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Arabische Pferde IN THE FOCUS Nr. 3/2018 (Vol. 15) - public

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WEG Endurance<br />

Vom Traum<br />

zum Albtraum<br />

Distanzsport<br />

Für viele Distanzreiter ist es ein ewiger<br />

Traum, einmal an den Weltreiterspielen<br />

(WEG) mit dabei zu sein. Jetzt sind die<br />

WEG Endurance vorüber, aber Sieger gibt es<br />

keinen. Es gibt nur Verlierer, und der Distanzsport<br />

steht dabei an erster Stelle.<br />

Der Fehlstart<br />

Nachfolgend der Versuch einer Rekonstruktion<br />

der Ereignisse rund um den Distanzritt<br />

der Weltreiterspiele:<br />

Schon bei der Ankunft herrscht Chaos, das<br />

Gelände ist noch immer eine Baustelle, die<br />

<strong>Pferde</strong> können nicht ausreichend und in gewohnter<br />

Form bewegt werden, die Rittstrecke<br />

darf nicht begangen werden.<br />

126 Teilnehmer haben die Vet-Kontrolle am<br />

Vortag bestanden und machten sich am frühen<br />

Morgen des 12. September an den Start.<br />

Hier kommt es zum ersten ernsthaften Problem,<br />

als gegen 6:30 h der Ritt gestartet wird<br />

und es sich herausstellt, dass zwei verschiedene<br />

Gruppen an zwei verschiedenen Orten<br />

in unterschiedliche Richtungen gestartet<br />

sind. Anscheinend waren die Angaben, wo<br />

und wann der Start genau stattfinden sollte,<br />

unpräzise. Zu allem Übel werden einige der<br />

Reiter dann auch noch von Helfern in die falsche<br />

Richtung geschickt.<br />

Der erste Loop ist 37 Kilometer lang und<br />

während die Reiter noch auf der Strecke<br />

sind, wird von den FEI-Offiziellen beschlossen,<br />

den Ritt wegen des "Fehlstarts" abzubrechen<br />

und neu zu starten. Dazu muß man<br />

allerdings warten, bis alle Reiter nach dem<br />

ersten Loop im Vetgate angekommen und<br />

untersucht wurden. Das Problem: Nicht alle<br />

Reiter haben die gleiche Rittlänge absolviert<br />

(weil auf verschiedene Loops geschickt) und<br />

jeder Reiter hat unterschiedlich lange Ruhepausen<br />

im Vetgate. Die UAE bringt eine Petition<br />

vor, dass der Ritt abgebrochen werden<br />

soll und zu einem späteren Zeitpunkt wiederholt<br />

wird, auf Einladung der UAE. Dieser<br />

Vorschlag wird abgelehnt.<br />

Der Neustart<br />

Der Neustart des Rittes wird auf 11:<strong>15</strong> h festgelegt,<br />

94 Reiter erhalten die Starterlaubnis.<br />

und es wird beschlossen, dass der "neue"<br />

Ritt über nur 120 km führen wird, die bereits<br />

absolvierten etwa 40 km werden aus den<br />

Ergebnissen gestrichen. Vor dem Start, in Erwartung<br />

ungünstiger Bedingungen, haben<br />

die Tierärzte die Rittparameter geändert, um<br />

das Wohlergehen der <strong>Pferde</strong> zu wahren: Es<br />

wurde die Mindestgeschwindigkeit von 14<br />

auf 12 km/h reduziert, ein zusätzlicher Tierarzt-Check<br />

wurde eingeführt und die Erholungszeit<br />

von 20 auf <strong>15</strong> Minuten verkürzt.<br />

Der Versuch der Tierärzte, den Puls auf 60 zu<br />

reduzieren, wurde von den Teams (über eine<br />

Petition) entschieden abgelehnt – und von<br />

der Ground Jury auf 64 zurückgesetzt.<br />

Während die <strong>Pferde</strong> auf dem ersten Loop<br />

(des 120-km-Rittes) sind, beginnt es zu regnen,<br />

der Boden wird stellenweise rutschig,<br />

wodurch die <strong>Pferde</strong> mehr Muskelarbeit leisten<br />

müssen und schneller überhitzen. Die<br />

<strong>Pferde</strong> haben Schwierigkeiten, mit dem Puls<br />

runterzukommen und müssen länger im Vetgate<br />

bleiben. Sheikh Rashids Pferd wird im<br />

Vetgate aus dem Rennen genommen. Auch<br />

das deutsche Team hat Pech: Für Rebecca<br />

Arnold mit Serpa kommt am 1. Vetgate das<br />

"Aus", Bernard Dornsiepen mit Bekele E Djem<br />

und Ursula Klingbeil mit Aid du Florival sind<br />

noch im Rennen.<br />

Der zweite Loop ist anstrengend, da topographisch<br />

anspruchsvoll und hügelig. Normalerweise<br />

stellt dies zwar keine Schwierigkeit<br />

dar, aber die Kombination von Topographie<br />

und Witterung ist kräftezehrend. Am<br />

zweiten Vetgate ist für die restliche Mannschaft<br />

aus UAE Schluß. Die Spitzengruppe<br />

um Jaume Puntí Dachs auf Echo Falls, Alex<br />

Luque Moral und Calandria PH, Jean-Philippe<br />

Francès mit Tarzibus und Maria Alvarez<br />

Ponton auf Tonik de Becherel ist noch im<br />

Rennen, die Stimmung bei den Spitzenreitern<br />

ist gut, denn der schwierigste Teil<br />

scheint bestanden.<br />

Das "Aus"<br />

Währenddessen füllt sich das Behandlungszelt<br />

am zentralen Vetgate und um 17:45 h<br />

wird über Lautsprecher verkündigt, dass<br />

das Rennen abgebrochen wird. Als Grund<br />

werden die Kombination aus Hitze und Luftfeuchtigkeit<br />

sowie die Bodenbedingungen<br />

nach dem Regen genannt. Die Gesundheit<br />

der <strong>Pferde</strong> sei das Wichtigste, denn zu viele<br />

<strong>Pferde</strong> haben bereits metabolische Probleme<br />

aufgrund des Wetters. Als die Sonne herauskam,<br />

entwickelte sich eine schwüle Hitze,<br />

und da es vollkommen windstill war, war es<br />

den <strong>Pferde</strong>n kaum möglich, abzukühlen. Die<br />

Nachricht wird mit Protesten und regelrechten<br />

Tumulten der Teilnehmern quittiert, die<br />

Offiziellen müssen von der Polizei geschützt<br />

werden.<br />

Die offizielle Verlautbarung zum Abbruch<br />

des Rittes lautet: "Es war dies eine schwierige<br />

Entscheidung, aber es wurde im Hinblick<br />

auf das Wohlergehen der <strong>Pferde</strong> und Sportler<br />

gemacht, da die Bedingungen an diesem<br />

Nachmittag nach dem Regen zu extrem hoher<br />

Luftfeuchtigkeit führten und in Verbindung<br />

mit steigender Hitze wurde es als nicht<br />

mehr sicher erachtet, den Ritt fortzusetzen",<br />

sagte der Präsident der Veterinärkommission<br />

Thomas Timmons.<br />

Der britische Wissenschaftler Dr. David Marlin,<br />

der seit den Olympischen Spielen 1996 in<br />

Atlanta an Hitze- und Feuchtigkeitsstudien<br />

für die FEI arbeitet, lieferte der Ground Jury<br />

Daten aus dem Wet Bulb Globe Temperature<br />

(WBGT) Index, der einen Wert von 31 ergab.<br />

Alles was über 25 liegt, muß sehr genau beobachtet<br />

werden, und die Offiziellen waren<br />

sich einig, dass 31 ein unakzeptables Risiko<br />

für das Wohlergehen der <strong>Pferde</strong> darstellte.<br />

Darüber hinaus hat die FEI nach dem Fehlstart<br />

am Morgen die unabhängige Equestrian<br />

Community Integrity Unit (ECIU), die<br />

hier in Tryon vor Ort ist, beauftragt, eine<br />

umfassende Untersuchung der Umstände<br />

durchzuführen, die dazu führten, dass einige<br />

<strong>Pferde</strong>-Reiter-Kombinationen fehlgeleitet<br />

wurden. Die Untersuchung wird Interviews<br />

mit den Offiziellen, Freiwilligen, dem Organisationskomitee<br />

und allen anderen relevanten<br />

Mitarbeitern beinhalten, um ein vollständiges<br />

Bild von dem zu erhalten, was passiert<br />

ist. Die Ergebnisse werden dem FEI-Büro vorgelegt<br />

und die Schlussfolgerungen werden<br />

veröffentlicht.<br />

Der Tag danach<br />

Auf einer Pressekonferenz am Tag danach<br />

wurde bekannt gegeben, dass 53 <strong>Pferde</strong> in<br />

der Klinik behandelt werden mußten, die<br />

meisten wegen metabolischer Probleme. 32<br />

<strong>Pferde</strong> erhielten Infusionen. Ein Pferd mußte<br />

wegen Nierenversagens eingeschläfert werden,<br />

dabei handelte es sich um den 20-jährige<br />

Wallach Barack Obama der Neuseeländischen<br />

Reiterin Jenny Champion.<br />

Die Spanier hatten unterdessen eine Beschwerde<br />

eingelegt und verlangten, dass die<br />

Medaillen entsprechend der Position zum<br />

Zeitpunkt der Absage des Rittes vergeben<br />

werden. Diese Beschwerde wurde von der<br />

FEI zurückgewiesen, denn kein Reiter hat das<br />

Rennen tatsächlich beendet.<br />

Die WEG Endurance sind zu Ende, aber die<br />

Angelegenheit ist noch nicht beendet. Vielleicht<br />

mußte es tatsächlich zu so einem Tiefpunkt<br />

kommen, bevor sich etwas ändert.<br />

Hoffen wir, dass es sich zum Besten für die<br />

<strong>Pferde</strong> ändert.<br />

Gudrun Waiditschka<br />

60<br />

© ARABISCHE PFERDE - <strong>IN</strong> <strong>THE</strong> <strong>FOCUS</strong> 3/<strong>2018</strong>

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