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Für Mama & Papa<br />
eine Kooperation von<br />
Kinder wahrnehmen, so wie sie sind<br />
„Das Lagerfeuer“<br />
Die Kindergartengruppe unternimmt einen Ausflug zum Inn.<br />
Die Pädagogin kennt einen geeigneten Platz für ihre Gruppe, er<br />
ist groß und übersichtlich. Die Kinder finden dort viele interessante<br />
Materialien vor: Sand, Steine, Wasser, Stöcke, Pflanzen,<br />
Baumstämme … Am Innufer angekommen, haben die Kinder<br />
die Möglichkeit ihren Interessen nachzugehen.<br />
&<br />
Haus der<br />
Telfer Kinder<br />
Eltern-Kind-Zentrum<br />
Die Pädagogin wird auf zwei Kinder<br />
aufmerksam. Sie versuchen, verschieden<br />
große Stöcke in den Sand bzw.<br />
Matsch zu stecken. Die Pädagogin<br />
setzt sich mit Block und Fotoapparat<br />
in die Nähe der Kinder.<br />
„Tschüss derweil.“<br />
Kind 2 bleibt beim Lagerfeuer.<br />
Zwei weitere Kinder kommen vorbei:<br />
„Was macht’s es da?“<br />
Kind 2: „A Lagerfeuer.“<br />
Kind 1: „Wir spielen Baby.“<br />
Die Pädagogin fragt nach: „Was wird<br />
das denn, was ihr da baut?“<br />
Kind 1: „Etwas.“<br />
Pädagogin: „Wer ist das Baby?“<br />
Kind 1: „Keiner, des heißt bloß so!“<br />
Immer noch sind die zwei Kinder dabei,<br />
die Stöcke irgendwie zusammen<br />
zu bauen. Doch die Stöcke fallen<br />
immer wieder um. Sie beginnen von<br />
vorne. Die Kinder sind konzentriert<br />
und ausdauernd bei ihrer Arbeit, sie<br />
lassen sich nicht ablenken.<br />
Ein anderes Kind (Kind 3) kommt<br />
dazu und fragt: „Was macht’s es da?“<br />
Kind 1: „Ein Zelt.“<br />
Kind 2: „Naaaa, ein Lagerfeuer wird’s.<br />
Da kann man sich verbrennen!“<br />
Kind 3: „Das ist doch kein echtes.“<br />
Jetzt haben sie es geschafft, dass die<br />
Stöcke nicht mehr in sich zusammenfallen.<br />
Kind 1: „Wir brauchen da drinnen<br />
Holz. Ich sammle Holz.“ Es fragt<br />
Kind 3, ob es mithelfen mag, Holz<br />
zu sammeln.<br />
Die beiden gehen Holz sammeln:<br />
Kind 1 kommt zurück und legt ein<br />
Stück Holz dazu: „Ich hab ein bisschen<br />
Holz!“<br />
Dann sagt es zu Kind 2: „Du Papa,<br />
ich geh jetzt einkaufen, ok?“<br />
Kind 2: „Ja, ich bau am Lagerfeuer<br />
weiter.“<br />
Es zündet spielerisch das Lagerfeuer<br />
an: „Tschsch, jetzt brennt´s, unser Lagerfeuer!“<br />
Die Kinder sind intensiv mit ihrer<br />
Bautätigkeit beschäftigt. Sie verknüpfen<br />
diese Tätigkeit mit einem Rollenspiel.<br />
Kinder verarbeiten in Rollenspielen<br />
Dinge, die sie erlebt haben,<br />
und sie probieren neue Verhaltensweisen<br />
aus. Durch das Spiel mit den<br />
anderen Kindern erweitern sie ihre<br />
Möglichkeiten.<br />
Die Pädagogin nimmt das Interesse<br />
der Kinder am Lagerfeuer auf, beim<br />
nächsten Ausflug werden ein echtes<br />
Lagerfeuer gemacht und Bratäpfel<br />
gegrillt. Die Pädagogin nimmt sich<br />
Zeit für die Beobachtung der Kinder.<br />
Sie wendet die Methode der „wahr-<br />
Pädagogen können durch die wahrnehmende Beobachtung ihr Verständnis für<br />
Kinder und ihre Bedürfnisse erweitern und dadurch die Kinder geeignet begleiten.<br />
Fotos: Haus der Telfer Kinder<br />
nehmenden Beobachtung“ an. Sie interessiert<br />
sich für die Tätigkeiten der<br />
Kinder, für ihre Fragestellungen, für<br />
das, was sie sich ausdenken, für ihre<br />
Gefühle und Empfindungen.<br />
Dadurch wird ein Grundbedürfnis<br />
der Kinder gestillt: Sie wollen von<br />
uns Erwachsenen wahrgenommen<br />
werden. Pädagogen können durch<br />
die wahrnehmende Beobachtung ihr<br />
Verständnis für die Kinder und ihre<br />
Bedürfnisse erweitern und dadurch<br />
die Kinder geeignet begleiten. Die<br />
Beobachtungen werden schriftlich<br />
festgehalten. Aus den Notizen und<br />
den Fotos gestalten Pädagogen eine<br />
Beobachtungsgeschichte. Die Kinder<br />
interessieren sich für diese Geschichten,<br />
sie schauen sich die Fotos an und<br />
reden über das gemeinsam Erlebte.<br />
Die Eltern freuen sich auch über die<br />
Beobachtungsgeschichten, sie erhalten<br />
so einen Einblick in den Kindergartenalltag.<br />
Kinder werden als „kleine Forscher“<br />
wahrgenommen, die neugierig ihre<br />
Umgebung erkunden, selbsttätig Erfahrungen<br />
sammeln, neue Kompetenzen<br />
entwickeln und sich immer<br />
mehr Wissen aneignen. Sie gehen bei<br />
ihren Aktivitäten hoch motiviert und<br />
kreativ mit der jeweiligen Herausforderung<br />
um, sind hoch konzentriert,<br />
wirken oft selbstvergessen und reagieren<br />
häufig mit spontaner Freude,<br />
wenn sie etwas Neues gelernt haben.<br />
Das Kind lernt, sich immer besser in<br />
seiner materiellen, sozialen und kulturellen<br />
Umwelt zu orientieren und<br />
sich in ihr handelnd zu behaupten.<br />
Wahrnehmendes Beobachten konzentriert<br />
sich auf das Erfassen von<br />
Bildungsprozessen des Kindes. Bildungsprozesse<br />
sind die Prozesse, in<br />
denen sich das Kind mit den Gegebenheiten<br />
seiner Um- und Mitwelt so<br />
auseinandersetzt, dass es daraus ein<br />
Bild von der Welt und von sich selbst<br />
gewinnen kann. Beim wahrnehmenden<br />
Beobachten geht es nicht<br />
um Schwierigkeiten, die Kinder machen<br />
oder haben. Es geht auch nicht<br />
darum, was Kinder (noch) nicht können<br />
und deshalb lernen sollten. In erster<br />
Linie geht es um das, was Kinder<br />
an eigenen Möglichkeiten in ihre Bildungsprozesse<br />
einbringen.<br />
Gerd Schäfer hat diese Methode<br />
entwickelt. Er schreibt:<br />
„Ein Kind will von seinen Erziehern,<br />
dass sie ihm eine Umgebung<br />
bieten, in der es sich vielfältig bewegen<br />
kann, Anregung für seine<br />
Sinne, seine Phantasie sowie seine<br />
Lust am Forschen und Gestalten<br />
findet. Es will nicht als defizitäres<br />
Wesen wahrgenommen werden,<br />
sondern als kleiner Mensch, der<br />
immer schon Erfahrungen mitbringt,<br />
mit deren Hilfe er einen<br />
Einstieg in Problemlösungen findet.<br />
Ein Kind will die Zeit haben,<br />
Dinge auf seine Weise zu tun und<br />
zu Ende zu bringen.“<br />
RUNDSCHAU Seite 18 5./6. Dezember 2018