ausgabe_5_duesseldorf
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STILKOLUMNE<br />
WILLKOMMEN IN DER 2. HÄLFTE IHRES LEBENS!<br />
Meine Freunde würden mich töten, wenn ich jetzt alle Dinge<br />
ausplaudern würde, die sich gerade in meinem Bekanntenkreis<br />
(uns selbst nicht ausgeschlossen) so abspielen. Da ist wirklich alles<br />
dabei. Dagegen ist das Leben von Sylvie van der Vaart langweilig<br />
und angepasst. Ich habe lange überlegt, ob ich jetzt nur genauer<br />
hinschaue oder ob es tatsächlich so ist, dass sich Krisen und<br />
schwere Krankheiten in unserem Umfeld plötzlich so extrem<br />
häufen. Eindeutig Letzteres. Aber wieso?<br />
Meine Freundin Alice erklärte lapidar: „Naja, das ist halt das Alter<br />
jetzt.“ HALLO? Was denn für ein Alter? Ich bin doch erst 38 und<br />
auch nie deine Jacke an!“ und „Solange du unter unserem Dach<br />
lebst, musst du dich auch an unsere Regeln halten.“<br />
Würg. Ich habe diese Sätze aus dem Mund meiner Eltern gehasst,<br />
und nun sehe ich mir selber kopfschüttelnd dabei zu, wie ich täglich<br />
denselben Sermon herunterleiere, der mir immer so auf die<br />
Nerven ging. Es ist so etwas wie die zweite Pubertät. Eine verwirrende,<br />
aufregende und beängstigende Zeit, in der wir uns von<br />
allem abnabeln, was nicht mehr zu unserem neuen Dasein passt,<br />
und uns unbekannten Ufern zuwenden. Wohlwissend, dass wir<br />
ganz allein die Verantwortung tragen für unser Scheitern oder<br />
unseren Erfolg. Jetzt können wir nicht mehr hängenden Kopfes<br />
bei den Eltern auftauchen und sie um Geld für die nächste<br />
Wohnungsmiete anpumpen. Jedenfalls nicht ohne den Verlust<br />
jeglicher Würde.<br />
Da muss man den Tatsachen wohl ins Auge sehen - jetzt sind wir<br />
an der Reihe. Viel mehr als ein Lebensabschnitt fühlt es sich wie<br />
eine Schwelle an, die es zu übertreten gilt. Doch bevor man dies<br />
tun kann, heißt es wohl oder übel: zurückschauen. Ist mein Leben<br />
so verlaufen, wie ich es mir immer vorgestellt hatte? Bin ich<br />
angekommen, wo ich ankommen wollte? Habe ich erreicht, was<br />
ich erreichen wollte? Und wenn nicht - bleibt mir überhaupt<br />
mein Mann 40. Aber sie hat recht. Genau das<br />
noch genug Zeit dafür? Einige von uns nehmen<br />
DA MUSS MAN DEN TATSACHEN<br />
ist nämlich das Alter. Beziehungsweise es ist die<br />
diese Überlegungen zum Anlass, noch einmal<br />
WOHL INS AUGE SEHEN – JETZT<br />
Schwelle, die wir übertreten von einer Generation<br />
in die nächste. Wir sind jetzt keine coolen<br />
Neuorientierung, eine Scheidung oder einen<br />
neu durchzustarten. Sei es durch eine berufliche<br />
SIND WIR AN DER REIHE<br />
Youngster mehr, die ihren Eltern das Internet erklären. Nö. Wir Neubeginn im Ausland. Manche stellen bereits betrübt fest, dass<br />
sind jetzt die nächste Generation, die ihren Kindern erzählt: die anfängliche Euphorie über die neue Liebesbeziehung schon<br />
„Also mit dem Zeugnis kannst du Studieren vergessen!“, „Du wieder verflogen ist. Was dann zurückbleibt ist eine Ehe, die der<br />
brauchst dich über deinen Husten nicht zu wundern, du ziehst ja ersten stark ähnelt. Nur halt mit anderen Problemen. Andere<br />
kehren nach einigen Jahren Ausland wieder zurück, nachdem sie<br />
herausgefunden haben, dass das Gras auf der anderen Seite genauso<br />
grün ist wie hier. Der ein oder andere macht mit Anfang 40<br />
noch schnell den Motorrad- oder Bootsführerschein oder kauft<br />
sich eine Dauerkarte, weil der fürs Auto nun endgültig fort ist.<br />
Egopflege, wie ich es gerne nenne, gerne mal auf der Strecke.<br />
Dazu gehört alles, was uns gut tut. Ein Essen mit guten Freunden,<br />
der wöchentliche Yogakurs oder mit den Kumpels das<br />
Fußballspiel ansehen. (Bei mir vor allem ein ausgedehnter Shoppingtrip!<br />
Wobei ich zugeben muss, dass ich das immer noch irgendwie<br />
unterkriege…).<br />
Manche versinken haltlos in Alkohol, starken Depressionen<br />
oder dem kläglichen Versuch, weiterhin das Leben eines<br />
20-Jährigen zu führen. Der Großteil erleidet in diesem Zeitraum<br />
einen Burn-out, Herzinfarkt, Bandscheibenvorfall, Schlaganfall<br />
oder erkrankt an Krebs – und grübelt dann monatelang über<br />
Auch die Pflege der Ehe fällt in diesen Bereich, denn die Ehe<br />
braucht eine Menge Aufmerksamkeit! Sie hat nämlich die doofe<br />
Angewohnheit, einfach still und heimlich zu vertrocknen, wenn<br />
man lange genug wegschaut.<br />
die Frage nach, inwiefern die bisherigen Lebensgewohnheiten<br />
zu der Krankheit geführt haben und inwieweit diese nun den<br />
weiteren Lebensweg beeinflussen wird. Fakt ist: Der nächste<br />
Lebensabschnitt bringt viele, schwerwiegende Veränderungen<br />
mit sich. Bis zu einem gewissen Grad werte ich eine Selbstreflektion<br />
immer als sehr positiv. Auch eine Bilanz<br />
Die Schwierigkeiten des Lebens zu meistern ist eine große Herausforderung.<br />
Sich dabei aber seinen Humor und seinen Optimismus<br />
zu bewahren ist eine große Kunst. Wer das schafft,<br />
ist für mich ein wahrer Lebenskünstler. Deshalb versuche ich<br />
jetzt, noch genauer hinzuschauen. Denn<br />
ziehen ist erlaubt – egal wie, sie am Ende<br />
ausfällt. Wichtig ist nur eins: anschließend<br />
kurz durchatmen und dann die Schwelle<br />
beherzt überschreiten. Willkommen in der<br />
DIE SCHWIERIGKEITEN DES LEBENS<br />
ZU MEISTERN IST EINE GROSSE<br />
HERAUSFORDERUNG<br />
jeder von uns landet irgendwann in einer<br />
Lebenskrise. Doch wie geht man gestärkt<br />
und nicht zerstört daraus hervor? Wie<br />
durchsteht man schwierigste Situationen –<br />
2. Hälfte Ihres Lebens! Das bedeutet, wir haben noch Zeit!<br />
Zeit, um Träume zu verwirklichen, Wünsche in Erfüllung<br />
gehen zu lassen, Ziele zu realisieren, Fehler auszubügeln und<br />
unsere positiven Eigenschaften weiter auszubauen.<br />
unbeschwert? Wenn man schon bei Scrubs Rotz und Wasser<br />
heult, nur weil J.D. und der neurotische Dr. Cox sich nach gefühlten<br />
100 Folgen endlich umarmen. Wenn Sie das bereits<br />
herausgefunden haben, sollten Sie über dieses Thema bitte die<br />
nächste Kolumne schreiben. Ich werde sie mit Feuereifer lesen.<br />
Diese Zeit muss man sich allerdings auch nehmen. Noch nie<br />
mussten wir so hohe Erwartungen erfüllen – auch unsere<br />
eigenen. Egal, ob im Beruf, in der Familie, im Haushalt –<br />
Frauen und Männer müssen gleichermaßen in allen Bereichen<br />
glänzen. Und dabei bitte noch gut aussehen. Dabei bleibt die<br />
Herzlichst,<br />
Ihre Meike Ilbag<br />
120 STILPUNKTE<br />
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