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Immobilia 2013/03 - SVIT

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Bau & Haus<br />

Vakuumfenster<br />

Es wäre schön, wenn die internationale<br />

Immobilienbranche<br />

Umweltbewusstsein über das reine<br />

Renditedenken stellen könnte.»<br />

mm. Damit sich die beiden Scheiben trotz<br />

Unterdruck nicht verbiegen und berühren,<br />

werden Abstandhalter, sogenannte «Pillars»,<br />

eingefügt. Allein die Ausgestaltung<br />

dieser in einer Vielzahl eingefügten und<br />

bei genauem Hinsehen sichtbaren Stützen<br />

stellt eine Herausforderung dar. In Würfelform<br />

würden sie bei kleinster Verschiebung<br />

Kerben in das Glas ritzen, und es bestünde<br />

die Gefahr des Glasbruchs.<br />

Neue Materialien für den Rahmen. Die<br />

Aluminiumrahmen zwischen den Glasscheiben,<br />

die heute üblicherweise in der<br />

Fensterproduktion verwendet werden, geben<br />

dem atmosphärischen Druck nach und<br />

werden in den vakuumierten Zwischenraum<br />

gesaugt. Diese Konstruktion würde<br />

auch den Anforderungen an die Dichtigkeit<br />

nicht mehr genügen. «Da die Fensterscheiben<br />

flexibel miteinander verbunden<br />

sein sollen, muss auch der Rahmen dieser<br />

Anforderung gerecht werden», erklärt Matthias<br />

Koebel.<br />

Hier sind die Forscher bereits einen<br />

grossen Schritt weiter. In einem inzwischen<br />

patentierten Verfahren wird das<br />

Doppelglas in eine Vakuumkammer gefahren,<br />

in der eine flüssige Zinnlegierung als<br />

Rahmen im Randbereich zwischen die beiden<br />

Scheiben eingespritzt wird. Doch Zinn<br />

verhält sich auf Glas aufgrund unterschiedlicher<br />

Oberflächenspannungen wie Wasser<br />

auf einer neuen Regenjacke: Es perlt ab.<br />

Diesem Problem begegnen die Forscher,<br />

indem sie den Zinnrahmen kurzzeitig einer<br />

elektrischen Spannung aussetzten. Dieser<br />

Verfahrensschritt ist nötig, damit der Rahmen<br />

am Glas haftet und nach dem Aushärten<br />

für die geforderten 30 Jahre luftdicht<br />

bleibt.<br />

Fördergelder aus Europa. Im August letzten<br />

Jahres erhielt das Projekt «Winsmart»<br />

finanzielle Unterstützung aus dem 7. EU-<br />

Rahmenprogramm. Die Europäische Expertenkommission<br />

bewertete die Entwicklung<br />

«intelligenter» Fenster als besten<br />

Forschungsantrag seiner Klasse. Die acht<br />

europäischen Partner aus Forschung und<br />

Ich bin stolz darauf,<br />

was wir bisher schon alles<br />

erreicht haben.»<br />

Industrie erhalten mehr als 3,8 Mio. EUR<br />

Fördergelder, davon 670 000 CHF allein<br />

das Team der Empa unter der Leitung von<br />

Matthias Koebel. Wichtige Gelder, denn<br />

der Fortschritt in der Forschung wird auch<br />

durch die finanziellen Ressourcen bestimmt.<br />

«Ein grösseres Forschungsteam<br />

gelangt schneller zu umsetzbaren Erkenntnissen.<br />

Wir haben zu zweit mit unseren Arbeiten<br />

begonnen und die personellen Ressourcen<br />

erst nach und nach ausgebaut.<br />

Heute arbeiten wir in der Regel zu sechst<br />

an diesem Projekt.»<br />

Vor Blicken und Sonnenstrahlen geschützt.<br />

Weitere Forschungsarbeiten im<br />

Rahmen von «Winsmart» beschäftigen<br />

sich mit der Beschichtung von Scheiben<br />

und der Herstellung sogenannter schaltbarer<br />

Gläser. Matthias Koebel erklärt:<br />

«Beschichtungen von Oberflächen gehören<br />

bereits zu unserem Forschungsalltag.<br />

Ob transparent, trüb, reflektierend oder<br />

‹easy-to-clean›, Erkenntnisse daraus bilden<br />

die Grundlagen für die sogenannten<br />

schaltbaren Gläser.» Im sogenannten Vakuum-Sputtering-Verfahren<br />

werden 100<br />

bis 200 nm dünne Schichten auf die Gläser<br />

aufgetragen. Dies geschieht ebenfalls<br />

in einer Vakuumkammer, in der die Materialien<br />

unter extremer Hitze vaporisiert<br />

und sozusagen auf die Scheibe «aufgedampft»<br />

werden. So wird eine erste, Strom<br />

leitende Schicht aufgetragen, auf die die<br />

schaltbare Schicht bespielsweise aus<br />

Wolframoxid aufgedampft wird. Auf diese<br />

schaltbare Ebene wird wiederum eine<br />

leitende Schicht aufgetragen. Die funktionale<br />

Ebene ist also immer von zwei leitenden<br />

Ebenen eingeschlossen. Per Knopfdruck<br />

fliesst Strom durch die Schichten,<br />

das Wolframoxid reagiert und das Glas<br />

verdunkelt sich.<br />

«Von grosser Bedeutung sind schaltbare<br />

Gläser vor allem im Bürogebäudebau mit<br />

grossen Fensterfronten, bei denen es nicht<br />

nur bei uns, sondern vor allem in südlicheren<br />

Breitengraden zu Überhitzung<br />

kommen kann.» Laut<br />

Koebel ist die Verwendung<br />

von Sonnenstoren bei vollverglasten<br />

Fassaden schwierig<br />

und optisch von Nachteil.<br />

«Mit dem System schaltbarer<br />

Gläser liessen sich diese<br />

Probleme einfach lösen. In<br />

Anbetracht der zahlreichen<br />

Hochhäuser und der Tendenz zu verglasten<br />

Fassaden erkennen wir hier ein grosses Potenzial.»<br />

Wenn das Fenster der Zukunft gar<br />

die Menge des einfallenden Lichts messen<br />

kann, wird es sich selbständig verdunkeln<br />

beziehungsweise aufhellen und den Knopfdruck<br />

überflüssig machen.<br />

Nicht neu, aber besser. Schaltbare Gläser<br />

sind kein Novum. Derzeit produziert eine<br />

französische Firma zusammen mit einem<br />

Partner aus den USA die zweite Generation<br />

schaltbarer Gläser. «Die erste Generation<br />

ist meines Wissens in den 1990er-<br />

Jahren an der University of California<br />

Berkley entwickelt und im Anschluss daran<br />

von einigen Firmen produziert worden.<br />

Diese ersten Gläser hatten aber den<br />

Nachteil, dass sie im Laufe der Zeit v. a. in<br />

den Ecken nicht mehr ganz klar wurden.»<br />

Eine nächste Generation soll von diesem<br />

Mangel befreit sein. Eine mögliche Weiterentwicklung<br />

bei schaltbaren Gläsern ist<br />

50 | immobilia März <strong>2013</strong>

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