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DAV Panorama 3/2019

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<strong>DAV</strong>-Jubiläum: Alpinismus als Kultur<br />

Dem unbedarften Betrachter mag der Bergsport als primäre<br />

Aufgabe des Alpenvereins erscheinen. Kultur ist seine Vorbedingung<br />

und sein Forum. Die alpine Forschung erkundet Landschaft,<br />

Gletscher, Wetter, Bergmedizin, stellt Karten, Führer und elektronische<br />

Information zur Planung der Aktivität bereit. Hinterher<br />

berichten die Akteure in Zeitschriften, Büchern, sozialen Medien<br />

oder Vorträgen, mehren damit das Wissen – und regen an zu weiterem<br />

Tun, aber auch zum Austausch über Stil, Ethik und Werte,<br />

nicht zuletzt in puncto Umgang mit Natur und Menschen.<br />

Bergsport lebt von der elementaren „Naturerfahrung“: Am Berg<br />

wird der Mensch zurückgeworfen auf seinen animalischen Kern,<br />

am deutlichsten in Bewährungssituationen, Anstrengung, Notlagen.<br />

Kultur ist das Gegengewicht dazu – der erlernte Umgang mit<br />

der Gefahr, die Reflexion und geistige Sublimierung des Erlebten<br />

und das „Rüberbringen“ der intensiven Emotionen. Und in ihrem<br />

Auftrag, nicht nur zu forschen und dokumentieren, sondern auch<br />

zu vermitteln und zu diskutieren, hat sie eine gemeinschaftsbildende<br />

Aufgabe für das Animal sociale Mensch.<br />

ALPINISMUS: KULTUR, NICHT NUR BERGSPORT<br />

Der <strong>DAV</strong> hat den Begriff „Alpinismus“ nie primär als die Extremund<br />

Reinform des Bergsteigens gesehen, wie er oft verstanden wird;<br />

eher wurde einst der Bergsport als „ausübender Alpinismus“ bezeichnet.<br />

Im <strong>DAV</strong>-Leitbild ist „Alpinismus“ heute übergreifend definiert<br />

als „sämtliche Aktivitäten, die im Zusammenhang mit dem<br />

Besteigen, Erleben, Erkunden, Darstellen und Bewahren der Berge<br />

und Bergregionen stehen“. So wird der„Alpinismus“ selbst zur Kultur<br />

– erblühend auf dem Erlebnisfeld der Natur.<br />

Seine kulturelle Aufgabe definiert der Verein heute so: „Der <strong>DAV</strong><br />

setzt sich mit der Geschichte, der Kultur und aktuellen Themen<br />

des Alpinismus auseinander. Er dokumentiert diese, bereitet sie<br />

auf und bringt sie in die öffentliche Diskussion ein.“ Diese geistige<br />

Verarbeitung hat die „alpine Tat“ seit jeher begleitet, schon vor<br />

Gründung der alpinen Vereine. Und immer fand beides auf dem<br />

Hintergrund des Zeitgeistes statt, immer spiegelte die alpine Kultur<br />

das alpine Tun und gleichzeitig die Kultur der Gesellschaft.<br />

Verschiedene kulturbedingte Antriebe prägen die Marksteine<br />

der alpinistischen Frühgeschichte. Francesco Petrarca pflegte 1336<br />

auf dem Mont Ventoux die Selbstbetrachtung des Individuums<br />

an der Schwelle zur Renaissance. 1555 verband Conrad Gessner am<br />

MENSCHEN<br />

Theodor Trautwein (19.12.1833 - 2.7.1894)<br />

Der Buchhändler und Führerautor war einer der vier Gründerväter<br />

des <strong>DAV</strong> und langjähriger Redakteur der „Zeitschrift“<br />

und der „Mitteilungen“. In der ersten<br />

Zeitschrift skizzierte er die kulturelle<br />

Aufgabe des Vereins: „Der Deutsche<br />

Alpenverein solle alle Verehrer der erhabenen<br />

Alpenwelt in sich vereinigen,<br />

… mag sie ernste Forschung … [an-]<br />

treiben, mögen sie … nur offenen Sinn<br />

mitbringen für die unvergesslichen<br />

Eindrücke der Hochgebirgsnatur. Für<br />

sie alle soll der Deutsche Alpenverein<br />

das gemeinsame Band sein; er soll durch Wort und Schrift die<br />

Resultate der Forschung allgemein verbreiten, jene Eindrücke<br />

bleibend fixiren, zu neuer Thätigkeit anregen. Überall wo sich<br />

Alpenfreunde finden, soll ein Mittelpunkt für diese geschaffen<br />

werden.“<br />

Hermine Tauscher-Geduly (19. Jh. - 24.11.1923)<br />

Die Alpinistin aus Pressburg (Bratislava) bestieg über 140<br />

Hochgipfel, unter anderem Dent Blanche, Finsteraarhorn und<br />

Piz Bernina, war die erste Frau auf dem Hochjoch-Anstieg zum<br />

Ortler und auf der Pala di San Martino und Ehrenmitglied der<br />

SAC-Section Rhätia. Sie veröffentlichte<br />

als erste Frau Beiträge in der DuOeAV-<br />

Zeitschrift und beim SAC und ÖAK.<br />

Wirklich großen Einfluss auf die „Kultur“<br />

des Vereins und des Alpinismus<br />

hatten aber weder sie noch andere<br />

Frauen – ob der <strong>DAV</strong> unter mehr weiblicher<br />

Lenkung andere Wege gegangen<br />

wäre, bleibt eine interessante hypothetische<br />

Frage.<br />

Fotos: <strong>DAV</strong>-Archiv<br />

24 <strong>DAV</strong> 3/<strong>2019</strong>

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