Immobilia 2016/01 - SVIT
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Fahrgästen zum Flanieren und zum Einund<br />
Aussteigen zur Verfügung.<br />
Der Zeitsprung über 160 Jahre macht<br />
eine weitere Entwicklung deutlich:<br />
Heute gelten für die Statik strengere<br />
Werte, zum Beispiel für höhere Schneelasten<br />
in Bauma, eine Bahnsteighalle<br />
darf nicht zum Sicherheitsrisiko<br />
werden. Deshalb erhielt die tragende<br />
Holzstruktur eine Verstärkung durch<br />
eine umspannende Stahlkonstruktion.<br />
Sie wurde so geschickt über die alten<br />
Holzträger gesetzt, dass sie fast komplett<br />
abgedeckt wird.<br />
… UND IHR DACH. Während die Halle<br />
innen durch die gusseisernen Verstrebungen<br />
reichlich verziert ist, bildet das<br />
Dach allein durch seine grosse Fläche<br />
einen beruhigenden Kontrast. 104 Meter<br />
Länge, 19 Meter Breite – das ergibt<br />
rund 2500 Quadratmeter Fläche, die<br />
zur Freude der beauftragten Spenglereiunternehmen<br />
mit Aluminiumblechen<br />
gedeckt sind.<br />
Die SBB, auf deren Gelände die Gleisanlagen<br />
des Dampfbahnvereins liegen,<br />
sind hinsichtlich der Baumaterialien<br />
besonders streng. So grossflächig<br />
kommt Aluminium zum Einsatz. Es<br />
wurde in der Ausführung Alublank in<br />
Falztechnik verlegt. Auf Grund der grossen<br />
Flächen und Belastungen wurde<br />
das übliche Doppelfalzmass von 600<br />
mm auf 430 mm reduziert. Insgesamt<br />
wurden 6t Aluminiumblech verbaut,<br />
das entspricht 2500 m 2 , dazu 1t Anschlussbleche.<br />
Auf Grund der heutigen<br />
Bauvorschriften, und weil die Halle in<br />
Bauma direkt an den SBB-Perron und<br />
Parkplatz grenzt, mussten drei Schneebremsen<br />
eingebaut werden, auch das<br />
ist eine Abweichung vom Original.<br />
Die Dachlaterne wurde rekonstruiert<br />
und mit dem gleichen Doppelfalzmass<br />
wie das Dach gedeckt, ein Winkelblech<br />
deckt den First ab. Insgesamt ist<br />
die Wirkung der Bedachung auf klare<br />
Linien und Flächen ausgelegt, um die<br />
Wirkung der historischen Teile nicht zu<br />
konkurrenzieren.<br />
Diese Menge an Material zu bearbeiten<br />
und einzubauen war auch eine logistische<br />
Herausforderung. Statt alles vor<br />
Ort zu verarbeiten, entschieden sich<br />
die Spenglereien dafür, zwei Teams<br />
einzusetzen. Ein Zwei-Mann-Team bereitete<br />
in der Werkstatt die Chargen vor,<br />
schnitt und falzte die Bleche auf Mass,<br />
stanzte und formte die Anschlussbleche.<br />
Ein Drei-Mann-Team vor Ort baute<br />
in Etappen die Bleche ein. Dies geschah<br />
in Koordination mit den Holzbauern,<br />
die ebenfalls die Halle segmentweise<br />
aufbauten. Das Bestreben war, die<br />
wertvolle Bausubstanz so schnell wie<br />
möglich unter Dach zu bringen. Die<br />
Dacharbeiten begannen erst mit einem<br />
Monat Verspätung, was jedoch teilweise<br />
wieder aufgeholt werden konnte.<br />
Weil direkt neben der Halle der Fahrplanbetrieb<br />
der S-Bahn lief, musste<br />
ein Mitarbeiter ein spezielles SBB-<br />
Sicherheitstraining absolvieren. Zudem<br />
durften keine Baumaterialien auf dem<br />
Dach gelagert werden.<br />
DAS GEHEIMNIS DES TRAUFKASTENS<br />
Weil das Dach um das Mass der aufgesetzten<br />
Stahlträger aufgedoppelt<br />
wurde, suchten die Architekten für<br />
die Dachkante nach einer speziellen<br />
Lösung. Zudem passte zu der riesigen<br />
Dachfläche kein Abschluss mit einer<br />
banalen Regenrinne. Die Kante sollte<br />
glatt und bündig abschliessen, natürlich<br />
das Regenwasser auffangen und<br />
ableiten, zusätzlich die elektrischen<br />
Leitungen aufnehmen und die Dachbedeckung<br />
hinterlüften.<br />
Die Lösung ist ein speziell profilierter<br />
Traufkasten. An der Dachkante wur-de<br />
eine Bügelkonstruktion montiert. Sie<br />
dient als Halterung für die Regenrinne<br />
und die Rohre für die Elektrokabel.<br />
In die Bleche sind Öffnungen zur Wartung<br />
und Schlitze für die Hinterlüftung<br />
der Dachbedeckung eingestanzt.<br />
Der Dachabschluss wird so zu einer<br />
glattflächigen formalen Einheit.<br />
Der Wiederaufbau und die Nutzung der<br />
Perronhalle ist ein schönes Beispiel für<br />
eine geglückte Kooperation aller Beteiligten:<br />
den SBB, dem DVZO als Bauherr,<br />
den Architekten und Handwerkern<br />
sowie der Denkmalpflege. Die Perronhalle<br />
in Bauma ist kein Nachbau oder<br />
Rückbau nach alten Plänen, sondern<br />
ein Wiederaufbau unter Verwendung<br />
der historischen Bausubstanz. Was<br />
möglich war, wurde an originalen Teilen<br />
wieder eingebaut. Anderes wurde<br />
rekonstruiert, wieder anderes mangels<br />
überlieferter Dokumente neu interpretiert,<br />
ein architektonisch und funktionelles<br />
Ganzes von alt und neu – mit<br />
dem Segen der Denkmalpflege.<br />
WEITERE INFORMATIONEN:<br />
Scherrer Metec AG<br />
Allmendstrasse 5<br />
8027 Zürich 2<br />
Tel 044 208 90 60<br />
www.scherrer.biz<br />
info@scherrer.biz<br />
Die Dachlaterne war nicht mehr erhalten und ist eine komplette Neukonstruktion<br />
nach den ursprünglichen Plänen, aber mit einem modernen Tragwerk.<br />
Die Perronhalle zwei Wochen vor der feierlichen Einweihung. Noch stehen Leitern<br />
und Gerüste herum, es wird überall gewerkelt, doch die Halle macht schon mächtig<br />
Eindruck. Die mit Zugstreben stabilisierte Dachkonstruktion benötigt keine mittigen<br />
Stützen, der Perron wirkt frei und grosszügig. Ganz bewusst wurden die ersetzten<br />
Teile ohne künstliche Alterung neben die historischen Teile gesetzt, Alt und<br />
Neu ergänzen sich in ge-meinsamer Funktion. Nur im First, im offenen Bereich der<br />
Dachlaterne, lassen sich die Träger der verstärkenden Stahlkonstruktion erkennen.<br />
Die Stirnfront der Zufahrtseite ist einfacher gestaltet. Doch auch hier zeugen die<br />
gusseisernen Beschläge von einer sorgfältigen, dekorativen Gestaltung.<br />
immobilia Januar <strong>2<strong>01</strong>6</strong> | 49