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FINE Das Weinmagazin - 03/2018

Themenschwerpunkte der 42. Ausgabe sind unter Anderem: TOSKANA Furioses Solo: Der Matarocchio von Guado al Tasso Weitere Themen sind: BORDEAUX Dreimal Faugères: Die Vignobles Silvio Denz BORDEAUX Die Domaine de Chevalier BURGUND Familientradition: Die Domaine Faiveley VENETO Das Weingut Monte del Frá GROSSBRITANNIEN Auf der Weltbühne: English Sparkling Wines CHAMPAGNE Zweihundert Jahre Veuve Clicquot Rosé LOIRE Die Schaumweine der Maison Bouvet Ladubay DAS GROSSE DUTZEND Trésor Blanc Saumur Brut AOC' DIE PIGOTT KOLUMNE La Rioja: Zwei Planeten für sich WEIN UND SPEISEN Jürgen Dollase im Restaurant Atelier in München BADEN Unbändige Gelassenheit: Der Winzer Joachim Heger FRAUEN IM WEIN Alex Belson und der Masseto DIE WÜRTZ KOLUMNE Herkunft statt Zucker: Das deutsche Weingesetz VINOTHEKEN Der Weinhandel Bürgerheim in Essen WEIN UND ZEIT Karl Marx und der Notstand der Moselwinzer GENIESSEN Zu Steak nicht nur Rot PFALZ Im Einklang mit der Natur: Das Weingut Odinstal

Themenschwerpunkte der 42. Ausgabe sind unter Anderem:

TOSKANA Furioses Solo: Der Matarocchio von Guado al Tasso

Weitere Themen sind:

BORDEAUX Dreimal Faugères: Die Vignobles Silvio Denz
BORDEAUX Die Domaine de Chevalier
BURGUND Familientradition: Die Domaine Faiveley
VENETO Das Weingut Monte del Frá
GROSSBRITANNIEN Auf der Weltbühne: English Sparkling Wines
CHAMPAGNE Zweihundert Jahre Veuve Clicquot Rosé
LOIRE Die Schaumweine der Maison Bouvet Ladubay
DAS GROSSE DUTZEND Trésor Blanc Saumur Brut AOC'
DIE PIGOTT KOLUMNE La Rioja: Zwei Planeten für sich
WEIN UND SPEISEN Jürgen Dollase im Restaurant Atelier in München
BADEN Unbändige Gelassenheit: Der Winzer Joachim Heger
FRAUEN IM WEIN Alex Belson und der Masseto
DIE WÜRTZ KOLUMNE Herkunft statt Zucker: Das deutsche Weingesetz
VINOTHEKEN Der Weinhandel Bürgerheim in Essen
WEIN UND ZEIT Karl Marx und der Notstand der Moselwinzer
GENIESSEN Zu Steak nicht nur Rot
PFALZ Im Einklang mit der Natur: Das Weingut Odinstal

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3| <strong>2018</strong> Deutschland € 15 Österreich € 16,90 Italien € 18,50 Schweiz chf 30,00<br />

4197772 515002 <strong>03</strong><br />

MATAROCCHIO<br />

WELTKLASSE: DER CABERNET FRANC VON GUADO AL TASSO<br />

Bordeaux Burgund Loire Pfalz Großbritannien<br />

Dreimal Faugères: Familientradition: Die Kunst der Perlage: Im Einklang mit der Natur: Auf der Weltbühne:<br />

Die Vignobles Silvio Denz Die Domaine Faiveley Bouvet Ladubay <strong>Das</strong> Weingut Odinstal English Sparkling Wines


AUS DEM<br />

LABYRINTH<br />

DIE SCHAUMWEINE DER MAISON<br />

BOUVET LADUBAY VON DER LOIRE<br />

Von TILL EHRLICH<br />

Fotos RUI CAMILO<br />

Tausend Jahre alt und acht Kilometer lang sind die Kellergänge<br />

der Maison Bouvet Ladubay in Saint-Hilaire-Saint-<br />

Florent bei Saumur. Gegraben wurden sie von Benediktinermönchen<br />

der Abtei Saint-Florent d’Anjou, um den weißen<br />

Tuffstein abzubauen, ein kostbares Baumaterial, aus dem<br />

Gotteshäuser und Paläste entstanden. In diesem unterirdischen<br />

Labyrinth, das dem Haus seit seiner Gründung im<br />

Jahr 1851 als Keller dient, ließ Patrice Monmousseau 2002<br />

von einem Bildhauer die Cathédrale Engloutie schaffen, die<br />

versunkene Kathedrale: Fragmente von Säulen, Kapitellen,<br />

Ornamenten und Portraits wurden in den Tuffstein gehauen.<br />

Er war es auch, der Ende der 1970er Jahre aus der Not eine<br />

Tugend machte und die manuelle Gyropalette erfand: Weil er<br />

sich keine elektrisch gesteuerten Rüttelmaschinen leisten<br />

konnte, entwickelte er die mechanische Version selbst.<br />

76 <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2018</strong> Loire Loire <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2018</strong> 77


Patrice Monmousseau ist Bouvet Ladubay. Ein<br />

Schaffer und Tüftler, der Wein liebt und lebt. Aber<br />

ohne Chichi. Einer seiner großen Schaumweine heißt<br />

»Instinct«. <strong>Das</strong> könnte auch eine Anspielung auf<br />

den Fünfundsiebzigjährigen sein: ein Bauchmensch<br />

mit Intelligenz und Sensibilität für Geschmack und<br />

Ästhetik. Und ein lebenskluger, nachdenklicher<br />

Mann mit einer gehörigen Portion Geschäftssinn. Vor<br />

allem aber ist er ein Mann der Praxis, des Zupackens.<br />

Ohne diese Stärken hätte er wohl all seine Ideen und<br />

Träume nicht realisieren können. »Man muss selbst<br />

mitarbeiten«, sagt er, »dann kommen die Einfälle,<br />

und man verliert nicht das Feeling für den Wein und<br />

die Gegenwart.« Mehr als vierzig Jahre hat er Bouvet<br />

Ladubay erfolgreich geführt, noch heute legt er bei<br />

jeder Cuvée selbst Hand mit an. Seine Schaumweine<br />

nennt er »meine Babys«.<br />

Seine älteste Tochter Juliette Monmousseau kam 2007<br />

ins Unternehmen. Ihr Vater hat sie auch in die Kunst<br />

der Assemblage der Cuvées eingeweiht, die Seele von<br />

Bouvet Ladubay. Patrice Monmousseau ist heute Präsident<br />

des Schaumweinhauses, und Juliette Monmousseau führt es<br />

als Generaldirektorin. Es heißt, sie sei vom gleichen Holz wie<br />

er. Bouvet Ladubay erzeugt heute in Saumur jährlich rund<br />

sechseinhalb Millionen Flaschen Schaumwein, ausschließlich<br />

nach der traditionellen Flaschengärungsmethode. Verwendet<br />

werden nur Trauben aus dem Loiretal, wobei das Gros aus den<br />

Appellationen Saumur, Anjou und Crémant de Loire stammt.<br />

Einhundert Winzerfamilien bauen die Trauben an. Sie kommen<br />

als frisch gepresster Most, ähnlich wie bei Champagne Gosset,<br />

direkt zu Bouvet Ladubay. Dort wird er zu Wein vergoren, ausgebaut,<br />

in Flaschen ein zweites Mal fermentiert und gelagert.<br />

Den Charakter der Cuvées prägen die regionalen Sorten. Bei<br />

den weißen Schaumweinen ist es Chenin Blanc, bei den Rosés<br />

Cabernet Franc. Chardonnay kommt nur in kleinen Anteilen<br />

vor, er dient als Katalysator. Schaumwein von Bouvet Ladubay<br />

ist ein regionales Produkt, das den Weltmarkt bedient und in<br />

mehr als vierzig Länder exportiert wird.<br />

In Le Thoureil ist die Loire greifbar nah und die Geschäftigkeit<br />

der Schaumweinstadt Saumur weit genug entfernt. Die<br />

Mittagssonne wirft keine Schatten, und der große Strom scheint<br />

auf Patrice Monmousseau zuzufließen. Der Präsident des Hauses<br />

Bouvet Ladubay wirkt entspannt, der Gartenstuhl kippelt im<br />

Gras, der Schaumwein perlt golden im Glas. Unter einem alten<br />

Kirschbaum des Restaurants La Route du Sel wird aufgetischt:<br />

Croquettes de Pied de Couchon, Schweinefuß, gekocht, ausgelöst,<br />

paniert und frittiert. Mit Liebe zubereitet von seiner<br />

jüngsten Tochter Marie Monmousseau, die hier Chefköchin ist.<br />

Ein Traum zu dem zwölf Jahre in der Magnum gereiften Jahrgangsschaumwein<br />

Trésor. Und ein stolzer Vater.<br />

Wie eine Flaschenpost verbreiten die Monmousseaus<br />

von dem Städtchen Saumur aus ihre Botschaft in der Welt:<br />

Französischer Schaumwein kann Eleganz, Finesse und regionalen<br />

Charakter haben. Er muss nicht Champagner heißen und auch<br />

nicht so teuer sein. Bouvet Ladubay ist die Loire, ist Chenin<br />

Blanc und Cabernet Franc. Ein raffinierter Schaumwein mit<br />

trocknem Brut-Geschmack, der zugänglich ist, unkompliziert<br />

und trotzdem edel. Ohne standardisierte Fruchtaromen und<br />

aufdringliche Süße. <strong>Das</strong> ist eine Provokation in der heutigen<br />

Zeit, in der oft geklagt wird, Kommerz und Technik töteten<br />

den Wein. <strong>Das</strong>s die feinsten Weine sündteuer sein müssten und<br />

nur noch für eine Elite erzeugt werden können. Ausnahmeweine<br />

für Auserwählte, gemacht von Millionären für Millionäre.<br />

Bouvet Ladubay ist ein Paradebeispiel dafür, dass es auch anders<br />

geht. Trotz Globalisierung des Weinmarkts, oder gerade deshalb.<br />

Eigentlich dürfte es diesen urfranzösischen Schaumweinproduzenten<br />

gar nicht mehr geben. In den 1970er Jahren war die<br />

Marke Bouvet Ladubay geschwächt, die Technik veraltet und<br />

die unternehmerische Eigenständigkeit gefährdet. Die Maison<br />

trug zwar noch den Namen des Firmengründers Bouvet, aber<br />

sie war nur noch ein Schatten ihrer einstigen Größe.<br />

Gegründet wurde sie 1851 von Etienne Bouvet gemeinsam<br />

mit seiner Frau Celestine Ladubay. In Saint-Hilaire-Saint-Florent<br />

bei Saumur erwarben sie ein Anwesen mit einem tausend<br />

Jahre alten Kellerlabyrinth, das seit dem 11. Jahrhundert den<br />

Benediktinern der Abtei Saint-Florent d’Anjou gehört hatte. Die<br />

acht Kilometer langen Kellergänge waren einst ein unterirdischer<br />

Steinbruch, in dem weißer Tuffstein abgebaut wurde. Ein kostbares<br />

Baumaterial, aus dem Gotteshäuser und Paläste entstanden.<br />

Die Abtei, eine der mächtigsten in Frankreich, bestand bis<br />

zur Französischen Revolution: Die frommen Männer hatten<br />

ihren Untertanen zu hohe Steuern abgepresst, und der Volkszorn<br />

entlud sich. <strong>Das</strong> Kloster wurde zerstört, doch das unterirdische<br />

Tuffsteinlabyrinth blieb erhalten – ideal zur Reifung von<br />

Schaumwein. Hier baute Etienne Bouvet das größte Schaumweinunternehmen<br />

des 19. Jahrhunderts auf. Sieben Millionen<br />

Flaschen erzeugte Bouvet Ladubay um die Jahrhundertwende –<br />

in exzellenter Qualität. Jahrzehntelang ging es nur nach oben.<br />

Heerscharen von Arbeitern füllten, rüttelten, degorgierten von<br />

Hand Millionen von Flaschen im unterirdischen Labyrinth.<br />

Etienne Bouvet war der Schaumweinkönig der Belle<br />

Epoque. Ein Selfmademan, der den Schwung und die<br />

Chancen des neuen Industriezeitalters geschickt nutzte.<br />

Wie König Midas schien er alles in Gold zu verwandeln, was<br />

er berührte. Er hatte es nicht nötig, »Méthode Champenoise«<br />

aufs Etikett zu scheiben. Saumur war das Zentrum der feinsten<br />

Perlage. Noch heute mutet sein Aufstieg märchenhaft an, wie<br />

sehr musste er erst die Phantasie seiner Zeitgenossen überfordern.<br />

Zumal er von einfachster Herkunft war, ein Sohn armer<br />

Bauern, der ein Ohrenleiden hatte und Analphabet gewesen<br />

sein soll. Zahlreiche Legenden bildeten sich, wie jene vom<br />

»Trésor«, nach der er im unterirdischen Labyrinth den sagenumwobenen<br />

Schatz der Mönche von Saint-Florent entdeckt und<br />

so den Aufbau seines Imperiums finanziert habe. Es erschien<br />

unvorstellbar, dass sich allein mit kaufmännischer Intelligenz,<br />

Mut zum Risiko und Visionen ein so erfolgreiches Unternehmen<br />

aufbauen ließ. Doch das eigentliche Geheimnis seines Erfolgs<br />

war die Kunst der feinen Perlen, die Etienne Bouvet perfekt<br />

beherrschte. Daneben war er ein Mäzen und Ästhet, der die<br />

Künste liebte, Künstler unterstützte und förderte, für seine<br />

Angestellten ein Theater baute und betrieb und Wohnungen<br />

für seine Arbeiter errichten ließ.<br />

Etienne Bouvets Tod im Jahr 1908 war das Ende einer Ära<br />

war und riss eine Lücke, die keiner seiner Nachfolger zu füllen<br />

vermochte. Die Folgen des Ersten Weltkriegs und der Weltwirtschaftskrise<br />

brachen dem einst so stolzen Unternehmen<br />

das Genick. 1932 kam es unter den Hammer. Den Zuschlag<br />

erhielt Justin-Marcel Monmousseau, Großvater von Patrice<br />

Monmousseau, dessen Familie seit 1886 in der Touraine eine<br />

Schaumweinkellerei betrieb. Sein Sohn Jean Monmousseau<br />

Patrice Monmousseau, der mit<br />

achtundzwanzig Jahren zum<br />

ersten Mal für Bouvet Ladubay<br />

arbeitete, damals als Geschäftsführer,<br />

ist heute Präsident der<br />

Maison, während seine Tochter<br />

Juliette als Generaldirektorin<br />

Verantwortung trägt. Nach einundvierzig<br />

Jahren ist das Unternehmen<br />

wieder im Besitz<br />

der Familie. Die Cuvée Trésor<br />

schätzt sie nicht zuletzt wegen<br />

der Perlage.<br />

78 <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2018</strong> Loire Loire <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2018</strong> 79


Auf den Grundmauern einer ehemaligen<br />

Festung ließ Ludwig I., Herzog von Anjou,<br />

um 1370 das Château de Saumur erbauen.<br />

<strong>Das</strong> prachtvolle Schloss hoch über der<br />

Loire erstrahlt auch nach sechshundertfünfzig<br />

Jahren noch in frischem Glanz.<br />

80 <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2018</strong> Loire Loire <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2018</strong> 81


Die Domaine Bouvet<br />

Ladubay heißt nach<br />

ihren Gründern:<br />

Etienne Bouvet und<br />

seine Frau Celestine<br />

Ladubay haben<br />

sie 1851 ins Leben<br />

gerufen. Der erfolgreiche<br />

Selfmademan<br />

galt bald als der<br />

Schaumweinkönig<br />

der Belle Epoque.<br />

übernahm 1946 und versuchte, dem Haus seine frühere Qualität<br />

zurückzugeben. Ab den 1950er Jahren wurden wieder<br />

Spitzencuvées erzeugt. Im Alter von achtundzwanzig Jahren<br />

trat sein Sohn Patrice Monmousseau als Geschäftsführer ein<br />

schwieriges Erbe an: Die Jahresproduktion lag nur noch bei<br />

dreihundertfünfzigtausend Flaschen, was zu wenig war, um notwendige<br />

Investitionen zu erwirtschaften. Sein Großvater und<br />

Vater waren, gemessen an Etienne Bouvet, nur mäßig erfolgreich<br />

mit Bouvet Ladubay. Doch Patrice Monmousseau war freiwillig<br />

zu Bouvet Ladubay gekommen und hatte frische Ideen. Der Vater<br />

ließ ihn trotzdem zunächst Klos putzen, Fässer scheuern, Kisten<br />

nageln. 1971 begann er mit der Umstrukturierung, ersetzte die<br />

alten Holzfässer, in denen der Grundwein oxidiert war, durch<br />

Edelstahltanks und begann langsam, die Marke von Grund auf zu<br />

erneuern. In den ersten zwei Jahren gelang es ihm, den Absatz<br />

zu verdoppeln. Doch schon 1974 kam eine Zäsur: nach dem<br />

Tod seines Großvaters war die Familie uneins und verkaufte<br />

Bouvet Ladubay an das Chamapagnerhaus Taittinger. Eigentlich<br />

wäre hier die Geschichte der Maison Bouvet Ladubay als eigenständiges<br />

Unternehmen zu Ende. Doch Patrice Monmousseau<br />

fand in Claude Taittinger, Jahrgang 1927, ein Gegenüber, das<br />

ihn verstand. Unter dem Dach der Taittinger Gruppe wurde er<br />

Direktor von Bouvet Ladubay. Er hatte alle Freiheit, nutzte sie<br />

und verzehnfachte in den folgenden drei Jahrzehnten den Umsatz<br />

mit einer Jahresproduktion von dreieinhalb Millionen Flaschen.<br />

2005 zerstritt sich die Familie Taittinger und verkaufte Bouvet<br />

Ladubay an einen amerikanischen Investmentfond. Patrice<br />

Monmousseau begriff sofort, dass dieses Mal die Eigenständigkeit<br />

wirklich in Gefahr war und kämpfte darum, sich selbst einen<br />

Käufer suchen zu dürfen. Er fand ihn 2006 in dem indischen<br />

Unternehmer Vijay Mallya, Besitzer von United Breweries, einem<br />

weltweit agierenden Getränkekonzern. Mit dessen Garantien<br />

konnte Patrice Monmousseaus Kredite aufnehmen, um den<br />

Bau einer hochmodernen Sektproduktion zu realisieren. Die<br />

Kredite hat er übrigens selbst zurückgezahlt, und er ist stolz<br />

auf die Fabrik mit ihren unermüdlich schnurrenden Robotern<br />

und Fließbändern, mit computergesteuerten Gyropaletten<br />

und riesigem Flaschenlager. Verbaut wurden tausend Tonnen<br />

Stahl, weshalb Patrice Monmousseau den flachen Industriebau<br />

mit verspiegeltem klassizistischen Portal und Palmen liebevoll<br />

»Full Metal« nennt. 2008 wurde er eingeweiht, Monmousseau<br />

ist auch stolz auf die Balance aus Tradition und Hightech. Die<br />

hochautomatisierte Fabrik ermöglichte es erst, dass man zurück<br />

in die Unabhängigkeit wachsen konnte: 2015 kaufte die Familie<br />

nach einundvierzig Jahren Bouvet Ladubay vollständig zurück.<br />

Ein Coup mit Happy End: <strong>Das</strong> in der Region verankerte alte<br />

französische Familienunternehmen wurde nicht Opfer der<br />

Globalisierung, sondern selbst erfolgreicher Akteur. Jährlich<br />

erzeugen gut fünfzig Mitarbeiter sechseinhalb Millionen<br />

Flaschen Schaumwein. Die Hälfte davon arbeitet in der Fabrik<br />

Full Metal, die andere in der historischen Maison in Saint-<br />

Hilaire-Saint-Florent im Verkauf und in der Administration.<br />

Ein guter Schaumweinproduzent sollte eine Art Doppelwesen<br />

sein: Einerseits ist er Winzer, der aus Trauben den Grundwein<br />

mit möglichst wenigen Eingriffen ausbaut und reifen lässt.<br />

Andererseits braucht er Zugang zu den technischen Herausforderungen<br />

der Schaumweinherstellung. Der schäumende<br />

Wein, der in der Flasche gärt und reift, ist alles andere als ein<br />

Industrieprodukt. Aus verschiedenen Grundweinen wird er zu<br />

einer Cuvée komponiert, assembliert, um dann mit etwas Zucker<br />

und Hefe in der verschlossenen Flasche ein zweites Mal zu gären<br />

und zu reifen. Dabei entstehen die berühmten Perlen, die Bulles,<br />

und es verfeinert sich der Geschmack. In diesen Prozess wird<br />

bis auf das Hinzufügen des Dosageweins nicht eingegriffen. Die<br />

Perlen entstehen nicht mittels technischer oder biochemischer<br />

Interventionen, sondern durch natürliche Fermentation, die<br />

unmittelbar in jener Flasche stattfindet, die in den Verkauf<br />

und am Ende auf den Tisch kommt. <strong>Das</strong> ganze Drumherum –<br />

das Befüllen der Flasche, das Rütteln, Degorgieren, Verkorken<br />

und Etikettieren – sind mechanische Prozesse, die sich automatisieren<br />

lassen – maschinell und computergesteuert. Qualität<br />

und Geschmack eines Schaumweins werden dadurch nicht<br />

beeinflusst.<br />

Nicht nur an dem unternehmerischen Weitblick seines<br />

großen Vorbilds Etienne Bouvet scheint sich Patrice<br />

Monmousseau auszurichten, sondern auch an dessen<br />

mäzenatischer Ader. Bouvet Ladubay besitzt mit dem Centre<br />

d’Art Contemporain eine eigene Sammlung zeitgenössischer<br />

Kunst, die sich direkt unter dem von Etienne Bouvet erbauten<br />

Theater befindet. Bis vor kurzem veranstaltete die Maison jährlich<br />

in Saumur ein Literaturfest, bei dem die Worte ebenso<br />

sprudelten wie der Schaumwein.<br />

Im unterirdischen Labyrinth ließ Patrice Monmousseau<br />

2002 von einem Bildhauer nach seinen eigenen Vorstellungen<br />

die Cathédrale Engloutie schaffen, die versunkene Kathedrale:<br />

Fragmente von Säulen, Kapitellen, Ornamenten und Portraits<br />

wurden in den Tuffstein gehauen. Angestrahlt erinnert sie an<br />

die mystische Welt dieses Ortes, an die einstige Abtei und an<br />

Etienne Bouvet. Daneben lagern Barriques mit den Grundweinen<br />

für die Spitzencuvées der Maison.<br />

Seit 1992 darf kein Schaumweinhersteller außerhalb der<br />

Champagne mehr Méthode Champenoise aufs Etikett schreiben.<br />

Sondern Méthode Traditionelle oder Méthode Classique.<br />

Während sich viele Produzenten empörten, erkannte Patrice<br />

Monmousseau sofort, dass dies eine Befreiung war. Seitdem<br />

sind die Erzeugnisse von Bouvet Ladubay im Markt noch erfolgreicher,<br />

weil sie stärker als das wahrgenommen werden, was<br />

sie sind: feine Schaumweine mit Qualität und Geschmack aus<br />

dem Loiretal, die nur den Bruchteil eines Champagners kosten.<br />

Bouvet Ladubays Perlen bilden eine schöne Phalanx mit den<br />

besten Erzeugnissen der Region, darunter superbe Ziegenkäse<br />

wie Saint-Maure, Valançay, Selles-sur-Cher und Crottin.<br />

Patrice und Juliette<br />

Monmousseau<br />

lieben die Kunst.<br />

Im Centre d’Art<br />

Contemporain der<br />

Maison Bouvet<br />

Ladubay werden in<br />

wechselnden Ausstellungen<br />

Werke<br />

zeitgenössischer<br />

Künstler gezeigt.<br />

In der Abenddämmerung<br />

beginnt<br />

Saumur, die Hauptstadt<br />

des Crémant<br />

de Loire, regelrecht<br />

zu funkeln.<br />

82 <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2018</strong> Loire Loire <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2018</strong> 83


Ehrlich verkostet acht Schaumweine<br />

<strong>FINE</strong>TASTING|Till<br />

der Maison Bouvet Ladubay<br />

Die Flaschen aus den Kellern in Saint-Hilaire-Saint-Florent waren frisch degorgiert;<br />

Abweichungen unterschiedlicher Abfüllungen sind möglich.<br />

aus den Jahrgängen 2007 bis 2015<br />

89 P<br />

2015 Bouvet Saphir Brut Saumur AOC Blanc<br />

90 Prozent Chenin Blanc sowie Chardonnay von weißen Tuff-Kreideböden in Saumur<br />

und Anjou. Ausbau im Edelstahltank, dann nach der traditionellen Methode in<br />

der Flasche gereift.<br />

Eröffnet finessenreich, frisch, mineralisch: zerriebene Kreide, Austern, Toast.<br />

Am Gaumen leichtfüßige Intensität mit feiner, anhaltender Mousse. Schlank,<br />

zitrusfrisch, raffiniert.<br />

2015 Bouvet Crémant de Loire AOC Blanc Brut 88 P<br />

Der Jahrgangs-Crémant ist reiner Chardonnay, der von Tuff-Kreide in Saumur<br />

und Schieferböden in Anjou stammt. Ausbau im Edelstahltank, dann nach der<br />

traditionellen Methode in der Flasche gereift.<br />

Weiniges, vielschichtiges Bukett mit maritimen Aromen: zerstoßene Muschelschale,<br />

Kreide, dunkles Mineral. Am Gaumen vollmundige Intensität und fleischige<br />

Zitrusfruchtigkeit. Süffig und harmonisch, fruchtbetont und mineralisch.<br />

Bouvet Brut de Luxe Méthode Traditionelle Blanc 90 P<br />

Freiheit ist Luxus: Patrice Monmousseaus jüngste Kreation ist ein frei von AOP-<br />

Reglements erzeugter Vin Mousseux Traditionelle aus selektionierten Trauben<br />

vom Loiretal. Die Hälfte des Grundweins wurde in älteren Barriques ausgebaut,<br />

dann nach der traditionellen Methode in der Flasche gereift und mit geringer<br />

Dosage verkorkt.<br />

Vielschichtiges kreidig-mineralisches Bukett: ein Hauch Brioche, frische Nuss,<br />

Muschelschale. Am Gaumen belebende Mousse. Saftig, reich, präzis. Anhaltender<br />

Nachklang, rund und frisch. Ein Tipp!<br />

2015 Bouvet Grand Vin de Dessert Saumur AOC<br />

Blanc Demi-Sec<br />

92 P<br />

80 Prozent Chenin Blanc mit Chardonnay aus Saumur. Ausbau in Barriques.<br />

<strong>Das</strong> Bukett ist sinnlich-betörend, dabei reduktiv präzis: frische Nüsse, zerriebene<br />

Kreide, Aprikose, Mango, helles Mineral. Am Gaumen griffig, straff, knackig.<br />

Schöne Balance, verführerische Pfirsich- und Honigaromen, dabei klar, saftig.<br />

91 P<br />

Bouvet Trésor Brut Saumur AOC Rosé<br />

90 Prozent Cabernet Franc mit Pinot Noir. Längerer Barrique-Ausbau.<br />

Apricotfarben. Lebhafter, kreidig-mineralischer Duft: frische Erdbeere, Aprikose,<br />

Zitrus, Lilie, Auster. Am Gaumen griffige Frische mit charmant zartbitterer<br />

Fruchtigkeit. Delikat, saftig und knackig. Dabei feinnervig und anhaltend.<br />

2014 Bouvet Zéro Extra Brut Saumur AOC Blanc 93 P<br />

Crus-Selektion aus 90 Prozent Chenin Blanc sowie Chardonnay, der von weißen<br />

Tuff-Kreideböden aus Saumur stammt. Ausbau in ein- bis zehnjährigen Barriques,<br />

drei Jahre auf dem Hefelager in der Flasche gereift, null Dosage.<br />

Superbes Bukett mit zarten Reifenoten: Zitrus, Aprikose, Apfel, zerstoßene<br />

Kreide, helles Mineral. Am Gaumen vitales Mundgefühl durch feine, lang<br />

anhaltende Mousse. Weinig, fest, knochentrocken, knackig-frisch. Zarte Holzstütze,<br />

Spannung, Zugkraft, Länge. Auch Tage später, aus der geöffneten Flasche,<br />

ohne Bubbles, schmeckt er köstlich.<br />

2014 Bouvet Instinct Saumur AOC Blanc Brut 94 P<br />

Handselektierte Crus der besten Trauben aus Saumur: 80 Prozent Chenin Blanc<br />

und Chardonnay. Ausbau in ein- bis zehnjährigen Barriques, drei Jahre auf dem<br />

Hefelager in der Flasche gereift, niedrige Dosage.<br />

Hochfeines, sinnliches Bukett: fleischige gelbe Beeren, Zitrusfrucht, Melone,<br />

helles Mineral. Am Gaumen dichte, expressive Saftigkeit mit warmen Briochenoten.<br />

Nach hinten weinig, lebendig, anhaltend.<br />

2007 Bouvet Ogmius Saumur AOC<br />

Blanc Brut Magnum<br />

96 P<br />

Die Cuvée besteht aus 80 Prozent Chenin Blanc mit Chardonnay, wurde in Barriques<br />

ausgebaut, rund zehn Jahre auf dem Hefelager in der Magnum gereift und mit<br />

niedriger Dosage verkorkt.<br />

Vitales Bukett mit hinreißenden Reifenoten: kreidig-mineralisch, karamellig,<br />

zitrusfruchtig. Am Gaumen hedonistischer Geschmack, komplex, tief, nussig.<br />

Vollmundige Intensität mit Finesse und Lebendigkeit. Ein Hauch Brioche und<br />

sublime Fruchtigkeit, dabei fest und kernig. Langer, großzügiger Nachklang.<br />

Zehnminütiges Karaffieren öffnet ihn.<br />

84 <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2018</strong> Loire

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