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BLICKWECHSEL 2019

Journal für deutsche Kultur und Geschichte im östlichen Europa. Ausgabe 7 mit dem Schwerpunktthema »Grenzenlos regional. Landschaft und Identität im östlichen Europa«

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IM STETTINER ZIPFEL<br />

Begegnungen und Erkundungen entlang<br />

der deutsch-polnischen Grenze<br />

Das Pommersche Landesmuseum und die Kulturreferentin<br />

für Pommern und Ostbrandenburg haben in<br />

den letzten Jahren mit verschiedenen Formaten und<br />

Partnern das Zusammenleben der Einwohner entlang<br />

der deutsch-polnischen Grenze erkundet. In Zusammenarbeit<br />

mit dem Theaterzentrum Kana aus Stettin/<br />

Szczecin, dem Kulturzentrum in Daber/Dobra, dem Heimatverein<br />

Pampow und anderen Einrichtungen fanden<br />

Begegnungen statt, aus denen spannende Geschichten<br />

und Bilder hervorgingen.<br />

Gunter Dehnert und Dorota Makrutzki<br />

Dorota Makrutzki ist Kulturreferentin für Pommern und Ostbrandenburg<br />

am Pommerschen Landesmuseum in Greifswald ( S. 56–58),<br />

Gunter Dehnert ist dort als Historiker tätig.<br />

Rittergut mit Glashütte<br />

In Stolzenburg/Stolec kann man heute noch das Schloss<br />

der bekannten pommerschen Adelsfamilie von Ramin, die<br />

dazugehörigen Wirtschaftsgebäude sowie die Parkanlage<br />

und die Dorfkirche mit einem aufwendig gestalteten Obelisken<br />

für Jürgen Berndt von Ramin (1693–1775) sehen. Das<br />

Schloss war bis 1991 der westlichste Stützpunkt der polnischen<br />

Grenzschutzarmee, bis 2003 nutzte es der polnische<br />

Grenzschutz. Die Staatsgrenze verläuft quer durch den ehemaligen<br />

Gutsbezirk, mitten durch den Schlosssee. Ein Feldweg<br />

führt über die grüne Grenze von Stolec nach Pampow.<br />

Die Produktionsstätten des »Waldglases« befanden sich in<br />

großen Waldgebieten, um die Versorgung mit Holzkohle und<br />

Pottasche zu sichern. Bestandstandteile der Quarzsande verursachten<br />

die grünliche Färbung. Foto: Piotr Nykowski<br />

Deutsch-polnische Gespräche über das Leben an der Grenze<br />

im Ballhaus Pampow, Juni 2018, Foto: Judith Ferreras<br />

Die Verbindung zur Stolzenburger Glashütte ist durch die<br />

Trasse der ehemaligen Bahnverbindung zwischen dem Gut<br />

und der Produktionsstätte erkennbar.<br />

Wer sich auf diesem letzten Abschnitt des Oder-Neiße-<br />

Radweges noch ein bisschen Zeit nehmen kann, sollte in<br />

der Heimatstube Glashütte vorbeischauen. Schwarz-Weiß-<br />

Bilder der Glasarbeiter und eine reiche Objektsammlung<br />

erzählen Geschichten aus der Blütezeit der Glasproduktion<br />

in Pommern. Marion Petri betreut die Heimatstube und<br />

berichtet spannende Details aus der Vergangenheit dieser<br />

ältesten Glashütte in der Region.<br />

Heimatstube Glashütte, Lindenstraße 22a,<br />

17321 Rothenklempenow, OT Glashütte,<br />

Telefon: +49 39744 50906<br />

Spiegel mit Kehrseite<br />

Entlang der deutsch-polnischen Nachkriegsgrenze stellt<br />

der sogenannte Stettiner Zipfel eine Besonderheit dar. Erst<br />

nach Unterzeichnung des Potsdamer Protokolls festgelegt,<br />

folgt die Grenze hier nicht der Oder, sondern verläuft mitten<br />

durch den ehemaligen Kreis Randow, das natürliche<br />

Hinterland der Großstadt Stettin. Die historischen Verbindungen<br />

wurden hier vielleicht noch gewaltsamer gekappt<br />

als anderswo. Dennoch ermöglichte die Landgrenze schon<br />

vor der Wende nachbarschaftliche Begegnungen zwischen<br />

Polen und Deutschen. Die wechselhafte, von politischen<br />

Konjunkturen abhängige Situation der Einwohner lässt sich<br />

aus deren Erzählungen gut rekonstruieren.<br />

So lernten sich die Nachbarn im Zuge der behutsamen<br />

Grenzöffnung in den 1970er Jahren beim Tanz oder auf der<br />

Arbeit kennen. Für manche, wie für Teresa, wurde daraus<br />

eine Beziehung fürs Leben: »Ich habe einen deutschen Mann<br />

aus Blankensee geheiratet«, sagt sie. »Später habe ich noch<br />

weitere Paare zusammengebracht. In Blankensee lebe ich<br />

bis heute.« Besonders hart traf sie die Grenzschließung nach<br />

dem Erstarken der Solidarność. Nun musste sie ein Visum<br />

beantragen, um ihre Mutter im benachbarten Böck/Buk zu<br />

besuchen.<br />

»Die Polen haben über den Grenzstreifen Spiegel zu uns<br />

geworfen!« – Mit diesem Satz beginnt Regina ihre zunächst<br />

kurios klingende Erzählung und sorgt für Unglauben: »Die<br />

kleinen, runden Plastikspiegel gab es bei uns nicht. Sie waren<br />

gerade so groß und schwer, dass man sie problemlos über<br />

den gerodeten Grenzstreifen werfen konnte. Und auf der<br />

Rückseite gab es ausgeschnittene Bilder mit Schauspielern<br />

oder Schauspielerinnen aus dem Westen.«

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