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akzent – DAS GRÖSSTE LIFESTYLE- & VERANSTALTUNGSMAGAZIN VOM BODENSEE BIS OBERSCHWABEN
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SEE-LEUTE<br />
Die Liste seiner Werke ist<br />
lang. Didi Danquart kann<br />
mittlerweile sichtbare Erfolge<br />
verzeichnen: egal ob als<br />
Regisseur, Autor oder Filmproduzent.<br />
Und das obwohl<br />
seine einzige abgeschlossene<br />
Ausbildung die eines Heizungsbauers<br />
ist. Das Handwerk<br />
hielt ihn jedoch nicht<br />
davon ab, sich weiter seiner<br />
Leidenschaft zu widmen.<br />
„Meine Großmutter hatte<br />
einen Kiosk, an dem<br />
ich donnerstags immer<br />
alle neuen Comics gelesen<br />
habe. Ich war vernarrt, und<br />
diese gezeichneten Geschichten<br />
haben mich begeistert.“<br />
Sein Weg führte ihn über das Abitur auf dem<br />
zweiten Bildungsweg weiter nach Freiburg in<br />
ein Studium der Psychologie und Soziologie.<br />
1978 ist er Mitbegründer der Freiburger Medienwerkstatt,<br />
die als Kollektiv 1983 gar den<br />
deutschen Dokumentarfilmpreis der Filmkritik<br />
für ihre Arbeit bekommt. 1991 bringt er<br />
als Regisseur und Autor den langen Dokumentarfilm<br />
„Der Pannwitzblick“ auf die Leinwand<br />
und beweist wieder einmal, dass er es<br />
kann: Deutscher Dokumentarfilmpreis, Film<br />
Award Chicago, Brussel Golden Award lautet<br />
die Bilanz. 1999 gelingt im schließlich der internationale<br />
Durchbruch. Die Verfilmung des<br />
Theaterstücks „Viehjud Levi“ von Thomas<br />
Strittmatter gewinnt bei der Uraufführung auf<br />
der Berlinale 1999 sofort den Caligaripreis.<br />
Gut ein Jahr später dann der erste „Tatort“,<br />
einige Folgen der „Soko Stuttgart“ und weitere<br />
erfolgreiche Kinofilme wie zuletzt die Verfilmung<br />
des Romans „Goster“ des Singener<br />
Autors Gerd Zahner (siehe <strong>akzent</strong> September),<br />
mit dem er 2018 für den Grimme-Preis nominiert<br />
ist.<br />
Danquart erzählt einerseits sehr gelassen,<br />
als ob es das Normalste der Welt ist, dass<br />
er sich selbst das Filmemachen beigebracht<br />
hat, andererseits weiß er jedoch, dass es etwas<br />
Besonderes ist. „Das war eine Zeit, in<br />
der das ging. Die jungen Leute heute haben<br />
es schwerer. Die Welt ist nicht mehr so offen<br />
für autodidaktische Wege. Besonders im<br />
Filmgeschäft ist die Konkurrenz hart geworden.“<br />
Und er muss es wissen. Regelmäßig<br />
kommt er in Kontakt mit dem Mediennachwuchs:<br />
Seit 2009 hat er einen Lehrstuhl für<br />
Spielfilm/Regie an der Kunsthochschule für<br />
Medien in Köln inne. Zuvor, 2001 – 2007,<br />
den für künstlerischen Film an der Staatlichen<br />
Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe.<br />
Doch nicht nur Kino und TV haben es<br />
dem Filmemacher angetan. Seit 1999 führte<br />
er auch immer wieder Regie am Theater. Was<br />
ist der Reiz?<br />
Von Theater und Film<br />
„Ich mag beides sehr gerne.“ Danquart lacht:<br />
„Das ist wie Kuchen und Torte.“ Beides lecker,<br />
aber warum solle man nur entweder/<br />
oder wählen? „Die Schauspieler sind das Entscheidende:<br />
Entweder sie faszinieren das Publikum<br />
oder eben nicht. Punkt. Ein Film lebt<br />
nicht über technische Innovationen. Wenn<br />
die Schauspieler nicht gut sind, hilft das alles<br />
nichts.“ Der Unterschied sei hauptsächlich<br />
die Vorbereitung: „Ich habe am Theater sechs<br />
bis acht Wochen, um mit den Schauspielern<br />
Figuren zu entwickeln. Im Film dagegen bedeutend<br />
weniger. Dafür ist die technische Vorbereitungszeit<br />
– ohne Schauspieler – länger.<br />
Am Theater hängt es zudem vom Publikum<br />
ab, wie die Vorstellung läuft. Da ist jeder Tag<br />
eine Art Premiere. Das ist aufregend.“ Ein Film<br />
hingegen bliebe immer derselbe, egal wie oft<br />
man ihn ansehe. Doch im Grunde sei es doch<br />
irgendwie gleich. Kuchen und Torte eben.<br />
Dazu die Freiheit der Kreativität: „Ich kann<br />
eine Couch auf die Bühne stellen und Hamlet<br />
spielen. Die Couch als Schloss, als Vorhof, als<br />
Grabstelle … Im Film funktioniert das nicht.“<br />
Die Fantasie des Zuschauers würde im Theater<br />
mehr gefordert, im Film sähen sie nur die<br />
individuelle Interpretation des Regisseurs.<br />
Auch deshalb geht Danquart privat lieber ins<br />
Theater. Also doch lieber Kuchen als Torte?<br />
„Nein! Man kann sich im Kino schön berieseln<br />
lassen und Popcorn essen, es gibt aber auch<br />
Filme, vor allem im Arthauskino, in denen du<br />
auch intelektuell gefordert wirst.“ Also doch<br />
Kuchen und Torte.<br />
Von Mäusen und Menschen<br />
Danquart lebt heute in Berlin. Auf das Engagement<br />
in seiner Heimat freut er sich besonders:<br />
Es ist die erste Zusammenarbeit mit<br />
dem Stadttheater Konstanz, zudem lebt seine<br />
Mutter noch in Singen. Er wird das Stück, welches<br />
eigentlich in den 1920er-Jahren in den<br />
USA spielt, aus seinem Ursprung lösen und<br />
„in einen Kontext des derzeitigen politischen<br />
Diskurses legen“. Vor allem habe er Lust, das<br />
Stück, welches als typisches Werk des American<br />
Dream gilt, zu regionalisieren. So werden<br />
die Wanderarbeiter im Stück also nicht<br />
durch Kalifornien streichen, sondern sich in<br />
Süddeutschland ansiedeln. „Ob es gelingt,<br />
weiß ich nicht, man muss sehen. Im Stück ist<br />
die Sehnsucht nach Heimat, das ist etwas Universelles,<br />
losgelöst von einem konkreten Ort.“<br />
ab 19.10., 20 Uhr<br />
Stadttheater<br />
D-78462 Konstanz<br />
+49 (0)7531 900 150<br />
www.theaterkonstanz.de<br />
www.didi-danquart.de<br />
TEXT: TANJA HORLACHER<br />
FOTO: KATJA-JULIA FISCHER<br />
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