Christkatholisch 2019-08
Ausgabe 2019-08
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4 Hintergrund<br />
<strong>Christkatholisch</strong> 8/<strong>2019</strong><br />
die idealtypische Erfüllung eines kosmischen<br />
Prinzips der Vereinigung<br />
von männlich und weiblich? Ist es<br />
eine anerkannte Form gelebter Sexualität?<br />
Ist es die von zwei Menschen<br />
gewollte Beziehung? Ist es die Möglichkeit<br />
der Fortpflanzung? Ist es die<br />
Liebe zwischen zwei Menschen, die<br />
diese möglicherweise als Geschenk<br />
Gottes empfinden?<br />
Zum Schluss ein Ja-Wort<br />
Die zivilrechtliche Ehe für alle ist aus<br />
Sicht des Verfassers im Blick auf die<br />
drei genannten Aspekte von der<br />
schöpfungsgemässen Menschlichkeit<br />
und ersehnten, allgemeinen Gottes-<br />
Kindschaft jedes Menschen, von<br />
Jesuanischer Gerechtigkeit und von<br />
anerkennender statt umerziehender<br />
Gesetzgebung auch für Christinnen<br />
und Christen sowie Kirchen mindestens<br />
vertretbar, wenn nicht sogar<br />
wünschenswert.<br />
Die zivilrechtliche Ehe für alle bedingt<br />
nicht automatisch ein Ehesakrament<br />
für alle. Die Kirchen und<br />
auch andere Religionsgemeinschaften<br />
sind aber herausgefordert, ihre eigene<br />
Ehepraxis zu überdenken. Aus den<br />
eben genannten Gründen für eine zivilrechtliche<br />
Ehe für alle sowie der<br />
Ansicht, dass sowohl die zivilrechtlich<br />
als auch die sakramentale Ehe<br />
letztlich im Dienst des Menschen stehen<br />
müssen, und schliesslich weil<br />
eine Religionsgemeinschaft selbst bestimmen<br />
kann, wen sie zu ihrem Eheritual<br />
zulässt und wen nicht, steht aus<br />
Sicht des Verfassers auch einem Ehesakrament<br />
für alle nichts im Wege.<br />
Pfarrer Lenz Kirchhofer<br />
Die <strong>Christkatholisch</strong>e Kirche und die Homosexualität<br />
Auf der Session in Aarau im Jahr 2006 nahm die Synode der <strong>Christkatholisch</strong>en<br />
Kirche der Schweiz einen Kommissionsbericht entgegen, der zwei<br />
wichtige Aussagen über Homosexualität enthielt. Zum einen legte er nahe,<br />
dass im Grunde nichts dagegen spricht, dass homosexuelle Menschen ein<br />
geistliches Amt bekleiden. Zum anderen berichtete er von einem Segnungsritus<br />
für gleichgeschlechtliche Paare, der fortan zur Erprobung in der<br />
<strong>Christkatholisch</strong>en Kirche zur Verfügung stand.<br />
Im Jahr 2018 erhielt das Thema Homosexualität in der christkatholischen Kirche<br />
neue Aufmerksamkeit. Auf der Synodesession in Basel kam es im selben<br />
Jahr zu einem Antrag, der von der Synode forderte, Stellung zur im Schweizerischen<br />
Parlament hängigen Initiative «Ehe für alle» zu beziehen. Noch im<br />
selben Jahr eröffnete die Internationale Altkatholische Bischofskonferenz offiziell<br />
einen breit angelegten Prozess, in dem die Frage nach der «Ehe für alle»<br />
diskutiert werden soll. Im Hintergrund steht die in Einführung der «Ehe für<br />
alle» in verschiedenen europäischen Staaten, zuletzt Deutschland im Jahr<br />
2017, und die daraus entbrannte Diskussion über ein «Ehesakrament für alle».<br />
Im Alt-Katholischen Bistumsverlag ist zum Thema das folgende Buch erschienen:<br />
«Mit dem Segen der Kirche. Die Segnung gleichgeschlechtlicher<br />
Paare in der theologischen Diskussion.»<br />
Reihe: Theologie studieren Nr. 4<br />
Theologie, Versöhnung und Maria<br />
Der anglikanische Theologe Rowan<br />
Williams sagte kürzlich, es sei die<br />
Aufgabe der Theologie, das Leben<br />
der Kirche auf eine intelligente Art<br />
und Weise immer wieder an das<br />
Evangelium rückzubinden. Diese<br />
Aussage ist ebenso einfach wie anspruchsvoll<br />
und vielseitig. Diese<br />
Rückbindung kann ethisch sein<br />
(etwa als ein Leben geprägt von der<br />
Nächstenliebe), sie kann aber auch<br />
spirituell (als ein Leben des Gebets)<br />
oder bezeugend sein (indem man<br />
sich stark macht für Recht und Gerechtigkeit<br />
in Kirche und Welt). Im<br />
besten Fall spielen diese drei Dimensionen<br />
des Dienens, des Feierns und<br />
des Bezeugens in der Gemeinschaft<br />
der Kirche immer eine Rolle. Was<br />
heisst das nun, insbesondere für die<br />
Systematische Theologie? Welche<br />
Rolle kann sie bei der Umsetzung<br />
dieses Anliegens spielen? Und wie<br />
spielt sie in der Theologie an der Berner<br />
Fakultät eine Rolle?<br />
In der Systematischen Theologie, wie<br />
ich sie vertrete, steht die Frage nach<br />
Gemeinschaft und Verbindung im<br />
Zentrum. Das heisst: Verbindung<br />
zwischen Gläubigen und Kirche im<br />
Heute, Verbindung zwischen Kirche<br />
und Gesellschaft und Verbindung mit<br />
und durch die Quellen des Glaubens,<br />
das heisst, mit Bibel und Tradition.<br />
Das ist anspruchsvoll – doch mit weniger<br />
kann man sich nicht zufriedengeben.<br />
Eine Kirche soll ja verbinden,<br />
weil sie ein Zeichen der versöhnenden<br />
Liebe Gottes ist. Weil dies so ist, muss<br />
die Theologie sich auch der Herausforderung<br />
stellen, über Themen, Verhältnisse<br />
und Geschehnisse nachzudenken,<br />
die trennend oder einfach fremd<br />
sind. Das gehört zur ökumenischen<br />
Aufgabe der Theologie.