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Download 10 MB - Theater Krefeld / Mönchengladbach

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Gibt es inhaltliche oder auch moralische Grenzen oder ist<br />

alles erlaubt?<br />

� � � � � � � � � � � � � �<br />

Michael Grosse: Alles, was nicht Menschen verletzend ist,<br />

ist erlaubt. Es gibt ethische Grenzen, die mit dem Respekt<br />

vor dem Menschen einhergehen: Rechtem Gedankengut<br />

sollte man niemals ein Sprachrohr geben!<br />

Andreas Wendholz: Nacktheit ist nach wie vor ein Tabu.<br />

Doch unsere Gesellschaft ist so übersexualisiert, warum<br />

ist das dann auf der Bühne ein Akt, der aufstößt? Hängt<br />

das damit zusammen, weil man dem so nah ausgesetzt<br />

ist? Ich weiß es nicht.<br />

Matthias Gehrt: Ich versteh’ das schon: Hitchcock hat<br />

die Menschen mal in Voyeure und Exhibitionisten eingeteilt.<br />

Ich gehöre definitiv zu den Voyeuren, Schauspieler<br />

sind Exhibitionisten und Nacktheit auf der Bühne ist die<br />

maximale körperliche Exhibition. Warum sind Schauspieler<br />

überhaupt aufgeregt? – Weil sie ständig Grenzen<br />

überschreiten und weil sie sich dabei angucken lassen! Bei<br />

ihnen ist es eine permanente Grenzüberschreitung. Und<br />

dann ist es natürlich noch die Frage, ob sie dabei nackt<br />

oder bekleidet sind. Zuschauer wissen um die Tatsache,<br />

dass sie Voyeure sind. Steht dann jemand nackt vor ihnen,<br />

fühlen sie sich – denke ich – ertappt.<br />

Es gibt sehr viele Tabus, die schon abgeräumt wurden.<br />

Für mich als Regisseur ist ein Tabubruch eine Frage des<br />

persönlichen Geschmacks und der persönlichen Verantwortung.<br />

Die Grenzen sind fließend: Was für die einen<br />

ein absoluter Tabubruch ist, ist für die anderen nur eine<br />

Lappalie.<br />

Andreas Wendholz: Das <strong>Theater</strong> ist ein geschützter Raum,<br />

wo Grenzen überschritten und Beengung aufgezeigt werden<br />

dürfen und sollen. Dabei ist es für mich ganz wichtig,<br />

dass man vor dem Fremden und Unbekannten keine<br />

Angst hat, sondern Interesse entwickelt und sich darauf<br />

einlässt.<br />

12<br />

Michael Grosse: Das Fremde gehört auch auf die <strong>Theater</strong>bühne<br />

und kann zunächst mal als Tabu empfunden<br />

werden, da stimme ich Andreas Wendholz zu. Wenn man<br />

bestimmte Grenzen überschreitet, ist das für die Macher<br />

wie fürs Publikum gleichermaßen immer eine sehr große<br />

und aufregende Herausforderung!<br />

Mihkel Kütson: In der Musik sehe ich momentan kaum<br />

Tabus. Die Musikgeschichte verläuft in Wellen. Jetzt<br />

kommt eine Phase, in der es wieder schön klingen darf<br />

und Melodie und Harmonie keine Tabus mehr sind. Eine<br />

Zeit lang galt es entweder, so kompliziert zu schreiben,<br />

dass keiner mehr etwas verstand, oder so zu „plattitüdisieren“,<br />

dass alles nur noch flach klang. Ich hoffe, jetzt<br />

kommt wieder etwas, was sowohl den Verstand als auch<br />

die Seele anspricht!<br />

Robert North: Ich habe keine Tabus. Als Choreograf<br />

kannst du eigentlich machen, was du willst. Aber wir<br />

haben hier auch den beiden Städten und den Menschen,<br />

die zu uns kommen, gegenüber eine Verantwortung und<br />

Verpflichtung. Ihnen versuche ich etwas zu bieten, was sie<br />

wirklich interessiert und mitreißt!<br />

Was erwartet das Publikum in dieser Spielzeit?<br />

� � � � � � � � � � � � � �<br />

Matthias Gehrt: Die Schwerpunkte, die wir uns bislang<br />

vorgenommen haben, haben funktioniert. Uns interessiert<br />

weiterhin die Frage „Wer ist wir?“, in der Reihe Außereuropäisches<br />

<strong>Theater</strong> werden wir uns weiterhin Westafrika<br />

zuwenden, der Regisseur und Autor Jorge Angeles aus dem<br />

mexikanischen Guadalajara wird uns mit seinem Stück Ya<br />

Basta! in die Welt seines an vorspanische Traditionen anknüpfenden<br />

indigenen <strong>Theater</strong>s locken, Ingrid Lausunds<br />

Benefiz – jeder rettet einen Afrikaner und Elfriede Jelineks<br />

Wolken.Heim stellen auf ihre Weise Fragen nach unserer<br />

gesellschaftlichen Identität, mit Ewig jung und König Lear<br />

beschäftigen wir uns auf komische und tragische Weise<br />

mit dem Altwerden, in Anton Čechovs Der Kirschgarten<br />

mit den Schuldenbergen und der Unfähigkeit zum Um-<br />

steuern und mit Pension Schöller lassen wir es komödiantisch<br />

krachen. Aber es gibt noch viel mehr zu sehen!<br />

Michael Grosse: Wir haben die Erfahrung gemacht, dass<br />

es ein interessiertes Publikum für literarische Texte<br />

gibt. Deshalb werde ich meine Rezitationsabende gerne<br />

fortführen. In Die Macht des Gesanges trage ich klassische,<br />

deutsche Balladen vor. Da wird man bekannte und<br />

unbekannte Texte von den vier Autoren Goethe, Schiller,<br />

Heine und Uhland hören. Dabei haben alle Balladen<br />

natürlich auch etwas mit dem Titel zu tun. Es geht um<br />

die Frage der Macht von Kunst. Welche Kraft hat Kunst?<br />

Wie kann sie Menschen verändern? Und die Balladen<br />

werfen auch Wertefragen auf und beleuchten Themen wie<br />

Machtmissbrauch oder Treue.<br />

Robert North: Für meine tänzerische Interpretation von<br />

Carmen habe ich die Musik neu komponieren lassen,<br />

denn Bizets Musik ist Oper, nicht Ballett. Ich wollte zurück<br />

zur ursprünglichen Geschichte, die ich mit Jazz und<br />

Flamenco erzähle. Spanien lässt sich nun mal tänzerisch<br />

gut darstellen und die Partitur von Benstead ist fantastisch<br />

zum Tanzen!<br />

Ich liebe es, <strong>Theater</strong> im <strong>Theater</strong> zu spielen. Man kann<br />

einer Choreografie auch leichter folgen, wenn sie eine<br />

Geschichte hat und ich liebe es, Geschichten zu erzählen!<br />

Außerdem hatte ich viel Freude dabei, mir die Kostüme<br />

dafür auszudenken.<br />

André Parfenov hat zudem zum Gedenken an 52 verunglückte<br />

Kinder eines Flugzeugabsturzes ein wundervolles,<br />

sehr einfühlsames und mitreißendes Werk komponiert,<br />

für das ich eine Choreografie namens Verlorene Kinder<br />

kreiere.<br />

Andreas Wendholz: Im Musiktheater wollen wir ein möglichst<br />

breitgefächertes Angebot bieten, doch ohne dabei<br />

beliebig zu sein. Wir fokussieren uns dabei auch bewusst<br />

auf Werke, die man woanders nicht unbedingt zu sehen<br />

bekommt! So haben wir die Chance, uns auch gegenüber<br />

anderen Häusern zu positionieren. Dabei bieten wir ein<br />

Programm von der klassischen Operette bis zum experi-<br />

mentellen Musiktheater. Josefine heißt das herausfordernde<br />

Uraufführungsprojekt, bei dem wir ganz stark auf die<br />

Neugierde unseres Publikums setzen! Wir können nicht<br />

immer nur ein 200 Jahre altes Repertoire reproduzieren,<br />

sondern müssen auch schauen, was nachwächst und was<br />

es Neues zu entdecken gibt!<br />

Aus Anlass von Richard Wagners 200. Geburtstag werden<br />

wir uns seinem politisch aufgeladenem Frühwerk Rienzi<br />

widmen und für die Eröffnung der Spielzeit haben wir<br />

Tschaikowskys selten gespielte Oper Mazeppa ausgewählt,<br />

die wir in der russischen Originalsprache aufführen werden.<br />

Mihkel Kütson: Wir haben lange nach etwas gesucht, was<br />

sich für dieses <strong>Theater</strong> eignet. Durch meine Herkunft<br />

habe ich natürlich eine besondere Beziehung zur russischen<br />

Musik und Sprache. Mazeppa hat eine wunderbare<br />

Partitur und wird meiner Meinung nach völlig zu Unrecht<br />

so selten gespielt! Wir haben für das Werk sehr gute Solisten<br />

und das Thema ist sehr spannend: Es geht um einen<br />

Generationenkonflikt und um eine Liebe, die aufgrund<br />

ihres Altersunterschiedes gesellschaftlich aufstößt, womit<br />

wir auch wieder beim Tabubruch wären.<br />

� � � � � � � � � � � � � �<br />

Und worauf dürfen sich die Konzertbesucher freuen?<br />

Mihkel Kütson: Es geht mir primär darum, gute Musik<br />

mit tollen Partnern zu machen! Ich hoffe, dass sich auch<br />

unser Publikum für diese Begegnungen interessiert und<br />

begeistern lässt! So kommen hochkarätige internationale<br />

Solisten zu uns mit einem jeweils ganz besonderen Repertoire.<br />

Die Besucher erwartet z. B. ein modernes amerikanisches<br />

Trompetenkonzert oder ein russisches Harfenkonzert<br />

mit einem französischen Solisten. Und ganz zum<br />

Schluss verabschieden wir uns mit einem schottischen<br />

Dudelsack in die Ferien!<br />

Die Stücke der einzelnen Konzerte nehmen aufeinander<br />

Bezug und beeinflussen sich dadurch gegenseitig: Wie<br />

romantisch klingt beispielsweise Bruckner nach Korngold?<br />

Welchen gegenseitigen Einfluss kann man zwischen Wer-<br />

13

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