WOLFGANG Z. KELLER · KUNST IST LUXUS
2. Auflage 2018
2. Auflage 2018
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<strong>WOLFGANG</strong> Z. <strong>KELLER</strong><br />
<strong>KUNST</strong> <strong>IST</strong> <strong>LUXUS</strong>
<strong>WOLFGANG</strong> Z. <strong>KELLER</strong><br />
<strong>KUNST</strong> <strong>IST</strong> <strong>LUXUS</strong><br />
»… und ich liebe Luxus!«
Arche Yin, Arche Yang und Leiter zum Runtersteigen<br />
Das weibliche Prinzip Yin und das männliche Prinzip Yang als sowohl entgegengesetzte wie auch aufeinander<br />
bezogene Kräfte sind zum zweiten Mal in der Menschheitsgeschichte in einer Transformationsphase.<br />
Die Frühzeit des heutigen homo sapiens sapiens war wohl matrizentriert.<br />
Die Erde als Mutter allen Seins, die weiblichen Fähigkeiten von Gebären und Ernähren, von Sammeln und kleinem<br />
Ackerbau wurden verehrt in den Kulten der Großen Göttin und Geistin, mit Priesterinnen, Stammesmüttern und<br />
weisen Frauen. Männer spielten eine weniger wichtige Rolle.<br />
Vor ca. 9.000 Jahren begann die Herausbildung des männlichen Prinzips zur „herr“schenden Gesellschaftsform<br />
samt dazugehörigen Religionen. Grundlage dafür waren die Fortschritte in der Entwicklung von Ackerbau, Viehzucht<br />
und Handwerk und in der Folge die steigenden Überschüsse über das Lebensnotwendige hinaus. Auch wurde<br />
die (Er-)Zeugerfunktion entdeckt. Die Fragen von Besitz, Macht und Führung, Eroberung und Krieg, Erbschaft<br />
und Erbrecht traten auf den Plan oder stellten sich neu.<br />
Heute ist ohne solche weiblichen Fähigkeiten wie Intuition, Integration, Spiritualität und Dem-Leben-Dienen echter<br />
Fortschritt nur mehr schwer möglich. Gleichwohl gibt es z.T. erbitterte Kämpfe um Männerdomänen, gesellschaftlich<br />
wie privat, und oft in religiösem Gewand. Auch die Natur rächt sich zunehmend für die ihr zugefügte, langandauernd<br />
exponentielle Vergewaltigung und Ausbeutung. Katastrophen nehmen zu, und das Szenario einer<br />
neuen Sintflut durch die Klimaerwärmung schiene manchen gar als reinigende Strafe. Das Weibliche wie das<br />
Männliche ringen ums Überleben und um neues Leben: Die rundlichere, ruhende Arche Yin und die vorwärtstreibende,<br />
zustoßende Arche Yang.<br />
Für das männliche Prinzip des „Immer höher, schneller, weiter!“ gibt es zwar noch viel naive Begeisterung, aber<br />
die Fragen nach Inhalten, Verhältnismäßigkeit, größeren Zusammenhängen und Nachhaltigkeit lassen sich immer<br />
schwerer beiseite schieben.<br />
Es ist Zeit für die Schau nach Innen, Rückbesinnung auf authentische Weisheiten und Werte. Es ist Zeit für die<br />
Leiter zum Runtersteigen.<br />
Wolfgang Z. Keller, aus dem Zyklus „KauBeuys“<br />
Arche Yin, Arche Yang und Leiter zum Runtersteigen<br />
(Joseph Beuys gewidmet)<br />
Erst-Installation, Südtiroler Futterrinnen von ausgehöhlten Bergkiefern<br />
angesetzte Kiele und Spanten aus Leim- und Fichtenholz, z.T. mit oxidiertem<br />
Kupferblech beschlagen, Speicherleiter geborsten, 1993/1996<br />
LBH 750 x 55 x 35 cm, 700 x 55 x 35 cm, 230 x 50 x 8 cm<br />
»Diese Archetypen sind keine Archetypen«
Allerletzte Warnung<br />
an die Deutsche Bank<br />
Ohne Namen zu nennen – begriffen wurde nichts!<br />
Holz-Gartenbank, Axt, Beuys-Postkarte<br />
2006/2011, HBT 173 x 63 x 165 cm<br />
»Schon Kassandra<br />
warnte vergeblich«
Wie der Hase der Häsin den Hasen erklärt<br />
Schaukasten, Backformen, Postkarte, Stoff, Filzstift, 2004/2008, HBT 22,5 x 51 x 6 cm
»Ach ja – weil Männer immer alles besser wissen!«
Zwei aus dem Rudel<br />
(Claes Oldenburg trifft Joseph Beuys)<br />
1998/2004, landwirtschaftliche Lastschlitten<br />
Parabolantenne, Solarmodul, Survivaldecken<br />
Batterie-Aggregat, Igluzelt<br />
Beuysibär<br />
Teddybär, Herrenhut<br />
Miniatur-Anglerweste,1998/2006<br />
HBT 50 x 30 x 40 cm<br />
7000 Eichen, reloaded<br />
Idee für eine „zeitgenössische“<br />
Interpretation der Beuys-Aktion<br />
von 1982 zur dokumenta 7<br />
»Joseph, liebster Joseph mein,<br />
hilf mir wiegen mein Kindelein!«
Diptychon mit Heiligenbild<br />
Zeitungsaufstellerteile, Holzleisten, Schrauben, 2006, HBT 2 mal 47 x 44 x 5 cm, 27,7 x 24,5 x 2,5 cm
»Ein typisch Bild-gebendes Verfahren …«
»North, East, South, West – Who Tortures Best?«
HolterDiFolter!<br />
(Ein Bärendienst an der Freiheit)<br />
Schmetterlings-Brutkästen, Teddybären, Isolierband, Filz, Blut<br />
2004/2005, Triptychon, HBT je 30 x 22 x 28 cm
Sag mir, wo die Blumen sind …<br />
Leinwand, Ölfarbe, Klarlack<br />
Tesaband, Aluminium<br />
1998/1999, BHT 88 x 70 x 5 cm<br />
»Über Gräbern weht<br />
der Wind …«<br />
Als Kind war ich viel bei meiner Oma. Obwohl<br />
es fast fünfzig Jahre her ist, könnte ich<br />
ihr Wohnzimmer „nachzeichnen“, so hat<br />
es sich mir eingeprägt. Eingeprägt hat sich<br />
auch eine Melange der ungezählten Stunden<br />
an Wochenenden oder in den Ferien,<br />
in denen sie ganze Nachmittage und Abende<br />
mit meiner Schwester, mir und meinem<br />
Busenfreund Heinzi die Kartenspiele Rommé<br />
und Canasta, Flohhupferl, Fang-den-Hut<br />
oder „Das lustige Angelspiel“ spielte.<br />
Und erst die leckeren „Schifferl“, frisches<br />
Brot, bestrichen mit Butter und selbstgemachter<br />
Erdbeermarmelade, für uns Kinder<br />
in mundgerechte Streifen geschnitten! Dazu<br />
gab’s immer leichten schwarzen Tee mit viel<br />
Milch und für mich, nachdem ich 10 Jahre<br />
alt geworden war, zusätzlich einen Schuss<br />
echten Arrak. Was für ein Vorgeschmack<br />
aufs Erwachsensein!<br />
Eines der drei Bilder, die im Wohnzimmer<br />
meiner Oma hingen, war ein Stillleben: Ein<br />
Strauß bunter Blumen in bauchiger Vase.<br />
Nach dem Tod der Oma hatte es mein Onkel<br />
in seinen Keller verfrachtet. Und als ich vor<br />
ein paar Jahren einmal darin stöbern durfte,<br />
fand ich es, ganz oben auf einem Regal<br />
liegend, ein Gutteil der Farbe abgeblättert.<br />
Da fiel mir der Titel ein: “Sag mir, wo die<br />
Blumen sind …“ – vergangen sind sie wie<br />
meine Oma, und auch die so sehr schöne<br />
Zeit mit ihr …<br />
Pähl am Ammersee, Dezember 2010<br />
Wolfgang Z. Keller
Jean-Paul Marats letzte Schlittenfahrt<br />
Zementschütte, Mörtelreste, Leinentuch, 1995/1996, LBH 135 x 80 x 80 cm
»Nicht der Einzige, mit dem schlittengefahren wurde!«
linke Seite<br />
»Das ewige Thema«<br />
Mann und Frau<br />
Erst-Skulptur, Dachbalken mit<br />
Leisten und Farbe auf Eisenfuß<br />
1993, HBT 118 x 13 x 9,5 cm<br />
und 111 x 13 x 10 cm<br />
rechte Seite<br />
»Schlank ja – aber<br />
alles, was recht ist!«<br />
Giacomettis Geliebte<br />
Gezwirbelter Eisendraht,<br />
Rost, Schleifkorken, 1994/2005<br />
HBT 35,5 x 12 x 5,5 cm<br />
(auch als Bronzeguss mit<br />
Marmorsockel)
»Nicht von<br />
Tucholsky – trotzdem gut«<br />
Panther, Tiger & Co<br />
Kratzbäume und Schabstämme aus dem<br />
ehemaligen Raubtierhaus München Hellabrunn<br />
Eisengitter-Zwischentüre, Eisenblech-Falltüre mit<br />
geborstenem Türstock, Fleischerschürze
Konzept für die Installation<br />
„ ... der werfe den ersten Stein.“ – Ein Glashaus für Europa<br />
Seit dem Ende des zweiten Weltkrieges steht die Person Adolf Hitler als Symbol für Brutalität und eine<br />
bis dahin undenkbare Gewaltfähigkeit des Menschen. Es ist wohlfeil, kopfschüttelnd Entsetzen über die<br />
Abartigkeit jener Epoche deutscher Geschichte zu artikulieren, Entsetzen über das verbrecherische<br />
Potenzial Hitlers. Auf ihn reduziert sich oft die Frage nach der Verantwortung, auf ihn läßt sich gut mit<br />
dem Finger zeigen. Allenfalls eine Handvoll Helfershelfer werden noch als Mittäter ausgemacht.<br />
Dabei haben, trotz des offen begonnen Terrors gegen alle Andersdenkenden, bei der Wahl am 5. März<br />
1933 nicht weniger als 43,7 Prozent der Wähler für Hitler gestimmt.<br />
Die Deutschen – ein verführtes Volk? Brave Menschen, die den Obsessionen eines Monsters aufsaßen?<br />
Keiner hat´s gewollt, keiner hat´s gewußt, keiner ist´s gewesen? Auf solche Floskeln beschränkte man<br />
gerade in der Nachkriegszeit die Wahrnehmung des „Sündenfalls Nationalsozialismus“. Die Person<br />
Adolf Hitler wurde zur idealen Projektionsfläche beim Versuch vieler, das eigene Mitlaufen, Mitmachen<br />
oder auch Nichts-Machen zu ignorieren. Hinter Hitler konnte sich die All-Gemeinheit gut verstecken, sich<br />
für nicht zuständig erklären, den eigenen Anteil verharmlosen. Kaum wurde die totale Kapitulation als<br />
Chance ergriffen, sich selbst zu erforschen, das Böse, die Täterseite in sich selbst zu erkennen, eigene<br />
Inhumanitäten, eigene Aggressionen und Fanatismen.<br />
Und heute? Junge Menschen geben sich oft unbesorgt. Das war ja eindeutig vor ihrer Zeit. Aber ist ihre<br />
liberale Geisteshaltung wirklich mehr als nur etwas leicht Gelebtes in unserer großzügigen Gesellschaft?<br />
Würden sie in einer wirtschaftlichen und politischen Krise, die ihren Alltag hautnah berührt, gegen den<br />
Strom schwimmen und Humanismus praktizieren?<br />
Die kollektive Verweigerung seit dem 8. Mai 1945, nach innen zu schauen und den Ursachen für Hitlers<br />
Erfolg bei sich selbst nachzuspüren, ist eine vertane Chance, Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wessen<br />
der Mensch fähig ist – jeder Mensch. Vertan die Chance, der eigenen Anfälligkeit für Ausgrenzung und<br />
totalitäre Ziele, für Gewaltbereitschaft oder Lethargie gewahr zu werden.<br />
Die Installation „ ... der werfe den ersten Stein.“ – Ein Glashaus für Europa soll zu dieser Nachdenklichkeit<br />
animieren. Sie nimmt Bezug auf das Datum vom 5. März 1933. Auch heute, über siebzig Jahre<br />
nach dieser katastrophalen Wahlentscheidung, und sechzig Jahre nach Ende des 2. Weltkrieges, sind<br />
wir nicht immun gegen Feindbilder und Hetze. Unsere Ansprechbarkeit schlummert nur, solange das<br />
Umfeld den Ausbruch solcher Instinkte verhindert. Die öffentliche Diskussion darüber ist zumeist tabu,<br />
verharmlosend, verletzend oder moralisierend. Gerade das birgt die Gefahr einer Wiederholung, jederzeit<br />
und überall, wie zum Beispiel in Kambodscha, Ruanda, Kurdistan, Tschetschenien, im ehemaligen<br />
Jugoslawien und in Deutschland.<br />
München, Juni / Dezember 1995 und Juni 2004, Wolfgang Z. Keller<br />
... der werfe den ersten Stein. 1995/2003<br />
Glashaus, 750 x 450 x 400 cm, mit<br />
spiegelndem Hitlerportrait, 230 x 150 cm<br />
Erst-Aufstellung im Kloster St. Bonifaz, München<br />
Pressefoto aus Süddeutscher Zeitung vom 27. März 1998
Foto Andreas Heddergott
Sprechtext<br />
(ertönt in 90-Sekunden-Abständen<br />
im Original-Glashaus)<br />
Diese Installation „ ... der werfe<br />
den ersten Stein.“ ist ein Glashaus<br />
für Europa, und lädt Sie ein zu einem<br />
sehr persönlichen Experiment.<br />
Hier können Sie sich in einen Zusammenhang<br />
bringen, an den Sie<br />
wahrscheinlich noch nie gedacht<br />
haben: Ihr Spiegelbild im Angesicht<br />
von Adolf Hitler.<br />
Können Sie sich auf diese Konfrontation<br />
einlassen und verweilen,<br />
oder ist Ihnen das unangenehm?<br />
Was haben denn Sie mit Hitler zu<br />
tun?<br />
Vielleicht bietet Ihnen diese Begegnung<br />
eine Möglichkeit, bei sich<br />
selbst Ansichten, Haltungen und<br />
Wertungen zu entdecken, deren<br />
Sie sich bisher gar nicht bewusst<br />
waren.<br />
Vielleicht interessiert Sie aber auch<br />
die Frage: „Wie war Hitler wirklich<br />
– und wie war er möglich?“<br />
Auch darauf könnten Sie in diesem<br />
Glashaus eine sehr persönliche<br />
Antwort finden.<br />
Im Kern bietet diese Installation<br />
Ihnen die Gelegenheit, das Phänomen<br />
Hitler in Ihnen selbst zu<br />
verstehen. Das könnte Ihr Beitrag<br />
sein, um für dieses Stück unerlöster<br />
Geschichte einen Lösungsweg zu<br />
ebnen.<br />
(Wolfgang Z. Keller<br />
und Michael Peter/Bayerischer<br />
Rundfunk für die Aufstellung<br />
in Würzburg 2001, gesprochen<br />
von Joachim Höppner)<br />
Stephansplatz Wien, 2000<br />
und Schloss Dachau, 2005
Spermmüll.<br />
Als ich 2006 von meinem Künstlerfreund Christopher Lewis<br />
eingeladen wurde, bei der Gemeinschafts-Ausstellung „Friendly<br />
Fire“ im Münchner Kunstbunker Tumulka mit zu machen, wollte<br />
ich neben den Objekten „Elektrisches Stühlchen“, „Beten<br />
für den AD“, „Im Fadenkreuz“ und einer Judas-Performance<br />
auch die Titel-Idee „Spermmüll“ realisieren. Dabei muss ich<br />
aber ehrlicherweise zugeben, dass „Spermmüll“ hauptsächlich<br />
als augenzwinkerndes Wortspiel von mir gedacht war.<br />
Umso grösser war mein Erstaunen, als ich beim Pressetermin<br />
vor der Eröffnung einen Fotografen lange vor den drei<br />
spartanisch angenagelten, pseudo-gebrauchten „Parisern“<br />
verweilen sah. Ich sprach ihn deshalb an, auch wenn ich<br />
innerlich eine gewisse Seichtheitsschelte erwartet habe.<br />
Stattdessen zeigte sich der Fotograf tief beeindruckt, weil<br />
ihm angesichts dieser Mini-Installation mit ihrem Titel Gedanken<br />
darüber kamen, wie viel potentielles menschliches<br />
Leben in Spermienform Tag für Tag und Nacht für Nacht<br />
buchstäblich als Müll endet, sei es durch Onanieren, sonstige<br />
Abgänge, alle „zu spät“ bei der Eizelle angekommenen<br />
Spermien usw. ...<br />
Um eine ungefähre Vorstellung von der Dimension zu bekommen,<br />
habe ich recherchiert. Laut Google enthält eine<br />
Ejakulation 200-300 Millionen Spermien, im Mittel also rund<br />
250 Millionen. Allein bei wissenschaftlich geschätzten 350<br />
Millionen Sexualakten täglich ergibt sich die Rechnung:<br />
250.000.000 x 350.000.000 = 87.500.000.000.000.000<br />
oder 87,5 Billiarden Spermien respektive potentielle Menschen,<br />
also mehr als die 12-millionenfache Erdbevölkerung von<br />
derzeit 7,2 Milliarden, tagtäglich als „Spermmüll“ verschwendet.<br />
Ein Überfluss in der Natur von galaktischen Ausmaßen.<br />
Pähl am Ammersee, März 2011<br />
Wolfgang Z. Keller<br />
Spermmüll<br />
Präservativ-Triptychon, Silikon<br />
2006, HBT ca. 20 x 20 x 1 cm
»Ein ‚Über-Fluss‘ von galaktischen Ausmaßen!«
»Was tun, wenn Täter immer jünger werden?«<br />
Elektrisches Stühlchen<br />
Kinderstuhl aus Ex-Jugoslawien, Eisenstäbe, Rohrschellen<br />
Draht, Kabel, 2006, HBT 94 x 40 47 cm
Am 3. Oktober 2013 vor Lampedusa (390 Negerlein …)<br />
Gewebeplane, Schokoküsse, Umverpackung bearbeitet<br />
2014, LBH 400 x 400 x 6 cm<br />
»… da war´n sie<br />
alle futsch!«
Triumph des Willens<br />
Büroschreibmaschine, Farbbänder<br />
Gehäusesplitter<br />
1994/2011, HBT 32 x 86 x 41 cm<br />
»Und bist Du nicht<br />
willig, so brauch’ ich<br />
Gewalt!«
SAU_AUS_USA<br />
9 Holzkästen lackiert, Piktogramme<br />
2007/2011, HBT 70 x 70 x 6 cm<br />
»Welche wird heute durchs Dorf getrieben?!«
»Nur falsch<br />
verstanden ist das<br />
Zynismus«<br />
linke Seite<br />
Sarajevo-Kinderbett<br />
Gebrauchtes, weißes Holzkinderbett<br />
mit Lattenrost, 90 x 65 x 123 cm<br />
geschenkt bekommen Juli 1996<br />
in Sarajevo<br />
Mobile, Durchmesser 500 cm, mit<br />
einer 82mm-Granate und 35 Granatsplittern<br />
aus verschiedenen Teilen der<br />
Stadt, geschenkt bekommen im Mai<br />
1996 in Sarajevo<br />
rechte Seite oben<br />
1 Stunde : 860 940 Stunden<br />
Zwei verglühte Karteikästen aus der<br />
zerstörten Nationalbibliothek von<br />
Sarajevo, Rost, Farbreste, Brandspuren,<br />
Asche, je 100 x 60 x 60 cm<br />
geborgen Juli 1996<br />
rechte Seite unten<br />
Granateinschlag vom 9.4.1995<br />
in Sarajevo – positiv<br />
Silikonabguß, ca. 300 x 400 cm,<br />
abgenommen vor dem Velikipark/<br />
Sarajevo im Juli 1996, Monitor mit<br />
Endlostape (Passfoto Maja Djokic<br />
und zwei Kriegsnachrichten-<br />
Ausschnitte, Sarajevo-TV 1995),<br />
graue Holzkonsole mit Gipsbuchstaben<br />
und Feuermelderbox aus<br />
Sarajevo, 7 Splitter des tödlichen<br />
Einschlages enthaltend<br />
Foyer Europaparlament und<br />
Europarat Straßburg, 1996
Fotos Werner Bachmeier
Ausstellungsprojekt<br />
„Vater unser – Pater noster – Our Father“<br />
(hier die Interpretationen zweier Bitten)<br />
München, Kloster St. Bonifaz, 2003<br />
Burghausen, Haus der Begegnung Hl. Geist, 2005<br />
Hannover, Marktkirche, 2006
linke Seite<br />
»Dein Wille geschehe, wie<br />
im Himmel so auf Erden«<br />
Bayrischer Himmel / WTC 11.9.2001<br />
Diptychon, Digitaldrucke auf Kunststoffgewebe<br />
2002/2003, BH je 90 x 60 cm<br />
»… sondern erlöse uns<br />
von dem Bösen«<br />
Großer Radschlag<br />
Bronze-Kruzifixus, Dachbalken-Stele<br />
Stahlfuß, 1995/2002<br />
LBH ca. 26 x 26 x 148 cm
Der Goldbarren ® (The Gold Bar)<br />
Eine Installations-Idee für die neue EZB in Frankfurt am Main<br />
Die Installation Der Goldbarren besteht aus einem Schulbarren der unmittelbaren Nachkriegszeit, zugehörigem<br />
Transportgestell, Lichtband/Laser, Videokameras und Flatscreens. Das Gussgestell des Turnbarrens wurde in den<br />
70er Jahren hellblau überstrichen, die Zeit hinterließ ihre Spuren in dieser Farbe Europas. Auf den stahlgeschmiedeten,<br />
senkrechten Auszugsstangen ruhen die zwei Holme, ummantelt mit 999er Feingold.<br />
Der Barren steht in einem Lichtband, das den Dreiviertelkreis des Euro-Zeichens nachbildet. Den kompletten<br />
Eindruck erhält der Betrachter aber nur durch die „übergeordnete Sicht“ von Überkopf-Videokameras, die auf<br />
Flatscreens übertragen wird. Diese „Sicht von oben“ steht äquivalent für die politische Haltung, die das vereinigte<br />
Europa und den Euro erst möglich gemacht hat und die weiterhin nötig ist. Gleichzeitig ergibt sich so jene<br />
ungewohnte Selbstbetrachtung, wie man sie schon vor Schaufenstern mit Videokamera und Monitor erlebt hat.<br />
Im Kern ist die Installation Der Goldbarren ein Statement für das Vertrauen in Wert und Wichtigkeit des Euro, für<br />
den Euro als elementares Instrument, die europäischen Völker durch eine gemeinsame Währung<br />
wirtschaftlich, politisch und menschlich zu verbinden – ungeachtet der zögerlichen und<br />
pessimistischen Haltung Vieler und gegen alle<br />
Euro-Gegner.<br />
Der Goldbarren (The Gold Bar)<br />
Schulbarren aus Gußeisen, Holzholme<br />
goldummantelt, Laserbeamer,<br />
Videokameras, Flatscreens
Der Name bezieht sich auf ein uraltes Reichtums-Symbol unserer Welt, „Goldbarren“ stellten noch bis Bretton<br />
Woods die gültige Form der Gelddeckung dar, waren konkreter Ausdruck eines Wertes, den der Geld-„Schein“<br />
nur noch symbolisiert. Das gusseiserne Grundgestell mit seinen aufstrebenden, hochwertigen Stahlstangen ist<br />
Sinnbild für die Industrialisierung, die alte Basis unseres Wohlstandes. Der Barren selbst ist ein Gerät, an dem<br />
schwingende Bewegungen vollführt wurden – Hausse und Baisse, Auf-, Ab- und Umschwünge; der Swing ist<br />
gleichzeitig Musik, Tanz und traditioneller Finanzbegriff zwischen Währungen.<br />
Die ästhetisch spannende Seite ist der Gegensatz des alten Barrens einerseits, an dem sich tausende von Kindern<br />
– die Träger jeder Zukunft – sowohl abgemüht als auch entwickelt haben und dem glänzend-wertvollen Gold<br />
andererseits, das die beiden Holme ummantelt: Tradition und Innovation, Mühe und Wertschöpfung – alles Metaphern<br />
für die wirtschaftliche Entwicklung der Völker Europas. Und als Symbol der Zukunft das Licht, als klassisch<br />
in den Boden eingelassenes Leuchtband oder als Hightech-Laser-Projektion.<br />
Besondere Bedeutung kommt bei der Präsentation von Der Goldbarren dem Eröffnungs-Event zu. An diesem wird,<br />
erstmalig auf der Welt, ein Barrenturner der Spitzenklasse an einem Goldbarren seine extra kreierte Euro-Kür<br />
zeigen. Das erschließt der Öffentlichkeit die Installation sehr sinnlich, sorgt aber vor allem für ein gesteigertes<br />
Medieninteresse. Und dass die Englisch-Übersetzung des Titels dazu als „Gold-Bar“ aufgebaut werden kann, ist ein<br />
zusätzlicher Reiz.<br />
Da Der Goldbarren wegen seines großen Eigengewichts nicht einfach bewegt oder gar mitgenommen werden kann,<br />
darf er definitiv frei als Kunstwerk und „Objekt der Begierde“ in einem großzügigen Raum oder Foyer stehen.<br />
München, Frühjahr 1996 / Sommer 2000, Wolfgang Z. Keller<br />
»Ein Goldbarren, neu gedacht«
Der MutterAltersRuheSitz<br />
(In memoriam Grandy)<br />
Fernsehsessel, Decken, Strickjacke<br />
Rollen-Beistelltisch, Gehhilfe, Telefon<br />
Lexikon, persönliche Utensilien<br />
Papierkorb, Filzhausschuhe<br />
2007, HBT 110 x 170 x 150 cm
»Die meisten ‚Altersruhesitze‘<br />
sehen SO aus!«<br />
Der MutterAltersRuheSitz<br />
Wer schon einmal einen sehr nahen Menschen<br />
verloren hat und dessen Zimmer oder<br />
Wohnung ausräumen musste, mag Ähnliches<br />
erlebt haben.<br />
Als meine Mutter am 1. April 2007 gestorben<br />
war, stand ich die Wochen und Monate<br />
danach oft in ihrer 4-Zimmer-Wohnung, ließ<br />
alles wieder und wieder auf mich wirken,<br />
nahm nach und nach immer mehr Abschied,<br />
auch von ihr. Aber es war weder die Küche<br />
noch das Schlafzimmer, das ich am meisten<br />
mit ihr verband, das mich am meisten an sie<br />
erinnerte.<br />
Es war der Kumulus, dieser kippbare Lehnsessel,<br />
in dem sie die letzte Spanne ihres<br />
Lebens hauptsächlich zubrachte. Sie, die sich<br />
über 86 Jahre so viel und so gerne bewegt<br />
hatte, die Jahrzehnte am liebsten und von<br />
früh bis spät in ihrem Garten werkelte, war<br />
die letzten drei, vier Jahre durch eine völlig<br />
kaputte Hüfte fast unbeweglich geworden.<br />
Wer sie besuchte in diesen Jahren, fand sie<br />
so vor wie ich meist auch: Zurückgekippt,<br />
oft eingenickt oder das Programm des BR<br />
schauend, Sommer wie Winter mit Wolljacke,<br />
halb zugedeckt, und alles für sie Lebensnotwendige<br />
greifbar um sich: Ein Lexikon<br />
zum Nachschlagen bei auftauchenden Fragen,<br />
eine Stehlampe, Schere, Bleistift, Notizblock,<br />
Papierkorb, Näh-, Strick- und Kleinzeug<br />
und – im wahrsten Wortsinn als Draht<br />
zum „anderen“ Leben – das Telefon und ihr<br />
Telefon-Bücherl.<br />
Über die für Weihnachten 2006 – es war<br />
ihr letztes – von mir selber gefilzten Hausschuhe<br />
war sie ausgesprochen glücklich gewesen<br />
…<br />
Bei der ersten Aufstellung dieser Installation,<br />
Dezember 2007 im KunstPavillon im Alten<br />
Botanischen Garten München, kamen alte<br />
wie junge Menschen bewegt zu mir und<br />
sagten: „Man spürt noch, wie sie drin sitzt!“<br />
München, Februar 2011<br />
Wolfgang Z. Keller
»Kleine Einblicke«<br />
Das Z im Namen<br />
Wolfgang Z. Keller<br />
Eine bekannte Numerologin wollte mir<br />
zu meinem 55sten Geburtstag ein Geschenk<br />
machen und meinen Namen auf<br />
100 % Energie bringen. Ich fand diese<br />
Idee witzig, und nach Dutzenden von<br />
ausgedachten Zweitnamen schlug die<br />
Frau mir entnervt ein Z vor.<br />
Gefragt, wofür das stehe, meinte sie, es<br />
füge dem Namen eine Energie hinzu,<br />
die er sonst nicht hätte. Das fand ich so<br />
skurril, dass ich seit 27. Januar 2001,<br />
zum Anfang des dritten Jahrtausends,<br />
das Z im Namen habe – mit Punkt.<br />
Dass „Z“ neben dem 1969 aufrüttelnden<br />
Polit-Film von Costa-Gavras auch für die<br />
berühmte Künstlergruppe ZERO steht,<br />
wusste damals weder die Numerologin<br />
noch ich. Und doch sind die Hauptelemente<br />
von beiden „Bezugs-Größen“<br />
grundlegend für meine Auseinandersetzung<br />
mit der Realität und meine Art der<br />
künstlerischen Umsetzung.<br />
Nur: Anders als die ZERO-Altmeister es<br />
postuliert, aber nicht durchgehalten hatten,<br />
brauche ich mich nicht ständig neu<br />
erfinden, weil es bei mir kein Themenoder<br />
Ideen-Schema und bei meinen Objekten<br />
und Installationen keine reproduzierbare<br />
Technik gibt. Jede Lösung ist<br />
individuell und speziell – es gleicht kein<br />
Werk dem anderen.<br />
Das Untere Schloss Pähl<br />
am Ammersee<br />
Hoagascht-Performance zu<br />
„KauBeuys in Pähl“, 2011<br />
Eröffnung einer VBK-Ausstellung<br />
2008 im KunstPavillon München<br />
Aus meinem Lager: Der Stoff,<br />
aus dem die Werke werden
Titelseite<br />
<strong>KUNST</strong> <strong>IST</strong> <strong>LUXUS</strong><br />
Holzpalette bemalt, Ringschrauben, 1995, HBT 91 x 72 x 12 cm<br />
Rückseite<br />
Stille Hilfen – Dickes Plus (Silent Aids – A Plus)<br />
Multiple mit Positiv-Symbol und einem Konzept<br />
Blechkoffer, 5-Farb-Siebdruck<br />
1996/2008, HBT 24 x 33,5 x 11 cm<br />
Wolfgang Z. Keller *27. Januar 1946 in München<br />
Ausgebildet als Schriftsetzer und Buchdrucker, Grafikdesigner, Werbefachmann,<br />
Sozialpädagoge (Fachrichtung Städtebau) und Grundschullehrer,<br />
darüber hinaus tätig als Kurzfilmer, Kabarett- und Theater-<br />
Autor, Regisseur, Schauspieler, Schreiner, Verlagsgrafiker, Fotograf,<br />
Reporter und Redakteur<br />
Von Januar1994 bis September 2008 freiberuflicher Künstler in München,<br />
von Oktober 2008 bis November 2009 künstlerischer Mitarbeiter<br />
und Direktions-Assistent bei einem Finanzdienstleister in Münster/<br />
Westfalen, lebt und arbeitet seit 2010 in Pähl/Obb. und genießt dort<br />
die Anwesen-Gemeinschaft im Unteren Schloss.<br />
Wolfgang Z. Keller<br />
Unteres Schloss Pähl <strong>·</strong> Ammerseestrasse 4/III<br />
82396 Pähl am Ammersee<br />
to@wolfgang-z-keller.de <strong>·</strong> www.wolfgang-z-keller.de<br />
2. Auflage <strong>·</strong> © 2018<br />
Fotos: Wolfgang Z. Keller <strong>·</strong> Helmut Schneikart<br />
Andreas Heddergott <strong>·</strong> Werner Bachmeier <strong>·</strong> Heinz Putschies<br />
Gestaltung und Produktion: PUTSCHIES DESIGN Heinz Putschies<br />
heinz@putschies.de<br />
ISBN 978-3-930580-07-1<br />
Erschienen im Kronenbitter Verlag <strong>·</strong> München 2014
ISBN 978-3-930580-07-1