Johannisburger Heimatbrief 1976.
Johannisburger Heimatbrief 1976.
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„Lebe bestaendig, kein Unglück ewigk!”<br />
Kreisvertreter Gerhard Wippich<br />
Dieser Fahnenspruch auf der Regimentsfahne des preußischen Regiments zu<br />
Fuß „Hillebrandt von Kracht”, dessen jetzt 360jährige Tradition in der Bundeswehr<br />
vom Raketen-Artl. Batl. 150 im Hamminkeln fortgeführt wird, nachdem<br />
sie nach dem 1. Weltkrieg in der Obhut des Inf. Regt. 2 lag, soll einige,<br />
nachdenkliche Worte dieses <strong>Heimatbrief</strong>es begleiten.<br />
Mehr als dreißig Jahre aus der Heimat vertrieben, müssen uns schon wie eine<br />
Ewigkeit vorkommen. Aber Ewigkeiten dauern länger als die seit der Vertreibung<br />
liegende Zeit. Sie dauern länger als dies ein Mensch erwarten oder gar<br />
ertragen kann und deshalb sind sie dann auch kürzer, als wir es ermessen<br />
könnten. Dieser Fahnenspruch ist uns Ostpreußen auch heute auf den Leib<br />
zugeschnitten.<br />
Kann man es etwa nicht als Unglück bezeichnen, um nur eine Möglichkeit zu<br />
erwähnen, die gerade jetzt wieder aktuell ist, daß Ostpreußen eines Passes<br />
und Visums bedürfen, um in ihre angestammte Heimat oder auch nur in die<br />
Nähe ihrer Heimat gelangen zu können? Für viele Ostpreußen nur die letztgenannte<br />
Möglichkeit. So mancher von ihnen wird an der Demarkationslinie<br />
zwischen dem russischen und polnischen Herrschaftsbereich gestanden haben<br />
und sehnsüchtig in Richtung Schloßberg, Schirrwindt und anderen Orten geblickt<br />
haben. Wenn er dies zu sehr früher Stunde getan hat, mag sich in seinen<br />
Gedanken das Wappen von Schirrwindt um die im Osten aufgehende<br />
Sonne gedrängt haben. Auf die bange Frage, wann auch jenen sich der Staub<br />
heimatlicher Straßen auf den Schuhen niederschlagen wird, muß als Antwort<br />
die Hoffnung stehen, daß „kein Unglück ewig” dauere.<br />
Selbst die babylonische Gefangenschaft eines Volkes fand ihr Ende, so wie<br />
auch unser Unglück ein Ende finden wird.<br />
Diese Hoffnung kann jedoch nur Erfüllung finden, wenn auch der Vorsatz des<br />
Fahnenspruches unser Handeln bestimmt: „Lebe bestaendig!”<br />
Da keine Geschenke vom Himmel fallen, verlangt er von uns, in jeder Weise<br />
und zu jeder Zeit treu zu unserer Heimat zu stehen. Es genügt hierzu nicht,<br />
und von Zeit zu Zeit sich der Heimat zu erinnern. Es langt nicht, daß wir uns<br />
nur zum Fleckessen und zu anderen Geselligkeiten treffen. Das Genießen von<br />
„Pillkallern, Bärenfang und Kosakkenkaffee” darf nur Begleiterscheinung sein.<br />
Es reicht auch nicht, daß wir uns der in Ostpreußen gewachsenen Kultur und<br />
uns im Gebrauch unserer Mundart weiter üben. Es gehört weit mehr dazu.<br />
Wir müssen überall dort, wo sich auch nur in Ansätzen Möglichkeiten zeigen,<br />
für das Recht auf unsere Heimat eintreten. Wir müssen das Eigentum und<br />
andere Werte verteidigen, die wir im Osten aufgeben mußten und die auch<br />
hier in Gefahren geraten. Auch in der Bundesrepublik Deutschland — so und<br />
nicht etwa Westdeutschland heißt dieses unser Land — haben wir die legitime,<br />
vom Grund-<br />
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Archiv der Kreisgemeinschaft Johannisburg e.V. - <strong>Johannisburger</strong> <strong>Heimatbrief</strong> 1976<br />
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