgen mit Spannung die Diskussionen, ob ein bedingungsloses Grundeinkommen nötig wird. Besonders treibt sie dabei die<br />
Frage um, ob die Menschen dann überhaupt noch arbeiten würden. VON ALISA GRÜN<br />
In Zeiten der Digitalisierung,<br />
wird die körperliche Arbeitskraft<br />
in zahlreichen Unternehmen<br />
– egal welcher Branche – immer<br />
weniger benötigt. Dadurch<br />
werden in Zukunft Arbeitsplätze<br />
wegfallen. Das ist soweit bekannt.<br />
Diese Umbrüche des Arbeitsmarktes<br />
nun aber mit einem BGE zu lösen,<br />
sehen die Konzernchefs meist<br />
kritisch.<br />
Das zeigte eine kürzlich veröffentlichte,<br />
deutschlandweite Umfrage<br />
der Beratungsgesellschaft Ernst &<br />
Young. Lediglich 14 Prozent, der<br />
mehr als 300 befragten Führungskräfte,<br />
befürworten das BGE.<br />
Auch die Auswirkungen der Digitalisierung<br />
auf die Zahl der Arbeitsplätze<br />
zeichnet die Umfrage ab: In<br />
17 Prozent der Unternehmen wurden<br />
in den letzten fünf Jahren deshalb<br />
Mitarbeiter abgebaut. Vor allem<br />
sei dabei der Finanzsektor betroffen<br />
(43 Prozent).<br />
ZURÜCKHALTUNG Wie viele<br />
andere angefragte Unternehmen,<br />
halten sich die regionalen Finanzunternehmen<br />
mit einer Einschätzung<br />
zu diesem „heiklen und politischen“<br />
Thema zurück. Klar ist,<br />
dass durch digitale Angebote ein<br />
Abbau von Mitarbeitern und Filialen<br />
in den vergangenen Jahren nahezu<br />
überall zu verzeichnen ist.<br />
Als weiteren Aspekt beleuchtet die<br />
Umfrage, ob die Arbeitsmotivation<br />
– vor allem in den unteren Einkommensklassen<br />
– sinken<br />
würde, sobald ein BGE ausgezahlt<br />
werden würde. Dieser Aussage<br />
stimmten zwei Drittel der Manager<br />
zu. Uwe Schaubhut, Geschäftsführer<br />
von All Jobs Personalservice<br />
in Crailsheim, sagt: „Wir<br />
sehen aktuell bei uns in der Region,<br />
dass wir eine Vollbeschäftigung<br />
haben und jeder, der Arbeit<br />
sucht, kann Arbeit finden.“ Natürlich<br />
auch immer vorausgesetzt,<br />
dass offene Stellen gegeben sind.<br />
Die Motivation zu Arbeiten richte<br />
sich dann laut ihm auch jetzt<br />
schon über die Einkommenshöhe<br />
beziehungsweise die Höhe der<br />
ausgezahlten Grundsicherung.<br />
Das würde sich auch im Falle der<br />
Einführung eines BGE – welches<br />
seiner Vorstellung nach, wie im<br />
finnischen Modell, nur an Arbeitssuchende<br />
ausgezahlt wird – nicht<br />
ändern.<br />
Das „heiß diskutierte Thema“<br />
BGE, verfolgt Schaubhut schon<br />
länger in der Praxis von Finnland.<br />
Dort wird das Experiment, bei welchem<br />
2000 Menschen bereits ein<br />
monatliches, vom Staat gezahltes<br />
Einkommen erhalten, allerdings<br />
nach etwa eineinhalb Jahren abgebrochen.<br />
Schaubhut sagt aber:<br />
„Den Grundgedanken mit dem<br />
Grundeinkommen finde ich gut.“<br />
Denn dadurch würden bürokratische<br />
Hürden verschwinden und<br />
der aktuell hohe Verwaltungsaufwand<br />
eingespart.<br />
Peter Dietz, Geschäftsführer von<br />
„DS – Der Seniorendienst“ in<br />
Wallhausen, findet, dass sich die<br />
Idee eines BGE von beispielsweise<br />
1000 Euro pro Person im Monat<br />
zunächst faszinierend anhöre. Vor<br />
allem mit Hinblick darauf, wenn<br />
infolge der Digitalisierung der<br />
Mensch im Arbeitsprozess nur<br />
noch wenig gebraucht werde. Er<br />
sagt aber auch, dass es menschlich<br />
und damit nicht ausgeschlossen<br />
wäre, dass sich Menschen im<br />
unteren Einkommensbereich –<br />
auch solche mit qualifizierten Ausbildungen<br />
– entschließen würden,<br />
überhaupt keine bezahlte Tätigkeit<br />
mehr auszuüben.<br />
Er sagt: „Im Hinblick auf den allgemeinen<br />
Fachkräftemangel,<br />
wäre dies eine katastrophale Entwicklung.<br />
Unsere Erfahrung ist,<br />
dass schon bisher Arbeitnehmer,<br />
die neben einem Teilzeitgehalt<br />
Transferleistungen bekommen,<br />
bewusst nicht mehr arbeiten wollen,<br />
um diese Leistungen nicht gekürzt<br />
oder ganz gestrichen zu bekommen.“<br />
Abrechnung: Das „Geld ohne Leistung“ polarisiert auch in der Region.<br />
ABWÄGUNG Allgemein betrachtet,<br />
sieht er keine Vorteile in<br />
der Einführung eines BGE. Im Gegenteil<br />
– Dietz sagt: „Nachteile<br />
sind die sehr wahrscheinliche exorbitante<br />
Erhöhung der Steuerbelastung.“<br />
Die Personalfindung<br />
würde noch schwieriger werden<br />
und die Situation für die zu pflegenden<br />
Menschen und ihre Angehörigen<br />
zuhause würde sich wesentlich<br />
verschlechtern. Außerdem<br />
würde laut Dietz die Fluktuation<br />
des Personals vermutlich<br />
noch mehr zunehmen.<br />
„Bei der derzeitigen Arbeitsmarktsituation<br />
mit Vollbeschäftigung<br />
und hohem Lebensstandard können<br />
wir für DS – Der Seniorendienst<br />
und auch allgemein keine<br />
Vorteile für ein BGE erkennen, die<br />
diese Nachteile ausgleichen würden“,<br />
fasst der Geschäftsführer zusammen.<br />
Auf die Frage, wie er sich die Finanzierung<br />
eines BGE vorstelle,<br />
antwortet Dietz: „Die Finanzierung<br />
und die Erhaltung unserer<br />
freiheitlichen demokratischen<br />
Grundordnung ist volkswirtschaftlich<br />
und gesellschaftspolitisch die<br />
größte Herausforderung wenn<br />
man sich der Idee des BGE nähern<br />
möchte.“<br />
CHANCEN Sowohl in der höheren<br />
Besteuerung der Arbeitnehmer,<br />
als auch der mittelständischen<br />
Unternehmen sieht er keine<br />
Lösung. Eine technische Entwicklung,<br />
wie sie die Digitalisierung in<br />
allen Branchen mit sich bringt,<br />
sollte laut Dietz nicht verteufelt<br />
werden, sondern als „Chance zur<br />
Verbesserung der allgemeinen Lebensqualität“<br />
gesehen werden. Er<br />
sagt: „Die Gesellschaft sollte sich<br />
deshalb eher mit der Frage beschäftigen,<br />
wie die Lebensqualität<br />
im Gemeinwesen insgesamt verbessert<br />
werden kann. Unser Staatssystem<br />
ist unter anderem auf Freiheit,<br />
soziale Gerechtigkeit und<br />
Rechtsstaatlichkeit aufgebaut.“ Er<br />
plädiere daher für eine Politik,<br />
die allen ermögliche, sich nach<br />
Kräften zu entfalten und, dass denjenigen,<br />
die hierzu nicht in der<br />
Lage seien im Einzelfall geholfen<br />
werde.<br />
Dietz sagt weiter: „Arbeiten hat unter<br />
anderem auch etwas mit Selbst-<br />
Foto: dpa<br />
verwirklichung, Wertschätzung,<br />
Selbstbestimmung und dem Gefühl<br />
gebraucht zu werden zu tun.<br />
Man sollte deshalb unser Sozialsystem<br />
eher weiterentwickeln, als<br />
mit der Gießkanne allgemein das<br />
Einkommen zu erhöhen.“<br />
Tobias Glass, Geschäftsführer von<br />
Temperso Personaldienstleistungen,<br />
vertritt eine klare Meinung:<br />
„Ein bedingungsloses Grundeinkommen<br />
sehe ich als nicht realistisch<br />
an. Für Leistungen keine Gegenleistung<br />
erbringen zu müssen,<br />
ist ein falsches Signal für die Gesellschaft.“<br />
Gehe man von der Regel<br />
„wer arbeitsfähig ist, muss<br />
zum Erhalt des Sozialstaates beitragen“<br />
aus, wäre das BGE für ihn<br />
der falsche Ansatz: „Wenn breite<br />
Gesellschaftsschichten arbeitsfähig<br />
sind, jedoch nicht bereit sind<br />
zu arbeiten, dann gefährdet dies<br />
den Sozialstaat. Um die Gefahr eines<br />
Sozialabbaus in Deutschland<br />
abzuwenden, muss der Staat Arbeit<br />
als Voraussetzung für ein<br />
Grundeinkommen einfordern.“<br />
Mit einem Job zurück in die Gesellschaft<br />
Sowohl der Vorstand der Bundesagentur als auch die Leitein der Arbeitsagentur Schwäbisch Hall-Tauberbischofsheim positionieren sich gegen ein Grundeinkommen<br />
und fordern den Staat auf, Regeln für einen sozialen Arbeitsmarkt auf den Weg zu bringen. VON KERSTIN DORN<br />
Sollen Arbeitslose ein bedingungsloses<br />
Grundeinkommen<br />
bekommen? Soll es Geld vom<br />
Staat geben, ohne dass sie den<br />
Gang zum Arbeitsamt auf sich nehmen<br />
oder sich um eine Arbeit bemühen<br />
müssen? Können sich die<br />
Leistungsbezieher die nervenaufreibende<br />
Arbeitssuche, die Vorstellungsgespräche<br />
und den Stress im<br />
Job bald ersparen? Was sagen diejenigen<br />
dazu, die unbesetzte Stellen<br />
vermitteln oder die für finanzielle<br />
Leistungen die Bereitschaft<br />
ihrer Kunden zum Arbeiten konsequent<br />
einfordern?<br />
Der Vorstandschef der Bundesagentur<br />
für Arbeit, Detlef Scheele,<br />
Beschäftigung: Für Karin Käppel, die Leiterin der Agentur für Arbeit Schwäbisch Hall-Tauberbischofsheim,<br />
hat der Weg in den ersten Arbeitsmarkt oberste Priorität.<br />
Foto: NPG-Archiv<br />
positioniert sich klar gegen Forderungen<br />
nach einem solidarischen<br />
Grundeinkommen als Alternative<br />
zu Hartz IV und fordert die Regierung<br />
auf, die im Koalitionsvertrag<br />
vereinbarten Regelungen für einen<br />
sozialen Arbeitsmarkt auf den<br />
Weg zu bringen. „Der Staat würde<br />
sich freikaufen von seiner Verantwortung,<br />
sich um die Arbeitslosen<br />
zu kümmern“ sagte er dem „Tagesspiegel<br />
am Sonntag“, und „die<br />
meisten Menschen, die arbeitslos<br />
sind oder in schwierigen Beschäftigungsverhältnissen<br />
stecken, wollen<br />
lieber eine ordentlich bezahlte<br />
Arbeit.“<br />
Arbeit als Schlüssel zur<br />
gesellschaftlichen Teilhabe<br />
Auch Karin Käppel, Leiterin der Arbeitsagentur<br />
Schwäbisch Hall-Tauberbischofsheim,<br />
vertritt diese Ansicht.<br />
Auf Nachfrage von REGIOBU-<br />
SINESS erklärte sie: „Unser Anliegen<br />
ist es, Menschen so zu unterstützen,<br />
dass sie eine Arbeit aufnehmen<br />
können.“ Erwerbstätigkeit<br />
sei für viele Menschen der<br />
Schlüssel zur gesellschaftlichen<br />
Teilhabe. Deshalb sollte jeder<br />
selbst für seinen Unterhalt verantwortlich<br />
sein. Nur wenn er das<br />
nicht könne, solle die Gesellschaft<br />
einspringen. Allein der Name ,bedingungsloses<br />
Grundeinkommen’<br />
sei schwierig, denn er sei nah am<br />
Begriff des ,solidarischen Grundeinkommens’,<br />
habe aber nichts<br />
damit zu tun. In der Diskussion<br />
»Jeder sollte<br />
selbst für seinen<br />
Unterhalt verantwortlich<br />
sein. Nur<br />
wenn er das nicht<br />
kann, springt die<br />
Gesellschaft ein.«<br />
bleibe zudem oft unberücksichtigt,<br />
dass es eine Vielzahl an Modellen<br />
zum ,bedingungslosen<br />
Grundeinkommen’ mit ganz unterschiedlichen<br />
Richtungen gäbe.<br />
Letztendlich aber hätten die Gegner<br />
und Befürworter ein gemeinsames<br />
Ziel: die finanzielle Absicherung<br />
und soziale Teilhabe der<br />
Menschen sicherzustellen.<br />
„Spannender ist für mich das, was<br />
im Koalitionsvertrag steht. Es wurden<br />
Mittel für einen sozialen Arbeitsmarkt<br />
eingestellt. Dabei geht<br />
es um Menschen, die so große<br />
Probleme haben, dass sie so gut<br />
wie keine Chance auf dem regulären<br />
Arbeitsmarkt haben. Um ihnen<br />
gesellschaftliche Teilhabe zu<br />
ermöglichen, braucht es sozialversicherungspflichtige<br />
Jobs auf dem<br />
sozialen Arbeitsmarkt. Die betroffenen<br />
Menschen müssen wir intensiv<br />
betreuen. Dies gilt nur für ganz<br />
arbeitsmarktferne Menschen und<br />
soll eine Brücke in den ersten Arbeitsmarkt<br />
sein. Bei allen anderen<br />
bemühen wir uns, durch abschlussorientierte<br />
Qualifizierung,<br />
Ausbildung und Vermittlung einen<br />
Weg in den ersten Arbeitsmarkt zu<br />
bauen“, sagt Käppel.