Ausgabe 180
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. <strong>180</strong> / 19. 12. 2018<br />
Österreich, Europa und die Welt<br />
22<br />
te die Anerkennung der Roma als „Meilenstein<br />
in der österreichischen Rechtsgeschichte“,<br />
als Endpunkt einer mehrere hundert Jah -<br />
re dauernden Verfolgungsgeschichte, als Hö -<br />
hepunkt österreichischer Minderheitenpolitik<br />
und als Beginn einer „europäischen Er -<br />
folgsgeschichte österreichischer Roma-Politik“.<br />
Bis dahin hatten Verfassungsjuristen den<br />
Roma und Sinti die Anerkennung als Volksgruppe<br />
verweigert, weil es ihnen an einer<br />
„dauerhaften Bindung an ein Territorium der<br />
Republik Österreich mangle“ und weil sie<br />
„keinerlei Selbstorganisation“ besäßen.<br />
Das Blatt wendete sich, als Siedlungskurkunden<br />
der burgenländischen Roma aus dem<br />
Jahr 1674 beigebracht wurden und als am<br />
15. Juli 1989 der „Verein Roma“ in Oberwart<br />
gegründet wurde. Vor allem Rudolf Sarközi<br />
betrieb die Anerkennung der Roma und Sinti<br />
intensiv. „Er war der rechte Mann am rechten<br />
Ort zur rechten Zeit“, hob Baumgartner<br />
Sarközi hervor. Auch der 1993 kurz bevorstehende<br />
EU-Beitritt Österreichs (1. Jänner<br />
1995) hat Gerhard Baumgartner zufolge eine<br />
wichtige Rolle bei der Anerkennung der<br />
Volksgruppe der Roma gespielt, ebenso wie<br />
die Aufarbeitung der Zeit Österreichs während<br />
des Nationalsozialismus 1938 bis 1945,<br />
ausgelöst durch die „Waldheim-Affäre“ 1986.<br />
Baumgartner: Roma waren<br />
die Verlierer der Ostöffnung<br />
Im Vergleich mit den Ländern des ehemaligen<br />
Ostblocks ist die Integration der Volksgruppenangehörigen<br />
der Roma vorbildlich<br />
verlaufen. „Roma waren die Verlierer der<br />
Ostöffnung“, sagte Baumgartner. Er berichtete<br />
von einer Studie, bei der mehrere Tausend<br />
Menschen in Tschechien, der Slowakei,<br />
in Ungarn, Rumänien und Bulgarien befragt<br />
worden waren. Sie ergab, daß das Prädikat<br />
„Arm“ mit der Volksgruppenbezeichnung<br />
„Ro ma“ gleichgesetzt wird. Baumgartner<br />
sprach von einer „Ethnisierung der Armut“.<br />
Sie sei der Grund, warum rechtsextreme<br />
Grup pen in den betroffenen Ländern einen<br />
derartigen Zulauf von armen Menschen<br />
habe. „Wie sonst sollten arme Leute beweisen,<br />
daß sie nicht aufgrund ihrer Ethnie arm<br />
sind?“, stellte Baumgartner in den Raum und<br />
hob hervor: „Diese erschütternden Einsichten<br />
aus der Studie zeigen uns, wie wichtig es<br />
ist aufzupassen, daß wir das Erreichte nicht<br />
gefährden.“<br />
Posch-Gruska: Ausgrenzung<br />
hat viele Gesichter<br />
Die Bundesratspräsidentin erinnerte, daß<br />
12 Millionen Roma in Europa immer noch<br />
Fotos: Parlamentsdirektion / Thomas Jantzen<br />
Am Rednerpult Bundesratspräsidentin Inge Posch-Gruska<br />
Am Rednerpult: der wissenschaftliche Leiter des DÖW Gerhard Baumgartner<br />
am Rande von Ortschaften wohnen, 35.000<br />
davon in Österreich. „Aus grenzung hat viele<br />
Gesichter – eines davon ist unser eigenes“,<br />
unterstrich sie. Es liege in unserer Verantwortung,<br />
als Mitglieder einer Gesellschaft<br />
hinzusehen und zu handeln, wenn Menschen<br />
Unrecht geschehe. Sie zeigte auf, daß 2018<br />
in Österreich durchschnittlich jede Woche<br />
eine rechtsextreme oder fremdenfeindliche<br />
Straftat bekannt ge worden ist und mahnte:<br />
„Laßt uns unsere kulturelle Vielfalt als die<br />
Bereicherung se hen, die sie ist, und auf sie<br />
achten! Laßt uns aufeinander achten!“<br />
Gärtner-Horvath: Die österreichische<br />
Roma-Politik ist beispielgebend in<br />
Europa<br />
Der Vorsitzende des Volksgruppenbeirats<br />
der Roma, Emmerich Gärtner-Horvath, setzt<br />
»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at<br />
sich vor allem für die Bewahrung der Kultur<br />
und Sprache der Roma ein. Die österreichische<br />
Roma-Politik wertet er als beispielhaft<br />
in Europa, deren Anerkennung als Volksgruppe<br />
als wichtiges politisches Signal. Den -<br />
noch, so stellte er mit Sorge fest, gibt es noch<br />
immer in unserer Gesellschaft Menschen,<br />
die große Vorurteile gegenüber der Volksgruppe<br />
der Roma haben.<br />
Gärtner-Horvath ging auf die Geschichte<br />
der Anerkennung ein und thematisierte vor<br />
allem auch die damaligen Probleme im Be -<br />
reich der Bildung und auf dem Arbeitsmarkt.<br />
Es hätten sich aber dann zahlreiche Projekte<br />
entwickelt, nicht nur um dieser Diskriminierung<br />
entgegenzuwirken, sondern auch um<br />
die Roma-Kultur aufzuarbeiten. In diesem<br />
Zusammenhang nannte er vor allem das<br />
Sprachprojekt „Kodifizierung und Didakti-