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Die Gestüte<br />
Pierre-Nicolas Hamont<br />
Geschichte<br />
Der französische Tierarzt Pierre-Nicolas Hamont lebte von 1828 bis 1842 in Ägypten<br />
und avancierte zum Leiter des Gestüts von Mehmed Ali. Er kannte daher auch<br />
die Gestüte von dessen Söhnen und einige andere Gestüte aus erster Hand.<br />
Die Zustände, die dort herrschten, beschrieb er in zahlreichen Zeitschriftenartikeln<br />
und in seinem Buch “L’Égypte sous Mehmed Ali” (1843).<br />
Das Gestüt Shoubra von Mehmed Ali<br />
Bereits Ende der 1820er-Jahre hielt der Pascha von Ägypten in<br />
Nayè, einem Dorf in Unterägypten, eine Anzahl von Stuten und<br />
einige Hengste zur Zucht. Das Land zum Anbau von Gerste, der<br />
Hauptnahrung in diesem Land, wurde bewilligt und ein Türke namens<br />
Osman Aga zum Direktor ernannt.<br />
Viele Jahre wurden mit Versuchen zu <strong>Pferde</strong>zucht und -haltung<br />
verschwendet, die letztlich keine befriedigenden Ergebnisse erzielten.<br />
Tödliche Krankheiten grassierten jedes Jahr unter den<br />
<strong>Pferde</strong>n, und so starben in einem Jahr zwei Drittel aller Fohlen, da<br />
auch die Tiermedizin in Ägypten unbekannt war.<br />
Um günstigere Bedingungen zu haben, wurde das Gestüt in die<br />
Nähe von Mehmed Alis Sommerresidenz nach Shoubra verlegt,<br />
Osman Aga wurde in den Ruhestand geschickt und durch seinen<br />
Adoptivsohn ersetzt. Für alle Tiere wurden neue Ställe gebaut.<br />
Aber auch hier grassierten Krankheiten und hohe Verluste. Daher<br />
wurde Hamont beauftragt, nach der Ursache dieser Krankheiten<br />
zu suchen. Nichts, was die Gesundheiterhaltung, Züchtung oder<br />
Kräftigung der <strong>Pferde</strong> sicherstellte, wurde in diesen Ställen praktiziert.<br />
Die Stuten standen dicht beeinander, an allen vier Beinen<br />
gefesselt, unbeweglich, in einem niedrigen Stall, ohne Trennwände<br />
und mit schlechtem Stallklima. Die Fohlen waren mickrig und<br />
häufig erkältet; räudig und von Fliegen belästigt standen sie auf<br />
feuchtem Mist neben ihren Müttern. Die Hengste waren heruntergekommen,<br />
alt, mit Fehlern behaftet und gefesselt wie die Stuten.<br />
Diese <strong>Pferde</strong> bildeten den Bestand, mit dem Mehmed Ali hoffte,<br />
gute <strong>Pferde</strong> zu züchten.<br />
Während der Vegetationsperiode wurden die <strong>Pferde</strong> nicht geritten,<br />
sie standen nur im Klee. Hamont empörte sich: „Diese schönen<br />
Nedjdis, die besten ihrer Art, die man hier züchten wollte,<br />
sind nach einem Jahr Aufenthalt in Ägypten nicht mehr wiederzuerkennen;<br />
sie gehen aus dem Leim, ihre Bewegungen verlangsamen<br />
sich, sie verlieren ihre urpsrüngliche Kraft und ihren Charakter.<br />
Zuhause im Nedjd läßt man sie – statt fünf Monaten im Klee<br />
ohne jegliche Bewegung – 40 Tage auf die Weide, aber frei oder<br />
nur am Hals mit einem langen Seil angebunden. Das Jahr über<br />
werden sie mit Milch, Datteln und Fleisch gefüttert. Die so gehaltenen<br />
<strong>Pferde</strong> haben nur wenige Krankheiten, sind unermüdlich<br />
und die schönsten der Welt.“<br />
Was die Zucht anbelangte, so wurde ohne Überlegung gedeckt.<br />
Man ließ den erstbesten Hengst auf eine Stute, ohne danach zu<br />
schauen, ob die Mängel des einen vom anderen kompensiert<br />
würden. Daher kamen auch jede Menge deformierter Fohlen zur<br />
Welt. Wenn eine Stute gedeckt wurde, deckte man erst nach sechs<br />
Wochen wieder nach und oftmals war sie nicht mehr rossig, wenn<br />
man ihr einen neuen Hengst zuführte. Wenn das Fohlen geboren<br />
wurde, wußte man oftmals nicht seinen Vater. Viele der Stuten<br />
abortierten regelmäßig aus den verschiedensten Gründen. Die<br />
unzweckmäßige Fütterung, die keine Rücksicht auf Geschlecht,<br />
Nutzung oder Alter nahm, stellte ebenfalls eine Ursache für allerlei<br />
Krankheiten dar. Den laktierenden Stuten gab man im Sommer<br />
nur Gerste und Stroh, so daß sie nicht genügend Milch gaben. Der<br />
Fohlenjahrgang in dem Jahr, als Hamont ins Gestüt kam, war größtenteils<br />
gestorben, das, was überlebte, war klein und verkümmert<br />
und würde nie ein gutes Pferd ergeben.<br />
Im ersten Jahr seines Lebens muß man beim Pferd den Grundstock<br />
für die weitere Entwicklung legen, aber das ist es genau, was<br />
in Shoubra vernachlässigt wurde. Die gewöhnliche trockene Nahrung<br />
reichte nicht aus, und nach einem Jahr des Leidens und des<br />
Elends in diesem Gestüt wurden die <strong>Pferde</strong> in einen anderen Stall<br />
nach Kairo geschickt. Dort ging es genauso weiter: keine Bewegung,<br />
trockene Nahrung, keine Abwechslung. Die armen Fohlen,<br />
die gerade Shoubra überlebt hatten, waren nun auf ihrem nächsten<br />
Weg, wo sie elendig zugrunde gingen.<br />
Unter diesen Umständen den Ausbruch von Krankheiten zu bekämpfen,<br />
war keine leichte Aufgabe. Diese Einrichtung verdiente<br />
es nicht, den Namen Gestüt zu tragen, vielmehr mußte man alles<br />
von Grund auf erneuern.<br />
Hamont unterbreitete Mehmed Ali den Plan, neue Stallungen in<br />
der Ebene von Shoubra zu bauen. Diese bildeten ein Parallelogramm<br />
mit 280 m Länge und 183 m Breite. In der Mitte waren<br />
verschiedene Höfe durch Eisengitter abgezäunt. In den Ställen<br />
bewegten sich die Stuten frei, die Koppeln waren mit Hecken eingezäunt.<br />
Mehmed Ali hatte aus Mekka blau blühende Luzerne mitgebracht,<br />
die mehrere Jahre gedeiht, wenn sie richtig bewässert wird, und<br />
man kann drei Schnitte pro Monat machen. Dadurch erhalten die<br />
Stuten mit ihren Fohlen das ganze Jahr hindurch Grünfutter, abwechselnd<br />
mit Gerste und Häcksel.<br />
Unter Hamonts Direktive wurde kein Tier mehr angebunden. Jede<br />
Stute, jeder Hengst hatte eine Nummer auf dem linken Huf und<br />
diese Nummer korrespondierte mit der Nummer im Register, wo<br />
das Datum von Bedeckung und Geburt notiert wurden. Ab dem<br />
Alter von zwei Monaten erhielten die Fohlen geschrotete Gerste,<br />
mit vier Monaten wurden sie abgesetzt – aber langsam, nicht so<br />
abrupt wie früher. Man gab successive mehr Futter, immer mit Luzerne,<br />
Gerste und Stroh. Sie waren den ganzen Tag auf der Koppel<br />
und kamen erst am Abend zurück. Zwei Drittel der Geburten<br />
fanden im Frühjahr statt; mit drei Jahren verließen die Jungpferde<br />
das Gestüt. Um den Futterplan etwas abwechslungsreicher zu<br />
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© ARABISCHE PFERDE - <strong>IN</strong> <strong>THE</strong> <strong>FOCUS</strong> 3/<strong>2018</strong>