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WOLFGANG Z. KELLER · KUNST IST LUXUS

2. Auflage 2018

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Spermmüll.<br />

Als ich 2006 von meinem Künstlerfreund Christopher Lewis<br />

eingeladen wurde, bei der Gemeinschafts-Ausstellung „Friendly<br />

Fire“ im Münchner Kunstbunker Tumulka mit zu machen, wollte<br />

ich neben den Objekten „Elektrisches Stühlchen“, „Beten<br />

für den AD“, „Im Fadenkreuz“ und einer Judas-Performance<br />

auch die Titel-Idee „Spermmüll“ realisieren. Dabei muss ich<br />

aber ehrlicherweise zugeben, dass „Spermmüll“ hauptsächlich<br />

als augenzwinkerndes Wortspiel von mir gedacht war.<br />

Umso grösser war mein Erstaunen, als ich beim Pressetermin<br />

vor der Eröffnung einen Fotografen lange vor den drei<br />

spartanisch angenagelten, pseudo-gebrauchten „Parisern“<br />

verweilen sah. Ich sprach ihn deshalb an, auch wenn ich<br />

innerlich eine gewisse Seichtheitsschelte erwartet habe.<br />

Stattdessen zeigte sich der Fotograf tief beeindruckt, weil<br />

ihm angesichts dieser Mini-Installation mit ihrem Titel Gedanken<br />

darüber kamen, wie viel potentielles menschliches<br />

Leben in Spermienform Tag für Tag und Nacht für Nacht<br />

buchstäblich als Müll endet, sei es durch Onanieren, sonstige<br />

Abgänge, alle „zu spät“ bei der Eizelle angekommenen<br />

Spermien usw. ...<br />

Um eine ungefähre Vorstellung von der Dimension zu bekommen,<br />

habe ich recherchiert. Laut Google enthält eine<br />

Ejakulation 200-300 Millionen Spermien, im Mittel also rund<br />

250 Millionen. Allein bei wissenschaftlich geschätzten 350<br />

Millionen Sexualakten täglich ergibt sich die Rechnung:<br />

250.000.000 x 350.000.000 = 87.500.000.000.000.000<br />

oder 87,5 Billiarden Spermien respektive potentielle Menschen,<br />

also mehr als die 12-millionenfache Erdbevölkerung von<br />

derzeit 7,2 Milliarden, tagtäglich als „Spermmüll“ verschwendet.<br />

Ein Überfluss in der Natur von galaktischen Ausmaßen.<br />

Pähl am Ammersee, März 2011<br />

Wolfgang Z. Keller<br />

Spermmüll<br />

Präservativ-Triptychon, Silikon<br />

2006, HBT ca. 20 x 20 x 1 cm

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