Online_SkylineSports_Ausgabe1-2018_final
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PROFILE – JULIANE WOLF<br />
JULIANE WOLF<br />
AUFSCHLAG ZU<br />
GROSSEN ZIELEN<br />
TISCHTENNISSPIELERIN JULIANE WOLF WILL BEI DEN PARALYMPICS 2020 EDELMETALL GEWINNEN<br />
Mit Tischtennis ist Juliane Wolf verbunden, seit sie acht Jahre alt ist. So spielte die gebürtige Brandenburgerin in ihrer<br />
Heimat Eisenhüttenstadt bis zu ihrem Abitur in verschiedenen Jugendmannschaften, machte irgendwann auch einen<br />
Trainerschein und übernahm ein Nachwuchsteam. Doch dass sie im Behindertensport aktiv und erfolgreich werden<br />
könnte, darüber dachte die heute 30-Jährige lange nicht nach. Obwohl sie aufgrund eines Sauerstoffmangels bei<br />
der Geburt mit einer Cerebralparese auf die Welt kam, einer neurologischen Erkrankung, die sich vor allem auf ihre<br />
Beine auswirkt.<br />
Auf die Idee kam die Spielerin erst, als sie sich nach<br />
der Schulzeit für einen Europäischen Freiwilligendienst<br />
in Kalmar/Småland entschied und beim dortigen<br />
Tischtennisclub (BTK) das Kinder- und Jugendtraining<br />
übernahm. Bei einem Turnier traf sie auf die schwedische<br />
Behindertennationalmannschaft, die sich zu dem<br />
Zeitpunkt auf die Paralympics in Peking 2008 vorbereitete.<br />
Deren Physiotherapeut sprach Juliane Wolf auf<br />
diese neue Möglichkeit für sie an, und das Abenteuer<br />
Behindertensport begann.<br />
Zurück in Deutschland meldete sie sich 2009 bei<br />
einem Behindertensportverein an und startete durch.<br />
Mittlerweile hat Juliane Wolf, die seit vier Jahren am<br />
Frankfurter Riedberg wohnt, 15 nationale Meistertitel<br />
und etliche Podestplatzierungen erreicht und ist damit<br />
eine der erfolgreichsten deutschen Tischtennisspielerinnen<br />
mit Handicap. Aber auch international hat die<br />
aktuelle Weltranglistenvierte der Wettkampfklasse 8<br />
schon mächtig abgeräumt. Die Nationalspielerin, die<br />
zum Top-Team des Deutschen Behindertensportverbandes<br />
für die Paralympics 2020 in Tokio gehört, gewann<br />
bei den Europameisterschaften 2011, 2015 und 2017<br />
jeweils Silber im Einzel sowie Bronze, Silber und Gold<br />
mit der Mannschaft. Zu ihren größten Erfolgen zählt sie<br />
neben dem dritten Platz im Einzel und Silber mit dem<br />
Team bei der Weltmeisterschaft 2014 den vierten Platz<br />
bei den Paralympics 2016 in Rio de Janeiro.<br />
Es war ihre erste Teilnahme an den Weltspielen, und<br />
die deutsche A-Kader-Athletin zog nach einem hart<br />
umkämpften Match gegen die Chinesin Pan Mengyi<br />
ins Halb<strong>final</strong>e ein. Dort unterlag sie deren Landsfrau<br />
und späteren Goldmedaillengewinnerin Mao Jingdian.<br />
Im Duell um Platz drei zeigte Juliane Wolf Nerven und<br />
fand gegen die Philippinin Josephine Medina nicht in<br />
ihr Spiel. Sie verlor das Match mit 3:0 und musste sich<br />
mit dem ungeliebten vierten Platz zufriedengeben.<br />
Mit dieser Erfahrung im Hinterkopf ist die Motivation<br />
nun riesig, bei den nächsten Paralympischen Spielen<br />
in Japan Edelmetall zu gewinnen. Sowohl im Einzel- als<br />
auch im Teamwettbewerb der Wettkampfklassen 6 bis<br />
8, wo sie gemeinsam mit ihren Mitspielerinnen in der<br />
Nationalmannschaft, Stephanie Grebe und Corinna<br />
Hochdörfer, Ende September in Slowenien fast sensationell<br />
kontinentales Gold erkämpfte. Für Wolf war dies<br />
der erste große internationale Titelgewinn. Nun scheint<br />
das Eis gebrochen.<br />
Bis zu ihrem nächsten<br />
Paralympics-Start will<br />
die Wahl-Hessin, die<br />
als wissenschaftliche<br />
Mitarbeiterin am Institut<br />
für Sonderpädagogik der<br />
Frankfurter Goethe-Universität<br />
arbeitet und dort<br />
ein Forschungsprojekt<br />
betreut, ihre Promotion<br />
abgeschlossen und den<br />
Doktortitel in der Tasche<br />
haben. Das erfordert<br />
gutes Zeitmanagement.<br />
Doch Juliane Wolf ist überzeugt davon, dass sich der<br />
Sport und ihre wissenschaftliche Tätigkeit gut ergänzen.<br />
Seit mehreren Jahren wird sie bereits vom Olympiastützpunkt<br />
Hessen betreut und weiß die Nähe zur dortigen<br />
Physiotherapie und Laufbahnberatung zu schätzen.<br />
An den Wochenenden schlägt die leidenschaftliche Spielerin<br />
im Regelsport für den TTC Bad Soden-Salmünster<br />
in der Oberliga auf und misst sich dabei unter anderem<br />
mit Hessens Nachwuchskräften. Selbst zu Heimpartien<br />
muss sie einen längeren Fahrtweg in Kauf nehmen,<br />
doch in Frankfurt gibt es aktuell kein Damenteam in<br />
dieser Spielklasse. Dennoch, betont Wolf, biete die<br />
sport- und tischtennisbegeisterte Stadt ihr hervorragende<br />
Voraussetzungen, ihre Pläne und Ziele zu verwirklichen.<br />
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Bilder: Hannes Doesseler, Juliane Wolf