FINE Das Weinmagazin - 03/2018
Themenschwerpunkte der 42. Ausgabe sind unter Anderem: TOSKANA Furioses Solo: Der Matarocchio von Guado al Tasso Weitere Themen sind: BORDEAUX Dreimal Faugères: Die Vignobles Silvio Denz BORDEAUX Die Domaine de Chevalier BURGUND Familientradition: Die Domaine Faiveley VENETO Das Weingut Monte del Frá GROSSBRITANNIEN Auf der Weltbühne: English Sparkling Wines CHAMPAGNE Zweihundert Jahre Veuve Clicquot Rosé LOIRE Die Schaumweine der Maison Bouvet Ladubay DAS GROSSE DUTZEND Trésor Blanc Saumur Brut AOC' DIE PIGOTT KOLUMNE La Rioja: Zwei Planeten für sich WEIN UND SPEISEN Jürgen Dollase im Restaurant Atelier in München BADEN Unbändige Gelassenheit: Der Winzer Joachim Heger FRAUEN IM WEIN Alex Belson und der Masseto DIE WÜRTZ KOLUMNE Herkunft statt Zucker: Das deutsche Weingesetz VINOTHEKEN Der Weinhandel Bürgerheim in Essen WEIN UND ZEIT Karl Marx und der Notstand der Moselwinzer GENIESSEN Zu Steak nicht nur Rot PFALZ Im Einklang mit der Natur: Das Weingut Odinstal
Themenschwerpunkte der 42. Ausgabe sind unter Anderem:
TOSKANA Furioses Solo: Der Matarocchio von Guado al Tasso
Weitere Themen sind:
BORDEAUX Dreimal Faugères: Die Vignobles Silvio Denz
BORDEAUX Die Domaine de Chevalier
BURGUND Familientradition: Die Domaine Faiveley
VENETO Das Weingut Monte del Frá
GROSSBRITANNIEN Auf der Weltbühne: English Sparkling Wines
CHAMPAGNE Zweihundert Jahre Veuve Clicquot Rosé
LOIRE Die Schaumweine der Maison Bouvet Ladubay
DAS GROSSE DUTZEND Trésor Blanc Saumur Brut AOC'
DIE PIGOTT KOLUMNE La Rioja: Zwei Planeten für sich
WEIN UND SPEISEN Jürgen Dollase im Restaurant Atelier in München
BADEN Unbändige Gelassenheit: Der Winzer Joachim Heger
FRAUEN IM WEIN Alex Belson und der Masseto
DIE WÜRTZ KOLUMNE Herkunft statt Zucker: Das deutsche Weingesetz
VINOTHEKEN Der Weinhandel Bürgerheim in Essen
WEIN UND ZEIT Karl Marx und der Notstand der Moselwinzer
GENIESSEN Zu Steak nicht nur Rot
PFALZ Im Einklang mit der Natur: Das Weingut Odinstal
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3| 2018 Deutschland € 15 Österreich € 16,90 Italien € 18,50 Schweiz chf 30,00
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MATAROCCHIO
WELTKLASSE: DER CABERNET FRANC VON GUADO AL TASSO
Bordeaux Burgund Loire Pfalz Großbritannien
Dreimal Faugères: Familientradition: Die Kunst der Perlage: Im Einklang mit der Natur: Auf der Weltbühne:
Die Vignobles Silvio Denz Die Domaine Faiveley Bouvet Ladubay Das Weingut Odinstal English Sparkling Wines
AUS DEM
LABYRINTH
DIE SCHAUMWEINE DER MAISON
BOUVET LADUBAY VON DER LOIRE
Von TILL EHRLICH
Fotos RUI CAMILO
Tausend Jahre alt und acht Kilometer lang sind die Kellergänge
der Maison Bouvet Ladubay in Saint-Hilaire-Saint-
Florent bei Saumur. Gegraben wurden sie von Benediktinermönchen
der Abtei Saint-Florent d’Anjou, um den weißen
Tuffstein abzubauen, ein kostbares Baumaterial, aus dem
Gotteshäuser und Paläste entstanden. In diesem unterirdischen
Labyrinth, das dem Haus seit seiner Gründung im
Jahr 1851 als Keller dient, ließ Patrice Monmousseau 2002
von einem Bildhauer die Cathédrale Engloutie schaffen, die
versunkene Kathedrale: Fragmente von Säulen, Kapitellen,
Ornamenten und Portraits wurden in den Tuffstein gehauen.
Er war es auch, der Ende der 1970er Jahre aus der Not eine
Tugend machte und die manuelle Gyropalette erfand: Weil er
sich keine elektrisch gesteuerten Rüttelmaschinen leisten
konnte, entwickelte er die mechanische Version selbst.
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Patrice Monmousseau ist Bouvet Ladubay. Ein
Schaffer und Tüftler, der Wein liebt und lebt. Aber
ohne Chichi. Einer seiner großen Schaumweine heißt
»Instinct«. Das könnte auch eine Anspielung auf
den Fünfundsiebzigjährigen sein: ein Bauchmensch
mit Intelligenz und Sensibilität für Geschmack und
Ästhetik. Und ein lebenskluger, nachdenklicher
Mann mit einer gehörigen Portion Geschäftssinn. Vor
allem aber ist er ein Mann der Praxis, des Zupackens.
Ohne diese Stärken hätte er wohl all seine Ideen und
Träume nicht realisieren können. »Man muss selbst
mitarbeiten«, sagt er, »dann kommen die Einfälle,
und man verliert nicht das Feeling für den Wein und
die Gegenwart.« Mehr als vierzig Jahre hat er Bouvet
Ladubay erfolgreich geführt, noch heute legt er bei
jeder Cuvée selbst Hand mit an. Seine Schaumweine
nennt er »meine Babys«.
Seine älteste Tochter Juliette Monmousseau kam 2007
ins Unternehmen. Ihr Vater hat sie auch in die Kunst
der Assemblage der Cuvées eingeweiht, die Seele von
Bouvet Ladubay. Patrice Monmousseau ist heute Präsident
des Schaumweinhauses, und Juliette Monmousseau führt es
als Generaldirektorin. Es heißt, sie sei vom gleichen Holz wie
er. Bouvet Ladubay erzeugt heute in Saumur jährlich rund
sechseinhalb Millionen Flaschen Schaumwein, ausschließlich
nach der traditionellen Flaschengärungsmethode. Verwendet
werden nur Trauben aus dem Loiretal, wobei das Gros aus den
Appellationen Saumur, Anjou und Crémant de Loire stammt.
Einhundert Winzerfamilien bauen die Trauben an. Sie kommen
als frisch gepresster Most, ähnlich wie bei Champagne Gosset,
direkt zu Bouvet Ladubay. Dort wird er zu Wein vergoren, ausgebaut,
in Flaschen ein zweites Mal fermentiert und gelagert.
Den Charakter der Cuvées prägen die regionalen Sorten. Bei
den weißen Schaumweinen ist es Chenin Blanc, bei den Rosés
Cabernet Franc. Chardonnay kommt nur in kleinen Anteilen
vor, er dient als Katalysator. Schaumwein von Bouvet Ladubay
ist ein regionales Produkt, das den Weltmarkt bedient und in
mehr als vierzig Länder exportiert wird.
In Le Thoureil ist die Loire greifbar nah und die Geschäftigkeit
der Schaumweinstadt Saumur weit genug entfernt. Die
Mittagssonne wirft keine Schatten, und der große Strom scheint
auf Patrice Monmousseau zuzufließen. Der Präsident des Hauses
Bouvet Ladubay wirkt entspannt, der Gartenstuhl kippelt im
Gras, der Schaumwein perlt golden im Glas. Unter einem alten
Kirschbaum des Restaurants La Route du Sel wird aufgetischt:
Croquettes de Pied de Couchon, Schweinefuß, gekocht, ausgelöst,
paniert und frittiert. Mit Liebe zubereitet von seiner
jüngsten Tochter Marie Monmousseau, die hier Chefköchin ist.
Ein Traum zu dem zwölf Jahre in der Magnum gereiften Jahrgangsschaumwein
Trésor. Und ein stolzer Vater.
Wie eine Flaschenpost verbreiten die Monmousseaus
von dem Städtchen Saumur aus ihre Botschaft in der Welt:
Französischer Schaumwein kann Eleganz, Finesse und regionalen
Charakter haben. Er muss nicht Champagner heißen und auch
nicht so teuer sein. Bouvet Ladubay ist die Loire, ist Chenin
Blanc und Cabernet Franc. Ein raffinierter Schaumwein mit
trocknem Brut-Geschmack, der zugänglich ist, unkompliziert
und trotzdem edel. Ohne standardisierte Fruchtaromen und
aufdringliche Süße. Das ist eine Provokation in der heutigen
Zeit, in der oft geklagt wird, Kommerz und Technik töteten
den Wein. Dass die feinsten Weine sündteuer sein müssten und
nur noch für eine Elite erzeugt werden können. Ausnahmeweine
für Auserwählte, gemacht von Millionären für Millionäre.
Bouvet Ladubay ist ein Paradebeispiel dafür, dass es auch anders
geht. Trotz Globalisierung des Weinmarkts, oder gerade deshalb.
Eigentlich dürfte es diesen urfranzösischen Schaumweinproduzenten
gar nicht mehr geben. In den 1970er Jahren war die
Marke Bouvet Ladubay geschwächt, die Technik veraltet und
die unternehmerische Eigenständigkeit gefährdet. Die Maison
trug zwar noch den Namen des Firmengründers Bouvet, aber
sie war nur noch ein Schatten ihrer einstigen Größe.
Gegründet wurde sie 1851 von Etienne Bouvet gemeinsam
mit seiner Frau Celestine Ladubay. In Saint-Hilaire-Saint-Florent
bei Saumur erwarben sie ein Anwesen mit einem tausend
Jahre alten Kellerlabyrinth, das seit dem 11. Jahrhundert den
Benediktinern der Abtei Saint-Florent d’Anjou gehört hatte. Die
acht Kilometer langen Kellergänge waren einst ein unterirdischer
Steinbruch, in dem weißer Tuffstein abgebaut wurde. Ein kostbares
Baumaterial, aus dem Gotteshäuser und Paläste entstanden.
Die Abtei, eine der mächtigsten in Frankreich, bestand bis
zur Französischen Revolution: Die frommen Männer hatten
ihren Untertanen zu hohe Steuern abgepresst, und der Volkszorn
entlud sich. Das Kloster wurde zerstört, doch das unterirdische
Tuffsteinlabyrinth blieb erhalten – ideal zur Reifung von
Schaumwein. Hier baute Etienne Bouvet das größte Schaumweinunternehmen
des 19. Jahrhunderts auf. Sieben Millionen
Flaschen erzeugte Bouvet Ladubay um die Jahrhundertwende –
in exzellenter Qualität. Jahrzehntelang ging es nur nach oben.
Heerscharen von Arbeitern füllten, rüttelten, degorgierten von
Hand Millionen von Flaschen im unterirdischen Labyrinth.
Etienne Bouvet war der Schaumweinkönig der Belle
Epoque. Ein Selfmademan, der den Schwung und die
Chancen des neuen Industriezeitalters geschickt nutzte.
Wie König Midas schien er alles in Gold zu verwandeln, was
er berührte. Er hatte es nicht nötig, »Méthode Champenoise«
aufs Etikett zu scheiben. Saumur war das Zentrum der feinsten
Perlage. Noch heute mutet sein Aufstieg märchenhaft an, wie
sehr musste er erst die Phantasie seiner Zeitgenossen überfordern.
Zumal er von einfachster Herkunft war, ein Sohn armer
Bauern, der ein Ohrenleiden hatte und Analphabet gewesen
sein soll. Zahlreiche Legenden bildeten sich, wie jene vom
»Trésor«, nach der er im unterirdischen Labyrinth den sagenumwobenen
Schatz der Mönche von Saint-Florent entdeckt und
so den Aufbau seines Imperiums finanziert habe. Es erschien
unvorstellbar, dass sich allein mit kaufmännischer Intelligenz,
Mut zum Risiko und Visionen ein so erfolgreiches Unternehmen
aufbauen ließ. Doch das eigentliche Geheimnis seines Erfolgs
war die Kunst der feinen Perlen, die Etienne Bouvet perfekt
beherrschte. Daneben war er ein Mäzen und Ästhet, der die
Künste liebte, Künstler unterstützte und förderte, für seine
Angestellten ein Theater baute und betrieb und Wohnungen
für seine Arbeiter errichten ließ.
Etienne Bouvets Tod im Jahr 1908 war das Ende einer Ära
war und riss eine Lücke, die keiner seiner Nachfolger zu füllen
vermochte. Die Folgen des Ersten Weltkriegs und der Weltwirtschaftskrise
brachen dem einst so stolzen Unternehmen
das Genick. 1932 kam es unter den Hammer. Den Zuschlag
erhielt Justin-Marcel Monmousseau, Großvater von Patrice
Monmousseau, dessen Familie seit 1886 in der Touraine eine
Schaumweinkellerei betrieb. Sein Sohn Jean Monmousseau
Patrice Monmousseau, der mit
achtundzwanzig Jahren zum
ersten Mal für Bouvet Ladubay
arbeitete, damals als Geschäftsführer,
ist heute Präsident der
Maison, während seine Tochter
Juliette als Generaldirektorin
Verantwortung trägt. Nach einundvierzig
Jahren ist das Unternehmen
wieder im Besitz
der Familie. Die Cuvée Trésor
schätzt sie nicht zuletzt wegen
der Perlage.
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Auf den Grundmauern einer ehemaligen
Festung ließ Ludwig I., Herzog von Anjou,
um 1370 das Château de Saumur erbauen.
Das prachtvolle Schloss hoch über der
Loire erstrahlt auch nach sechshundertfünfzig
Jahren noch in frischem Glanz.
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Die Domaine Bouvet
Ladubay heißt nach
ihren Gründern:
Etienne Bouvet und
seine Frau Celestine
Ladubay haben
sie 1851 ins Leben
gerufen. Der erfolgreiche
Selfmademan
galt bald als der
Schaumweinkönig
der Belle Epoque.
übernahm 1946 und versuchte, dem Haus seine frühere Qualität
zurückzugeben. Ab den 1950er Jahren wurden wieder
Spitzencuvées erzeugt. Im Alter von achtundzwanzig Jahren
trat sein Sohn Patrice Monmousseau als Geschäftsführer ein
schwieriges Erbe an: Die Jahresproduktion lag nur noch bei
dreihundertfünfzigtausend Flaschen, was zu wenig war, um notwendige
Investitionen zu erwirtschaften. Sein Großvater und
Vater waren, gemessen an Etienne Bouvet, nur mäßig erfolgreich
mit Bouvet Ladubay. Doch Patrice Monmousseau war freiwillig
zu Bouvet Ladubay gekommen und hatte frische Ideen. Der Vater
ließ ihn trotzdem zunächst Klos putzen, Fässer scheuern, Kisten
nageln. 1971 begann er mit der Umstrukturierung, ersetzte die
alten Holzfässer, in denen der Grundwein oxidiert war, durch
Edelstahltanks und begann langsam, die Marke von Grund auf zu
erneuern. In den ersten zwei Jahren gelang es ihm, den Absatz
zu verdoppeln. Doch schon 1974 kam eine Zäsur: nach dem
Tod seines Großvaters war die Familie uneins und verkaufte
Bouvet Ladubay an das Chamapagnerhaus Taittinger. Eigentlich
wäre hier die Geschichte der Maison Bouvet Ladubay als eigenständiges
Unternehmen zu Ende. Doch Patrice Monmousseau
fand in Claude Taittinger, Jahrgang 1927, ein Gegenüber, das
ihn verstand. Unter dem Dach der Taittinger Gruppe wurde er
Direktor von Bouvet Ladubay. Er hatte alle Freiheit, nutzte sie
und verzehnfachte in den folgenden drei Jahrzehnten den Umsatz
mit einer Jahresproduktion von dreieinhalb Millionen Flaschen.
2005 zerstritt sich die Familie Taittinger und verkaufte Bouvet
Ladubay an einen amerikanischen Investmentfond. Patrice
Monmousseau begriff sofort, dass dieses Mal die Eigenständigkeit
wirklich in Gefahr war und kämpfte darum, sich selbst einen
Käufer suchen zu dürfen. Er fand ihn 2006 in dem indischen
Unternehmer Vijay Mallya, Besitzer von United Breweries, einem
weltweit agierenden Getränkekonzern. Mit dessen Garantien
konnte Patrice Monmousseaus Kredite aufnehmen, um den
Bau einer hochmodernen Sektproduktion zu realisieren. Die
Kredite hat er übrigens selbst zurückgezahlt, und er ist stolz
auf die Fabrik mit ihren unermüdlich schnurrenden Robotern
und Fließbändern, mit computergesteuerten Gyropaletten
und riesigem Flaschenlager. Verbaut wurden tausend Tonnen
Stahl, weshalb Patrice Monmousseau den flachen Industriebau
mit verspiegeltem klassizistischen Portal und Palmen liebevoll
»Full Metal« nennt. 2008 wurde er eingeweiht, Monmousseau
ist auch stolz auf die Balance aus Tradition und Hightech. Die
hochautomatisierte Fabrik ermöglichte es erst, dass man zurück
in die Unabhängigkeit wachsen konnte: 2015 kaufte die Familie
nach einundvierzig Jahren Bouvet Ladubay vollständig zurück.
Ein Coup mit Happy End: Das in der Region verankerte alte
französische Familienunternehmen wurde nicht Opfer der
Globalisierung, sondern selbst erfolgreicher Akteur. Jährlich
erzeugen gut fünfzig Mitarbeiter sechseinhalb Millionen
Flaschen Schaumwein. Die Hälfte davon arbeitet in der Fabrik
Full Metal, die andere in der historischen Maison in Saint-
Hilaire-Saint-Florent im Verkauf und in der Administration.
Ein guter Schaumweinproduzent sollte eine Art Doppelwesen
sein: Einerseits ist er Winzer, der aus Trauben den Grundwein
mit möglichst wenigen Eingriffen ausbaut und reifen lässt.
Andererseits braucht er Zugang zu den technischen Herausforderungen
der Schaumweinherstellung. Der schäumende
Wein, der in der Flasche gärt und reift, ist alles andere als ein
Industrieprodukt. Aus verschiedenen Grundweinen wird er zu
einer Cuvée komponiert, assembliert, um dann mit etwas Zucker
und Hefe in der verschlossenen Flasche ein zweites Mal zu gären
und zu reifen. Dabei entstehen die berühmten Perlen, die Bulles,
und es verfeinert sich der Geschmack. In diesen Prozess wird
bis auf das Hinzufügen des Dosageweins nicht eingegriffen. Die
Perlen entstehen nicht mittels technischer oder biochemischer
Interventionen, sondern durch natürliche Fermentation, die
unmittelbar in jener Flasche stattfindet, die in den Verkauf
und am Ende auf den Tisch kommt. Das ganze Drumherum –
das Befüllen der Flasche, das Rütteln, Degorgieren, Verkorken
und Etikettieren – sind mechanische Prozesse, die sich automatisieren
lassen – maschinell und computergesteuert. Qualität
und Geschmack eines Schaumweins werden dadurch nicht
beeinflusst.
Nicht nur an dem unternehmerischen Weitblick seines
großen Vorbilds Etienne Bouvet scheint sich Patrice
Monmousseau auszurichten, sondern auch an dessen
mäzenatischer Ader. Bouvet Ladubay besitzt mit dem Centre
d’Art Contemporain eine eigene Sammlung zeitgenössischer
Kunst, die sich direkt unter dem von Etienne Bouvet erbauten
Theater befindet. Bis vor kurzem veranstaltete die Maison jährlich
in Saumur ein Literaturfest, bei dem die Worte ebenso
sprudelten wie der Schaumwein.
Im unterirdischen Labyrinth ließ Patrice Monmousseau
2002 von einem Bildhauer nach seinen eigenen Vorstellungen
die Cathédrale Engloutie schaffen, die versunkene Kathedrale:
Fragmente von Säulen, Kapitellen, Ornamenten und Portraits
wurden in den Tuffstein gehauen. Angestrahlt erinnert sie an
die mystische Welt dieses Ortes, an die einstige Abtei und an
Etienne Bouvet. Daneben lagern Barriques mit den Grundweinen
für die Spitzencuvées der Maison.
Seit 1992 darf kein Schaumweinhersteller außerhalb der
Champagne mehr Méthode Champenoise aufs Etikett schreiben.
Sondern Méthode Traditionelle oder Méthode Classique.
Während sich viele Produzenten empörten, erkannte Patrice
Monmousseau sofort, dass dies eine Befreiung war. Seitdem
sind die Erzeugnisse von Bouvet Ladubay im Markt noch erfolgreicher,
weil sie stärker als das wahrgenommen werden, was
sie sind: feine Schaumweine mit Qualität und Geschmack aus
dem Loiretal, die nur den Bruchteil eines Champagners kosten.
Bouvet Ladubays Perlen bilden eine schöne Phalanx mit den
besten Erzeugnissen der Region, darunter superbe Ziegenkäse
wie Saint-Maure, Valançay, Selles-sur-Cher und Crottin.
Patrice und Juliette
Monmousseau
lieben die Kunst.
Im Centre d’Art
Contemporain der
Maison Bouvet
Ladubay werden in
wechselnden Ausstellungen
Werke
zeitgenössischer
Künstler gezeigt.
In der Abenddämmerung
beginnt
Saumur, die Hauptstadt
des Crémant
de Loire, regelrecht
zu funkeln.
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Ehrlich verkostet acht Schaumweine
FINETASTING|Till
der Maison Bouvet Ladubay
Die Flaschen aus den Kellern in Saint-Hilaire-Saint-Florent waren frisch degorgiert;
Abweichungen unterschiedlicher Abfüllungen sind möglich.
aus den Jahrgängen 2007 bis 2015
89 P
2015 Bouvet Saphir Brut Saumur AOC Blanc
90 Prozent Chenin Blanc sowie Chardonnay von weißen Tuff-Kreideböden in Saumur
und Anjou. Ausbau im Edelstahltank, dann nach der traditionellen Methode in
der Flasche gereift.
Eröffnet finessenreich, frisch, mineralisch: zerriebene Kreide, Austern, Toast.
Am Gaumen leichtfüßige Intensität mit feiner, anhaltender Mousse. Schlank,
zitrusfrisch, raffiniert.
2015 Bouvet Crémant de Loire AOC Blanc Brut 88 P
Der Jahrgangs-Crémant ist reiner Chardonnay, der von Tuff-Kreide in Saumur
und Schieferböden in Anjou stammt. Ausbau im Edelstahltank, dann nach der
traditionellen Methode in der Flasche gereift.
Weiniges, vielschichtiges Bukett mit maritimen Aromen: zerstoßene Muschelschale,
Kreide, dunkles Mineral. Am Gaumen vollmundige Intensität und fleischige
Zitrusfruchtigkeit. Süffig und harmonisch, fruchtbetont und mineralisch.
Bouvet Brut de Luxe Méthode Traditionelle Blanc 90 P
Freiheit ist Luxus: Patrice Monmousseaus jüngste Kreation ist ein frei von AOP-
Reglements erzeugter Vin Mousseux Traditionelle aus selektionierten Trauben
vom Loiretal. Die Hälfte des Grundweins wurde in älteren Barriques ausgebaut,
dann nach der traditionellen Methode in der Flasche gereift und mit geringer
Dosage verkorkt.
Vielschichtiges kreidig-mineralisches Bukett: ein Hauch Brioche, frische Nuss,
Muschelschale. Am Gaumen belebende Mousse. Saftig, reich, präzis. Anhaltender
Nachklang, rund und frisch. Ein Tipp!
2015 Bouvet Grand Vin de Dessert Saumur AOC
Blanc Demi-Sec
92 P
80 Prozent Chenin Blanc mit Chardonnay aus Saumur. Ausbau in Barriques.
Das Bukett ist sinnlich-betörend, dabei reduktiv präzis: frische Nüsse, zerriebene
Kreide, Aprikose, Mango, helles Mineral. Am Gaumen griffig, straff, knackig.
Schöne Balance, verführerische Pfirsich- und Honigaromen, dabei klar, saftig.
91 P
Bouvet Trésor Brut Saumur AOC Rosé
90 Prozent Cabernet Franc mit Pinot Noir. Längerer Barrique-Ausbau.
Apricotfarben. Lebhafter, kreidig-mineralischer Duft: frische Erdbeere, Aprikose,
Zitrus, Lilie, Auster. Am Gaumen griffige Frische mit charmant zartbitterer
Fruchtigkeit. Delikat, saftig und knackig. Dabei feinnervig und anhaltend.
2014 Bouvet Zéro Extra Brut Saumur AOC Blanc 93 P
Crus-Selektion aus 90 Prozent Chenin Blanc sowie Chardonnay, der von weißen
Tuff-Kreideböden aus Saumur stammt. Ausbau in ein- bis zehnjährigen Barriques,
drei Jahre auf dem Hefelager in der Flasche gereift, null Dosage.
Superbes Bukett mit zarten Reifenoten: Zitrus, Aprikose, Apfel, zerstoßene
Kreide, helles Mineral. Am Gaumen vitales Mundgefühl durch feine, lang
anhaltende Mousse. Weinig, fest, knochentrocken, knackig-frisch. Zarte Holzstütze,
Spannung, Zugkraft, Länge. Auch Tage später, aus der geöffneten Flasche,
ohne Bubbles, schmeckt er köstlich.
2014 Bouvet Instinct Saumur AOC Blanc Brut 94 P
Handselektierte Crus der besten Trauben aus Saumur: 80 Prozent Chenin Blanc
und Chardonnay. Ausbau in ein- bis zehnjährigen Barriques, drei Jahre auf dem
Hefelager in der Flasche gereift, niedrige Dosage.
Hochfeines, sinnliches Bukett: fleischige gelbe Beeren, Zitrusfrucht, Melone,
helles Mineral. Am Gaumen dichte, expressive Saftigkeit mit warmen Briochenoten.
Nach hinten weinig, lebendig, anhaltend.
2007 Bouvet Ogmius Saumur AOC
Blanc Brut Magnum
96 P
Die Cuvée besteht aus 80 Prozent Chenin Blanc mit Chardonnay, wurde in Barriques
ausgebaut, rund zehn Jahre auf dem Hefelager in der Magnum gereift und mit
niedriger Dosage verkorkt.
Vitales Bukett mit hinreißenden Reifenoten: kreidig-mineralisch, karamellig,
zitrusfruchtig. Am Gaumen hedonistischer Geschmack, komplex, tief, nussig.
Vollmundige Intensität mit Finesse und Lebendigkeit. Ein Hauch Brioche und
sublime Fruchtigkeit, dabei fest und kernig. Langer, großzügiger Nachklang.
Zehnminütiges Karaffieren öffnet ihn.
84 FINE 3 | 2018 Loire