08.03.2019 Aufrufe

Rundbrief der Emmausgemeinschaft - Ausgabe 01|19

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

20 | Emmaus<br />

Was wächst denn da?<br />

Gedanken über Unkraut<br />

Am 28. März ist <strong>der</strong> „Tag des Unkrauts“. Ich liebe Unkraut! An meinem Bildschirm<br />

klebt ein Spruch: „Unkraut nennt man die Pflanzen, <strong>der</strong>en Vorzüge noch nicht<br />

erkannt worden sind.“<br />

von Ruth San<strong>der</strong><br />

Unkraut ist, was wir, z.B. im Blumenbeet,<br />

nicht haben möchten. Doch<br />

jede/r entscheidet selbst, welche<br />

Kräuter für ihn o<strong>der</strong> sie Unkraut und welche<br />

nützliche Heilpflanzen sind. Aus getrockneten<br />

Brennnesseln, Löwenzahn, Hirtentäschel<br />

usw. mische ich mir jedes Jahr<br />

meinen „Unkrauttee“, denn diese Kräuter<br />

enthalten viele wertvolle Nährstoffe.<br />

Im weiteren Sinn beziehe ich den obigen<br />

Spruch des US-amerikanischen Philosophen<br />

und Schriftstellers Ralph Waldo<br />

Emerson auch auf Menschen, die von <strong>der</strong><br />

Gesellschaft eher gemieden werden. Diese<br />

Menschen können beson<strong>der</strong>e Vorzüge<br />

haben, die wir erst wahrnehmen, wenn<br />

wir uns näher mit ihnen auseinan<strong>der</strong>setzen<br />

– Sensibilität, Achtsamkeit, Humor,<br />

Ehrlichkeit … Manche Gäste <strong>der</strong> CityFarm<br />

reagieren sensibel, wenn es um das Jäten<br />

von Unkraut geht: „Ich empfinde<br />

Trauer, dass es so sein muss – nicht, weil<br />

ich eine Pflanze ausreiße, denn die vergibt<br />

mir eh. Aber dass ich keine bessere<br />

Lösung habe.“ „Sie überwuchern ja alles,<br />

aber irgendwie haben sie ja auch ihre Daseinsberechtigung.“<br />

„Die Pflanze hat sich<br />

ausgesucht, dass sie dort wächst – warum<br />

sollt ich sie jetzt wegnehmen?“<br />

Steckt hinter dieser Aussage auch die<br />

Sorge, selbst „aussortiert“ und zum „Unkraut“<br />

gerechnet zu werden? Wie wäre<br />

es statt „Unkraut“ mit „Wildpflanze“ o<strong>der</strong><br />

„Beikraut“? Der Gartentherapeut Konrad<br />

Neuberger meint über Unkraut: „So kann<br />

die Arbeit mit diesen Pflanzen <strong>der</strong> Reflexion<br />

über Gedanken, Gefühle und Verhalten<br />

dienen, über die eigene Rolle und die<br />

<strong>der</strong> Gemeinschaft.“<br />

Ich bin dankbar für Pflanzen, die ich nicht<br />

angesät und gepflegt habe und die trotzdem<br />

und mit ihren speziellen Vorzügen<br />

in meiner Nähe wachsen. Und ich bin<br />

dankbar für Menschen, die mich mit ihren<br />

beson<strong>der</strong>en und auch unerwarteten<br />

Eigenschaften beschenken.<br />

Ruth San<strong>der</strong> ist Ergotherapeutin und<br />

arbeitet in <strong>der</strong> Emmaus CityFarm.<br />

Grafik: Schörgmaier

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!