BAUEN & BASTELN BAUEN &BASTELN Die jungen Landschaftsarchitekten Sebastian Sowa und GianlucaToriniarbeiten daran, Freiräume zu erschaffen, die Landschaft und Poesie zusamme Das Wort Vers kommt eigentlich aus dem Ackerbau, es bezeichnet das Wenden des Pfluges. Im Gedicht werden die Zeilen auch nicht zu Ende geschrieben, man wendet den Pflug schon vorher. Darum ist Poesie eine Art von Verkürzung, Verknappung oder Verdichtung – und genau das macht auch gute Entwürfe aus. Es geht darum, konzeptionell klar zu arbeiten und eine starke Idee zu fokussieren. Ein poetischer Ort hat deshalb etwas Strenges und Genaues, aber auch Leichtes und Warmes. Im Garten selbst entsteht dann Poesie aus den dichten Atmosphären, die man aus Pflanzen, Steinen, Licht und Duft entwickelt. Dem Ruhrgebiet fehlt Mut. Einfach mal etwas wagen, ausprobieren, testen. Dabei will die Region doch eine so moderne Metropole sein, da braucht es statttt altbackener Ideen definitiv mehr Wagnisse. Leider fehlt es aber auch an Investitionen in das, was schon da ist: Letztens bin ich an den Grummer Teichen in Bochum vorbeigeradelt und war begeistert: teils parkig, teils urwüchsig, echt wunderschön – aber vieles in einem desolaten Zustand. Auch den kleinen, vielleicht unscheinbaren Orten gebührt gestalterische Aufmerksamkeit. Das Konzept heißt ‚Ausgangspunkte‘. Ein Raster aus neonfarbigen Holzblöcken, die skulptural auf der Wiese verteilt sind, bildet diese Ausgangspunkte. Sie sind eigentlich nur Fundamente, auf denen aufgebaut werden kann, etwa Bänke oder Hochbeete. Was daraus wird, entscheiden die Anwohner des Viertel mit den Leuten von der Ko-Fabrik zusammen. Unser Ziel war es, eine Initialzündung zu geben. Indem er drei Schlagwörtern folgt: Neugier, Mut und Geduld. Man muss neugierig selber auf die Suche gehen nach dem, was gefällt und nicht den ausgetretenen Pfaden im Gartencenter folgen. Dann braucht man den Mut, sich aus den immer reichlich vorhandenen Ideen für eine einzige zu entscheiden, etwa den einzelnen großen Baum auf weiter Wiese. Schließlich ist Geduld nötig, auf den Garten zu warten. Denn er kommt von ganz allein. Ja! Die Hummel funktioniert bei uns als Metapher. In ihrer unmöglichen Figur mit ihrem friedfertigen Wesen und tiefen Brummen ist sie Sinnbild für die überraschende Schönheit der Natur. Sie ist eigentlich unmöglich, aber trotzdem da. Wer echten Hummeln etwas Gutes tun will, sollte übrigens möglichst großflächige Pflanzungen von Arten anbauen, die Hummeln nähren und die zu unterschiedlichen Jahreszeiten blühen. sowatorini.de Dazu ein Zitat vom berühmten Gärtner Karl Foerster: ‚Ein Garten ohne Rittersporn ist ein Irrtum.‘ Für mehr Spielraum würde ich hinzufügen: Ein Garten ohne Frühjahrsblüher und Herbstfarben ist ein Irrtum. 4 Um es fußballerisch zu sagen: Der private Garten spielt sehr defensiv, hat eine starke Deckung und nur sehr vereinzelte Offensivaktionen. Der Rückzug ins Idyll ist das große Thema. Der öffentliche hingegen spielt nach vorne, ist offensiv stark und sehr präsent. Für die Verteidigung, die man ja nie vernachlässigen darf, bietet er kleine, nischige Rückzugsorte. Der Garten ist eine Antithese zum Zeitgeist – und erlebt deswegen aktuell eine unglaubliche Renaissance. In unserer schnellen, digitalen Welt scheinen wir etwas zu vermissen, was der Garten mit seinem Natürlichen, Verwurzelten und langsam Verändernden uns zurückbringt. Er ist ein Gegengewicht, das uns in Balance bringt. 40 Fotos: HG.: SOWATORINI Landschaft; u.r.: Alexander Luna
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