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obacht Familienmagazin Juni/Juli 2019

Obacht, hier ist schon die nächste Ausgabe! Juni/Juli 2019: Zeit - Hab ich nicht, Schreiben - Tinte oder Tablet, Baby - Wenn ich doch nur in die Zukunft schauen könnte. Außerdem Kulturtermine, Nachrichten aus der Region, Buchtipps, Kinderkinoprogramm, Kindergeburtstag, Mitmachseite, großer Familienterminkalender und ein spannendes Gewinnspiel.

Obacht, hier ist schon die nächste Ausgabe! Juni/Juli 2019: Zeit - Hab ich nicht, Schreiben - Tinte oder Tablet, Baby - Wenn ich doch nur in die Zukunft schauen könnte. Außerdem Kulturtermine, Nachrichten aus der Region, Buchtipps, Kinderkinoprogramm, Kindergeburtstag, Mitmachseite, großer Familienterminkalender und ein spannendes Gewinnspiel.

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Schreiben<br />

von Corinna Raupach<br />

ZWISCHEN TINTE UND TABLET<br />

Eine Ausstellung im Friedrichshafener<br />

Schulmuseum widmet sich dem Spannungsfeld<br />

von Handschrift und Digitalisierung.<br />

Müssen Schüler heute noch<br />

schreiben lernen?<br />

Die Klasse 1 b der Grundschule Friedrichshafen-Fischbach<br />

lernt das „d“. Hochkonzentriert<br />

sitzen die Jungen und Mädchen<br />

an ihren Tischen und schreiben. Wer mit<br />

„D“, „d“, „du“ und „Dino“ fertig ist, darf das<br />

aufgedruckte Krokodil ausmalen und sich<br />

in die Leseecke setzen – Druckschrift lesen<br />

und schreiben können sie schon. Jetzt ist<br />

Schreibschrift an der Reihe, wegen der<br />

Schnörkel heißt sie in der 1 b „Schneckenschrift“.<br />

„Schreiben macht Spaß“, sagt<br />

Lieselotta. Sie hat schon eigene Geschichten<br />

geschrieben. „Ich male ein Bild und<br />

schreibe die Geschichte dazu auf“, sagt sie.<br />

Jakob möchte Briefe an Freunde verfassen.<br />

Caroline ist stolz, dass sie ihren Namen in<br />

Schreibschrift schreiben kann. „Der hat<br />

viele Buchstaben, die haben wir noch gar<br />

nicht alle gehabt“, sagt sie. „Es ist nicht<br />

schwierig, schreiben zu lernen, es ist toll“,<br />

sagt David.<br />

Schreiben als Kulturtechnik<br />

Klassenlehrerin <strong>Juli</strong>a Köb geht das Lernen<br />

ganzheitlich an. Im Klassenzimmer hängen<br />

Buchstabenbilder, in einem Regal stehen<br />

Schalen mit Sand, in den die Kinder die<br />

Lettern malen. „Die ersten Buchstaben<br />

haben wir noch geknetet, das brauchen die<br />

Kinder jetzt nicht mehr“, sagt Köb.<br />

Stattdessen bringt sie ihnen spielerisch<br />

erste Rechtschreibregeln bei. Schreibschrift<br />

unterrichtet sie aus Überzeugung, nicht<br />

nur, weil das – anders als in Hamburg,<br />

Thüringen und im Pisa-Musterland<br />

Finnland - auf dem Lehrplan steht. „Es<br />

geht einfach viel schneller“, sagt sie.<br />

Ihre Chefin, Schulleiterin Christine<br />

Waggershauser, lässt an ihrer Schule die<br />

lateinische Ausgangsschrift erlernen. „Die<br />

Kinder lernen damit nicht nur schreiben, sie<br />

tun viel für ihre Konzentrationsfähigkeit,<br />

Feinmotorik und Hand-Auge-Koordination“,<br />

sagt sie. Ihrer Erfahrung nach sind Grundschüler<br />

nicht nur in der 1 b hochmotiviert.<br />

Spätestens in der vierten Klasse sollten alle<br />

eine persönliche, flüssige und gut leserliche<br />

Handschrift entwickelt haben – in elf Jahren<br />

als Schulleiterin hat sie es nur zweimal<br />

erlebt, dass Kinder daran scheiterten.<br />

„Schreibschrift ist wie Stenografie oder<br />

Notenlesen eine Kulturtechnik, die nicht<br />

verloren gehen sollte“, sagt Waggershauser.<br />

Handschrift so überflüssig wie<br />

Rauchzeichen<br />

Gegenwind bekommt sie von Autoren wie<br />

Anne Trubeck, College-Professorin aus<br />

Ohio. Sie hält diese Kulturtechnik für<br />

überholt: „Wir sollten sie auf den Müllhaufen<br />

der Geschichte werfen und nicht mehr<br />

unsere Kinder drangsalieren“ schreibt sie<br />

in der Neuen Züricher Zeitung. Seit die<br />

Sumerer Schulen für Keilschrift gründeten,<br />

habe sich die Art, Dinge niederzulegen<br />

immer wieder gewandelt. „Die Handschrift<br />

ist nur ein winziger Funke in der Geschichte<br />

des Schreibens, und es ist Zeit, diese<br />

unnatürliche Art, Buchstaben zu formen,<br />

endlich abzuschaffen wie zuvor die<br />

Tontafeln, die Rauchzeichen und andere<br />

obskure Techniken“, schreibt Trubeck.<br />

Ihrer Ansicht nach geht Tippen nicht nur<br />

schneller und lässt mehr Raum für eigenes<br />

Denken, sondern hat einen demokratisierenden<br />

Effekt, da es das Erscheinungsbild der<br />

Texte vereinheitliche und den Ausdruck<br />

von Ideen in den Mittelpunkt rücke.<br />

Der deutsche Verband für Bildung und<br />

Erziehung (VBE) hält dagegen: „Studien<br />

zeigen, dass beim Handschreiben deutlich<br />

mehr Gehirnregionen aktiviert werden als<br />

beim Tippen auf digitalen Endgeräten.<br />

Selbst wenn im Erwachsenenalter vorrangig<br />

auf digitalen Endgeräten getippt wird, hat<br />

das Erlernen der grundsätzlichen feinmotorischen<br />

Fähigkeit, mit der Hand zu<br />

schreiben, also Vorteile für jedes einzelne<br />

Kind“, sagt VBE Bundesvorsitzender Udo<br />

Beckmann.<br />

Leistungssport für zwölf<br />

Hirnareale<br />

Handschriftliche Bewegungen aktivieren<br />

zwölf Hirnareale - das Denkorgan treibt<br />

Leistungssport. Das gemeinnützige<br />

Schreibmotorik Institut in Heroldsberg bei<br />

Nürnberg befasst sich mit Schreibmotorik<br />

und Schreibergonomie. „Handschreiben<br />

fördert die Merkfähigkeit, das inhaltliche<br />

Verständnis und die Kreativität – kurz: es<br />

macht schlauer“, fasst Leiterin Marianela<br />

Diaz Meyer zusammen. Sie erklärt, warum<br />

das Schreiben mit der Hand beim Lernen<br />

nicht durch das Tippen am Computer zu<br />

ersetzen ist: „Von Hand zu schreiben<br />

bedeutet, dass wir charakteristische<br />

Buchstabenformen schreiben. Der damit<br />

verbundene Bewegungsablauf wird im<br />

Gehirn verarbeitet, was wiederum das<br />

Schreiben- und Lesenlernen unterstützt.<br />

Beim Tippen handelt es sich dagegen<br />

immer um die gleiche Bewegung, egal ob<br />

ich ein A, ein S oder ein B drücke.“<br />

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