Rundbrief der Emmausgemeinschaft - Ausgabe 01|19
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Emmaus | 17<br />
„Du kannst hier nicht bleiben“<br />
Was tun mit psychisch kranken, nicht Compliance * -fähigen Gästen<br />
Ein Pfarrer findet vor seiner Kirche einen bettelnden jungen Mann, <strong>der</strong> verwirrt<br />
wirkt. Der Pfarrer kennt seit langem die Grundversorgung (Verpflegung und Schlafplatz)<br />
für Männer im Emmaus-Wohnheim Kalvarienberg und bringt den Mann dort<br />
hin ins Tageszentrum.<br />
von Walter Steindl<br />
Der junge Mann hat eine lange Emmaus-Geschichte.<br />
Derzeit kann er<br />
in keinem unserer Häuser aufgenommen<br />
werden. Die fatale Kombination<br />
„Psychische Erkrankung plus Drogenmissbrauch“<br />
würde einen gut geschulten<br />
Mitarbeiter erfor<strong>der</strong>n, <strong>der</strong> ihn auf Schritt<br />
und Tritt begleitet. Damit er nicht gegen<br />
die wenigen Gemeinschaftsregeln verstößt<br />
und die übrigen Gäste gefährdet.<br />
Ich spreche mit ihm und erwähne seinen<br />
Erwachsenenvertreter. Aber auch<br />
<strong>der</strong> scheint hilflos zu sein und kann ihm<br />
keine angemessene Wohnmöglichkeit<br />
verschaffen. Daraufhin beginnt bei dem<br />
jungen Mann eine psychotische (=Beeinträchtigung<br />
<strong>der</strong> Wahrnehmung und Auffassung<br />
<strong>der</strong> erlebten Wirklichkeit) Verarbeitung<br />
des Themas. Er redet wirr vom<br />
Töten – und kommt mir bis auf 30 cm<br />
nahe. „Du bist zu knapp an mir dran, geh<br />
bitte einen Schritt zurück“, sage ich. Nur<br />
zögernd gehorcht er und murmelt Unverständliches.<br />
Ich erwähne die bestehende<br />
Sperre bei Emmaus und begleite ihn zur<br />
Tür. Er geht, mit sich selbst im Gespräch,<br />
in die winterliche Kälte hinaus.<br />
Für diesen jungen Mann haben wir kein<br />
Angebot bei Emmaus. Helfen würde ihm<br />
eine nie<strong>der</strong>schwellige Andockmöglichkeit<br />
für psychisch kranke Personen im Zentralraum<br />
NÖ. Aber die gibt es noch nicht.<br />
Walter Steindl leitet das<br />
Emmaus-Wohnheim am Kalvarienberg<br />
in St. Pölten.<br />
* Bereitschaft eines Patienten zur aktiven Mitwirkung an therapeutischen Maßnahmen<br />
Unsere Frauen-Notschlafstelle ist nie<strong>der</strong>schwellig,<br />
um möglichst alle Frauen<br />
aufnehmen zu können. Allerdings kommen<br />
wir immer häufiger mit Frauen, die<br />
sich in einem psychischen Ausnahmezustand<br />
befinden, an unsere Grenzen. Und<br />
müssen deswegen die Zusammenarbeit<br />
abbrechen. Eine schwere Entscheidung<br />
im Spannungsfeld Schutz <strong>der</strong> Einzelnen<br />
versus Schutz <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Notschlafstellennutzerinnen.<br />
Diese Frauen brauchen<br />
dringend eine spezielle Einrichtung.<br />
Rita Olah leitet das<br />
Emmaus-Frauenwohnheim in St. Pölten.<br />
Übrigens: Die <strong>Emmausgemeinschaft</strong> hat für von dieser Problematik Betroffene bereits<br />
Konzepte ausgearbeitet, die umgesetzt werden, sobald die Ressourcen dafür zur Verfügung<br />
stehen.<br />
Foto: Jinga/shutterstock.com